Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Dann ist die spannende Frage: Was wird höher vergütet? Wenn ich den Gesundheitszustand ändere oder wenn ich etwas ändere, was potentiell langfristig den Gesundheitszustand verbessern kann?

00: 00:10: Musik.

00: 00:12: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:24: Seit dem vergangenem Herbst gibt es in Deutschland die ersten Apps auf Rezept, sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen, kurz: DiGa. Ärzte/innen und Psychotherapeuten/innen können die digitalen Helfer verschreiben bei Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen. Die Krankenkassen übernehmen dann die Kosten. Bisher sind elf solcher Anwendungen zugelassen, davon sieben vorläufig. Wie man die Wirkung von Gesundheitsapps messen kann und was das für die Preisgestaltung bedeutet, darüber spreche ich jetzt mit Dr. Simon Reif. Er leitet seit Januar die Projektgruppe „Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik“ am ZEW Mannheim und er forscht zur Vergütung von Gesundheitsleistungen, insbesondere auch Gesundheitsapps. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich willkommen. Hallo Simon.

00: 01:10: Hallo Carola.

00: 01:12: Digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept. Warum gibt es das jetzt? Was ist die Idee dahinter?

00: 01:19: Die Idee dahinter ist, dass es sehr viele Innovationen gibt, die zum Beispiel auf einem Smartphone die Behandlung erleichtern können. Und unser Ziel ist es ja im Gesundheitssystem, Krankheiten vorzubeugen und Menschen gesund zu machen. Und wenn es Möglichkeiten gibt, das mit einer Smartphone-App zu machen, dann macht es natürlich Sinn, dass das auch für Patientinnen und Patienten verfügbar gemacht wird. Und Deutschland ist jetzt da einen sehr innovativen Weg gegangen, indem es tatsächlich einen Weg gibt, wo Hersteller von solchen Anwendungen in die Regelversorgung kommen können. Das gibt es in anderen Ländern bis jetzt so noch nicht.

00: 02:02: Und für welche Situationen sind solche Apps gedacht? Welche Funktionen können die dann übernehmen?

00: 02:08: Erstmal muss es einfach nur irgendwas für die Patientinnen und Patienten bringen. Und das ist auch ein bisschen ein Novum, was hier gefordert wird. Es geht nämlich nicht nur darum, einfach den Gesundheitszustand zu verbessern. Das ist auch fein. Wenn man das mit einer App schafft, dann hat man eine hohe Chance zugelassen zu werden. Es spielen aber auch andere Sachen eine Rolle, die für Patientinnen und Patienten wichtig sind, also zum Beispiel den Aufwand in der Behandlung zu reduzieren oder die Adhärenz zu Medikamenten zu steigern. Auch wenn man solche Sachen durch eine App erreicht, kann man da in den Markt kommen.

00: 02:51: Adhärenz bedeutet zum Beispiel, die App erinnert mich, dass ich jetzt mein Medikament nehmen muss, und dann mach ich das regelmäßiger als sonst.

00: „Wirtschaft · Forschung · Debatten“

00: 02:58: Das ist insbesondere bei chronischen Krankheiten oft ein Problem, dass die Leute vergessen – sei es absichtlich oder weil sie eigentlich keine Lust haben, die Medikamente zu nehmen – ihre Medikamente zu nehmen. Genau da ist es wichtig, dass die regelmäßig und genauso wie vorgegeben eingenommen werden. Und wenn es da verhaltenswissenschaftliche Methoden gibt – eine Erinnerung wäre jetzt die Banalste, aber da gibt es auch ganz witzige andere Ansätze –, was dazu führt, dass die Leute einfach die Medikation so nehmen, wie das vorgesehen ist, und es den Leuten dadurch besser geht, dann ist das ja eigentlich eine sehr coole Sache.

00: 03:37: Und zu diesen Apps auf Rezept zählen da zum Beispiel auch Fitness-Apps, die mir helfen, meinen Alltag agiler zu gestalten?

00: 03:47: Naja, so ein agil gestalteter Alltag ist ja noch kein Ziel des Gesundheitswesens. Ich glaube, was du im Hinterkopf hast, wären so Präventionssachen. Wir wissen natürlich, dass sich viele Erkrankungen irgendwie vermeiden oder hinauszögern lassen, wenn man bestimmte Sachen in seinem Leben macht oder nicht macht, also sich viel bewegt und wenig rauchen wäre wahrscheinlich eine sehr gute Sache – das ist jetzt bei diesen sogenannten DiGas noch nicht berücksichtigt. Das heißt also es muss ein ICD-10-Code, also so ein Code für die Krankheit vorliegen, damit so eine App verschrieben werden kann. Prävention spielt aber natürlich trotzdem eine wichtige Rolle. Zum Beispiel was Krankenkassen schon jetzt machen können, ist über sogenannte Selektivverträge, den Versicherten Apps zum Beispiel zur Prävention zur Verfügung zu stellen. Das läuft dann außerhalb dieses DiGa-, Digitale Gesundheitsanwendungen, Rahmens, aber das wird breit gemacht. Die Kassen haben ja den Anreiz, gesunde Versicherte zu haben, und deswegen gibt es solche Sachen natürlich auch jetzt schon.

00: 05:03: Im Kontext von Corona ging es auch immer mal wieder um Telemedizin. Ist das auch Teil von DiGas oder ist das auch noch einmal etwas anderes?

00: 05:15: Ne, ich würde sagen DiGas sind ein Teil der Telemedizin. Ich steig nicht durch, was jetzt genau E-Health, M-Health, Telemedizin, also Digital-Health, wo jetzt da genau welche Grenzen gezogen werden. Da gibt es irgendwie viele Leute, die gerne Definitionen schreiben. Eigentlich ist ja Wurscht. Es geht ja darum: Wie kann ich irgendwie was machen, was Patientinnen und Patienten hilft? Und zum Beispiel zu Corona-Zeiten, die wir ja immer noch unangenehmerweise haben, ist ja eine Sache, dass ich ungern mich unter Leute begebe, zum Beispiel: Muss ich denn jetzt wegen einer Messung von irgendwie Blutdruck oder so unbedingt zum Arzt gehen? Und das sind Sachen, die sich zum Beispiel durch Apps vermeiden lassen. Es gibt auch Ansätze. Also es gibt zum Beispiel Apps, die man kombiniert mit irgendwelchen Wearables, die medizinische Parameter erfassen. Und das auch wieder insbesondere bei chronischen Erkrankungen – also Diabetes ist jetzt der Klassiker, wo man halt irgendwie regelmäßig seinen Blutzucker misst, aber auch Herzinsuffizienz, wo man irgendwie regelmäßig Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung messen sollte. Das sind Sachen, die lassen sich eigentlich zu Hause machen und wenn man dann ein Smartphone hat mit einer App, die die Daten dann auch gleich an die Ärztin weiterleitet, dann kann man sich so manchen unnötigen Besuch in der Arztpraxis ersparen.

00: 06:57: Das ist ja wirklich ein Vorteil jetzt gerade, aber wird bestimmt in Zukunft auch noch wichtiger.

00: 07:03: Also ich mein klar, jetzt ist einfach so ein Vorteil, weil wir aus Ansteckungsgefahr nicht in die Arztpraxen wollen, aber es macht natürlich auch Sinn zum Beispiel im ländlichen Raum, wenn ich einfach einen weiten Weg habe zu der Arztpraxis, dann spare ich natürlich enorm Zeit. Wir sparen auch die Arzt-Ressourcen. Also wenn die Ärztin halt einfach nur schnell in eine Datenbank schaut, wie waren denn von den Patient/innen die Werte im Idealfall mit einen schlauen Algorithmus, der sich vorher überlegt, sind die Werte auffällig oder nicht. Dass man nur bei kritischen Fällen dann auch wirklich das medizinische Know-how hinzuzieht, das entscheidet, brauch es eine weitere Behandlung oder nicht. Da lassen sich enorm Ressourcen sparen und es gleichzeitig für die Patientinnen und Patienten einfacher machen.

00: 07:52: Jetzt können seit Ende Mai 2020 Hersteller beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beantragen, dass ihre Gesundheits-App ins DiGa-Verzeichnis aufgenommen wird und damit auch verschrieben werden kann. Wie läuft denn die Zulassung von so einer DiGa ab?

00: 08:10: Also der Prozess im Schaubild ist total einfach. Du bist Herstellerin, hast eine großartige Idee, dann schreibst du zusammen, warum deine App großartig ist, lässt sie als Medizinprodukt zulassen und gehst zum Bundesamt für Arzneimittel, das dafür zuständig ist. Die prüfen das, sagen: Klingt solide. Und dann wirst du vorläufig aufgenommen. Dann hast du ein Jahr Zeit zu zeigen, dass das wirklich etwas bringt, was du da vorhast, also eine Studie durchzuführen. Und dann wird nach einem Jahr geschaut, ob diese Studie denn auch wirklich gezeigt hat, dass du einen sogenannten positiven Versorgungseffekt bewirkst mit deiner App. Der tatsächliche Prozess ist dann schon ein bisschen langwieriger. Also man brauch eigentlich schon mal so eine kleine Vorstudie, um zeigen zu können, dass das überhaupt halbwegs plausibel ist, was du vorhast. Und auch die formalen Voraussetzungen im Hinblick zum Beispiel auf Datensicherheit, Datenschutz sind schon sehr hoch. Also ich arbeite auch mit Startups zusammen, die versuchen in diesen Markt zu kommen. Die stöhnen da natürlich. Ich einerseits als potentieller Patient und als Wissenschaftler, der so ein bisschen auch den größeren Blick einnimmt, finde das eigentlich ganz gut. Also wir gehen hier mit sehr heiklen Gesundheitsdaten um. Es ist viel Geld, was da potentiell auch ausgegeben werden kann für diese digitalen Innovationen. Da finde ich es eigentlich schon ganz gut, dass da darauf geschaut wird, ob das alles passt.

00: 09:53: Du hast jetzt diese positiven Versorgungseffekte erwähnt. Was kann man sich darunter genauer vorstellen?

00: 10:00: Laut dem digitalen Versorgungsgesetz, das diese DiGas regelt, ist ein positiver Versorgungseffekt alles, was gut für Patientinnen und Patienten ist. Und das ist so definiert: Es gibt einmal den medizinischen Nutzen, darunter kann sich glaub ich jeder etwas vorstellen. Also du wirst schneller gesund, du stirbst später, die Klassiker, die wir auch kennen aus der Arzneimittelforschung, also das, was Medikamente ja häufig auch bewirken. Und das Neue ist eben, dass es als positive Versorgungseffekte auch sogenannte Struktur- und Verfahrensverbesserungen gibt. Dahinter verbirgt sich einfach die Idee, dass Sachen, die jetzt direkt eine Auswirkung haben auf deinen Gesundheitszustand, trotzdem gut sein können. Das ist das, was wir vorhin hatten, zum Beispiel dass man die Adhärenz steigert oder die Aufwände, die man durch die Erkrankung hat, gesenkt werden oder einfach die Behandlung besser koordiniert wird. Das sind Sachen, wenn man die zeigen kann, dass die App die bewirkt, dann reicht das auch, um als DiGa zugelassen zu werden.

00: 11:13: Wenn man die zeigen kann. Ist das denn so leicht, das zu zeigen?

00: 11:17: Das ist total spannend, weil bis jetzt, wenn man sich auch diese elf DiGas anschaut, die bis jetzt zugelassen sind, die gehen eigentlich alle auf den medizinischen Nutzen ab. Wir wissen, wie man Gesundheitszustand misst. Also zumindest gibt es anerkannte wissenschaftliche Skalen, die eben sagen, dass sie den Gesundheitszustand messen. Wir wissen eigentlich gar nicht so richtig, wie wir viele dieser Struktur- und Verfahrensverbesserungen denn eigentlich messen sollen. Also klar, man könnte irgendwie fragen, wie oft muss jemand zum Arzt, und man schaut dann in die Kassendaten, wie viele verschiedene Kontakte irgendwo nötig waren. Aber das ist Neuland und zwar für alle. Also sowohl für die Hersteller, aber auch für die bei BfArM, die das Ganze prüfen. Das ist noch nicht wirklich raus, wie das funktionieren wird. Ich hoffe ein bisschen, dass die Hersteller da innovativer werden und das auch einmal probieren, weil eigentlich sind das sehr wichtige Punkte in der Gesundheitsversorgung. Also das hat ja dann doch mittelbar Auswirkung auf unser aller Wohlbefinden, wenn wir eine Erkrankung haben.

00: 12:30: Genau, also Beispiele für Verbesserungen sind auch Gesundheitskompetenz und Patientensouveränität. Das klingt so ein bisschen nach Empowerment für Patienten finde ich.

00: 12:41: Ja, das sind Sachen, von denen wir aus anderen Studien wissen, dass sie sich natürlich positiv auch wieder auf die Gesundheit auswirken. Also wenn du deiner Ärztin vertraust und dann auch den Empfehlungen, die sie hat, Folge leistest und zwar nicht, weil sie autoritär ist, sondern, weil sie dir vermitteln konnte, dass ihr eine gemeinsame Behandlungsentscheidung gefällt habt, dann wirst du viel wahrscheinlicher auch diesen Weg gehen, den ihr zusammen beschlossen habt, der am besten ist für deinen Krankheitsverlauf. Und genauso ist es mit Gesundheitskompetenz. Wenn du weißt, warum du diese rote Pille schlucken musst, dann wirst du die auch wahrscheinlicher schlucken. Nur bis jetzt gibt es nicht so richtig einen Anreiz, dass dir irgendjemand das ordentlich erklärt. Und das ist eigentlich schon eine sehr großartige Innovation, die hier bei den DiGas hier eben mit dabei ist, dass auch solche Sache als positiv, als wichtig, als vergütend – also es gibt da Geld für, wenn du das schaffst – angesehen werden.

00: 13:49: Für die meisten Apps gibt es ja regelmäßig Updates. Das wird bei DiGas wahrscheinlich so ähnlich sein. Muss man die Wirksamkeit dann auch jedes Mal neu überprüfen?

00: 14:00: Also jeder kennt das von allen Apps, die man auf seinem Handy hat oder Smartphone, wie die coolen Leute sagen. Es wird sehr wahrscheinlich auch bei irgendwelchen digitalen Gesundheitsapps, also zum Beispiel bei DiGas gibt es Updates. Das können Kleinigkeiten sein, das können aber auch natürlich, wenn ich jetzt ein Jahr lang Erfahrung habe wie meine Patientinnen und Patienten das ganze nutzen, dann kommen mir wahrscheinlich auch Ideen, wie ich das ganze weiterentwickeln kann, wie ich das besser machen kann. Und es ist noch ungewiss, wie damit umgegangen wird. Also zurzeit sind die Regeln eigentlich noch relativ strikt. Wenn du etwas Grundlegendes änderst, musst du noch einmal durch den gesamten Zulassungsprozess durch. Das ist jetzt nicht richtig innovationsfördernd von den Anreizen her. Die Frage ist, was ist denn jetzt am Ende genau so eine wesentliche Änderung? Aber das ist eine sehr spannende Frage. Das werden wir wahrscheinlich ungefähr in einem Jahr sehen, wie damit wirklich umgegangen wird. Das ist ja auch für die Vergütung eine total wichtige Frage. Also so wie das Modell bis jetzt ist, wird halt nach einem Jahr geschaut: Was bringt diese App? Welche positiven Versorgungseffekte gibt es? Und dann verhandeln die Hersteller mit den Kassen irgendeinen Preis dafür. Aber dieser Preis, der wie auch immer, auch das ist nicht so ganz klar, wie der auch immer zustande kommt, der spiegelt ja immer nur diesen ersten Zustand wider. Und vielleicht wird die App ja viel besser und dadurch wäre ein höherer Preis gerechtfertigt. Also ich bräuchte irgendwie eigentlich so eine dynamische Art den Preis, der von den Versicherungen gezahlt wird – und bis jetzt ist das nicht vorgesehen, aber so Anreiz-technisch wäre das natürlich sehr sinnvoll, dass es so eine dynamische Vergütung gäbe.

00: 16:02: Es könnte ja auch zum Beispiel sein, dass eine App am Anfang nur medizinischen Nutzen bietet und dann auch noch Strukturverbesserungen vielleicht dazukommen. Würde man dann mehr dafür bezahlen?

00: 16:16: Das müssen dann am Ende die Kassen dann sagen. Also das ist noch so eine Blackbox. Wie werden die Verhandlungen dann wirklich laufen in der ersten Phase. Das ist wie bei Arzneimitteln auch. Im ersten Jahr gibt es quasi Herstellerpreise. Das heißt die Hersteller sagen, wie viel sie das kostet, und das wird dann auch im Normalfall so vergütet. Und dann ab dem ersten Jahr wird verhandelt. Und dann ist die spannende Frage: Was wird höher vergütet? Wenn ich den Gesundheitszustand ändere oder wenn ich etwas ändere, was potentiell langfristig den Gesundheitszustand verbessern kann? Und wie gehe ich damit um, wenn das so additiv ist? Also, was du gerade meintest. Ich habe eine App, die jetzt irgendwie grundsätzlich den Gesundheitszustand verbessert und baue jetzt noch was mit ein, dass ich irgendwie meine Gesundheitskompetenz zusätzlich noch erweitere. Ob das dann extra Geld gibt oder ob man dann einfach nochmal extra zeigen muss, dass dieser Kanal sich zusätzlich auf den Gesundheitszustand auswirkt. Von dem wie das Gesetz zurzeit ausschaut müsste es eigentlich schon extra Geld geben, wenn ich mehr leiste. Also wenn ich nicht nur die Gesundheit an sich verbessere, sondern auch dafür sorge, dass die Leute kompetenter sind, dann habe ich ja zwei Ziele erreicht. Es wäre eigentlich nur fair, wenn man dafür mehr zahlen würde als für jemanden, der nur ein Ziel erreicht.

00: 17:49: Jetzt gibt es ja keine von diesen Apps bisher schon seit mehr als ein Jahr. Also aktuell gelten noch diese Herstellerpreise. Wie viel würde es meine Krankenkasse kosten, wenn meine Ärztin mir so eine der Apps verschreibt, die jetzt schon zu haben sind?

00: 18:04: Kommt darauf an welche. Man kann sich das anschauen. Im sogenannten DiGa-Verzeichnis sind die alle gelistet. Auch inklusive der Preise. Die sind irgendwie bei den Jetzigen glaube ich so zwischen 100 und 400 Euro pro drei Monate. Also schon deutlich höhere Preise als man jetzt für irgendwelche Old-School-Spiele im App-Store zahlt. Aber die Frage ist natürlich, vielleicht ist es das sogar wert, weil wenn dadurch eine teure andere Behandlung vermieden wird, vielleicht sparen wir sogar Geld dadurch. Das werden wir aber wahrscheinlich erst in so zwei, drei Jahren richtig wissen.

00: 18:48: Und jetzt bleibt es ja nicht bei diesen Herstellerpreisen, sondern es kommen eben noch Verhandlungen auf uns zu, beziehungsweise auf die Hersteller und auf die Krankenkassen. An welchen Grundsätzen könnte man die Vergütung denn ausrichten?

00: 19:02: Es macht wahrscheinlich schon Sinn, sich das ähnlich wie bei Arzneimitteln zu überlegen, wie viel Kosten dadurch eingespart werden. Das wird definitiv einer der Parameter sein. Also gibt es zum Beispiel eingesparte Besuche bei der Ärztin? Gibt es eingesparte Arbeitsunfähigkeitstage? Gibt es eingesparte Krankenhausaufenthalte? Das ist glaube ich etwas, wo man relativ gut einen Preis dahinterklemmen kann. Und für Apps, die genauso etwas erreichen, wird es glaube ich relativ einfach sein. Die spannende Frage ist, was passiert eigentlich mit Apps, die die Kosten erhöhen? Es ist ja durchaus vorstellbar, dass hier zurzeit einige Leute rumlaufen, die nicht optimal behandelt werden. Zum Beispiel weil sie ihre Erkrankung schwer selber einschätzen können, weil ihnen das Wissen fehlt, weil vielleicht die Ärztin-Patienten-Beziehung nicht so gut ist. Und wenn man dadurch, dass man an den Stellschrauben dreht, dafür sorgt, dass ein anderer Behandlungspfad gewählt wird, der teurer ist als der ursprüngliche, dann kommen mehr Kosten auf das Gesundheitswesen zu. Und das ist ja auf jeden Fall etwas, was am Ende gut ist für die Patientinnen und Patienten. Also die Behandlung wird verbessert und das wird sich auch irgendwie messen lassen. Nur ist es da schwierig mit diesen Kostenersparnissen zu argumentieren, weil wir haben die nicht. Und das werden glaube ich dann sehr spannende Verhandlungen. Also wir kennen das von Arzneimitteln zum Beispiel. Da wird halt, wenn es kein vergleichbares Arzneimittel gibt, geschaut, was sind die Kosten für eine Behandlung ohne Arzneimittel. Also dass man irgendwie operiert werden muss oder so. Und da kann man sich ja dann anschauen, was wird da eingespart. Und hier brauchen wir eigentlich etwas Neues. Da werden auch die Gesundheitsökonominnen und Gesundheitsökonomen sich noch einiges überlegen können, wie man so etwas bepreist.

00: 21:25: Also man brauch etwas Neues, weil die Leute zwar gesünder werden, aber es bisher noch gar keinen Preis dafür gibt, sondern den Preis zahlt jeder/jede Einzelne, weil sie nicht so gesund sind, wie es sein könnte.

00: 21:37: Genau und zum Beispiel in Großbritannien wird sehr einheitlich bewertet, welche Intervention sich wie lohnt. Die rechnen quasi runter, was der Preis ist, der erlaubt ist für ein zusätzliches Jahr voller Gesundheit und dann hat man ein sehr grobes Maß, aber mit dem kann man gut arbeiten. Das nennt sich dann QUALYs, Quality-adjusted life year. Und damit kann man rechnen. Da gibt es Befragungen, welches Lebensjahr hat welchen Anteil eines vollkommen gesunden Lebensjahres und da kann man über Befragungen schauen, ob man da irgendetwas besser oder schlechter macht. Und da kann man das Price Tag nehmen, auf das sich die Regierung geeinigt hat und sagen: Lohnt sich oder lohnt sich nicht. Wir in Deutschland machen das nicht und deswegen fehlt so ein bisschen eine Richtschnur, nach der wir so etwas beurteilen würden.

00: 22:30: Und wäre es sinnvoll in Deutschland auch so etwas einzuführen?

00: 22:34: Also ich würde sagen ja. Meinetwegen müssen es keine QUALYs sein, aber wir müssen uns schon bewusst werden, alles hat seinen Preis. Und wir haben beschränkte Ressourcen im Gesundheitswesen, das heißt wir müssen uns schon überlegen, wofür wollen wir unser Geld ausgeben. Und die öffentliche Diskussion ist schon oft in die Richtung: Naja, also der Wert eines Lebens ist unendlich und da darf man keine Abstriche machen. Das stimmt halt nicht. Wir können ja nicht all unser Geld für Gesundheit ausgeben. Wie sollen wir dann Bier trinken? Und irgendwo zwischen „Wir zahlen nichts für Gesundheit“ und „Wir zahlen all unser Geld für Gesundheit“, irgendwo da ist wahrscheinlich das, was die Gesellschaft auch wählen würde, wenn sie explizit über diesen Parameter entscheidet. Und diese Entscheidung wird ja nicht besser dadurch, dass wir sie ignorieren. Also von daher macht irgendeine Art, das objektiv zu gestalten, sicherlich Sinn.

00: 23:40: Und daran forscht ihr?

00: 23:44: Wir kratzen das. Also wir haben ein Projekt, wo es darum geht, wie sollten wir diese digitalen Gesundheitsleistungen vergüten. Also wo wir insbesondere uns diesen Mechanismus anschauen, dass ja sich das Produkt, die App irgendwie stetig ändert und dadurch eigentlich auch die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sich stetig ändern muss. Und das ist etwas, was bis jetzt halt überhaupt nicht vorgesehen ist, und wir versuchen das so konzeptartig, mit den Anreizen, die dahinter stecken, mal zusammenzuführen. Und da schlägt das natürlich immer mit. Wie viel sind wir bereit, für die ganzen Sachen zu zahlen? Und dann haben wir einige Projekte, die sich mit Krankenhausvergütung, Krankenhausfinanzierung beschäftigen. Auch das ist natürlich eine Frage, wie viele Krankenhäuser in welchen Regionen wollen wir uns als Gesellschaft leisten? Macht es Sinn, die Anzahl, die wir gerade haben? Oder lassen sich ohne größere Kollateralschäden vielleicht eine effizientere Versorgung mit weniger Krankenhäusern aufstellen? Da würde ich sagen ist die empirische Lage noch gar nicht so eindeutig, wie sie immer in den Medien proklamiert wird. Aber es ist zumindest eine Frage, die man ordentlich analysieren sollte. Also ich würde sagen diese Grundfrage „Was machen wir mit dem Budget, das wir für Gesundheit ausgeben wollen?“ schwingt natürlich immer mit.

00: 25:24: Jetzt hast du ja schon mehrere Dinge erwähnt, zu denen ihr forscht. Eure Projektgruppe gibt es erst seit Januar. Kannst du vielleicht noch einen kurzen Ausblick darauf geben, wie es jetzt weitergehen soll und was so die Dinge sind, auf die du dich besonders freust?

00: 25:39: Ich freue mich vor allem einfach auf die Tatsache, dass es hier die Möglichkeit gibt, so eine Gruppe aufzubauen. So viele der Sachen, an denen jetzt die Gruppe forscht, sind Sachen, die ich quasi mehr oder weniger allein mit diversen Leuten, die irgendwo anders saßen, angefangen habe und jetzt gibt es halt am ZEW diesen Raum und auch die Freiheit, dass wir uns ausprobieren können und auch finden können. Und das ist für mich persönlich auf jeden Fall eine großartige Chance und für das ZEW ist es, wenn es gut geht, war das dann auch gut. Das werden wir dann in drei Jahren oder so sehen, dass das eine clevere Entscheidung war. Also ich glaube auf jeden Fall schon. Quasi forschungstechnisch, also das eine ist tatsächlich diese Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein großer Punkt, den wir anschauen. Krankenhausvergütung ist so mein Hauptthema, an dem ich jetzt lange geforscht habe. Das finde ich nach wie vor sehr spannend. Da wird es auch weiterhin Sachen zu geben. Und Themen, die so am Rande jetzt immer wieder aufgeploppt sind, ist zum Beispiel, auch Pflegekräfte, allgemein Fachkräfte im Gesundheitswesen, was wiederum stark mit der Krankenhausfinanzierung zusammenhängt, weil es da einige Reformen gab, um die besser zu bezahlen. Also so in den Schienen. Aber wir haben uns auch bewusst erstmal dieses Jahr genommen, um zu sondieren, wo es denn überhaupt hingehen soll.

00: 27:20: Das klingt auf jeden Fall als wäre es eine clevere Entscheidung und ich wünsche euch noch viel Erfolg damit. Danke Simon für das Gespräch.

00: 27:29: Ja, vielen Dank.

00: 27:31: Das war Folge 9, des ZEW-Podcast. Vielen Dank an alle fürs Zuhören. Wenn Sie Fragen haben oder Rückmeldungen geben wollen, dann schreiben Sie gerne ein Mail podcast@zew.de. Wir freuen uns über Ihre Zuschriften.

00: 27:43: Musik.

00: 27:45: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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