00:00:00: Cäcilia Lipowski In dem deutschen Ausbildungssystem ist es so, dass wir nur in Berufen ausbilden, die tatsächlich nachgefragt werden. Die Firma wird nicht noch einen Glasbläser ausbilden, wenn wir alle schon aus Pappbechern trinken. Nein, sie wird nur noch in den Berufen ausbilden, die tatsächlich nachgefragt werden. Das ist übrigens beim Studium ganz anders.
00:00:19: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZEW-Podcast.
00:00:32: Bastian Thüne Jedes Jahr beginnt am 1. August die betriebliche Ausbildung. Allerdings gibt es von Jahr zu Jahr immer weniger Auszubildende. Im Jahr 2000 waren das noch 1,7 Millionen Azubis. Im Jahr 2022 sank die Zahl auf 1,2 Millionen. Gründe sind vor allem die gesunkene Geburtenrate, aber auch die Akademisierung. Von allen, die im Jahr 2000 Abitur gemacht haben, haben damals ein Drittel ein Studium angefangen. Seit 2011 ist die Zahl auf plus minus 55 Prozent gestiegen und hat sich seitdem konstant eingepegelt. Dabei sind Azubis eine wichtige Ressource, damit Unternehmen genügend Arbeitskräfte in Zukunft haben. Außerdem halten sie die Belegschaft jung und sie sorgen dafür, dass Unternehmen technologisch mithalten können. Doch was haben Azubis mit Technologieinvestitionen zu tun? Darüber sprechen wir in der heutigen Folge des ZEW-Podcast. Unser Gast ist Cäcilia Lipowski. Sie ist Wissenschaftlerin im Bereich Arbeitsmärkte und Sozialversicherung hier am ZEW. Und sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen des technologischen Wandels auf den Arbeitsmarkt. Gemeinsam sprechen wir, warum weniger als die Hälfte der Schulabgängerinnen und Schulabgänger eine betriebliche Ausbildung machen. Warum Auszubildende die Technisierung vorantreiben und wie es um die duale Berufsausbildung bestellt ist. Mein Name ist Bastian Thüne. Herzlich willkommen zum ZEW-Podcast, dem Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Hallo Cäcilia, schön, dass du heute bei uns bist.
00:01:58: Cäcilia Lipowski Ja, hallo Bastian. Schön, dass ich hier sein darf.
00:02:00: Bastian Thüne Ja, sehr gerne. Du bist ja noch recht jung ans ZEW gekommen, und zwar während deiner Promotionszeit. Welche Impulse hast du denn dem ZEW gebracht?
00:02:09: Cäcilia Lipowski Ja, ich denke, dass nicht nur ich, sondern auch alle Doktoranden, die ans ZEW kommen, oder noch weiter formuliert wahrscheinlich alle Uniabsolventen, die in ein Unternehmen kommen, dem Unternehmen neue Impulse mitgeben können, dadurch, dass sie gerade erst von der Uni kommen, die neuesten Inhalte dort, hoffentlich, gelernt haben, die neuesten Methoden, die neuesten Literatur kennengelernt haben und so will ich sagen, dass im Schnitt wahrscheinlich der Doktorand, der hier im ZEW neu anfängt, zum Beispiel besser kodieren kann als die Wissenschaftler, die schon seit einigen Jahren hier sind.
00:02:41: Bastian Thüne Also auch, dass ihr dann quasi neuere Programme oder Methoden lernt für eure Forschung.
00:02:43: Cäcilia Lipowski Genau.
00:02:44: Bastian Thüne Es gab in Deutschland auch schon eine Bildungsexpansion in den 70er-Jahren und in den 90er-Jahren ebenfalls. Und durch die Bologna-Reform hat sich ja das Verhältnis von Studium und Ausbildung verändert. Wie hat sich das denn auf die Unternehmen ausgewirkt?
00:03:02: Cäcilia Lipowski Ja, um vorweg zu sagen ich denke, diese Bildungsexpansion war natürlich zu Anfang gewollt und eine gute Sache. Wir brauchten mehr Uniabsolventen. Das waren die Fähigkeiten, die verstärkt benötigt wurden. Aber auf was du wahrscheinlich hinaus willst, ist, dass wir mittlerweile eher zu wenig Azubis haben und eventuell ein bisschen zu viele Uniabsolventen. Tatsächlich ist das ungefähr seit der Finanzkrise so, dass wir unbesetzte Ausbildungsstellen sehen, also mehr angebotene Ausbildungsplätze als nachgefragte von Seiten der Azubis. Aktuell, um mal eine Zahl zu nennen, haben wir über 70.000 unbesetzte Ausbildungsplätze. Und ja, das hat natürlich Folgen für die Unternehmen, die natürlich ihre Azubis normalerweise übernehmen wollen. Ungefähr 77 Prozent der Azubis werden übernommen. Das heißt, unbesetzte Ausbildungsplätze bedeutet keine Azubis, bedeutet danach keine Fachkräfte, bedeutet unter anderem reduzierte Öffnungszeiten, weniger angenommene Aufträge, oder wenn ich die Azubis anderweitig durch externe Fachkräfte ersetze, erhöhte Einstellungskosten etc.
00:04:09: Bastian Thüne Jetzt, was ich mich auch persönlich immer gefragt habe: Das duale Berufsausbildung System, das ich selbst mal durchlaufen habe, ist eine Sache, um die Deutschland weltweit beneidet wird. Das ist schon so ein Special, was es in anderen Ländern nicht gibt. Was glaubst du denn, warum das vernachlässigt wurde und stattdessen lieber das Studium gefördert wurde?
00:04:27: Cäcilia Lipowski Ja, das ist eine Sache, die ich persönlich auch tatsächlich sehr spannend finde. Also das große Argument, sage ich, war, dass unsere Arbeitnehmer so eine Art Meta-Fähigkeiten brauchen. Sie müssen sich jetzt. Dadurch, dass sich die Arbeitswelt ändert, müssen sich auch die Arbeitnehmer an diese veränderten Umstände besser anpassen können: Sprich wir müssen ihnen beibringen, wie man lernt, wie man argumentiert, logisches Denken etc. pp – was eher im Studium passiert – während in der Ausbildung sehr konkrete Fähigkeit unterrichtet werden: Wie schweiße ich jetzt diese zwei Teile zusammen? Da war die Idee, wenn sich die Arbeitswelt mehr ändert, brauchen wir weniger Ausbildung, mehr Studium. Und man muss auch sagen, in anderen Ländern, die auch das duale Ausbildungssystem haben, da funktioniert es auch weniger gut. Teilweise ist es so, dass Fähigkeiten ausgebildet werden, die die Unternehmen gar nicht brauchen und deswegen haben die Unternehmen kein Interesse auszubilden. Deswegen, glaube ich, ist wohl das Ausbildungssystem generell so ein bisschen als schwarzes Schaf dargestellt. Aber darunter hat glaube ich auch das deutsche duale Ausbildungssystem gelitten. Aber ich gebe dir Recht, dass das ein bisschen unverdient ist. Ich denke, das duale Ausbildungssystem in Deutschland funktioniert viel besser, als wir uns vielleicht bewusst waren. Und ich möchte auf eine Charakteristik mal eingehen, die ich besonders faszinierend finde: Im deutschen Ausbildungssystem ist es so, dass wir nur in Berufen ausbilden, die tatsächlich nachgefragt werden. Die Firma wird nicht noch ein Glasbläser ausbilden, wenn wir alle schon aus Pappbechern trinken. Nein, sie wird nur noch in den Berufen ausbilden, die tatsächlich nachgefragt werden. Das ist übrigens beim Studium ganz anders. Wenn Lieschen Müller gerne Ägyptologie studieren möchte, dann kann sie das tun, egal ob das nachgefragt wird oder nicht. Und das ist, denke ich, wirklich eine Charakteristik, die das deutsche Ausbildungssystem wirklich, wirklich gut macht. Und hinzu kommt noch, dass die Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht nur bei der Berufswahl zusammenkommen müssen, sogar innerhalb der Inhalte, die während der Ausbildung innerhalb des Berufs gelernt werden. Es ist so, dass es sehr, sehr gut koordiniert ist zwischen den Firmen und den Arbeitgeberverbänden. Die setzen sich tatsächlich zusammen und überlegen, welche Fähigkeiten sollten wir ausbilden, sodass im Endeffekt der Azubi, der tatsächlich die Fähigkeiten hat, die benötigt werden, was wiederum beim Studium manchmal auch anders werden kann, weil der Professor sich selber ausdenkt, was er gern unterrichten möchte, egal, ob das jetzt nachgefragt ist oder nicht.
00:06:53: Bastian Thüne Und ich kann auch aus eigener Erfahrung sagen Also selbst bei meiner Ausbildung wurde plötzlich der Ausbildungsplatz geändert beziehungsweise die Ausbildungsinhalte: Es ging dann vom Elektriker in Mechatroniker über. Das heißt, das war am Puls der Zeit, obwohl das damals noch gar nicht soweit computerisiert war in der Autoindustrie. Und man hat halt auch viele Fähigkeiten gelernt, die einem befähigt haben später sich weiterzubilden, also ein Techniker oder ein Meister zu machen. Nichtsdestotrotz, es gab halt diese Entwicklung: Ausbildungen wurden unpopulär und inzwischen ist es ja weniger als die Hälfte der Schulabgänger und Schulabgänger in die eine betriebliche Ausbildung machen. Das scheint es ja auch irgendwie das Image einer Ausbildung gewandelt zu haben, dass das vielleicht als weniger wertig erscheint als ein Studium. Hast du da ein paar Gründe dazu, wie es dazu kam?
00:07:44: Cäcilia Lipowski Ja, generell gebe ich dir Recht, dass das Image der Ausbildung wahrscheinlich ein bisschen gelitten hat in den letzten Jahren. Und man muss dazu auch dazu sagen, es ist ja nicht nur so, dass alle Schulabgänger neuerdings studieren gehen. Es gibt ja auch eine große Zahl von Schulabgängern, die weder Ausbildung noch Studium machen. Ich denke, das ist die Problemgruppe. Um das einzuordnen: Also im europäischen Durchschnitt sind die Jugendlichen, die weder Ausbildung noch Studium machen oder haben, tatsächlich eher weniger an Deutschland. Da sind wir im unteren Drittel. Trotzdem ist natürlich eigentlich jeder Jugendliche, der wieder Ausbildung auch Studium hat, in Zeiten von Fachkräftemangel eigentlich ein Jugendlicher zu viel. Aktuell sind es ungefähr 600.000 Jugendliche, die weder Ausbildung noch Studium machen. Das sind 7,5 Prozent. Aber ich denke, das ist eine Zahl, die uns Sorgen bereiten sollte. Wobei vor allem, weil sie jetzt auch nach dem Anstieg durch Corona nicht wieder gesunken ist. Das klingt jetzt vielleicht wie ein Paradox, sodass wir einerseits über 70.000 unbesetzte Ausbildungsstellen haben, aber auch diese Jugendlichen, die keine Ausbildung machen. Tatsächlich ist es so, dass 60.000 Jugendlicher eine Ausbildung nachgefragt haben, aber keinen Platz gefunden haben. Und das hat wahrscheinlich zwei Hauptgründe. Der eine ist ein regionaler Aspekt Die Ausbildungsplätze werden nicht unbedingt da angeboten, wo sie nachgefragt werden und die Jugendlichen sind nicht sehr mobil, das heißt, sie ziehen jetzt nicht ins übernächste Bundesland, um eine Ausbildung zu starten. Und der zweite Hauptgrund ist laut den Arbeitgebern tatsächlich, dass viele Jugendliche auch einfach nicht die Grundqualifikationen nach dem Schulabgänger haben, die benötigt werden. Also laut dem Arbeitgeberverband sind 20 Prozent unserer Schulabgänger nicht befähigt, mit den nötigen Grundvoraussetzungen um eine Ausbildung anzufangen. Und das ist auf jeden Fall sehr problematisch.
00:09:40: Bastian Thüne Und das ist dann ja auch ein Problem der gesamten Bildung und nicht erst auf dem Arbeitsmarkt jetzt. Vielen Dank schon mal für die erste Einordnung des ganzen Ausbildungsmarkts. Wir wollen uns ja heute ein bisschen unterhalten, wie Azubis Unternehmen technisch weiterentwickeln. Was können denn Azubis tatsächlich dazu beitragen?
00:09:58: Cäcilia Lipowski Ich möchte vorweg sagen, dass es natürlich nicht diejenigen sind, die im Labor die neueste Gentechnik entwickeln oder ein Patent für Roboter anmelden. Azubis sind mehr die, die die Technologie tatsächlich nutzen, implementieren im Betrieb. Und warum sind Azubis jetzt gut, laut meiner Studie? Ich denke Azubis haben drei Vorteile verglichen mit den schon vorhandenen Fachkräften einer Firma: Der erste sie sind jünger, sprich sie sind häufiger mit dem Smartphone aufgewachsen. Sie sind Digital Natives. Wenn irgendwo eine vernetzte Produktionsanlage eingebaut werden soll, dann haben sie einfach eher ein Verständnis, wie das funktionieren könnte. Und das ist dann hilfreich, um sie einzulernen. Der zweite Grund ist, dass die Azubis von der Berufsschule neues externes Wissen in die Firma mitbringen. Wenn dort, wie du schon meintest, wenn die Mechatronikerausbildung in der Berufsschule gelernt wird, dann kann der Azubi das im Unternehmen auch anbringen. Und der dritte Grund ist – er klingt banal – aber Azubis müssen eh ausgebildet werden. Das heißt, wenn sie eher ausgebildet werden müssen, dann kann die Firma denn auch gleich das neueste Wissen beibringen. Das ist ein Vorteil verglichen mit den schon vorhandenen Arbeitern oder Arbeitnehmern, weil man die erst mal umschulen müsste. Das heißt, während man die umschult, geht Produktivität verloren, weil der Arbeitnehmer, während das nicht arbeitet etc. Das heißt, der Vorteil des Azubis ist, mein drittes Argument tatsächlich, dass er eh ausgebildet werden muss.
00:11:24: Bastian Thüne Und er hat wahrscheinlich eine höhere Lernbereitschaft als vielleicht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die schon 30 Jahre im Betrieb arbeiten und sich vielleicht gar nicht mehr so an neue Sachen gewöhnen.
00:11:34: Cäcilia Lipowski Auf jeden Fall. Das ist auf jeden Fall auch ein wichtiger Grund.
00:11:37: Bastian Thüne Ja, es ist jetzt ein bisschen schwierig: Also du kannst ja nicht Unternehmen zwingen, keine Azubis einzustellen, um Effekte auf die Technisierung zu messen. Wie konntest du das für deine Studie in Erfahrung bringen?
00:11:49: Cäcilia Lipowski Ja, das ist richtig. Ich habe niemanden gezwungen. Was ich gemacht habe ist: Ich habe eine Bildungsreform ausgenutzt, die in 2001 dazu geführt hat, dass es in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern keine Abiturientenkohorte gab. Das war bedingt dadurch, dass diese beiden Bundesländer von G8 auf G9 umgestellt haben, sprich von zwölf Jahren bis zum Abitur auf dreizehn Jahren bis zum Abitur. Und sagen, die letzten Zwölfer 2000 Abi gemacht haben, die ersten Dreizehner war 2002 und dann 2001 niemand. So, es gab keine ähnliche Bildungsreform in den anderen ostdeutschen Bundesländern. Was ich tue, ist ich vergleiche Firmen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die keine Azubis mit Abitur einstellen konnten, in diesem Jahr mit Firmen in den anderen ostdeutschen Bundesländern, die wie gewohnt ganz normal ihre Abiturienten-Azubis einstellen konnten. Und gucke dann, wie sich technologische Investitionen in den betroffenen Unternehmen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern verändert haben. Über die Zeit, verglichen mit den nicht betroffenen Firmen. Und da sehe ich, da sind 2001 sowohl die Beschäftigung von Azubis in Sachsen-Anhalt in Mecklenburg-Vorpommern gesunken ist, als auch die Technologieinvestition dafür dramatisch abgefallen ist.
00:13:07: Bastian Thüne Jetzt könnte man ja sagen, die Firmen hätten vielleicht mehr zahlen können, aber das ist wahrscheinlich problematisch, weil Ausbildung haben ja oft noch Tariflöhne, oder?
00:13:17: Cäcilia Lipowski Ja, also es ist tatsächlich so, dass die Löhne der Azubis nicht oder sehr wenig gestiegen sind in dem Jahr, was interessant ist. Ich glaube, das liegt vor allem an diesem sehr rigiden System in Deutschland, aber auch daran, dass es halt in meinem Fall jetzt nur eine Kohorte ist, die gefehlt hat. Das heißt, wenn ich jetzt hier der einen Kohorte plötzlich das Doppelte hätte zahlen wollen, dann hätte ich es schwer begründen können, im nächsten Jahr den neuen Azubis wieder den alten Lohn zu zahlen.
00:13:41: Bastian Thüne Und warum ist denn diese Technisierung überhaupt so wichtig für die Unternehmen?
00:13:46: Cäcilia Lipowski Ja, also wenn man es ganz pauschal sagen möchte Technologischer Fortschritt ist sozusagen ein oder der Treiber von Wachstum, ökonomischen Wachstum und damit auch von Wohlstand. Und wenn sich die deutschen Unternehmen dann nicht abhängen lassen wollen international, dann muss man da auf jeden Fall Schritt halten.
00:14:04: Bastian Thüne Und jetzt Uniabsolventinnen und Absolventen, die können die Rolle nicht auch übernehmen?
00:14:08: Cäcilia Lipowski Also vom reinen Mechanismus, von den Gründen, die ich gerade genannt habe, warum Azubis besser sind als schon vorhandene Fachkräfte, können Uniabsolventen diese Rolle auf jeden Fall auch übernehmen. Uniabsolventen bringen auch externes Wissen mit. Uniabsolventen sind auch häufig Digital Natives und die Absolventen müssen eh erst mal auch in Beruf, in den Betrieb eingelernt werden, genau wie Azubis. Ich denke nur, sie spielen in sehr verschiedenen Sphären. Also man braucht den Uniabsolventen nicht in die Tischlerausbildung zu stecken. Man braucht auch den aus der Tischlerausbildung nicht in die Gentechnik Firma zu stecken. So denke ich, dass sozusagen die jungen Berufsanfänger immer den technologische Fortschritt in Unternehmen voranbringen können, aber jeder in seinem Bereich.
00:14:54: Bastian Thüne Genau. Und die Überschneidungen wäre dann eher: Der eine entwickelt neue Produktionsmethoden und die anderen Azubis sind dann offen für diese neuen Produktionsmethoden, ohne dass sie jetzt direkt in Kontakt wären. Ja, das würde sich halt miteinander ergänzen. Jetzt könnte auch eine Firma versuchen, das Know-how anderweitig einzukaufen. Wird das gemacht oder könnte so was funktionieren?
00:15:15: Cäcilia Lipowski Ja, auf jeden Fall. Also man muss dazu sagen, dass zum Beispiel auch in Deutschland nur 19 Prozent der Betriebe überhaupt ausbilden. Also die anderen 81 Prozent werden schon auch irgendwie ihren technischen Fortschritt herkriegen. Allerdings ist es so, dass es für Unternehmen häufig teurer ist. Wenn ich meine schon ausgebildeten Fachkräfte mit dem technischen Know-how einkaufen will, dann verursacht das für die Unternehmen, sehr platt gesagt, einfach höhere Kosten, als wenn sie ihre eigenen Azubis ausbilden.
00:15:41: Bastian Thüne Und kann das vielleicht auch ein bisschen mit der Akzeptanz zusammenhängen. Also wenn meine eigenen Auszubildenden im Betrieb was fordern, dass das eine andere Akzeptanz erfährt, als wenn es jetzt jemand externes quasi in die Firma holt, der überhaupt keine Beziehung hat. Und dann sind vielleicht manche davon abgeschreckt.
00:15:57: Cäcilia Lipowski Auf jeden Fall. Also ich denke, bei diesem ganzen Ausbildungssystem hat Unternehmenskultur zum Beispiel einen hohen Stellenwert. Der Azubi, der gehört dann sozusagen zur Familie. Das ist sicher ein wichtiger Grund.
00:16:08: Bastian Thüne Jetzt noch mal zurück zu den Azubis. Also die tarifliche Ausbildungsvergütung, die ist ja seit 2019 durchschnittlich um 15 Prozent gestiegen, was ja höher als die Inflationsrate ist und deutlich höher als die Tarifabschlüsse der ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im 20 Tarif Bereich, also mehr oder weniger Branchen sogar um 30 bis 50 Prozent. Technisierung hin oder her. Aber gibt es nicht auch einen Punkt, ab dem sich Azubis dann nicht mehr rechnen, weil einfach die Kosten zu sehr steigen?
00:16:37: Cäcilia Lipowski Ja, auf jeden Fall. Also ich würde sagen, diese Kosten Nutzen Abwägung von Firmen besteht aus zwei Teilen. Einmal den tatsächlichen Kosten, die während der Ausbildung anfallen und dann den Kosten der Fachkraft, weil die Unternehmen natürlich diesen Azubi übernehmen wollen. Und zu dem ersten Teil, zu der Kosten Nutzen Abwägung: Während der Ausbildung werden tatsächlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung sehr konkrete Zahlen erhoben. Die Fragen: Wie viel kostet der Azubi während der Ausbildung? Wie viel bringt er dir dadurch, dass er schon arbeitet währenddessen? Und da wissen wir aus einer Befragung, bevor die Tariflöhne so gestiegen sind, aus 2017/18, dass ein Azubi im Schnitt 21.000 Euro das Unternehmen kostet. Wir wissen gleichzeitig, dass er durch seine produktive Arbeitszeit während der Ausbildung schon 14.000 Euro während der Ausbildung im Schnitt reinarbeitet. Das heißt die Kosten der Ausbildung minus die Nutzen, bleiben noch 7.000 Euro übrig, die der Betrieb zahlt. Und jetzt kann man das ganz simpel gegenrechnen, wenn der Betrieb diesen Azubi übernimmt für 7.000 Euro, dann ist das günstiger, als wenn er extern eine Fachkraft eingestellt hätte, weil da die Ausbildungskosten laut der Betriebe bei unter 10.500 Euro liegen. Allein diese Personalkosten führen dazu, dass die Ausbildung sich zum Beispiel aktuell lohnt. Wie sich das dann entwickelt mit den tariflichen Abschlüssen, das genau müssen wir sehen. Man muss dazu sagen, dass sich die Ausbildung nur dann gelohnt hat, wenn der Betrieb in der Lage ist, diesen Azubi zu übernehmen. Wenn der wieder geht, dann war das ein großes Minusgeschäft. Und ich glaube, da haben die Unternehmen vor allem ein Interesse, jetzt vielleicht während der Ausbildung nicht so hohe Gehälter zu zahlen, aber danach höhere. Und damit ist mein zweiter Punkt: Es gibt ja nicht nur die Kosten Nutzen während der Ausbildung, sondern auch wenn der zu wie dann als Fachkraft übernommen wurde. Ich glaube, da stellt sich einfach die sehr große Frage generell in der deutschen Wirtschaft. Jetzt in Hinsicht auf demografischen Wandel: Wie viel sind wir bereit für Fachkräfte zu zahlen? Mit wir meine ich uns als Konsumenten. Wie viel sind wir bereit für den Dachdecker zu zahlen für den Friseur? Und da wird sich dann auch entscheiden, ob wir in der Lage sind, die Tariflöhne noch zu zahlen.
00:18:50: Bastian Thüne Und das ist ja auch einfach eine Frage, wenn viele Berufe heute anspruchsvoller und technisierter sind als beispielsweise jetzt ein Gas-Wasser Installateur, früher Heizungsbauer, war ein relativ simpler Beruf, inzwischen mit Klimawandel, diese neuen Heizungen, wo dann auch programmiert wird, da sollte er auch mehr bezahlt werden, weil es halt eine anspruchsvollere Tätigkeit ist.
00:19:12: Cäcilia Lipowski Ja und wenn wir bereit sind für unsere Heizung dann auch mehr Geld auszugeben, wenn wir ich denke, das sind wir, aber wir wollen alle nicht frieren. Aber es wird auch bestimmt einige Leistungen geben, wo wir eventuell nicht bereit sind, die auf Preise zu tragen, wenn einfach sozusagen Fachkräftemangel herrscht – und es herrscht Fachkräftemangel – und dann werden einige Services oder Dienstleistungen teuer werden. Und dann müssen wir uns fragen: Können wir das noch zahlen? Wollen wir das noch zahlen? Das wird sich dann zeigen.
00:19:38: Bastian Thüne So wie in der Vergangenheit. Also kaum einer lässt sich heute noch Schuhe selbst machen oder den maßgeschneiderten Anzug, was vor 50 oder 70 Jahren noch üblich war. Das wird dann in einer Fabrik hergestellt und dementsprechend ist es nicht mehr ganz so konfektionsgenau.
00:19:51: Cäcilia Lipowski Ja, genau so was meine ich.
00:19:53: Bastian Thüne Okay, dann vielen lieben Dank, Cäcilia, dass du uns heute besucht hast. Das war ein interessanter Einblick. Vor allem der Punkt mit dem Studium, also dass da nicht so auf dem Markt ausgebildet wird wie bei der dualen Berufsausbildung, die wirklich ein tolles Highlight ist. Ja, danke, dass du da warst.
00:20:08: Cäcilia Lipowski Ja, vielen Dank dir für die spannende Diskussion.
00:20:10: Bastian Thüne Ja, vielen Dank und danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn es euch gefallen hat, schreibt gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf eure Zuschriften.
00:20:25: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZEW-Podcast.