Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Die Unternehmen, die, wenn ihre Projekte gut ausgehen, neues Wissen kreieren, neue Technologien etablieren, die dann auch diffundieren können und die natürlich auch Spill-Over-Effekte auf andere Unternehmen und die Wirtschaft haben, die sind jetzt halt besonders betroffen.

00: 00:17: Musik

00: 00:19: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:34: Die Corona-Pandemie hat in Deutschland die schwerste Rezession der Nachkriegszeit ausgelöst. Viele Unternehmen können sich nur mit staatlichen Hilfen über Wasser halten. Was diese Situation für junge Unternehmen bedeutet, die erst wenige Monate oder Jahre alt sind, darüber spreche ich jetzt mit Jürgen Egeln. Er ist stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Innovationsökonomik und Innovationsdynamik hier am ZEW Mannheim. In einer Studie hat er untersucht, wie sich der Lockdown auf junge Unternehmen ausgewirkt hat. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich willkommen, hallo Jürgen.

00: 01:02: Ja, hallo.

00: 01:03: Wir reden über junge Unternehmen in der Corona-Krise. Vielleicht kannst du nochmal kurz erklären, was denn junge Unternehmen sind.

00: 01:14: Junge Unternehmen sind, wie der Name schon sagt, Unternehmen, die noch nicht lange am Markt aktiv sind, die vor kurzer Zeit auf den Markt getreten sind, meistens dort erst ihre Nachfrager finden müssen, ihre Produkte bekannt machen, insbesondere, wenn sie auch noch innovative Produkte haben, die bisher noch keiner kennt und je nach Sicht der Dinge oder nach der Branche, um die es geht, können die zwischen vier oder auch zehn Jahren noch als jung gelten. Also Unternehmen, die noch was entwickeln müssen, die brauchen einen längeren Zeitraum, bis sie sich etabliert haben, wer mit einem Standardangebot auf den Markt geht, einer Gastronomie, der ist nach ein paar Jahren schon nicht mehr jung.

00: 02:02: Also ein Restaurant ist nach fünf Jahren kein junges Unternehmen mehr?

00: 02:05: Eigentlich nicht mehr, nein.

00: 02:07: Und was wäre so ein Beispiel für so ein technisches Unternehmen, das länger braucht?

00: 02:12: Da würde ich Unternehmen aus dem Bereich der Hochtechnologie z.B. heranziehen, da gibt es im industriellen Bereich Unternehmen, die sehr hohe F&E-Aufwendungen haben, sehr hohe Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die viel Geld für Innovationsaktivitäten ausgeben, die kommen meistens mit einer Idee für eine große Innovation und müssen diese Idee erst entwickeln zum Prototyp, müssen die Innovation auf ihre technische Machbarkeit überprüfen und müssen dann vor allen Dingen, wenn sie tatsächlich am Ende ihres Projektes ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung entwickelt haben, auch einen Markt dafür finden. Nicht jedes Produkt, nicht jede Dienstleistung, die es gibt, wird am Markt auch akzeptiert, also innovative Unternehmen haben eben auch eine hohe Unsicherheit darüber, ob sie tatsächlich am Markt mit ihren neuen Ideen reüssieren können.

00: 03:09: Sind das dann sogenannte Startups?

00: 03:13: Unternehmen aus diesem Bereich könnte man als Startups bezeichnen. Der Ausdruck wird ja in der Öffentlichkeit und auch in der Publizistik nicht einheitlich verwendet. In der Regel geht es um Unternehmen, die so hoch innovativ sind und die aus diesem Grunde eben auch Schwierigkeiten haben, sich bei Banken oder auf traditionellem Wege zu finanzieren, die haben dann keine banklichen Sicherheiten, wegen der großen Unsicherheit, wegen des offenen Ausgangs und die sind dann auf private Kapitalgeber oder institutionelle VC-Fonds angewiesen, die sozusagen ihr Risiko mit Wagniskapital finanzieren und das ist so die typische gängige Definition für Startups.

00: 04:00: VC ist die Abkürzung für Venture Capital.

00: 04:01: Venture Capital, ja, also Wagniskapital, wo eben durch Beteiligungen in junge Unternehmen investiert wird, um ihnen eine Entwicklung und den Einstieg in den Markt zu finanzieren. Also es ist eine große Investition, der Investor gibt Geld, in der Hoffnung, dass es gut ausgeht und dass er hinterher seine Anteile teuer verkaufen kann. In den meisten Fällen geht es schlecht aus, in wenigen Fällen geht es gut aus, aber dann verdienen sie so viel, dass sie hohe Verluste dann auch tragen können.

00: 04:34: Jetzt habt ihr in eurer Studie aber junge Unternehmen aus allen Branchen untersucht. Vielleicht kannst du uns nochmal kurz vorstellen, wie die Studie, wie ihr da rangegangen seid.

00: 04:45: Wir haben ja hier das sogenannte IAB/ZEW-Gründungspanel, eine schon seit 2008 laufende jährliche Befragung bei jungen Unternehmen. Uns interessiert, mit welchen Gründungsprozessen treten die Unternehmen auf den Markt, wie entwickeln sie sich, wo sind ihre Schwierigkeiten und das verfolgen wir, indem wir die Unternehmen eben über mehrere Jahre beobachten. Jetzt natürlich, in diesem Jahr war ein außergewöhnliches Ereignis. Durch die Corona-Pandemie waren die Unternehmen ja in einer Sondersituation, überhaupt nicht vergleichbar mit der Situation in den anderen Jahren, deshalb haben wir uns entschlossen, zwei Befragungen zu machen, nicht nur eine. Die erste, über die wir jetzt sprechen, über die Ergebnisse, über deren Ergebnisse wir jetzt sprechen, die ist im Mai gelaufen und die zweite wird im Oktober stattfinden und wir haben repräsentativ für den Bestand der jungen Unternehmen bis zum Alter von vier eine Zufallsstichprobe befragt und haben etliche Informationen über die Situation der Unternehmen erhalten.

00: 06:02: Und gibt es da Unterschiede zwischen den jungen Unternehmen und den anderen Unternehmen, wie sie von der Krise getroffen sind?

00: 06:08: Ja das kann man sagen, das können wir auch ganz gut vergleichen, weil das Befragungsinstitut Kantar hat im Auftrag des BMI eine für den gesamte Unternehmensbestand der Privatwirtschaft repräsentative Befragung gemacht und wir haben einige Fragen mit den Kollegen von Kantar abgestimmt und haben die auch auf dem gleichen Weg, nach dem gleichen Design ausgewertet, dass eins zu eins Vergleiche eigentlich ganz gut möglich sind. Es zeigt sich, dass von der grundsätzlichen Betroffenheit alte und junge Unternehmen sich eigentlich nicht groß unterscheiden, also in beiden Populationen sind es ungefähr 70 Prozent der Unternehmen, die negativ betroffen sind, ungefähr 20 Prozent, die weder positiv noch negativ betroffen sind und 10 Prozent der Unternehmen, die eben im Saldo eher positiv durch die Krise betroffen sind. Wenn man jetzt allerdings die Intensität der Betroffenheit mitberücksichtigt, also die Frage, ob die Unternehmen sehr stark oder nur etwas oder nur ganz wenig, z.B. negativ, betroffen sind, dann zeigen sich doch Unterschiede. Also die jungen Unternehmen sind in der Regel viel stärker an den Rändern betroffen, also viel intensivere negative Effekte, aber auch intensivere positive Effekte treten da auf. Bei den großen Unternehmen ist das nicht so polarisiert.

00: 07:45: Und was sind das für positive Effekte, die es da gibt?

00: 07:48: Das können z.B. Nachfragewirkungen sein, wenn die Unternehmen jetzt Produkte anbieten, die in der Zeit, die hier bei der Befragung relevant war, also die Monate März, April, die erste Zeit des Lockdowns, besonders nachgefragt wurden, also Atemschutzmasken z.B., Toilettenpapier z.B. und solche Sachen, dann Desinfektionsmittel, dann haben die natürlich positive Effekte, die haben Sonderschichten gefahren und das schlägt da zu Buche, auch im Einzelhandel, insbesondere, wenn es um den Lebensmittelhandel gibt, hat es ja durchaus für etliche der Lebensmittelgeschäfte positive Effekte gegeben.

00: 08:35: Und woran liegt es, dass die Polarisierung so viel größer ist bei den junge Unternehmen

00: 08:40: Ja ich glaube, das liegt im Wesentlichen schon mal an der Situation, in der junge Unternehmen in den ersten Jahren nach der Gründung stehen. Relativ viele dieser Unternehmen treten ja unter normalen Bedingungen, also selbst unter Hochkonjunkturbedingungen, relativ bald und zu ungefähr einem Viertel nach zwei, drei, vier Jahren wieder aus dem Markt aus. Es gibt insbesondere Branchen wie konsumnahe Dienstleistungen oder Handel, wo die Fluktuation sehr hoch ist.

00: 09:14: Konsumnahe Dienstleistungen, was kann man sich darunter vorstellen?

00: 09:19: Friseure, alle Anbieter, die Dienstleistungen für private Haushalte anbieten.

00: 09:23: Ok.

00: 09:25: Und da ist sowieso also die Situation für junge Unternehmen immer schon ein bisschen riskant und sie sind oft auch noch sehr klein, sie sind erst nach einigen Jahren so weit, dass sie wachsen können und auch mal ein paar Schwankungen auffangen können, sodass ich davon ausgehe, dass die Unternehmen, wenn es denn kritisch wird, eben sehr schnell an der Stelle sind, wo sie eigentlich nicht mehr weitermachen können, wo sie eben so negativ betroffen sind, dass sie eben in größere Gefahr geraten und bei den Unternehmen, die im Saldo positiv betroffen sind, da handelt es sich meistens um die etwas größeren jungen Unternehmen oder etwas weniger kleinen jungen Unternehmen, könnte man sagen, und wenn man diese Größe mal interpretiert als Maß dafür, wie sehr sie sich am Markt schon etabliert haben, dann wäre das nach meiner Einschätzung so, dass die Unternehmen einfach schon weiter sind und dann eben auch entsprechend weniger negativ betroffen sind. Und dann natürlich müssen sie das Glück haben, gerade Produkte anzubieten, die in dieser speziellen Situation eben auch nachgefragt werden. Also wer Dienstleistungen angeboten hat in Bereichen, die quasi gesetzlich geschlossen waren, der kann nicht positiv betroffen werden, der hat auch einfach Pech gehabt.

00: 10:55: Also bei der Größe geht es jetzt weniger darum, wie erfolgreich diese Unternehmen insgesamt sind, sondern eher wie lange sie einfach schon Zeit gehabt haben, sich zu etablieren.

00: 11:02: Wie etabliert sie sind, ja, wenn jemand ganz neu auf dem Markt ist mit einem neuen Produkt, der ist auch schnell wieder aus dem Auge, aus dem Sinn der Konsumenten heraus, während jemand der schon ein Standing am Markt hat, sich auch eine gewisse Stammkundschaft aufgebaut hat, der ist natürlich in einer anderen Situation.

00: 11:23: Wenn wir jetzt die gesamten Jungunternehmen betrachten, gibt es da Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen, was habt ihr da herausgefunden?

00: 11:33: Ja da gibt es Unterschiede. Also am stärksten negativ betroffen sind, wie man das auch erwarten würde, die Bereiche der konsumnahen Dienstleistungen, insbesondere der Teil der kreativen konsumnahen Dienstleistungen, wo also Kulturschaffende und Freiberufler viele dabei sind.

00: 11:57: Also z.B., wenn jemand Musikunterricht gibt.

00: 12:00: Z.B. Musiklehrer oder solche Sachen, ganz genau, die sind sehr stark betroffen. Erstaunlicherweise sind auch die High-Tech-Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe, also Unternehmen der industriellen Spitzentechnologie, ganz besonders betroffen, die haben, wenn man die Intensitäten der Betroffenheit berücksichtigt, auch sehr hohe Werte und das hat uns schon ein wenig überrascht.

00: 12:30: Warum?

00: 12:33: Zunächst mal sollte man davon ausgehen, dass diese Unternehmen ihre Innovationsprojekte weiterentwickeln, die sind in gewisser Weise ja zunächst mal finanziert, wenn sie am Markt sind, wahrscheinlich durch private Investoren oder Fonds und eigentlich könnte man davon ausgehen, dass diese Unternehmen in ihrer Entwicklungstätigkeit jetzt durch die Krise erstmal gar nicht so betroffen sind, wie das z.B. Unternehmen, die direkt auf den Umsatz aus der aktuellen Nachfrage angewiesen sind, um ihr Geschäft weiterlaufen zu lassen. Aber es hat sich gezeigt, dass gerade auch diese Spitzentechnikunternehmen doch anfällig sind.

00: 13:15: Und woran liegt das?

00: 13:17: Ja man kann so mehrere Bereiche identifizieren, die in der Krise für die Unternehmen eine große Rolle gespielt haben. Für die negativen Auswirkungen waren die Nachfragerückgänge eigentlich der wichtigste Bereich, der allerdings auch die Branchen ein bisschen unterschiedlicher Weise getroffen hat. Liquiditätsengpässe ist auch ein wichtiger Bereich, nicht ganz so wichtig wie dieser Nachfragerückgang, aber auch in vielen Branchen relevant und Schwierigkeiten beim Vertrieb oder um Vorleistungen zu bekommen sind dann noch hinzugekommen, also die letzten beiden Punkte gehen auf Grenzschließungen auf Probleme in der Logistik zurück, die in den Monaten März, April eine ganz große Rolle gespielt haben. Und in allen Branchen außer eben diesen Bereichen der Spitzentechnologie ist es so, dass es ein Faktor, Block gibt, der besonders relevant ist und die anderen sind dann mehr oder weniger wenig bedeutend. Und für die Spitzentechnologie ist das aber nicht der Fall. Das ist der Bereich, der von allen dieser Ursachenblöcke betroffen wird, ist immer bei der Spitzenbelastung jeweils dabei und das kann man sich doch eigentlich auch erklären. Diese Unternehmen sind meistens international verflochten, für die spielt auch Export bereits eine Rolle, sie beschaffen Elemente für ihre Innovationsprojekte oder für ihre Produkte auch aus dem Ausland. Diese Ketten waren gefährdet, sie haben eigentlich immer Finanzierungsschwierigkeiten, sind immer auf der Suche nach Finanzierungsrunden, deshalb spielt die Liquidität eben doch auch eine große Rolle und auch die Nachfrage, wenn sie schon am Markt aktiv sind, ist offensichtlich, so wie sie das jetzt hier angegeben haben, doch auch in der Krise deutlich zurückgegangen. Also so sieht man, dass die Unternehmen zwar gut aufgestellt sein können, aber durch die Vielfalt der Ursachen, die auf sie einwirken, eben besonders betroffen sind.

00: 15:53: Also das sind eigentlich die Unternehmen, die besonders innovativ sind, die besondere Meilensteine für die Wirtschaft setzen würden, die jetzt besonders unter die Räder gekommen sind.

00: 16:01: Das sind die Unternehmen, die, wenn ihre Projekte gut ausgehen, neues Wissen kreieren, neue Technologien etablieren, die dann auch diffundieren können und die dann auch natürlich Spill-Over-Effekte auf andere Unternehmen und die Wirtschaft haben und die sind jetzt halt besonders betroffen. Auch durch ökonometrische Analysen konnten wir zeigen, dass die Innovationstätigkeit der Unternehmen eben hier als ein Punkt anzusehen ist, der mit negativer Betroffenheit stark korreliert, also innovationsaktive Unternehmen oder Innovationsaktivitäten der Unternehmen gehen einher damit, dass eben die Unternehmen schlechter wegkommen als die anderen. Es ist wie ein Risikofaktor. Das liegt sicherlich an der hohen Unsicherheit, die in diesem ganzen System der innovationsaktiven Unternehmen drin ist, der Ausgang ist ungewiss und das birgt Risiken.

00: 17:06: Und ihr habt euch angeschaut, wie die Unternehmen darauf reagieren, dass sie in Schwierigkeiten geraten sind. Was war da auffällig?

00: 17:14: Die Unternehmen reagieren jetzt in nicht in ihrer großen Mehrheit darauf, aber immerhin ungefähr ein Drittel der Unternehmen verändert die Innovationsstrategie, passt jetzt nicht unbedingt die Angebotspalette an, aber ändert den Prozess, auf dem diese Innovation, an denen sie arbeiten, erreicht werden sollen. Eine Reaktion natürlich auch auf die Schwierigkeiten und ungefähr ein Viertel der Unternehmen ändert die räumliche Marktorientierung, also orientiert sich anders, geografisch, um Absatzmärkte zu finden oder ihre Produkte oder Dienstleistungen eben zu veräußern. Und das ist natürlich erstmal eine typische Krisenanpassung die da passiert, also man kommt in Schwierigkeiten, man ändert die Prozesse und man ändert unter Umständen, wenn es logistische Schwierigkeiten gibt, den Markt, den man sich räumlich aussucht, um aktiv zu sein. Das sind Strategien, die natürlich zur Überbrückung einer Krisenzeit angelegt sind, das ist offensichtlich.

00: 18:29: Und was ist mit den Produkten, als haben die Unternehmen dann auch andere Dinge hergestellt?

00: 18:36: Ja manche Unternehmen haben ja ihre Produktpalette verändert, in den Zeitungen als besonders illustratives Beispiel sind ja die Schnapsbrennereien, die jetzt den Alkohol destillieren, um jetzt Desinfektionsmittel daraus zu machen, aber wir haben gesehen, dass die Unternehmen, die per Saldo positive Effekte haben, in der Regel das durch Nachfragezuwächse in ihrem angestammten Angebotssortiment erreicht haben und dass der Weg der Angebotsveränderung kaum einen Beitrag dazu geleistet hat, dass im Branchenaggregat, also über die einzelnen Unternehmen unter Umständen hinaus nennenswerte Effekte erzielt worden sind. Also man kann sagen, diese Angebotsanpassung ist vielleicht eine sehr vernünftige, lukrative, Unternehmens-individuelle Strategie, aber hat keinen größeren Effekt gehabt, da war einfach das Glück, Produkte produzieren zu können und im Angebot zu haben, die jetzt gerade besonders wichtig waren.

00: 19:41: Also Toilettenpapier und Desinfektionsmittel.

00: 19:43: Sowas, z.B., ganz genau.

00: 19:47: Das ist eigentlich etwas ernüchternd.

00: 19:50: Ja man muss sehen, wir haben befragt nach März, April, also der Lockdown war Mitte März, also wir haben die Unternehmen Anfang Mai gefragt, zu einem Zeitpunkt, als natürlich auch die Krise wochenalt war, mit sehr hohen Unsicherheiten verbunden und es ist natürlich keinesfalls ausgeschlossen, dass solche Anpassungseffekte nach einigen Monaten greifen. Wir sind schon sehr neugierig, wenn wir jetzt im Oktober die zweite Befragungswelle durchlaufen lassen, wo wir auch möglichst viele der Unternehmen wieder sprechen wollen, um eben zu sehen, wie sich das entwickelt hat und vielleicht weicht dann die Ernüchterung oder sie verfestigt sich.

00: 20:31: Das ist bestimmt spannend, was dabei rauskommt. Was würdest du denn jetzt sagen, nach dieser Studie, was kann die Politik daraus mitnehmen, also soll man den Unternehmen helfen, die jetzt in Schwierigkeiten geraten sind und wie?

00: 20:52: So grosso modo über alle Unternehmen kann man das natürlich nicht sagen. Also ein paar grundsätzliche Dinge muss man bedenken. Wir hatten vorhin schon kurz darüber gesprochen, dass es bei jungen Unternehmen sowieso immer einen relativ großen Anteil der Unternehmen gibt, die nach wenigen Jahren den Markt wieder verlassen müssen, also wie gesagt im Durchschnitt 25 Prozent, aber da sind Branchen dabei, wo es auch 50 oder mehr Prozent sein können, die einfach nach kurzer Zeit wieder schließen müssen, dass das sozusagen das Risikorauschen der Unternehmensdynamik ist, dem eben auch junge Unternehmen in bestimmten Branchen ausgesetzt sind, das gilt natürlich auch. Also wenn man jetzt versuchen würde, alle Unternehmen am Leben zu erhalten, dann wäre das sicher ein Eingriff, der eigentlich weit über das hinaus geht, was auch ökonomisch normalerweise passieren würde und Unternehmen, die dann aus solchen Gründen am Leben bleiben, da sie unterstützt werden, die werden manchmal auch als Zombie-Unternehmen bezeichnet, ein Ausdruck den ich etwas zu krass finde, aber er deutet etwas in die richtige Richtung. Also natürlich gibt es Unternehmen, die sich jetzt auch unter guten Bedingungen nicht bewähren können und die Schwierigkeit ist eben, zu identifizieren, welche sind das, wenn jetzt auch viele Unternehmen mit guten Konzepten in Schwierigkeiten geraten, das ist schon klar, das ist eine Herausforderung, aber mit der Gießkanne alle Bereiche zu fördern, das würde ich aus ökonomischer Sicht doch für sehr riskant halten. Bestimmte Bereiche, nehmen wir beispielsweise die Hochtechnologiebranchen oder die sehr innovativen Unternehmen, die ja noch an neuem Wissen arbeiten und auch technologischen Fortschritt in die Wirtschaft bringen können, deren Gründungsprojekte oft ja auch langfristig angelegt sind, auf Entwicklung ausgerichtet und dort beispielsweise besteht die Gefahr, dass inzwischen erarbeitetes Wissen verloren geht, wenn die Unternehmen vom Markt gehen, wenn die Mitarbeiterteams oder Gründerteams sich sozusagen in alle Welt verteilen oder woanders arbeiten, das wäre sicherlich ein Verlust und da finde ich es eigentlich auch richtig, dass die Bundesregierung auch solche Startups in dieser Richtung unterstützen möchte, um die Finanzierung zu gewährleisten, aber da muss man dann sehr drauf achten, dass es tatsächlich so innovative Unternehmen sind und nicht einfach nur die Tatsache, dass man am Markt ist, sollte da ausreichen. Da kommt es schon sehr drauf an, was da gemacht wird. Andere Bereiche, wo die Fluktuation sowieso sehr hoch ist, wo es durch den Dienstleistungscharakter des Angebots auch keine Nachfrage nachgeholt werden kann, da kann man sicher nicht alle Unternehmen am Leben erhalten und sollte das aus Wettbewerbsgründen auch nicht machen.

00: 24:20: Also, wenn ich das jetzt richtig verstehe, wäre es absurd, jetzt jede Bar über den Winter, über die Krise zu retten, wenn davon eh ein Viertel geschlossen hätte und nächstes Jahr mit einem neuen Eigentümer öffnet.

00: 24:33: Absurd würde ich es vielleicht nicht nennen, ich würde es vorsichtig ausdrücken. Natürlich ist es für jeden Barbesitzer verständlich und er hat auch einen Nutzen davon, wenn sein Unternehmen erhalten bleibt und er dann vielleicht im nächsten Frühjahr oder so in seiner Bar wieder seine Gäste empfangen kann. Den Umsatzverlust, den er jetzt hat, der wird wahrscheinlich nicht wiederkommen. Es ist ja kaum zu erwarten, dass jetzt im Jahr 2021 die Leute fünf Mal so oft in eine Bar gehen, wie sie es im Durchschnitt machen, um jetzt hier diesen Nachfragerückgang nachzuholen. Also den Umsatz hat er nicht und wenn er große Teile davon braucht, um zu überleben, müssten ihm die eben als Subventionen zufließen. Gesamtwirtschaftlich ist das vielleicht keine gute Idee. Es gibt vielleicht andere Konzepte und wettbewerbsfähigere Barkonzepte, weiß ich nicht genau, die dann eigentlich besser greifen würden und wenn im nächsten Jahr die Nachfrage wieder anzieht, dann könnte der Barbesitzer oder irgendein anderer Mensch, der in diesem Gewerbe tätig werden will, dann wieder eine Bar eröffnen und kann sein Angebot da an seine Kunden bringen. Also Branchen mit hoher Fluktuation und Gastronomie ist ja ein super Beispiel, das sieht man ja, die Kneipe an der Ecke wechselt ja alle paar Jahre mal den Besitzer oder Pächter, das ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht unbedingt sinnvoll, hier jetzt die Unternehmen künstlich am Leben zu halten. Da sollte man sich lieber auf die Bereiche, wo neues Wissen entsteht und wo neue Technologien entwickelt werden, konzentrieren, da sind die langfristigen Verluste für die Ökonomie deutlich größer. Da sind ja oft schon große Summen reingeflossen in die Entwicklung, da steckt viel Humankapital, also viel Wissen und eventuell auch Forschungserfahrung dahinter, die die Gründer hinter sich gebracht haben und die in dieses Unternehmenskonzept einfließen und natürlich wäre das ein Verlust, wenn dieses Wissen auf einmal völlig verloren geht und kein Ergebnis sich einstellt, das wäre ein großes Problem und es ist nicht so einfach wiederzubringen wie kleine Dienstleistungsunternehmen oder sonstige Anbieter.

00: 27:21: Also die können dann nicht einfach ihr Unternehmen nächstes Jahr nochmal neu gründen.

00: 27:24: Nein, das können die nicht so einfach.

00: 27:29: Und könnte man nicht sagen, die werden jetzt einfach von größeren Unternehmen gekauft und damit bleibt dieses Geschäftsmodell erhalten?

00: 27:35: Also diese Unternehmen werden ja oft, wenn sie mit ihren Entwicklungen vorangekommen sind, auch aufgekauft von größeren Unternehmen, dazu müssen sie natürlich auch schon nah am Erfolg mindestens mal sein oder vielleicht schon erfolgreich gewesen sein mit ihrem Innovationsprojekt. Wir sprachen vorher ja bereits über die Unsicherheit, die natürlich jetzt bei den sehr jungen Hightechunternehmen aus der Industrie natürlich immer noch besteht, also im Moment ist es noch nicht klar, ob es gut ausgeht und im Moment sind ja auch viele große und etablierte Unternehmen Corona-Krisen-bedingt in Schwierigkeiten, haben Liquiditätsschwierigkeiten, müssen alle mögliche Hilfen in Anspruch nehmen, brauchen für ihre Belegschaft ein Kurzarbeitergeld und die sind im Moment nicht so drauf, als würden die da den großen Einkaufsfischzug unter den Hightechfirmen der Gründergeneration da durchführen können.

00: 28:34: Und was brauchen diese jungen Unternehmen jetzt, diese besonders innovativen, um über die Krise zu kommen, ist da auch was rumgekommen in eurer Studie?

00: 28:44: Also Liquiditätsproblem ist ja ein großes Problem, was natürlich durch entsprechende Ko-Finanzierung von Wagniskapital oder anderen Finanzierungsformen, eventuell auch durch entsprechende Darlehen gelöst werden kann. Andere Probleme wie Nachfragerückgang oder logistische Probleme, zu denen es ja jetzt aktuell, wo die Zahlen auch in den Ländern um uns herum ja wieder steigen, auch nochmal wieder kommen könnte, kann der Staat natürlich wenig machen. Also hier geht es einfach darum, die Unternehmen am Leben zu halten und ihnen zu ermöglichen, da weiterzuarbeiten.

00: 29:24: Und heißt das, dass man im Umkehrschluss, die Dienstleistungen, diese komsumnahen, gar nicht unterstützen sollte, weil sie ja nicht so wissensintensiv sind?

00: 29:36: Das kann man so nicht sagen. Aus rein gesamtwirtschaftlicher Sicht gibt es natürlich viele Gründe, über die wir ja eben gesprochen haben, zu sagen, hier ist eine Unterstützung nicht so effizient, aber es gibt natürlich insbesondre in den Städten auch noch ein paar andere Aspekte, die man bedenken muss. Also eine vielfältige Gastronomie und viele kleine Läden machen natürlich auch eine gewisse Attraktivität und Wohnqualität oder Lebensqualität aus und wenn jetzt durch eine kurzfristige Insolvenzwelle vieler dieser Unternehmen einfach weggerissen werden, schließen müssen, dann gibt es natürlich schon die Gefahr, dass da bestimmte Bereiche quasi veröden oder dass es eben nicht so schnell wieder Neugründungen gibt, die an deren Stelle treten und das kann natürlich auch aus anderen politischen Aspekten heraus Bedeutung haben, insbesondere für kommunale Politik oder regional orientierte Politik, um hier nochmal ein bisschen einzugreifen und diesen Aspekt auch zu berücksichtigen.

00: 30:46: Das heißt, es ist kompliziert, aber die innovativen Unternehmen, die brauchen auf jeden Fall Unterstützung.

00: 30:51: Es ist deshalb kompliziert, weil es Zielkonflikte gibt, weil man sich entschieden muss und man seinen Euro nur einmal ausgeben kann, aber es ist auf jeden Fall so, dass die Hightechunternehmen, die innovativen Unternehmen auf jeden Fall Unterstützung brauchen.

00: 31:08: Vielen Dank, Jürgen, für das Interview.

00: 31:10: Gerne.

00: 31:11: Musik

00: 31:13: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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