Wirtschaft · Forschung · Debatten

Wirtschaft · Forschung · Debatten

Transkript

Zurück zur Episode

00: 00:00:00 - 00:00:25:18

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Es gibt andere Länder, die viel mehr Sonne haben, viel mehr Wind. Und da sie auch ihre erneuerbare Erzeugung ausbauen, ist nicht klar, dass wir am Ende relativ gesehen zu den anderen Ländern, wo die Bedingungen besser sind, billigeren Strom haben werden, als es heute der Fall ist. Also die Frage ist, ob diese Prämisse, die dem Brückenstrompreis zugrunde liegt, ob die hält.

00: 00:25:20 - 00:00:35:02

Intro:

Intro: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZEW Podcast.

00: 00:35:04 - 00:01:12:06

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Nach einer Idee des Bundeswirtschaftsministeriums sollen die Industriestrompreise für energieintensive Unternehmen aus der Stahl und Chemiebranche auf 0,06 € pro Kilowattstunde für 80 % des jeweiligen Verbrauchs gedeckelt werden. Dieses Modell wird Brückenstrompreis genannt und soll bis 2030 für Unternehmen gelten, die ihren Standort halten und tarifgebunden sind. Befürworter sagen, dass es diese Subventionen brauche, damit die Industrie nicht abwandere. Kritiker betonen, dass eine Subvention keine Anreize mehr setze, um Strom zu sparen.

Bastian Thüne: In der aktuellen Folge des ZEW- Podcast geht es um den Brückenstrompreis. Darüber spreche ich mit der Umwelt- und Energieexpertin Professor Kathrine von Graevenitz. Sie arbeitet im Bereich Umwelt- und Klimaökonomik am ZEW und außerdem als Professorin für Empirische Umweltökonomik an der Universität Mannheim. Mein Name ist Bastian Thüne. Ich arbeite in der Kommunikation. Herzlich Willkommen zum ZEW Podcast.

00: 01:41:06 - 00:02:08:10

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Hallo Kathrine. Schön, dass du da bist.

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Hallo Bastian, danke dir.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Im Allgemeinen versteht man unter einer Brücke ein Bauwerk, das einen über Hindernisse von Punkt A nach Punkt B führt. Inwiefern kann denn ein Strompreis eine Brücke sein?

00: 02:08:12 - 00:02:33:08

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Ja, es geht in diesem Fall darum, eine schwierige Zeit zu überbrücken. Einige Vertreter der Industrie und auch der Politik sehen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als gefährdet, aufgrund der relativ hohen Energiepreise und hier vor allem der Strompreis. Es ist so, für die Wettbewerbsfähigkeit ist der relative Preis entscheidend. Das heißt, in Deutschland haben wir nicht ein Problem aufgrund von absoluten hohen Strompreisen, sondern eher aus dem Grund, dass die Strompreise hier in Deutschland höher sind als in anderen Ländern, mit denen wir im internationalen Wettbewerb stehen.

00: 02:33:10 - 00:03:01:05

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Und um zu verhindern, dass die Industrie abwandert, soll also dieser Brückenstrompreis eingeführt werden, um eine Zeit zu überbrücken, in der die Strompreise in Deutschland vergleichbar hoch sind.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Was glaubst du, wie lange der Zeitraum geht?

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Ja, das ist schwer zu sagen, weil die Prämisse ist ja, dass wir in Deutschland unsere erneuerbare Stromerzeugung ausbauen werden und dadurch dann niedrigere Strompreise haben werden in Zukunft.

00: 03:01:08 - 00:03:29:16

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Es geht um magere sieben Jahre, sagen wir so, und dann ab 2030 sollen wir wieder in der Lage sein, ohne Subventionen wettbewerbsfähig zu produzieren. Und die Wette, die man hier eingeht, ist halt, dass wir diese relativ günstigeren oder nicht günstiger als in anderen Ländern, aber zumindest nicht viel höher als in anderen Ländern, Preise haben werden, wenn diese Jahre vorbei sind, also ab 2030 und da muss man sich die Frage stellen, ob diese Wette aufgeht, sozusagen.

00: 03:29:17 - 00:04:01:23

00: Also ob wir tatsächlich dann, wenn wir unsere erneuerbare Energieerzeugung ausgebaut haben, wettbewerbsfähig sein werden, wenn es um die Strompreise geht, also weil Deutschland nicht unbedingt der beste Standort ist für erneuerbare Energieerzeugung. Es gibt andere Länder, die viel mehr Sonne haben, viel mehr Wind und da sie auch ihre erneuerbare Erzeugung ausbauen, ist nicht klar, dass wir am Ende relativ gesehen zu den anderen Ländern, wo die Bedingungen besser sind, billigeren Strom haben werden, als es heute der Fall ist. Also die Frage ist, ob diese Prämisse, die dem Brückenstrompreis zugrunde liegt, ob die hält.

00: 04:02:00 - 00:04:31:24

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Weil, da ist ja auch die Frage, der Stromverbrauch wird ja durch die Energiewende massiv steigen, wenn viele Leute Elektroautos fahren, mit Wärmepumpen geheizt bzw. auch gekühlt wird. Ob die Kapazitäten in dem Tempo mitziehen, ist ja noch fraglich. Sollte man nicht besser die Großindustrie dahin ziehen lassen, wo es billigen Strom gibt und sich in Deutschland auf die Förderung von Innovationen konzentrieren?

00: 04:32:01 - 00:04:54:12

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Ja und nein. Ich glaube, man kann es nicht so pauschal sagen. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass es nicht unbedingt vorteilhaft ist, in globale Abhängigkeiten zu geraten. Also jetzt in der Pandemie war es schwierig Schutzmittel zu bekommen, also Mundschutz usw., da wissen wir ja alle, dass wir die am Anfang selbst genäht haben zu Hause, weil es die nicht gab.

00: 04:54:17 - 00:05:22:05

00: Ähnlich haben wir ja neulich gesehen, wie es ist, wenn Gas plötzlich nicht mehr durch die Pipelines kommt, obwohl man darauf gesetzt hatte. Das sind natürlich beides extreme Fälle, aber man kann sich auch andere Umstände vorstellen, wo es auf jeden Fall sinnvoll wäre, dass man eine gewisse Versorgung sicher hat oder dass man zumindest sicher sein kann, dass man die Produkte, die man braucht, aus mehreren unterschiedlichen Quellen beziehen kann. Dass man nicht abhängig ist von bestimmten Ländern, die vielleicht mehr oder weniger vertrauenswürdig sind am Ende des Tages.

00: 05:22:09 - 00:05:58:10

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und es ist ja auch die Sache, kleine und mittlere Unternehmen sollen ja Strom sparen. Für die subventionierte Großindustrie gilt das ja nicht unbedingt, weil die ja erst mal keinen Anreiz haben, Strom zu sparen. Ist es denn überhaupt sinnvoll, die Transformation so unterschiedlich anzugehen?

00: 05:58:12 - 00:06:53:16

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: So wie das BMWK, das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima, die den Brückenstrompreis vorschlagen und das Arbeitspapier, was sie vorgelegt haben, da sollen die Anreize zu sparen schon erhalten bleiben. Also dieser Brückenstrompreis baut auf die Strompreisbremse auf, die wir in den letzten Monaten oder im letzten Jahr entwickelt haben. Das heißt nur 80 % des Verbrauchs soll subventioniert werden mit diesem günstigeren Strompreis und die restlichen 20 % oder die letzten 20 % sollen weiterhin zu aktuellen Marktpreisen gekauft werden von den Unternehmen. Das heißt die hohen Grenzkosten bleiben erhalten. Und damit ist natürlich immer noch ein Anreiz da, zu sparen. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, wenn man sich die Gesamtstromkosten eines subventionierten Betriebs, einem subventioniertem Unternehmen ansieht, dann sind die natürlich geringer, weil 80 % von dem Stromverbraucher mit einem niedrigeren Preis bepreist worden sind.

00: 06:53:18 - 00:07:39:23

00: Und das kann wiederum bedeuten, einerseits, dass der Anreiz, Geld in Innovationen zu stecken, geringer ist, weil man da nicht sieht, dass man viel Geld dadurch spart. Andererseits auch, dass die Zeit, bis eine Investition in Stromsparmaßnahmen sich zurückbezahlt hat, bis es sich gelohnt hat und am Ende dann grüne Zahlen da stehen. Die Zeit wird länger, also dieser Zeitraum wird länger, weil die Kosten für Strom geringer sind für den Gesamtstromverbrauch, also so der marginale Anreiz bleibt erhalten. Aber das heißt nicht, dass diese Unternehmen genauso viel sparen werden, wie sie es sonst getan hätten, ohne Subventionierung.

00: 07:40:23 - 00:08:20:21

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Zumal die Politik da ja auch uneinheitlich vorgeht. Also im Jahr 2022 wurde ja die Bevölkerung angemahnt Waschlappen zu benutzen oder kalt zu duschen, um Geld zu sparen. Und bei Privathaushalten können ja die Energiekosten schon einen großen Teil einnehmen. Also als letztes Jahr diese Gaspreise so hoch waren und viele das an den Abschlägen gesehen haben und dann kann das ja vielleicht auch die Hälfte der Miete ausmachen. Wie ist es denn überhaupt in Industrieunternehmen, gemessen an diesen ganzen Produktionskosten? Ich habe eine Fabrik, ich habe Mitarbeiter, ich habe Sozialabgaben. Sind denn da die Stromkosten überhaupt so stark im Gewicht?

00: 08:20:23 - 00:08:32:10

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Für manche Unternehmen ist das sicherlich ein hoher Posten, aber es ist bei den allerwenigsten so ein großer Posten, dass es zum Beispiel die Lohnkosten übersteigt oder auch andere Materialien, die in der Produktion einfließen.

00: 08:32:12 - 00:09:00:17

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Dann frage ich mich, ob überhaupt noch ein wirklicher Anreiz gesetzt wird, wenn 80 % gedeckelt werden, dass zu einem extrem niedrigen Preis, gleichzeitig aber die Stromkosten im Durchschnitt auch gar nicht so hoch sind im Endprodukt, dann sehe ich da wenig Anreize, wirklich auch Strom zu sparen bei diesen Unternehmen und sich auf andere Energiequellen oder andere Energieerzeugung umzustellen.

00: 09:00:18 - 00:09:27:07

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Also ich würde sagen, ein Anreiz ist schon da. Wir wissen aus der Forschung, dass wenn die Strompreise steigen, zum Beispiel haben wir in einem Forschungsprojekt die Auswirkungen von Stromnetzentgelten untersucht. Wenn die Netzentgelte um 0,01 € steigen, dann sinkt der Strombezug vom Netz um 3 %. Das heißt, die Unternehmen reagieren darauf. Wir wissen auch, dass die kleinen Unternehmen stärker darauf reagieren, also die kleinen im Sinne von weniger energieintensiv als die großen. Und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass wir diese extreme Heterogenität haben. Die Kleinen können vielleicht zum Teil besser einsparen, weil sie in ihrem Produktionsprozess besser, entweder Strom durch andere Inputs, also Arbeit zum Beispiel, ersetzen können. Oder sie haben noch nicht so die, wie sagt man, die günstigsten Sparmaßnahmen umgesetzt, weil sie sich bisher für sie noch nicht gelohnt hat, weil Strom ein geringer Posten ist, dann braucht man vielleicht eher größere Veränderungen, bevor man da was macht. Bei den sehr energieintensiven Unternehmen, die reagieren weniger stark darauf und das könnte damit zusammenhängen, dass sie schon viele Einspar-Maßnahmen umgesetzt haben oder dass es auch einfach extrem teuer ist für sie, weiterhin Strom einzusparen.

00: 10:20:24 - 00:11:07:19

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Man sieht ja durchaus kreative Ansätze zum Stromsparen, was ich in verschiedenen Reportagen gesehen habe, dass einfach Bäcker ihr Sortiment zusammenstreichen, um dann so die Auslastung ihrer Öfen oder mit weniger Backzeit eine ähnliche Menge an Produkten herzustellen.

Bastian Thüne: Natürlich kann man aber auch jeden Unternehmer verstehen, dass er Subventionen mitnimmt, weil aus wirtschaftlicher Sicht seines eigenen Unternehmens, betriebswirtschaftlicher Sicht, ist es ja durchaus sinnvoll. Wenn er Kosten sparen kann, nimmt er das gerne mit. Wenn Subventionen über einen längeren Zeitraum anhalten und diese sogenannte Brücke sieben Jahre gehen soll, bekommt man diese Subvention dann überhaupt wieder weg? Weil das wird doch auch irgendwann von den Unternehmen wahrscheinlich eingepreist, dass man diesen Strompreis von 0,06 € hätte.

00: 11:07:21 - 00:11:28:10

Kathrine von Graevenitz:

Es wird ja konsequent gesagt, dass das eine Brücke sein soll. Aber man hört auch schon Stimmen von der Industrie, die davon ausgehen, dass das permanent so ist, dass das so bleibt. Für mich ist es nicht klar, dass man in 2030 sagt: „Ihr hattet sieben Jahre Zeit.“ Es ist offensichtlich, dass wir in Zukunft nicht wettbewerbsfähig sein werden mit Strompreisen. Also was jetzt? Vielen Dank und Tschüss. Ich glaube nicht, dass das so kommen wird. Und das erscheint mir nicht glaubwürdig. Und das erscheint offensichtlich auch der Industrie nicht glaubwürdig, da es schon diese Aussagen gibt. Und da muss man sich schon überlegen, was man da anfängt.

00: 11:28:12 - 00:12:03:08

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also doch eine Brücke ins Nirgendwo.

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Es könnte eine Brücke ins Nirgendwo sein.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Man sieht ja auch momentan die Widerstände. Also dass die sogenannten Klimazertifikate, deren Erhöhung wurde ausgesetzt und jetzt wurde es glaube ich vor zwei Wochen oder vor mehreren Wochen ins Spiel gebracht, diese Erhöhung jetzt vorzunehmen. Und da gab es ja auch direkt wieder Widerstand.

00: 12:03:08 - 00:14::22

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Das kann man ja auch gut verstehen, weil man das direkt spürt. Am Ende des Tages sind aber auch Maßnahmen, die nicht eine direkte Bepreisung von CO2 sind, so wie Subventionierung, zum Beispiel auch Subventionierung von Investitionen. Oder wenn man sagt, wir haben jetzt einen Standard eingeführt, dass Gebäude maximal so viel Energie verbrauchen dürfen

00: 12:28:16 - 00:12:54:11

00: und so weiter. Das sind alles Maßnahmen, die auch mit Kosten verbunden sind. Die Kosten sind halt besser versteckt und das ist etwas, was sehr schwierig ist zu vermitteln, weil wir wissen aus ökonomischer Theorie, aus vielen Modellen, die wir machen, dass die Bepreisung die effizienteste Art und Weise ist, das Problem zu lösen, weil man direkt überall, wo CO2 ausgestoßen wird, einen Preis darauf hat. Und so wird überall, wo es sich lohnt, verglichen zu dem Preis, den man gesetzt hat, dann CO2 eingespart, sozusagen. Wenn man stattdessen Subventionen hat oder diese Standards, dann ist der Preis immer noch da. Der ist unsichtbar und er ist sehr heterogen, also sehr unterschiedlich in unterschiedlichen Sektoren. Wir haben jetzt schon sehr hohe implizite CO2-Preise für Benzin, also die sind über 200 € und Diesel, die sind extrem hoch, verglichen zu dem Preis in unserem nationalen Emissionshandel, der immer noch im zweistelligen Bereich ist, oder verglichen mit dem europäischen Emissionshandel, wo wir jetzt inzwischen auch bei 100 € gewesen sind. Das ist aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll, dass der gleiche Stoff ist, jede Tonne CO2 verursacht die gleichen Schäden und deswegen sollten sie gleich bepreist werden über alle Sektoren hinweg. Und das ist einfach mit einer CO2-Bepreisung. Aber es ist sehr schwierig, wenn man unterschiedliche Maßnahmen verwendet, die alle am Ende unterschiedliche implizite Preise haben, die nicht sichtbar sind.

00: 14::22 - 00:14:50:18

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Fassen wir zusammen, du siehst den Strompreis eher kritisch. Jetzt hätte ich noch einen Vorschlag. Also angenommen, die Politik würde diese Brücke wirklich nur zur Überbrückung nutzen wollen.

Bastian Thüne: Sie könnte ja auch den Unternehmen Bedingungen sagen, dass sie die Subventionen nur erhalten, wenn sie gleichzeitig einen Teil der Ausgaben in die Transformation investieren. Also wie auch immer man das praktisch bewerkstelligen könnte. Könntest du dich damit mehr anfreunden?

00: 14:50:18 - 00:17:15:01

Kathrine von Graevenitz:

Kathrine von Graevenitz: Ich kann gut verstehen, wo der Vorschlag herkommt. Sagt man das so, dass es eine Leistung und Gegenleistung ist? Wir setzen auf die energieintensive Industrie. Die energieintensive Industrie setzt auf uns, indem sie dann hier Standortinvestitionen tätigen. Das Problem dabei ist, dass wir ja eigentlich nur Mitnahmeeffekte vermeiden wollen, das heißt, wir wollen nur diejenigen Unternehmen subventionieren, die tatsächlich ohne Subventionen gegangen wären. Und es ist mir nicht klar, wenn wir solche Anforderungen an die Subventionierung verknüpfen, dass wir die richtigen Unternehmen damit loswerden, sozusagen also die Unternehmen, die auf dem Sprung sind.

Kathrine von Graevenitz: Für sie ist es sehr viel riskanter, jetzt noch Geld in die Hand zu nehmen, in Deutschland zu investieren als die, die ohnehin hiergeblieben wären. Das heißt, tendenziell werden wir eher die Unternehmen los, die wir eigentlich halten wollen. Und das finde ich problematisch. Also meines Wissens gibt es da noch keine Studien, die zeigen, wie diese Bedingungen, welche Auswirkungen sie haben, im Sinne von, welche Unternehmen haben wir dann nicht drin, die wir sonst drin gehabt hätten. Und sind das die richtigen oder die falschen? Wir wissen aber, weil es auch Anforderungen gab, zum Beispiel bei der Besonderen Ausgleichsregelung, also das war eine Entlastung oder ist immer noch eine Entlastung für genau die gleichen Industriebetriebe, die auch mit dem Brückenstrompreis entlastet werden sollen.

Kathrine von Graevenitz: Und da hat man auch gesagt, ihr kriegt diese Entlastung von der EEG-Umlage. Also damals war es ein erheblicher Anteil vom Strompreis. Das war schon bis zu einem Drittel vom Gesamtstrompreis. Wenn ihr auch solche Gegenleistungen macht, zum Beispiel Investieren. Und da hat man gesehen, dass einige Unternehmen, die eigentlich antragsberechtigt waren, die die Bedingungen erfüllt haben, die haben diesen Antrag nicht gestellt.

Kathrine von Graevenitz: Und die Erklärung, wenn man mit Industrievertretern spricht, ist genau diese Anforderung. Man hat sich dann eingeschränkt in der freien Entscheidung der Industrie, also der Leitung der Industriebetriebe am Ende. Ja, und sie müssen ja Geld verdienen für ihre Eigentümer. So ist es nun mal, das ist ja der Sinn und Zweck von so einem Betrieb. Und da muss man sich dann am Ende fragen, lohnt es sich oder lohnt es sich nicht? Das heißt, mit solchen Anforderungen könnte man auch tatsächlich, also man hält nicht unbedingt jemand hier, der auf dem Sprung ist.

00: 17:15:01 - 00:17:43:17

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Das ZEW erstellt ja regelmäßig den Länderindex Familienunternehmen im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Darin wird der Abbau der Bürokratie gefordert, aber auch, dass öffentliche Investitionsvorhaben schneller genehmigt und durchgeführt werden sollen. Zudem könnte man auch die Steuerbelastung senken, damit Arbeit attraktiver wird. Wären solche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen nicht sinnvoller als einfach nur bestimmte Wirtschaftsbereiche zu subventionieren?

00: 17:43:19 - 00:20:37:24

Katherine von Graevenitz:

Katherine von Graevenitz: Ich würde insgesamt sagen, man kann schon den Standort Deutschland verbessern. Und hier könnte man breit ansetzen, statt sozusagen Industriepolitik in die Tiefe. Und da gezielt bestimmte Betriebe oder Sektoren aussuchen, dann sollte man aus meiner Sicht in die breite Masse gehen.

Katherine von Graevenitz: Also man sollte eine breite Standortpolitik machen, nicht in dem Sinne, dass man jeden subventioniert. Um Gottes willen, nein! Man sollte so No-regret-Maßnahmen machen. Also No-regret-Maßnahmen sind Investitionen, die gut sind, egal was kommt. Das wären Investitionen in Digitalisierung. Es wären Investitionen in Infrastruktur, also Straßen, Eisenbahnnetze, Stromnetzausbau. Investitionen in Bildung, damit wir die Fachkräfte, die hoch qualifizierten Fachkräfte, für die Deutschland bekannt ist und die lange ein Wettbewerbsvorteil waren, für Deutschland.

Katherine von Graevenitz: Das sollte man versuchen aufrechtzuerhalten. Man sollte Bürokratie abbauen. Das sind alles Maßnahmen, die für die breite Masse wirken, die nicht eine Wette sind, welche Technologien dann in Zukunft besser sind oder schlechter, weil wir wissen es schlichtweg nicht. Deswegen ist aus meiner Sicht die beste Politik, die wir machen können, sozusagen einen fruchtbaren Boden zu schaffen. Und dann schauen wir, was wächst.

Katherine von Graevenitz: Wir schaffen hier die guten Bedingungen, die guten Rahmenbedingungen und dann sehen wir, was sich da gut schlägt. Also wir sind mitten in einem Strukturwandel und wir wissen einfach nicht, wie die Zukunft aussieht. Und das ist, das ist eine große Unsicherheit sowohl für die Unternehmen als auch für die Politik. Deswegen kann man auch gut verstehen, dass man da überlegt, was können wir tun. Aber da wir nicht wissen, wohin wir wollen oder wohin wir können am Ende, weil es hängt ja nicht nur davon ab, was wir in Deutschland machen, sondern auch davon ab, was alle anderen machen in der Welt. Das sollten wir machen, und dann sollten wir ganz gezielt weiterarbeiten, dass wir globale Kooperationen hinkriegen, was die Klimapolitik angeht. Dass wir diese globale CO2-Bepreisung hinkriegen, entweder wirklich global, dass alle dabei sind oder dass wir dann einen Klimaklub haben, wo die wesentlichsten Emittenten dabei sind.

Katherine von Graevenitz: Und dann können wir durch Maßnahmen, wie zum Beispiel diesen Grenzausgleichsmechanismus, also der Carbon Border Adjustment Mechanism, der ja gerade entwickelt wird innerhalb der EU, als Teil der nächsten oder zukünftigen Emissionshandelsphase, dass man hier einen Grenzausgleichsmechanismus schafft, sodass die importierten Produkte, die viele CO2-Emissionen beinhalten, auch bepreist werden, sodass auch wenn die CO2-Emissionen in China, nicht in China bepreist werden, dann werden sie es bei uns und somit sind die Importe teurer, sodass man vielleicht eher den deutschen Stahl kauft als den chinesischen, jetzt überspitzt gesagt.

00: 20:37:03 - 00:21:02:21

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ja, das war noch ein schönes Schlussplädoyer. Also vielen lieben Dank für das Gespräch, Katherine. Es hat uns sehr gefreut, mit dir über das äußerst facettenreiche Thema zu diskutieren.

Katherine von Graevenitz:

Katherine von Graevenitz: Danke dir.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Danke auch fürs Zuhören beim ZEW Podcast. Wenn euch der Podcast gefällt, freuen wir uns über eure positive Bewertung auf Spotify oder Apple Podcasts. Habt ihr Fragen oder Anmerkungen?

00: 21:02:01 - 00:21:18:21

00: Dann schreibt gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf eure Zuschriften.

00: Outro

00: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZEW Podcast.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Abonnieren

Follow us