Wirtschaft · Forschung · Debatten

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Das ist ein superwichtiger zentraler Schritt hin zu mehr Rententransparenz und mehr Überblick und auch mehr Hilfestellung bei der Altersvorsorge.

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Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

Das Bundeskabinett hat vergangene Woche einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die Einführung einer Digitalen Rentenübersicht vorsieht. Was man sich darunter vorstellen kann und warum es wichtig ist, den Überblick über die eigene Altersvorsorge zu behalten, darüber spreche ich jetzt mit Prof. Dr. Tabea Bucher-Koenen. Sie leitet den Forschungsbereich Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement hier am ZEW Mannheim und beschäftigt sich in ihrer Forschung mit den Themen Altersvorsorge und Finanzwissen. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich willkommen beim ZEW-Podcast. Und natürlich hallo Tabea.

Hallo, guten Tag.

Vielleicht kannst du am Anfang kurz erklären, was eine Digitale Rentenübersicht eigentlich ist.

Eine Digitale Rentenübersicht erlaubt es Menschen, einen Überblick zu bekommen über die Einkommen aus verschiedenen Altersvorsorgequellen, d.h. es soll ermöglichen, dass Leute einfach und schnell einen Überblick bekommen darüber, welche Ansprüche sie z.B. in der gesetzlichen oder in verschiedenen privaten und betrieblichen Altersvorsorgeverträgen erworben haben und die werden dann in dem Überblick gemeinsam dargestellt und zusammenaddiert. D.h. man bekommt ja heute schon die ganzen Standmitteilungen von den ganzen Anbietern zugeschickt, aber die kommen alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten, die sind nicht standardisiert, die kommen in unterschiedlichen Formen, das sind alles Zettel, die ich dann zu Hause in meinem Briekasten finde, die ich vielleicht angucke, vielleicht auch abhefte, vielleicht landen sie im Papierkorb, aber ich glaube die wenigsten Menschen haben da ein System dahinter oder tragen die Zahlen dann in eine säuberlich sortierte Excel-Tabelle ein, sodass sie immer einen Überblick haben. Und das Ziel von der Digitalen Rentenübersicht ist, den Überblick zu geben und zwar von einer neutralen Stelle, die dann für einen all die verschiedenen Ansprüche zusammenträgt und übersichtlich auf einer Seite darstellt.

Also ich kann mich dann anmelden und sehen, wenn ich so weiterspare wie bisher, dann erhalte ich bei Renteneintritt mit 67 so und so viel Geld.

Zum Beispiel. Also eine Darstellung, die gewählt wird jetzt in dieser Digitalen Rentenübersicht oder in dem Gesetzesvorschlag, der gemacht wurde, ist, dass man zum einen einen Überblick bekommt über die erworbenen Ansprüche und dass man gleich auch noch einen Überblick bekommt über erwartete Ansprüche, wenn man so weiter einzahlt wie bisher, also man bekommt beide Informationen. Zum einen, wie sieht’s heute aus, aber auch was kann ich erwarten, wenn es so weiterläuft wie ich gerade einzahle.

Und kann man das überhaupt seriös vorhersagen?

Ja das ist die große Herausforderung, da muss man sich natürlich auf einheitliche Parameter einigen, mit denen diese Vorhersagen dann gemacht werden. Und ich glaube, das ist eine der großen Herausforderungen, denen man sich jetzt stellen muss, dass man sich eben auf glaubwürdige Parameter einigt, die man zugrunde legt bei diesen Hochrechnungen. Das Interessante ist ja, dass diese Standmitteilungen, die existieren ja alle und jeder Anbieter macht auch eigene Hochrechnungen, d.h. in einem ersten Schritt könnte man ja sagen, die Anbieter wissen eigentlich am besten darüber, was sie für Produkte haben, was sie für Kosten haben und man könnte einfach die Hochrechnung übernehmen und dann aggregiert darstellen und müsste dann halt irgendwo einen kleinen Infobutton machen, wo noch drinsteht, mit welchen Annahmen welcher Anbieter gerechnet hat. Also es müsste aus meiner Sicht nicht mal sein, dass man die Annahmen harmonisiert, sondern es müsste einfach nur mal eine Stelle geben, die sich hinstellt und sagt, aus der Hochrechnung nehmen wir diese und aus der Hochrechnung nehmen wir diese und so zählt man Äpfel und Äpfel zusammen, weil ganz oft ist es so, dass diese Standmitteilungen noch nicht mal harmonisiert sind und man gar nicht auf den ersten Blick sieht, welche Zahlen man überhaupt zusammenrechnen muss und das ist glaube ich einer der großen Beiträge dieser zentralen Digitalen Rentenübersicht, dass jetzt dieser Schritt, der soll einem jetzt abgenommen werden und das ist ein großer Schritt.

Also du begrüßt den Plan, den das Kabinett…

Auf jeden Fall, es ist ein super wichtiger zentraler Schritt hin zu mehr Rententransparenz und mehr Überblick und auch mehr Hilfestellung bei der Altersvorsorge für jeden und jede Einzelne.

Und worauf kommt es langfristig an, damit man das auch gut macht, so eine Digitale Rentenübersicht?

Also ich glaube, es ist super wichtig, dass man da jetzt viele Steakholder involviert und das ist auch in den letzten Jahren schon geschehen. Im Moment konzentriert sich dieser Gesetzesvorschlag auf die versicherungsnahen Produkte, was auch absolut nachvollziehbar ist, weil man muss auch irgendwo mal anfangen. Perspektivisch ist es wichtig, glaube ich, dass man da einen breiteren Blick einnimmt, weil viele Leute haben z.B. das eigene Haus, in dem sie leben, als Plan mit für die Altersvorsorge und die Frage ist so, wie kann man den Menschen ermöglichen, dass sie ihre Rente oder ihre Altersvorsorge so anpassen, dass es für sie passt und ich glaube das ist letztlich aus meiner Sicht keine staatliche Aufgabe, aber diesen Anfangsschritt zu machen, das ist eine staatliche Aufgabe, deshalb glaube ich, dass diese Digitale Rentenübersicht so, wie sie jetzt geplant ist, das ist ein super wichtiger Schritt. Der wichtige nächste Schritt ist, dass man praktisch diesen Überblick so allgemein und so flexibel gestaltet, dass die Menschen die Informationen, die da jetzt drinstecken in dieser Digitalen Übersicht, z.B. in Apps von privaten Anbietern oder auch von anderen neutralen Anbietern übertragen können, die ihnen dann eine individuelle Anpassung erlauben. Z.B. könnte das sein, dass man das Aktiendepot miteinbeziehen will und im Moment in der Digitalen Rentenübersicht, die von der Rentenversicherung angeboten werden soll, wäre das z.B. nicht möglich, da wäre zwar die Riester-Rente mit drin und auch die Betriebsrente von meinem Arbeitgeber, vielleicht auch mehrere Betriebsrenten, wenn ich die Arbeitgeber gewechselt habe, aber wenn ich z.B. ein Sparbuch habe, das ich miteinbeziehen möchte oder ein Aktiendepot, dann wäre das nicht mit drin und wenn ich aber, und diese Apps, die gibt’s auch schon, die werden im Moment entwickelt von verschiedenen Anbietern und dann muss ich eben frei sein als Endnutzerin oder Endnutzer, meine Daten aus der Digitalen Rentenplattform, die vom Staat angeboten wird, mitzunehmen und zu sagen, ich möchte die jetzt in einem anderen Kontext einbetten und möchte mir jetzt einen weiteren Überblick liefern und das ist glaube ich das eine, was zentral ist. Das andere, was zentral ist aus meiner Sicht, ist, dass ich Leuten, die wirklich ein bisschen tiefer einsteigen wollen, die Möglichkeit gebe, ihre eigenen Parameter zu setzen bei den Hochrechnungen. Also ich glaube, was man braucht, ist die Möglichkeit, damit rumzuspielen, zu sagen, was passiert denn, wenn ich jetzt noch einen Sparvertrag abschließe und 50 Euro im Monat zusätzlich zurücklege, was kommt denn dann raus. Oder so Sachen wie, was passiert denn, wenn ich ein Jahr früher oder ein Jahr später gehe, also dass man so eine gewisse Flexibilität oder auch Interaktivität den Nutzerinnen und Nutzern erlaubt und ich glaube, das würde jetzt diese Digitale Rentenübersicht, wie sie jetzt geplant ist, im ersten Schritt auch völlig überfordern, aber perspektivisch sollte man solche Sachen mitdenken und so eine Flexibilität, so eine Nutzerinnen- und Nutzerfreundlichkeit erlauben.

Das interessiert bestimmt total viele Leute, weil man ja wissen möchte, wie lange man noch arbeiten sollte und dann was man da rausbekommt. Du hast schon angesprochen, dass es ganz verschiedene Arten gibt, vorzusorgen und eigentlich soll diese Rentenübersicht ja säulenübergreifend sein. Vielleicht sprechen wir nochmal kurz darüber, welche Säulen gibt es und welche anderen Formen der Vorsorge gibt es?

Also ganz zentral oder klassischerweise wird unterschieden in alle Säulen der gesetzlichen oder verpflichtenden Altersvorsorge. Also bei der gesetzlichen, wenn man sie ganz eng sieht, dann wären das praktisch nur die Ansprüche aus der gesetzlichen Altersvorsorge, also die, die von der deutschen Rentenversicherung angeboten wird, aber wenn man das weiter fasst, dann wäre da z.B. auch die Beamtenversorgung noch mit dabei oder auch die Ansprüche aus den verpflichtenden Versorgungswerken von z.B. Ärzten oder Apothekern u.s.w. Die werden üblicherweise in dieser ersten Säule der Altersvorsorge zusammengefasst. Dann gibt es betriebliche Altersvorsorge, das sind alle Arten der Altersvorsorge und Produkte, die über den Arbeitgeber mit angeboten werden. Da gibt es aber auch unterschiedlichste Durchführungswege. Also die betriebliche Altersvorsorge ist wirklich unglaublich komplex, dadurch dass es so viele unterschiedliche steuerliche Behandlungen, so viele unterschiedliche Durchführungswege u.s.w., gibt, aber all diese Verträge sollen eben auch mit dargestellt werden. Das interessante da ist, dass man aus früheren Studien schon herausgefunden hat, dass Leute insbesondere über die betriebliche Altersvorsorge sehr, sehr schlecht informiert sind, weil das für viele Leute keine eigene aktive Entscheidung ist, solche Verträge abzuschließen. Also anders als bei der privaten muss ich halt nicht zu einer Bank oder einer Versicherung gehen und selbst aktiv eine Entscheidung treffen, dann habe ich vielleicht besser im Kopf, dass ich sowas besitze, als wenn ich von meinem Arbeitgeber irgendwann mal an meinem ersten Arbeitstag gesagt kriege, übrigens, wir zahlen da für dich x Euro im Monat in eine betriebliche Altersvorsorge ein und dann vergesse ich das wieder und hab da vielleicht am Ende den Arbeitgeber gewechselt und weiß gar nicht mehr, was ich für Ansprüche habe.

Und was passiert dann, wenn ich den Arbeitgeber wechsele?

Also eigentlich behält man die Ansprüche, zumindest wer die Mindestbeitragszeiten für die Versorgung erfüllt hat, d.h. bei den meisten Arbeitgebern ist es so, dass man die Ansprüche auch wenn man den Arbeitgeber wechselt behält und dann später, wenn man in Rente geht, eben einen Anspruch hat auf einen Versorgungsberg von einem Arbeitgeber, bei dem man vielleicht vor 20, 30 Jahren für ein paar Jahre gearbeitet hat, aber daran muss man sich in dem dann Moment erinnern, wenn man in Rente geht, und den Anspruch entsprechend geltend machen. Und ich denke mal, dass da das Bündeln von der Information auch über verschiedene Ansprüche aus dem betrieblichen Altersvorsorgesystem, das wird für viele Leute einen richtigen Mehrwert haben.

Also die gesetzliche Altersvorsorge ist die erste Säule und die betriebliche ist die zweite, was ist dann die dritte?

Die dritte ist üblicherweise die private Altersvorsorge, d.h. alle Verträge, die ich freiwillig privat abschließe. Dazu gehört ganz prominent die Riester-Rente, die ja auch staatlich gefördert wird, aber auch die Basisrenten, die staatlich gefördert werden, aber auch alle anderen Formen der privaten Altersvorsorge. Private Rentenverträge, aber auch private Sparverträge, Lebensversicherungen u.s.w., das wird alles unter der privaten Altersvorsorge abgespeichert. Für die Digitale Rentenübersicht hat die Bundesregierung jetzt vorgesehen, dass da wirklich nur versicherungsnahe oder versicherungsähnliche Produkte vorgesehen werden. Im Allgemeinen würde man das glaube ich sogar noch weiter fassen, also da könnte man in der privaten Altersvorsorge z.B. auch den Vorsparplan oder das Aktiendepot oder irgendein privates Sparbuch, was ich mir angelegt habe oder den Goldbarren, den ich im Tresor im Keller liegen habe, das könnte man alles eben unter private Altersvorsorge packen. Wie gesagt, die Bundesregierung hat sich jetzt hier für eine relativ enge Definition entschieden für die Digitale Rentenübersicht und ich glaube gerade aus dem Grund ist hier auch die Flexibilität oder die Anknüpfung an andere Apps, die einem dann erlauben, bei der privaten Altersvorsorge eben noch das eigene Portfolio, die eigenen Ideen mit reinzupacken, ist eben zentral, dass man wirklich einen kompletten Überblick über das eigene Portfolio erhalten kann.

Ihr habt ja auch schon eine Studie zum Thema Rentenübersicht gemacht. Was waren denn da so die Ergebnisse?

Ja, wir haben 2016/17 schon eine erste Studie gemacht in Kooperation mit der Goethe-Universität in Frankfurt und zwei Banken, die wir als Kooperationspartner hatten und was wir da gemacht haben ist, wir haben selbst ein Altersvorsorgecockpit, ein Rentencockpit programmiert und wir haben manuell für freiwillige Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Kundenpreis dieser Banken angeboten, dass wir für die so ein Rentenüberblick erstellen und d.h., wir haben praktisch über die Loggoutseite vom Online-Banking über so einen Werbeplatz, der auf dieser Webseite dann erscheint, Leute eingeladen zu einer wissenschaftlichen Studie zum Thema Altersvorsorge und haben da innerhalb von wenigen Wochen 20 000 Klicks bekommen. Also das Interesse an diesem Thema war unglaublich groß. Und dann haben wir die Leute erst zu einem kleinen Fragebogen eingeladen zum Thema Altersvorsorge, wo wir einfach wissen wollten, wie haben sie sich schon mit dem Thema auseinandergesetzt, was wissen sie denn schon über die Altersvorsorge, lesen sie regelmäßig ihre Standmitteilungen u.s.w. Und danach haben wir sie eingeladen, sich für diese App zu registrieren und innerhalb der App mussten die dann aber, weil es gibt im Moment noch keine digitalen Schnittstellen, mussten die uns manuell die Informationen aus ihren Standmitteilungen einpflegen oder sie mussten uns Kopien von den Standmitteilungen per Post zuschicken oder sie konnten mit ihren Handys Fotos machen von den Standmitteilungen und konnten uns diese PDFs hochladen und dann haben wir für die die ganzen Zahlen eingegeben. D.h. der Aufwand, der dahinter stand, diese digitalen Rentenüberblicke zu erstellen, war mit wahnsinnig viel Papier und wahnsinnig viel manueller Arbeit verbunden und wir haben am Ende 1061 von diesen Rentencockpits erstellt und wir haben im Durchschnitt 25 Minuten pro Cockpit gebraucht. Das heißt wenn man jetzt hochrechnet, wieviel Aufwand das bedeuten würde, wenn man jetzt für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur, wenn man es so einschränken will in Deutschland, solche Cockpits erstellen wollte, dann wäre das ein unvorstellbar großer Aufwand. D.h. die erste Erkenntnis aus diesem Experiment war letzten Endes, man muss das digital machen, weil es einfach sonst viel zu aufwendig ist, diese ganzen Zahlen rauszusuchen und abzutippen und diesen ganzen Aufwand manuell zu betreiben. Die zweite Erkenntnis war, dass unglaublich viele Leute bei dem Schritt, uns diese Information zur Verfügung zu stellen, abgebrochen haben. D.h. je schwieriger es ist für die Leute, selbst wenn sie nicht mal selbst die Zahlen addieren müssen, sondern nur uns die Zahlen zu geben, damit wir sie für sie addieren können, selbst da springen schon, ich weiß nicht, von glaube ich 7000 sind 6000 abgesprungen bei dem Schritt, also das war auch eine riesengroße Hürde, uns überhaupt die Information bereitzustellen, die wir brauchen, damit wir dann das Cockpit erstellen können. D.h. allein aus diesem Prozess und zu merken, an welcher Stelle die Leute abspringen, haben wir unglaublich viel darüber gelernt, wie man den Prozess eigentlich aufsetzen muss. Und ich meine, ich habe am Anfang gesagt, wir hatten 20 000 Klicks, d.h. das waren alles Leute, die beim Thema Altersvorsorge und digitaler Rentenüberblick gesagt haben, oh ja, das ist ja spannend, d.h. die waren schon vorselektiert und haben trotzdem in dem Prozess dann irgendwann gesagt, oh je, meine Güte, das schaffe ich ja nicht oder das mag ich nicht oder da habe ich keine Zeit für. D.h. ich glaube, wenn man da wirklich vorankommen will und den Leuten die Altersvorsorgeplanung erleichtern will, dann muss man unglaublich weit unten anfangen und die Anfangskosten möglichst gering halten. D.h, je einfacher das ist, mit je weniger Klicks ich den Überblick kriegen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute sich das angucken und tatsächlich auch Nutzen daraus ziehen.

D.h. das müsste dann automatisch übermittelt werden von den Versicherungsträgern.

Genau. Also aus meiner Sicht ist einer der zentralen Beiträge, die diese Digitale Rentenübersicht leisten muss, dass ich als Endnutzerin oder Kundin oder wie auch immer man die Nutzerinnen von dem System nennen möchte, ich muss mich da mit meiner persönlichen ID anmelden und dann muss da schon stehen, was ich habe oder ich muss im Notfall, also schon alleine, glaube ich, wenn die Leute manuell sagen müssen, ich hab einen Vertrag bei der Versicherung, dann ist es glaube ich schon zu schwierig. Also man muss sich da gut überlegen, wie man automatisch sicherstellt, dass die Informationen da sind und dass ich möglichst wenig Input von den Leuten brauche, die es nutzen wollen, um die Informationen reinzuziehen in das System.

Aber dann gibt’s ja auch Sparmöglichkeiten, wo jetzt nicht klar ist, ob die für die Altersvorsorge gedacht sind oder nicht. Müsste man das dann beim Abschließen angeben, damit das da übermittelt wird?

Genau und das, glaube ich, das kann man von der gesetzlichen Digitalen Rentenübersicht nicht erwarten, ich denke, da liegt es dann daran, dass praktisch alternative private Anbieter oder es können ja auch Vereine sein oder andere unabhängige Stellen, es müssen ja nicht gleich Anbieter mit einem Vertriebsgedanken sein, dass die Plattformen zur Verfügung stellen, die es dann erlauben, dass man die digitalen Informationen aus der staatlichen Stelle mitnimmt und dann durch seine eigenen privaten zusätzlichen Informationen ergänzt. Also ich glaube, diese staatliche Übersicht, die würde ich ehrlich gesagt der Handhabbarkeit halber erstmal ziemlich schlank halten. Also ich weiß, dass im Moment die Digitale Rentenübersicht oder der Gesetzesentwurf auch schon kritisiert dafür, dass er so schlank ist wie er ist, ich halte das im Moment eigentlich eher für eine Stärke, weil ich glaube, dass es jetzt erstmal wichtig ist, dass man überhaupt irgendwo anfängt und was erreicht und das ganze dann wieder komplexer zu machen, da sind ja keine Grenzen gesetzt. Also man kann das ja unendlich komplex machen, wenn man es möchte, aber ich glaube die eigentliche Herausforderung ist, das jetzt erstmal einfach zu machen und nicht komplex.

Also schlank bedeutet, dass noch nicht so viele Produkte drin sind.

Schlank bedeutet, dass man sich erstmal auf die Produkte konzentriert, die man reinkriegt und die zentral sind. Also ich glaube, gesetzliche, betriebliche und die privaten Versicherungsprodukte, die Riester-Basisrente und eindeutig der privaten Altersvorsorge zuzuordnen sind, das ist der richtige Anfang. Man sollte aber nicht dann aufhören, aber ich glaube damit sollte man anfangen, weil wenn man jetzt von Anfang an sagt, dann wollen wir auch noch die Immobilien darstellen und alle möglichen Sparprodukte darstellen und dann am besten auch noch irgendwie das Einkommen des Partners u.s.w., dann verheddert man sich wieder von Anfang an in irgendwelche Diskussion darüber, wie man das alles reinkriegt und vergisst darüber, dass man es ja eigentlich einfach machen wollte. Ich finde, man sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren und auch versuchen, es den Leuten leicht zu machen und nicht gleich wieder zu sagen, ja es muss aber vollständig sein. Ich glaube, da sind wir Deutschen auch irgendwie auch immer dazu geneigt zu sagen, ja aber es muss vollständig sein, es muss alles drin sein und ich glaube, da machen wir es uns manchmal verdammt schwer. Also wenn man sich die Altersvorsorgeplattform z.B. in Schweden oder in Dänemark oder in den Niederlanden anguckt, die haben auch nur bestimmte Sachen drin, aber die haben schon seit Jahren solche digitalen Übersichten, die werden genutzt und die Leute finden das hilfreich und ich glaube es ist hilfreich, einfach mal anzufangen und was darzustellen und dann kann man es immer noch beliebig komplex machen im nächsten Schritt, aber wir sollten mal einfach anfangen und der Schritt ist aus meiner Sicht jetzt getan und das finde ich großartig, dass das jetzt passiert und ich hoffe, dass sich das so umsetzen lässt, wie sie sich das jetzt vorgenommen haben.

Habt ihr dann bei den Leuten, die es auch wirklich geschafft haben, alle Dokumente aufzubringen, habt ihr da eine Veränderung im Verhalten feststellen können?

Also was wir da gemacht haben, ist, wir haben im Prinzip den Leuten diese Information zur Verfügung gestellt. Wir hatten auch eine Kontrollgruppe von Leuten, also es war ein randomisiertes Experiment, wo nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem Fragebogen am Ende auch eine Rentenübersicht erhalten haben und das braucht man, um praktisch die Wirkung der Rentenübersicht zu messen. D.h. wir hatten praktisch eine Kontrollgruppe von Personen, die zwar einen Fragebogen ausgefüllt haben, aber die dann keine Rentenübersicht bekommen haben und was wir gemacht haben, ist, wir haben den Leuten dann im Nachhinein noch verschiedene andere Fragebögen gegeben, sodass wir über die Zeit beobachten konnten, welche Informationen haben die überhaupt im Kopf behalten aus der Rentenübersicht und auch inwiefern fanden die diese Informationen hilfreich und haben sie eventuell ihr Altersvorsorgeverhalten geändert. Was wir da gefunden haben war, dass Leute die Informationen sehr, sehr hilfreich fanden. Sie haben sich im Nachhinein besser informiert gefühlt als vorher, das war für uns eine wirklich zentrale Erkenntnis und was wir dann auch gefunden haben, dass insbesondere Personen, die vorher eher geringeres Finanzwissen hatten, im Nachhinein dann eher ihr Sparverhalten auch tatsächlich angepasst haben, also wir konnten das danach dann nur für ein paar Monate beobachten, d.h. es sind jetzt noch keine jahrelangen Entwicklungen, die wir danach beobachten, aber zumindest einige Monate danach können wir sehen, dass Personen, die ex ante gesagt haben, ich kenne mich mit meiner Altersvorsorge nicht so gut aus und ich fühle mich auch nicht so gut informiert, dass die nach Teilnahme oder nach dem Betrachten der Übersicht gesagt haben, ok, ich passe jetzt mein Altersvorsorgeverhalten an und lege jetzt ein bisschen mehr für die Altersvorsorge zurück, als ich es davor gemacht habe.

Das ist ja ein spannendes Ergebnis Wie kann die Politik denn auch darauf reagieren?

Also ich glaube, viel mehr Reaktion als den Zugang zur Altersvorsorge zu verbessern kann man jetzt im Moment nicht erwarten. Ich glaube, was wirklich wichtig ist, ist dass man auch die verschiedenen Darstellungen oder die Wirkung der Digitalen Rentenübersicht, dass man das jetzt auch begleitet durch eine ordentliche Evaluation, dass man eben schaut, welche Art der Darstellung hilft den Menschen, welche Darstellungen sind besonders nutzerfreundlich, welche zusätzlichen Informationen hätten die Leute gerne, welchen zusätzlichen Beratungsbedarf gibt es und welche Möglichkeit gibt es, auch unabhängige Beratung zu leisten und was sind die erreichten Gruppen? Weil ein Problem, was wir in der Studie hatten, die wir da 2017 durchgeführt haben, war, und das ist natürlich immer so in jeder Evaluationsstudie, ist, dass die Teilnahme freiwillig ist und wir haben natürlich Online-Banking-Kunden eingeladen, d.h. es ist ja auch per se schon eine selektierte Gruppe und wir haben natürlich nur die erreicht, die beim Stichwort Altersvorsorge gesagt haben, jawoll, das interessiert mich, d.h. wir hatten 70 Prozent Männer, 80 Prozent waren mit Abitur oder Fachabitur, das Durchschnittseinkommen lag über 5000 Euro, also das war eine hochselektierte Gruppe und was natürlich super wichtig ist, ist zu überlegen, wen erreicht man mit solchen Informationsangeboten, wie erreicht man auch Personengruppen, die schwer erreichbar sind und wie kann man praktisch alle unterstützen. Und ich glaube, da ist auch noch ein Riesenforschungsbedarf, d.h. jetzt diese Einführung der Digitalen Rentenübersicht auch wissenschaftlich zu begleiten und da zu sagen, ok, wie erreichen wir denn auch Personengruppen, die schwer zu erreichen sind und wie kann man denen ein Hilfeangebot geben, dass auch die sich mit dem Thema Altersvorsorge auseinandersetzen und dann gut vorbereitet in ihren Ruhestand starten, das ist glaube ich eine der großen Herausforderungen.

Du beschäftigst dich ja auch in deiner Forschung mit dem Thema Stichwort Financial Literacy. Was versteht man denn darunter?

Also Financial Literacy ist ein Forschungsbereich oder ein Konzept, das sich damit auseinandersetzt, was Personen über finanzielle Themen wissen, das sind z.B. so Konzepte wie Zins- und Zinseszinsrechnung oder Verständnis für Inflation, Verständnis für Risikodiversifikation, Verständnis von Krediten und wie sich Kreditrückzahlungen oder Zinsentwicklungen in Krediten auswirken auf Verschuldung, also einfach so fundamentale Konzepte aus dem Finanzbereich und ob die Menschen die verstehen und wie sich das Verständnis von diesen Finanzthemen darauf auswirkt, wie diese Menschen Finanzentscheidungen treffen und das ist ein Forschungsgebiet, das gibt es schon eine ganze Weile und das gibt es auch in den verschiedenen Ländern und wir haben da schon vor mehr als zehn Jahren gemeinsam mit einer Forschergruppe aus den USA, Italien, den Niederlanden, Neuseeland u.s.w., also es waren sehr viele Länder beteiligt, Daten erhoben zum Thema Finanzwissen in verschiedenen Ländern und wie sich das auf Finanzverhalten auswirkt und man findet da interessanterweise sehr, sehr persistente Muster, also z.B. eine Gruppe, die meistens niedrigeres Finanzwissen hat, z.B. Personen mit niedrigerer allgemeinerer Bildung und niedrigeren Bildungsabschlüssen, meistens haben Personen mit niedrigerem Einkommen auch niedrigeres Finanzwissen, und eine Gruppe die auch immer wieder auftaucht, die auch niedrige finanzielle Bildung zeigt, sind Frauen und wenn man sich dann den Zusammenhang anschaut mit finanzieller Bildung und so Dingen wie privater Altersvorsorge, dann sieht man, dass eben diese Personen mit der niedrigeren Finanzbildung im Durchschnitt auch weniger für ihr Alter planen und auch weniger wahrscheinlich private Altersvorsorgeverträge haben, weniger wahrscheinlich eigene Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge leisten und so weiter und so fort und ich denke da muss man auch darüber nachdenken, wenn man jetzt diese Digitale Rentenübersicht plant, dass das eben nicht nur ein Tool wird für Leute, die sowieso schon Interesse am Thema haben, sondern dass man auch überlegt, wie kann man diese Tools Leuten zugänglich machen, die von sich aus vielleicht eine weniger starke Affinität zu diesen Finanzthemen haben. Und da gilt es einfach, Hürden abzubauen und zu überlegen, wie kann man diese Personen erreichen und mit welchen Instrumenten muss ich auf die zugehen und wie einfach muss ich das machen, damit auch diese Leute sich von dieser Flut an Informationen und der Komplexität des Themas nicht abgeschreckt fühlen. Ich denke, das ist eine super große Herausforderung.

Hat die Digitale Rentenübersicht für diese Leute nicht vielleicht auch besonderes Potential, dass sie dann mal sehen, dass sie vielleicht vorsorgen sollten und wie sie das könnten?

Das ist die große Hoffnung, aber dazu muss ich ja erstmal das Interesse und die Bereitschaft wecken, sich auf so ein Tool einzulassen und ich glaube, dass das wirklich eine Herausforderung ist und dass da auch aus meiner Sicht ein riesengroßer Forschungsbedarf herrscht. Also es gibt im Moment einige Forschung z.B. aus den Niederlanden, da fallen mir jetzt einige Beiträge ein, die sich damit auseinandersetzen, über welche Mittel oder mit welchen Informationsmethoden man auf verschiedene Gruppen zugehen kann und wie man die dazu kriegt, überhaupt auf diesen Link zu klicken. Und das ist überhaupt nicht trivial und ich habe da auch noch keine überzeugende Strategie oder Best Practice oder so gesehen, also aus meiner Sicht ist das ein Feld, da kann man sich auch als Verhaltenswissenschaftlerin und Verhaltenswissenschaftler noch komplett austoben, weil es ist völlig unklar, wie man Leute dazu kriegt, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen, die vielleicht von sich aus nicht eine Affinität haben zu diesen Finanzthemen.

Spannend. Zum Abschluss würde mich noch interessieren, warum du beschlossen hast, dich wissenschaftlich mit so Themen wie Altersvorsorge und Finanzwissen auseinanderzusetzen.

Das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, das ist einfach so passiert.

Ok.

Ich habe mich schon in meinem Studium mit dem Thema Demografie und Demografischer Wandel auseinandergesetzt. Zu der Zeit gab es sehr viele Rentenreformen die auch durch die Presse und die Medien gegangen sind, also Stichwort Riester-Reform, Anhebung des Alters, der Altersgrenzen, die Rürup-Kommission, und die Themen haben mich interessiert und in der Zeit wurde auch immer mehr über die Rolle der privaten Altersvorsorge diskutiert und ich hab dann während meiner Dissertationszeit hier in Mannheim angefangen, mich eben vermehrt mit dem Thema private Altersvorsorge auseinanderzusetzen und habe dann in meiner Dissertation auch verschiedene Papiere dazu geschrieben, wie eben sich das Finanzwissen, also die Financial Literacy von Personen darauf auswirkt, ob die für ihr Alter planen und auch ob die z.B. Riester-Verträge abschließen. So bin ich praktisch schon relativ früh aufgrund der politischen Debatte, die zu der Zeit stattgefunden hat, zu dem Thema gekommen und bin dabei geblieben. Und ich glaube, da gibt es immer noch viele Ecken, die man erforschen und untersuchen kann und auch hoffentlich weiterhin Interesse bei der Politik, sich auch diese Expertise, die wir aufbauen aus der Wissenschaft auch anzuhören und heranzuziehen und deswegen bin ich immer noch begeistert bei dem Thema, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick ein wenig trocken wirkt und ich bei mancher Abendkonversation, wenn mich jemand fragt, was machst du beruflich und ich dann sage, ich bin Finance Professorin und forsche zum Thema Altersvorsorge, die Gesichter einschlafen sehe, habe ich trotzdem immer noch eine große Begeisterung für das Thema und hoffe, dass ich mit der Begeisterung auch andere Leute anstecken kann und in meinem Freundes- und Bekanntenkreis die Leute dazu bewegen kann, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, damit sie eben für ihr eigenes Alter gut vorbereitet sind.

Also mich hast du schon mal angesteckt. Ich wünsche dir noch viel Erfolg bei der weiteren Forschung und bin sehr gespannt, was du da so herausfinden wirst.

Vielen Dank.

Danke auch für das Gespräch.

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Über diesen Podcast

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von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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