Wirtschaft · Forschung · Debatten

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Transkript

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00: 00:00: Ich glaube, grundsätzlich wird die Geschwindigkeit dieses Strukturwandels, obwohl wir natürlich überall Veränderungen wahrnehmen, als stärker wahrgenommen, als sie tatsächlich ist, also ich glaube, in vielen Bereichen sind diese Prozesse doch eher graduell.

00: 00:11: Musik

00: 00:15: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:25: Die Arbeitswelt ist im Umbruch, Maschinen und Algorithmen sind aus vielen Prozessen gar nicht mehr wegzudenken. Immer mehr sind sie auch in der Lage, die Aufgaben von Menschen zu übernehmen. Wie wir in Zukunft arbeiten werden und wie wir uns darauf vorbereiten können, darüber spreche ich jetzt mit Professor Melanie Arntz. Sie ist stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Arbeitsmärkte und Personalmanagement hier am ZEW Mannheim und sie beschäftigt sich in ihrer Forschung mit der Zukunft der Arbeit. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich willkommen. Hallo Melanie.

00: 00:55: Hallo.

00: 00:56: Wir erleben gerade einen Strukturwandel in der Arbeitswelt. Wie macht der sich bemerkbar?

00: 01:02: An ganz vielen Stellen, sowohl glaube ich in der Art und Weise, wie viele Menschen arbeiten, das ist glaube ich in den letzten Monaten so deutlich geworden wie selten zuvor, und zum anderen gibt es natürlich auch einfach einen Strukturwandel, den es jetzt schon vor Corona gab, der jetzt noch weiter fortschreitet, der einfach unsere Arbeitswelt an ganz, ganz vielen Stellen verändert, in der Art und Weise, wie wir arbeiten, aber eben auch, was wir arbeiten.

00: 01:26: Du hast schon Corona angesprochen. Welchen Einfluss hat Corona auf diesen Strukturwandel?

00: 01:32: Ich denke, dass Corona diese ganze Situation einfach beschleunigen wird. Also zum einen ist es natürlich so, dass Corona einfach jetzt ja den Druck von außen gesetzt hat, um in ganz kurzer Zeit Dinge umzusetzen, digital umzusetzen in den Unternehmen, Verwaltungen, egal, wo man hinguckt, was vorher irgendwie nicht möglich schien oder irgendwie kompliziert erschien und das hat man jetzt irgendwie – vieles hat man angestoßen und auch festgestellt, dass das funktioniert. Insofern wird das einfach die Art und Weise, wie wir arbeiten nochmal verändern, nachhaltig verändern, und diesen ganzen Wandlungsprozess beschleunigen. Aber ich glaube auch, dass eben eine Beschleunigung stattfindet dahingehend, was wir arbeiten, also dass einfach das, was wir eben vorher schon gesehen haben, dass natürlich manche Branchen jetzt in der Digitalisierung an Bedeutung gewinnen, andere an Bedeutung verlieren. Dasselbe stellen wir fest auf der Ebene von Berufen, dass da einfach ein Wandel stattfindet, dass das nochmal beschleunigt wird, weil solche Phasen des Strukturwandels einfach immer Phasen sind, naja wo sich so ein bisschen die Spreu vom Weizen trennt und nicht alle werden diesen schwierigen Prozess jetzt überstehen und es werden natürlich vor allem die Firmen, Unternehmen überstehen, die einfach zukunftsfähig sind und sich eben jetzt auch nochmal mehr fit machen können, schon relativ fit waren und dadurch natürlich auch durch diese Krise kommen.

00: 02:50: Und welche Firmen und Branchen sind das, die zukunftsfähig sind?

00: 02:54: Ja ich glaube, dass es tatsächlich so ist, das werden wir ja letztendlich erst im Nachhinein so wirklich analysieren können, wenn wir dann mal Daten über diese Zeit haben, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Unternehmen, die einfach schon vor der Corona-Krise einen relativ hohen Digitalisierungsgrad hatten, natürlich mit besseren Startchancen da durchgekommen sind, weil sie eben zum einen ihre Arbeitsprozesse gut aufrecht erhalten konnten, auch unter diesen Abstandsregeln, und weil sie eben zum Teil auch schon Geschäftsmodelle entwickelt haben, die einfach digital basiert sind. Und insofern besteht sicherlich auch so ein bisschen die Gefahr jetzt, dass diese Unternehmen sich weiterhin sehr gut entwickeln und andere, die eh schon so ein bisschen abgehängt waren, das jetzt nochmal stärker zu spüren bekommen. Das ist so ein bisschen das, was ich auch meinte mit der Spreu vom Weizen trennen, dass es sicherlich jetzt da nochmal so einen Prozess gibt, der eben zu diesem am Ende beschleunigten Strukturwandel auch führt. Wenn man das jetzt auf konkrete Branchen zurückführen will, ich glaube, ja, dass es natürlich die Branchen sind, die im Dienstleistungsbereich zum Beispiel schon stark mit digitalen Geschäftsmodellen arbeiten, Plattform-basiert zum Beispiel, die jetzt einfach auch weiterhin sich gut entwickeln können und entwickeln werden, während eben andere Bereiche, nehmen wir jetzt mal den stationären Einzelhandel, das sind natürlich Bereiche, die da auch leiden, die, wenn sie es eben nicht schaffen, einen Teil ihrer Strategie auch digital umzumünzen und ein digitales Standbein zu haben, dann eben auch, denke ich, leiden werden.

00: 04:25: Da wurde jetzt auch viel mit Kurzarbeit gearbeitet. Werden da Jobs erhalten und Firmen, die vielleicht gar nicht zukunftsfähig sind?

00: 04:35: Ich glaube, dass das auf jeden Fall ein Problem sein kann. Ich meine einerseits hat man natürlich jetzt eine Situation, die wirklich ja die Unternehmen unverschuldet erst mal in eine Krise stürzt und natürlich möchte man den Unternehmen da auch zurecht helfen, das zu überstehen. Insofern sind ja solche Maßnahmen wie zum Beispiel die Kurzarbeit, das Kurzarbeitergeld auf jeden Fall gute Instrumente, um den Druck da zu nehmen und den Unternehmen eine Chance zu geben, dieses Tal zu überstehen und einfach danach auch weitermachen zu können. Auf der anderen Seite ist es natürlich immer so, dass wenn man mit solchen Maßnahmen Dinge abfedert, man genau, das, was ich eben sagte, ja auch abfedert, also sprich genau diesen ja im Grunde genommen ja auch gesunden Prozess, dass eben einfach manche Unternehmen sich gut entwickeln und andere eben auch einfach nicht zukunftsfähig sind und dann entsprechend auch, ja, vielleicht irgendwann nicht mehr existieren, das kann man damit natürlich auch herauszögern, ja. Insofern glaube ich ist es schon wichtig, dass man zwar einerseits im Blick hat, was will man jetzt abfangen, konjunkturell abfangen, aber wo ist da auch eine Grenze. Es gibt ja die ganze Debatte darüber, wie man jetzt vielleicht oder ob man dieses Kurzarbeiterinstrument noch mal weiter verlängert in das nächste Jahr. Vom Grundsatz her kann ich das auch verstehen, weil ja auch diese konjunkturelle Situation noch nicht geklärt ist, auf der anderen Seite glaube ich, muss man überlegen, wie man das dann kombiniert mit Anreizen, sich zukunftsfit zu machen und zu sehen, dass man diese Zeiten jetzt nutzt mit Weiterbildung, mit Digitalisierungsstrategien, dass die Unternehmen dann auch einen guten Startpunkt haben, um nach der Krise wieder loszulegen.

00: 06:13: Um jetzt mal ganz platt zu fragen: Werden Roboter in Zukunft unsere Jobs übernehmen?

00: 06:18: Also ich glaube, so kann man das auf jeden Fall nicht formulieren. Es ist aber eine Formulierung, die man, wenn man in die Zeitungen guckt, häufiger findet. Ich glaube, dass man diesen Alarmismus, dass der sehr weit verbreitet ist, weil es natürlich irgendwie auch erstmal logisch klingt, zu sagen, na ja, da gibt es jetzt neue Technologien, die Maschinen, die Algorithmen, die können plötzlich Dinge, die doch eigentlich vorher irgendwie Menschen gemacht haben, also ist es ja irgendwie logisch, dass die Maschinen und Algorithmen den Menschen die Arbeit wegnehmen und dann fällt die weg und die Leute sind – ja, sind ihren Job los. Mit der Logik wird vielfach argumentiert, das greift aber einfach viel zu kurz, weil das den Weg vom ich sage jetzt mal technischen Potential, von der technischen Möglichkeit, vielleicht bestimmte Dinge durch eine Maschine oder einen Algorithmus tun zu lassen hin bis zu einem verlorenen Arbeitsplatz, das ist ein sehr, sehr weiter Weg und da wird eben nicht gesehen, wie viele Mechanismen auch in so einer Volkswirtschaft da wirksam sind, die am Ende auch wieder dazu führen, dass Arbeit entsteht. Und ich kann das auch versuchen, das noch ein bisschen konkreter zu machen, also es fängt ja schon damit an, dass nicht jedes technische Potential, nicht jede Möglichkeit tatsächlich auch eins zu eins und in kurzer Zeit vor allem auch Einzug hält in die Praxis von den Unternehmen oder Dienstleitern, egal in welchen Bereich man da hinguckt, weil es einfach Hürden gibt. Also zum einen sind das natürlich betriebswirtschaftliche Entscheidungen, die Firmen, Unternehmen müssen das überhaupt erstmal implementieren, dazu sind Fachkräfte notwendig, das sind einfach Prozesse, die nicht über Nacht passieren, gerade weil diese neue Form des Wirtschaftens einfach doch sehr viel anders ist als das, was wir vorher kannten, es Prozesse sehr viel komplexer zusammenbindet und die Erfahrung einfach zeigt, dass das schon eine größere Investition für Firmen ist, auf so neues, digitales Wirtschaften umzustellen, ja. Also insofern, das dauert schon mal länger, und zum anderen ist es auch so, selbst wenn solche Technologien dann eben eingeführt werden, dann ist es ja auch so, dass die betroffenen Beschäftigten, sage ich jetzt mal, die vielleicht vorher solche Tätigkeiten ausgeführt haben, in verschiedensten Berufen, üblicherweise nicht sofort eins zu eins ersetzt werden, sondern stattdessen ist es ja so, dass passiert, was wir eigentlich immer schon gesehen haben, auch wenn wir in die Geschichte zurück gucken, dass sich Berufe wandeln und Berufsbilder einfach immer wieder sich anpassen an sich verändernde technische Möglichkeiten und es gibt ja Berufe, die gibt es schon seit ziemlich langer Zeit, denken wir mal an den Beruf der Sekretärin, ja, den Beruf gibt es nun wirklich schon sehr lange und natürlich ist eine Sekretärin heute mit ihrem Aufgabenspektrum, macht sie ganz andere Dinge als noch vor zehn oder fünfzig oder achtzig Jahren der Fall war. Das sind eigentlich nicht mehr dieselben Berufe, obwohl es derselbe Name ist und das ist in ganz vielen Berufen so. Das heißt, was primär erst mal passiert, ist, dass sich die Berufe verändern, die Leute, die jetzt bislang auf einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt waren, erleben, dass Technologie, neue Technologie in die Firmen kommt, dass sie sich einfach anpassen, ihre Tätigkeitsfelder sich verschieben. Und wir Ökonomen würden jetzt sagen, ihre Tätigkeiten dann wieder komplementär sind zu den Maschinen und das natürlich am Ende auch das Unternehmen produktiver macht. Ja, der Einsatz dieser Technologien, der wird ja von den Unternehmen am Ende des Tages forciert, weil die betriebliche Entscheidung dahingehend ist, dass das eben das Unternehmen produktiver, wettbewerbsfähiger macht, ja. Und genau das erhält dann aber am Ende wieder die Arbeit, weil das natürlich die Produkte, Dienstleistungen verbessert, entweder preisgünstiger macht oder neue Produkte möglich macht, neue Geschäftsmodelle möglich macht und das natürlich am Ende wieder neue Arbeit schafft, auch in dem Unternehmen, sodass man am Ende eventuell sogar mehr von einem bestimmten Beruf braucht, als man vorher hatte, obwohl man eine Technologie eingeführt hat, die auch Teile deren Tätigkeiten übernehmen. Also insofern, und da habe ich jetzt noch gar nicht mal über die Anpassungsprozesse in der Volkswirtschaft gesprochen, da kommen ja noch Einkommenseffekte hinzu, denn wenn die Technologie uns produktiver macht, landet ein Teil davon auch in höheren Löhnen, das bedeutet natürlich wieder mehr Einkommen in der Volkswirtschaft und auch das wird natürlich wirksam im Hinblick auf Nachfrage und neue Beschäftigung. Und, letzte kleine Bemerkung, natürlich muss diese Technologie auch produziert, geschaffen, ersonnen werden, das heißt mit neuen Technologien entstehen ja auch immer wieder neue Berufsfelder und neue Branchen oder zumindest wachsen bestimmte Branchen, die diese Technologien bereitstellen und deswegen unterm Strich muss man sagen, kommen die Studien eigentlich zu dem Ergebnis, dass uns die Arbeit nicht ausgehen wird, sondern die Arbeit mindestens mal stabil bleiben wird, im Aggregat natürlich, ja, aber wir natürlich einen massiven Strukturwandel erleben, was wir eben schon diskutiert haben, im Hinblick darauf, welche Branchen, welche Berufe wie wachsen werden und bedeutsam sein werden in der Zukunft.

00: 11:08: Also du bist der Ansicht, dass wir keine Angst haben müssen, ohne Arbeit dazustehen. Trotzdem ist es ja so, dass neue Anforderungsprofile entstehen. Also auf welche Kompetenzen kommt es dann jetzt in Zukunft besonders an?

00: 11:21: Ja das ist tatsächlich interessant. Also man kann das sicherlich allgemein nicht total konkret festmachen, das müsste man vielleicht für einzelne Berufsbilder diskutieren, aber ich glaube von der Grundtendenz, was man sieht und was auch in Studien, in wissenschaftlichen Studien bestätigt wird, ist, dass es offensichtlich so ist, dass die Kombination aus analytischen Fähigkeiten und Fachwissen einerseits und andererseits aber auch guten kommunikativen Fähigkeiten, der Fähigkeit, interdisziplinär zu denken, kreativ zu denken, dass genau diese Kombination besonders bedeutsam wird und dass Personen, Beschäftigte, die das eben können, eben zum Beispiel auch besonders hohe Lohnzuwächse in den letzten Jahren gesehen haben. Es kommt also nicht darauf an, sozusagen der Nerd zu sein, der sich nur mit irgendwelchen Prozessen und Fachwissen auskennt, sondern es kommt genau auf diese Kombination an, der menschliche Faktor sozusagen zusätzlich zum Fachwissen, das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt und es macht ja auch Sinn in einer Welt, in der Maschinen und Algorithmen natürlich das, was die leisten können ohne den menschlichen Faktor, ohne dieses Gespür für was sind vielleicht neue Geschäftsideen, die auf fruchtbaren Boden fallen, wie muss ich mit meinen Leuten, mit anderen Kunden und so weiter kommunizieren, um die dann auch umzusetzen und produktiv zu machen, das sind natürlich all die Dinge, die eine Maschine und ein Algorithmus schlecht leisten können und wo da einfach der Mensch nach wie vor gefragt ist. Also ich glaube, Generalisten, die eben einerseits ja in einem bestimmten Gebiet Fachwissen haben, aber dann eben irgendwie auch den Überblick über Prozesse und die Fähigkeit, das mit vielen Menschen in vielen Kontexten auch interkulturell zu diskutieren, das ist so allgemein gesprochen, glaube ich, eine Fähigkeit, die auf absehbare Zeit auf jeden Fall gefragt sein wird.

00: 13:15: Trotzdem gibt es ja auch Menschen, die jetzt über diese Fähigkeiten nicht so verfügen. Wie kann man denen den Umstieg auf diese neue Arbeitswelt erleichtern oder welche Angebote kann man denen machen?

00: 13:26: Ja natürlich, das ist immer die Frage. Wenn ich natürlich einerseits gesagt habe, uns geht die Arbeit nicht aus, dann ist das natürlich schön, das heißt aber natürlich nicht, dass es auf der Ebene des einzelnen Beschäftigten nicht auch problematisch sein kann, wenn man sich schwer tut damit, mit diesem Strukturwandel mitzugehen. Und tatsächlich ist es ja so, dass gerade jetzt geringer Qualifizierte oder auch ältere Beschäftigte eine sehr viel niedrigere Weiterbildungsquote zum Beispiel haben als Beschäftigte, die jünger sind, die besser gebildet sind, und da besteht sicherlich schon so eine gewisse Gefahr, dass es so einen Abhängungsprozess geben kann, ja. Eigentlich ist da sicherlich der Bedarf auch groß, eben auch für diese Beschäftigtengruppen die Möglichkeit zu schaffen, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich da anzupassen, aber sie werden eben oftmals, glaube ich, in den Unternehmen zu wenig dazu angehalten oder es wird ihnen zu wenig angeboten auch, das ist sicherlich auch etwas, wo man vielleicht überlegen kann, über eine staatliche Maßnahme nachzudenken, da Angebote zu schaffen und auch zum Beispiel berufsbegleitend mehr zu tun. Andererseits muss man natürlich sagen, ich glaube auch nicht, dass man alle Menschen eben jetzt zu genau diesem Idealbild sage ich jetzt mal von Beschäftigten macht, mit tiefem Fachwissen, analytischen Fähigkeiten und all dem, was ich eben sagte, insofern glaube ich muss man auch für verschiedene Berufe plausible Entwicklungsmöglichkeiten entwickeln, ja, und es ist ja auch nicht so, dass jetzt nur noch solche Berufe nachgefragt werden, es wird nach wie vor so sein, dass zum Beispiel Berufe mit einem hohen sogenannten Nicht-Routine-Anteil, manuelle Tätigkeiten sind das primär, nach wie vor gefragt sind, zum Beispiel alles, was eben so im Bereich Pflege, persönliche Dienstleistungen, ja auch im Bildungsbereich zum Teil, Betreuungsaufgaben, das sind natürlich alles Dinge, da wandelt sich auch was, aber die sind sehr viel weniger natürlich davon betroffen als jetzt in anderen Bereichen und ich glaube, man muss dann einfach für weniger Qualifizierte vielleicht eher versuchen, in diese Richtung auch berufliche Chancen zu schaffen, weil es sicherlich utopisch ist, jeden jetzt zum Entwickler mit entsprechenden Fähigkeiten zu machen, da muss man natürlich einfach auch sehen, was geht und wie kann man das unterstützen.

00: 15:53: Und du hast auch schon angesprochen, dass staatliche Maßnahmen vielleicht notwendig wären. Genau, wo ist die Politik in der Pflicht, wo vielleicht auch die Arbeitgeber und wo – wie können wir uns selbst fit machen?

00: 16:04: Ja, ich meine, der Arbeitgeber hat ja grundsätzlich auch ein Interesse daran, die Leute fit zu machen, wenn der Arbeitgeber eben davon ja auch meint zu profitieren in der Zukunft, und das funktioniert ja auch für viele Bereiche ganz gut, ja, also insofern glaube ich, muss man auch nicht jetzt überall nach dem Staat rufen, aber es gibt eben sicherlich auch Bereiche, wo da vielleicht zu wenig gemacht wird, also immer da, wo es ja eher darum geht, allgemeine Fähigkeiten zu erwerben und eine höhere Qualifizierung zum Beispiel zu erwerben, da hat ein Arbeitgeber nicht unbedingt ein primäres Interesse daran, weil das Dinge sind, die ich ja dann auch zu einem anderen Arbeitgeber tragen kann und ich glaube, da mehr Möglichkeiten entlang des gesamten Lebens zu schaffen, das ist schon nicht unwichtig. Ein sehr gutes Modell, was ich da immer so ein bisschen im Kopf habe, ist die Erwachsenenbildung in Schweden. Die haben ein sehr interessantes Modell, die haben so eine kommunal orientierte und organisierte Erwachsenenbildung, wo sie genau diese allgemeine Weiterbildung, also die Fähigkeiten, die jetzt nicht spezifisch für den Arbeitgeber sind, sondern die mich einfach fit machen, um weiter zukunftsfähig zu sein und Beschäftigungschancen zu haben, die werden da angeboten und zwar nicht nur eben jetzt so im Sinne von Weiterbildungskursen, um sich vielleicht konkrete Fähigkeiten anzueignen, sondern auch wirklich, um höhere Bildungsabschlüsse noch mal nachzuholen und das funktioniert aber berufsbegleitend, die Leute werden freigestellt und haben eine Garantie, auch in ihren Job zurückzukehren und während dieser Zeit erhalten sie auch Unterstützung, finanzielle Unterstützung, um das tragen zu können. Ich glaube, das ist schon etwas, da könnte man drüber nachdenken, weil wenn man jetzt zum Beispiel die Weiterbildungsbeteiligung, diese Beteiligung an dieser Erwachsenenbildung mal vergleicht mit Deutschland, dann ist die sehr viel höher in Schweden als in Deutschland. Und insofern, die Chance, das was ich eben sagte, diese Lücke, diese potentielle Lücke, die sich auftut in so einem Wandel zwischen den benötigten Fähigkeiten und den Fähigkeiten, die die Menschen mitbringen, zu schließen, ist dann glaube ich echt größer. Also das wäre sicherlich ein Modell, über das man auch in Deutschland mal nachdenken könnte.

00: 18:10: Also auch ein Trend hin zu mehr lebenslangem Lernen, dass wir vielleicht in Zukunft auch noch in höherem Alter nochmal studieren.

00: 18:16: Genau. Also ich glaube, das wird ja auch immer gesagt, also der Begriff ist ja in aller Munde, aber die Frage ist ja immer, wie setzt man das konkret um, und de facto ist es natürlich für jemanden, der vielleicht eben auch bislang als Niedrigqualifizierter beschäftigt war mit einem entsprechend überschaubaren Einkommen, kaum möglich, jetzt über längere Zeit noch mal sich wirklich rauszunehmen aus dem Arbeitsmarkt, um eben wirklich noch mal in der Mitte des Lebens sich da neu aufzustellen und da braucht es glaube ich schon eine Unterstützung und eine andere Perspektive auch auf dieses lebenslange Lernen, ja.

00: 18:53: Gibt es vielleicht doch Berufsgruppen, die Angst haben müssen vor dem Strukturwandel?

00: 19:00: Die Angst haben müssen vor dem Strukturwandel, tja, also es ist natürlich immer die Frage, über welche zeitliche Perspektive wir reden, also ich glaube, grundsätzlich wird die Geschwindigkeit dieses Strukturwandels, obwohl wir natürlich überall Veränderungen wahrnehmen, trotzdem wird die Geschwindigkeit eher als stärker wahrgenommen, als sie tatsächlich ist. Also ich glaube, in vielen Bereichen sind diese Prozesse doch eher graduell, sodass glaube ich in den aller-, allermeisten Kontexten eben diese Anpassungsprozesse, von denen ich eben sprach, eigentlich wirksam werden können und den Leuten da auch durchaus die Zeit gegeben wird, sei es eben durch Weiterbildung, Veränderung der Berufsbilder oder auch Umorientierung, durchaus weiterhin beschäftigt zu sein. Ich glaube, was immer problematisch sein oder werden kann, sind dann so Veränderungen, die so ein bisschen, ich sage jetzt mal, radikalerer Natur sind, also wenn wir uns zum Beispiel vorstellen, dass irgendwann vielleicht der Punkt kommt, wo tatsächlich das fahrerlose Fahren tatsächlich möglich wird auf einem anderen Level, als das heute der Fall ist und dann eben zum Beispiel auch LKW-Fahrer in der Form nicht mehr benötigt werden oder sehr viel weniger, dann ist das natürlich zum Beispiel schon eine Berufsgruppe, die sehr stark betroffen sein könnte, weil da eben dann genau dieses, ja, das Berufsbild verändert sich, klar, es würde sich sicher verändern, es gäbe auch weiterhin LKW-Fahrer, aber wahrscheinlich auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Gleichzeitig sind das natürlich auch Beschäftigte, die man nicht jetzt noch zu Entwicklern irgendwie weiterschulen kann, sondern für die man natürlich dann andere Alternativen irgendwie auftun muss und gerade in einer Welt, in der aber so, ich sage jetzt mal, diese soziale Komponente, also Berufe, die ja relativ, die ich als relativ krisenfest und auch als strukturwandelfest aktuell sehen würde, sind eben so Sachen wie persönliche Dienstleistungen, also alles, was rund um den Menschen irgendwie ist, das ist aber natürlich zum Beispiel nichts, was diese Berufsgruppe bislang gemacht hat, also das sind natürlich so Einzelbeispiele von Berufsgruppen, die zukünftig potentiell schon massiv auch betroffen sein könnten, aber ich sehe das jetzt eben auch noch nicht in den nächsten Jahren, ja. Der Punkt wird wahrscheinlich irgendwann kommen, aber das ist alles auch noch ziemlich Zukunftsmusik, bis so ein System wirklich da auch massiv Arbeit ersetzt.

00: 21:21: Heißt das, dass dann manche Berufe auch einfach gar nicht mehr ausgebildet werden vielleicht?

00: 21:25: Ja sicherlich in einem sehr viel geringeren Maße irgendwann und dann natürlich auch sehr verändert, also ich denke, nehmen wir jetzt, wenn wir bei dem LKW-Beispiel bleiben, ich glaube nicht, dass wir dann gar keine LKW-Fahrer mehr brauchen. Nur wenn LKWs dann vielleicht digital gekoppelt werden, weite Strecken eben autonom gefahren werden und man vielleicht dann nur irgendwie in spezifischen Situationen dann noch handeln muss, dann wird sich auch dieses Berufsbild einfach verändern. Auch da würden sich die Ausbildungsinhalte wahrscheinlich verändern oder ja, sonstige Anpassungen passieren, aber mit Sicherheit auf einem sehr viel niedrigeren Niveau als vorher dann, ja, ganz sicher.

00: 22:07: Dann zum Abschluss vielleicht noch die Frage, wird es meinen Job in fünf oder zehn Jahren noch geben, oder wirst du dich dann mit einer Künstlichen Intelligenz unterhalten?

00: 22:16: Das ist eine gute Frage, soll ich dich jetzt schockieren? Oder nein? Nein, nein. Ja gut, was, das finde ich gar nicht so leicht zu sagen, also wahrscheinlich wäre es theoretisch denkbar, dass man das auf einem gewissen Level oder auf einem gewissen Niveau mit einer Künstlichen Intelligenz führt das Gespräch, aber ich glaube, wir werden auch einfach weiterhin den Wunsch haben, so ein Gespräch lieber mit einem Menschen zu führen, weil es eben doch was anderes ist und weil es netter ist, ja, mit dir jetzt dieses Gespräch zu führen als mit irgendeinem Computer und insofern glaube ich schon, dass es dieses Berufsbild und deinen Beruf dann auch noch geben wird, aber ich glaube, gerade im Medienbereich passiert natürlich total viel und ganz viele Dinge, so Dinge, die man, mit denen man sich sonst vielleicht viel beschäftigt hat, die jetzt vorbereitet werden können, zum Beispiel Textbausteine in den Medien, die einfach vorbereitet werden können, klar, das ändert sich massiv, aber Interviews führen, ich glaube, das ist immer noch etwas, was primär Menschen machen werden.

00: 23:17: Dann bin ich ja sehr beruhigt. Vielen Dank, Melanie, für das Interview.

00: 23:22: Gerne.

00: 23:24: Musik

00: 23:26: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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