Wirtschaft · Forschung · Debatten

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Transkript

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00: 00:00: Eigentlich ist das Geld ja da. Eigentlich hat man das ganze Geld über sein Leben angespart, nur das steckt eben in der Immobilie. Ich ziehe mir das aus der Immobilie heraus.

00: 00:11: Musik.

00: 00:14: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibnitz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:24: Wer ein eigenes Haus besitzt, kann im Alter mietfrei leben. Für viele Menschen in Deutschland ist das eine beruhigende Aussicht angesichts unsicherer Renten. Aber die Rentenlücke ist eine Sorge, die auch Immobilienbesitzer umtreibt. Denn ein Haus oder eine Eigentumswohnung ist eine Geldanlage, in der nicht selten das Ersparte steckt. Das Problem: Der Wert einer Immobilie ist nicht so einfach verfügbar, vor allem, wenn man darin wohnen bleiben möchte. Wie es möglich ist, Immobilien im Alter nutzbar zu machen, darüber spreche ich jetzt mit Dr. Karolin Kirschenmann. Sie ist stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“ am ZEW Mannheim. Karolin weiß, welche Finanzprodukte es gibt, um Immobilien liquide zu machen und sie verrät uns, für wen sie interessant sein könnten. Außerdem schauen wir uns an, wie der Markt in anderen Ländern funktioniert. Und wir diskutieren, ob der deutsche Staat hier aktiv werden sollte. Mein Name ist Carola Hesch. Herzlich Willkommen. Hallo Karolin.

00: 01:26: Hallo Carola.

00: 01:27: Lass uns mit einem Beispiel anfangen, um das alles hier ein bisschen greifbarer zu machen: Stell dir vor es gibt Erika Meyer. Sie ist 70 Jahr alt. Sie ist verwitwet und wohnt im Speckgürtel von München. Dort hat sie ein eigenes Haus mit Garten. Ihre einzige Tochter ist in die USA ausgewandert. Sie hat aber keine eigene Rente und von der Witwenrente ihres Mannes kann sie gerade so leben. Der Wert von dem Grundstück ist natürlich erheblich gestiegen seit sie und ihr Mann es vor 40 Jahren gekauft haben. Sie möchte sich aber nicht davon trennen, weil sie an dem Garten hängt und außerdem sind auch alle anderen Immobilienpreise gestiegen und sie fürchtet auch nichts Adäquates mehr zu finden. Was könnte denn Erika jetzt anstellen, um trotzdem vielleicht ein bisschen komfortabler über die Runden zu kommen?00:01:59: Ja, das ist ein ganz klassisches Beispiel. Jemand hat letztendlich sein Leben lang gespart, hat auch einen großen Vermögenswert da, das Haus oder eine Eigentumswohnung, also eine Immobilie. Der Wert dieser Immobilie ist gestiegen, aber gleichzeitig fehlen eben die liquiden Mittel. Das heißt, bisher haben Haushalte in Deutschland eigentlich meistens mit dem Gedanken in eine Immobilie gespart, dass sie im Alter mietfrei wohnen können, aber es gibt auch einen neuen Gedanken: Dass man letztendlich das Geld, das in der Immobilie steckt, aus den Steinen herauslösen kann. Von Anbieterseite gibt es verschiedene Produkte, von Anbieterseite ist der Gedanke nicht so neu. Aber ich würde sagen auf Seiten der Haushalte ist es relativ neuer Gedanke. Insofern würde ich mal kurz einen kleinen Überblick geben über verschiedene Produkte oder die häufigsten Produkte die es gibt und ein bisschen beschreiben, wie die funktionieren und auch für wen die in Frage kommen.00:03:03: Sehr gerne. Was gibt es denn da so?00:03:06: Vielleicht fangen wir mit dem klassischsten und vielleicht auch ältesten Produkt auf dem Markt an. Das nennt sich Leibrente. Das heißt, hier verkaufe ich das Haus an den Leibrentenanbieter, bin damit nicht mehr Eigentümer des Hauses. Im Gegenzug bekomme ich entweder eine lebenslange Rente oder eine Rente auf Zeit, je nachdem wie ich das vereinbaren möchte. Ich kann auch eine Einmalzahlung vereinbaren oder eine Kombination aus beidem. Und ich behalte das Recht in der Immobilie wohnen zu bleiben, das heißt ich bekomme ein sogenanntes Wohnrecht, das wird im Grundbuch eingetragen genauso wie mein Recht auf diese Rente, sodass die auch abgesichert sind. Wohnrecht bedeutet, dass sobald ich ausziehe aus der Immobilie dieses Wohnrecht auch dann erlischt, das heißt ich kann dann nicht mehr weitervermieten und daraus Einnahmen generieren. Aber das lässt sich auch insofern vertraglich regeln, dass ich dann zum Beispiel, wenn ich jetzt nach 3 Jahren schon ausziehen müsste, weil ich ins Pflegeheim muss, dass ich dann eben Ausgleichszahlungen kriege, weil die Rente für sehr viel länger vereinbart war. Das Schöne sozusagen ist, ich muss mich dann auch nicht mehr um die Instandhaltung der Immobilie kümmern, weil ich ja nicht mehr Eigentümer bin. Das kann zumindest eine große Erleichterung sein. Vielleicht nicht, wenn man wie Frau Meyer 70 und fit ist, aber wenn man dann 85 wird und das einem zu beschwerlich wird. Das ist so ein ganz klassisches Produkt, was es schon lange am Markt gibt. Recht ähnlich ist der Verkauf mit Nießbrauch. Nießbrauch ist ähnlich wie das Wohnrecht. Das heißt ich darf in dem Haus wohnen bleiben, aber der Nießbrauch besteht eben bis zum Lebensende. Das heißt auch wenn ich ausziehe kann ich weiterhin über die Immobilie verfügen. Das heißt ich kann sie auch weiter vermieten und dann aus diesen Mieteinnahmen zum Beispiel Kosten für Betreutes Wohnen oder für ein Pflegeheim bezahlen.00:05:17: Oder so lange man vergleichsweise jung ist, zum Beispiel noch in den Süden ziehen.

00: 05:22: Richtig. Man könnte auch zum Beispiel in den Süden ziehen, wenn man den Winter im Süden verbringen möchte und sein Haus jeweils ein halbes Jahr vermietet beispielsweise. Ja, solche Dinge sind natürlich auch denkbar. Also es geht ja letztendlich bei diesen Produkten auch nicht immer nur darum eine monatliche zusätzliche Zahlung zu erhalten, sondern auch natürlich um den Gedanken, dass man sich auch was gönnen möchte. Denn dann ist man genau in dem Zeitpunkt im Leben in dem man eben nicht mehr arbeitet, die Kinder aus dem Haus sind und man ja eben genau vielleicht auch mal verreisen möchte. Auch hier ist es so, beim Verkauf mit Nießbrauch, dass man nicht mehr Eigentümer ist, das heißt es gibt neuen Eigentümer. Aber man behält eben natürlich auch das Recht in der Immobilie zu bleiben und dort zu wohnen. Der Nießbrauch ist insofern auch nochmal anders als das Wohnrecht, dass man hier für die Instandhaltung selber zuständig ist und wie gesagt das ist eben etwas was man sich überlegen muss, ob man das möchte oder nicht. Also das gilt ganz generell für all diese Produkte: Man muss sich die genau anschauen und überlegen, was zu einem selber passt und was man sich auch zutraut. Das heißt wie lang denkt man möchte man in der Immobilie bleiben? Möchte man eben sich noch darum kümmern, Handwerker ins Haus zu holen? Wie jung oder alt ist man zu dem Zeitpunkt? Wie ist der Gesundheitszustand? All diese Dinge. Man kann hier ganz schlecht irgendwie eine pauschale Lösung finden und empfehlen, sondern jeder muss tatsächlich ganz genau schauen, was für ihn oder sie infrage kommt. 00:07:04: Und welche Alternativen gibt es darüber hinaus?00:07:08: Ja, dann gibt es noch zwei weitere Produkte, die man vielleicht schon einmal gehört hat oder auch in der Werbung gesehen hat, die aber ja noch etwas ungewöhnlicher sind. Das eine ist der sogenannte Teilverkauf. Das heißt hier kann ich entweder einmalig oder in mehreren Schritten bis zu 50 Prozent des Hauses verkaufen. Das heißt es gibt dann einen Miteigentümer. Also ich bleibe Eigentümer meines Anteils und es gibt dann noch jemanden, dem das Haus auch gehört. Das heißt bei Entscheidungen ist man dann eben auch nicht mehr frei, sondern muss sich mit dem anderen Eigentümer absprechen. Gleichzeitig darf ich die gesamte Immobilie nutzen, sonst würde mir der Vertrag natürlich nichts bringen. Aber ich zahle für den Teil des Hauses, der mir nicht mehr gehört, ein sogenanntes Nutzungsentgelt. Wie eine Art Miete an den anderen Eigentümer. Ich bleibe im eigenen Haus, mir gehört noch ein Teil des Hauses. Ich nutze das ganze Haus und für den anderen Teil des Hauses zahle ich eine Art Miete an den anderen Eigentümer. Wenn ich ausziehe, zum Beispiel um ins Pflegeheim zu ziehen, dann kann ich zum Beispiel vermieten nach Absprache mit dem anderen Eigentümer oder dem anderen Eigentümer den Rest verkaufen. Das ist ein sagen wir mal neueres Produkt und ist von der Konstellation her ein bisschen anders als die anderen beiden Produkte. Bei den anderen beiden war ich ja nicht mehr Eigentümer und hab dafür ein Wohnrecht und monatlich oder einmalig Geld bekommen. Hier bleibe ich teilweise Eigentümer und zahle auch noch Miete an den anderen Eigentümer. Also das Konstrukt ist einfach anders aufgestellt, aber eben vor dem Hintergrund, dass es vielleicht für manche Senioren oder Seniorinnen wichtig ist Eigentümer zu bleiben, ist das eben ein Produkt. Auch das letzte Produkt ist genau vor dem Hintergrund vielleicht interessant. Das nennt sich Umkehrhypothek und hier bleibe ich eben auch Eigentümer. Also wem das wichtig ist, der kommt eben bei Leibrente und Nießbrauch nicht weiter. Die Umkehrhypothek sagt vielleicht schon vom Namen was dahinter steckt: Das heißt ich nehme letztendlich einen Kredit, eine Hypothek auf das Haus auf, aber normalerweise, wenn ich ein Haus kaufe und eine Hypothek aufnehme, habe ich am Anfang einen hohen Kreditbetrag, zahle den langsam ab. Hier ist es so: Ich nehme einen Kredit auf der ansteigt mit jeder Rentenzahlung die ich sozusagen aus dem Haus, aus dem Kredit bekomme, deswegen Umkehrhypothek. Also hier läuft der Kreditbetrag plus die Zinsen auf und am Ende der Zeit, das heißt in der Regel im Todesfall oder bei Auszug, wird das Haus verkauft und tilgt dann den Kredit mit Zinsen. Wobei hier, dadurch dass ja der der Senior, die Seniorin, noch Eigentümer ist, können die Erben das Haus samt Schulden übernehmen und dann eben die Schulen ihrerseits tilgen. Beim Senior, bei der Seniorin, verbleiben eben alle Rechte die mit diesem Eigentum verbunden sind.00:10:21: Was sind die Rahmenbedingungen: Für wen kommen diese Produkte überhaupt in Frage?00:10:25: Ja, das ist eine ganz interessante Frage. Es gibt bei manchen Produkten sagen wir mal Mindeststandards. Denn die Idee ist natürlich: Je mehr Wert die Immobilie ist und je älter ich bin, desto höher ist auch die monatliche Rente zum Beispiel, die ich kriegen kann. Das heißt bei manchen Anbietern, damit sich das auch lohnt, das Produkt zu verkaufen, denn man muss sich ja auch vorstellen: Es geht um eine Immobilie, der Wert muss festgestellt werden, es muss über die Instandhaltung gesprochen werden, es muss auch das Umfeld angeschaut werden. Ich habe mit einem Anbieter zum Beispiel gesprochen, der mir dann erzählt hat, wenn man in Stuttgart oder Mannheim oder vielleicht Berlin ein Haus kauft, dann muss man auch noch immer checken lassen, ob da nicht vielleicht eine Weltkriegsbombe liegen könnte, was irgendwann mal den Wert der Immobilie beeinträchtigt oder den Eigentümer beeinträchtigen könnte. Das heißt, da stehen Dinge dahinter, die man sich erstmal gar nicht vorstellt, wenn man einfach nur so über dieses Finanzprodukt spricht. Insofern ist es eben klar, dass auch von Anbieterseite einfach gewisse Vorgaben hier gelten. Das heißt, es gibt bei manchen Anbietern ein Mindestalter, 65 oder 70 Jahre zum Beispiel. Natürlich ist es auch so, dass Immobilien nach Lagen, also beispielsweise der Speckgürtel von München bietet sich natürlich an als Lage, weil man hier davon ausgehen kann, dass der Wert der Immobilie mindestens erhalten bleibt oder eben auch steigt über die Zeit. Das heißt, wir sehen viele dieser Verrentungen, die eben jetzt nicht nur in den großen Städten gemacht werden, aber eben in Zentren, in denen man auch in der Zukunft erwarten kann, dass es auch noch wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsplätze und so weiter gibt. 00:12:16: Lass uns vielleicht noch ein bisschen darüber sprechen, was man damit alles machen kann. Du hast ja schon angedeutet, man könnte reisen. m Fall von Erika geht es wahrscheinlich erstmal darum, dass sie gut über die Runden kommt. Aber ja, was könnte einen dazu bewegen? 00:12:30: Genau, also Erikas Fall ist der ganz klassische, an den wir immer sofort denken. Das heißt, die staatliche Rente ist ja für jeden niedriger als das Einkommen, was man zu Zeiten der aktiven Arbeit hatte. Bei ihr ist es jetzt auch die Witwenrente. Das wird sicher auch für viele Frauen der Generation ein Thema sein, die eben zu Hause waren, sich um die Kinder gekümmert haben. Aber eben auch für Leute die tatsächlich ihr ganzes Leben gearbeitet haben ist es so, dass die sogenannte Rentenlücke entsteht. Das heißt, die Rente deckt einfach sagen wir mal 50, 55, vielleicht auch noch ein bisschen mehr Prozent des Einkommens der letzten Jahre ab bevor jemand in Rente gegangen ist. Wenn ich meinen Lebensstandard halten will, dann ist klar, dass letztendlich aus privaten Ersparnissen hier diese Lücke gefüllt werden muss. Das ist natürlich ein Thema, was für die nächsten Rentnergenerationen noch sehr viel wichtiger wird. Denn wovon wir ausgehen können ist, dass diese Rentenlücke immer größer wird. Das heißt, die staatliche Rente wird vermutlich weniger werden oder wir werden länger arbeiten müssen, wollen das aber vielleicht nicht. Wollen früher in Rente gehen, dann werden die Abschläge größer. Das heißt, um diese Lücke zu füllen, egal ob man gearbeitet hat oder Witwenrente bezieht, das ist so die ganz klassische Überlegung, dass man hier diese Lücke auffüllt. Da ist es sozusagen neu zu überlegen: Eigentlich ist das Geld ja da, eigentlich hat man ja das ganze Geld über sein Leben angespart, nur das steckt eben in der Immobilie, ich zieh mir das aus der Immobilie heraus. Denn die Überlegung wäre ja die Gleiche, wenn ich eine Rentenversicherung bespart hätte, dann würde die mir auch jetzt die Rente auszahlen. Nur hat man bei Immobilien bisher nicht so darüber nachgedacht, dass das letztendlich auch eine Art Rentenversicherung sein könnte. Aber genau, es gibt dann auch noch den Fall: Man hat eigentlich genug fürs monatliche Leben, aber man möchte sich etwas Schönes gönnen oder was tatsächlich auch gar nicht bisher groß zur Sprache kommt: Wir haben uns das Ganze hier am ZEW in einer Studie angeschaut, haben Haushaltsdaten aus Deutschland ausgewertet und gesehen, dass ganz viele dieser Haushalte, die eine Immobilie haben, sagen: Eigentlich kommen wir ganz gut hin monatlich, aber es gibt natürlich auch noch andere Überlegungen. Es gibt die Überlegung zum Beispiel wie bei Erika: Die Tochter ist in den USA, die wird das Haus vermutlich nie selber nutzen wollen und vielleicht will sie es auch gar nicht erben, weil dann muss sie sich darum kümmern aus den USA. Und so ist es ja doch bei vielen heutzutage, dass die Kinder wo anders leben und das Haus gar nicht mehr unbedingt übernehmen wollen. Dazu kommt durch die gestiegene Lebenserwartung. Wenn dann der Senior, die Seniorin, mit 95 sterben, sind ja die Kinder schon eigentlich im Rentenalter. Das heißt, sie brauchen sie Geld in dem Moment, vielleicht hätten sie es aber zu einem früheren Zeitpunkt noch sehr viel besser brauchen können. Stellen wir uns vor, der Sohn, die Tochter, möchten ein Unternehmen gründen mit Mitte 30 oder selber ein Haus bauen und die Eltern würden das gerne unterstützen, dann wäre eben auch hier so ein Verrentungsprodukt, das heißt Verrentungsprodukt, aber eigentlich geht es tatsächlich darum, Geld aus der Immobilie zu lösen und das kann eben auch in einem Einmalbetrag sein, den man dann schon zu aktiven Zeiten noch an die Kinder vererbt. Oder auch ein Fall von dem man immer wieder liest und hört: Erbstreitigkeiten. Wenn dann drei Kinder zusammen ein Haus erben, ja was macht man damit. Wie einigt man sich? Um das zu vermeiden wäre zum Beispiel so ein Produkt auch geeignet. Das heißt dann immer so schön mit „warmer Hand“ vererben. Das heißt, man vererbt einfach schon zu Lebzeiten, gibt den Kindern das Geld und die Kinder haben freie Hand, was sie damit machen können und als Senior, Seniorin, muss ich mir auch keine Gedanken mehr darum machen, was vielleicht mit dem Haus geschieht oder ob die Kinder sich darüber verkrachen.00:17:09: Wie weit verbreitet sind diese Produkte denn auf dem deutschen Markt?00:17:13: Insgesamt ist der deutsche Markt hier tatsächlich noch sehr klein. Wenn wir uns Leibrenten anschauen oder den Verkauf mit Nießbrauch, das sind die Produkte die schon am längsten am Markt sind, auch hier sind die Zahlen recht klein, also wie viele Produkte insgesamt verkauft wurden. Aber der Markt wächst und er wächst auch tatsächlich immer mehr. Wenn wir uns jetzt den Markt für Umkehrhypotheken anschauen, dann gibt es den so gut wie gar nicht in Deutschland. Es gab Versuche diese Umkehrhypothek hier zu etablieren, aber die sind allesamt gescheitert in den letzten 10, 15 oder 20 Jahren.00:17:52: Woran lag das?00:17:54: Da gibt es mehrere Gründe. Ein ganz prominenter Grund ist, dass eine Umkehrhypothek vermutlich das komplizierteste Produkt ist, von denen über die wir bisher gesprochen haben. Denn wir haben zum einen ein Kreditprodukt, wir nehmen also wieder einen Kredit auf das Haus auf. Damit daraus eine langfristige Rente oder eine lebenslange Rente entstehen kann, muss ein Teil dieses Kredits in die Rentenversicherung fließen, die dann garantiert, dass eine lebenslange Auszahlung stattfindet. Letztendlich muss ja auch noch der Kreditausfall abgesichert werden, mit einer Restschuldversicherung beispielsweise. Das heißt, ich habe am Ende eigentlich drei Verträge die hier abgeschlossen werden müssen. Das ist zum einen aus Sicht der Senioren kompliziert, bei jedem Vertrag fallen Gebühren an, fallen andere rechtliche Vorschriften an. Aber das ist auch aus Sicht des Anbieters schwierig zu verkaufen, also ein Kredit ist ein klassisches Bankprodukt. Das heißt, der Bankberater kann das natürlich gut verkaufen, aber der kann dann vielleicht diese Versicherungsprodukte nicht so gut dazu beraten. Das ist eben auch etwas, was wir im Rahmen dieser Studie untersucht haben und da haben wir auch mit früheren Anbietern der Produkte gesprochen und das war genau einer der Punkte, die auch aufgekommen sind. Also dass das Produkt sehr komplex ist auf allen Seiten sozusagen. Dann das Management der Risiken, also vor allem gerade das Langlebigkeitsrisiko, wie kann damit umgegangen werden? Letztendlich gibt es natürlich auch andere Finanzprodukte, um Risiken zu managen, aber je mehr Produkt ich miteinbeziehe, desto teurer wird das ganze wieder. Im Endeffekt, desto weniger Rente bleibt übrig für den Senior oder die Seniorin. Dann kommen hinzu, das gilt jetzt nicht nur für die Umkehrhypothek, die Reputationsrisiken für die Anbieter. Das heißt, man möchte natürlich ein Produkt gestalten als Anbieter, dass diese lebenslange Rente sichert. Das sichert, dass nicht ein Rentner irgendwann aus der Immobilie ausziehen muss, weil das Geld nicht mehr reicht. Das wäre natürlich fatal und genau deshalb ist so ein komplexes Produkt entstanden, was dann letztendlich am Markt nicht Bestand halten konnte.00:20:41: Das ist ja auch aus Sicht der Käuferinnen und Käufer schwierig zu überschauen, ob sie da jetzt seriös beraten werden und ob das ein guter Preis ist.00:20:51: Ganz genau. Das ist etwas, was auf dem deutschen Markt auch komplett fehlt. Eine Art Produktstandards, an denen sich zum Beispiel Verbraucher und Verbraucherinnen orientieren könnten. Es gibt keinerlei Regulierung auf diesem Markt, ganz allgemein gesprochen. Das einfachste wären eben Produktstandards einzuführen. Das heißt, bestimmte Standards für Qualität oder Merkmale, die diese verschiedenen Produkte erfüllen müssen, damit ich als Verbraucher, Verbraucherin, hier schonmal objektiv Kriterien habe, mit denen ich das Angebot, das ich dann vorliegen habe, vergleichen kann. Auch das ist natürlich eine Schwierigkeit auf dem deutschen Markt. 00:21:37: Hat die Ampel-Koalition vor, in dieser Richtung etwas zu unternehmen?00:21:43: Meines Wissens nach nicht. Das Thema poppt immer mal hier und da auf, aber in der Politik, also weder in der in der deutschen Politik noch auf EU-Ebene spielt das eine große Rolle. Mag damit zusammenhängen, dass die Märkte klein sind. Aber gerade vor dem Hintergrund, dass man erwarten kann, dass so ein Instrument eigentlich wichtiger werden sollte, wir haben ja darüber gesprochen, dass die Rentenlücke eher größer werden wird, dass durch den demografischen Wandel vielleicht der Wunsch frühzeitiger zu vererben größer wird. Das heißt, diese Produkte sollten eigentlich wichtiger werden.00:22:32: Was würdest du denn vorschlagen an staatlichen Maßnahmen. Was könnte sinnvoll sein?00:22:38: Ich würde ganz klar dafür plädieren, dass man anfängt, diese Mindeststandards einzuführen für eine bessere Orientierung für die Verbraucher und Verbraucherinnen. Das ist etwas, dass es beispielsweise auch in Großbritannien gibt. Dort gibt es einen größeren Markt für solche Produkte, der komplett privat organisiert ist, aber eben mit einer entsprechenden regulatorischen Begleitung. Das heißt, hier gibt es eben Mindest- oder Qualitätsmerkmal-Standards, es gibt auch eine gewisse Absicherung. Als Senior, Seniorin, muss ich ja auch wissen, dass mir diese Rente dann tatsächlich auch gezahlt wird, in dem Fall, dass das Unternehmen das mir die Rente anbietet Pleite geht. Da gibt es beispielsweise die Absicherung in Großbritannien. Wir haben gewisse Rahmenbedingungen, die dann ein Markt entstehen lassen oder unterstützen ohne dass der Staat zu sehr direkt in den Markt eingreift. Diese Standards wären etwas, was ich für sehr sinnvoll halten würde. Wenn wir auf einen anderen Markt schauen, auf die USA, wo wir auch solche Produkte in größerem Umfang sehen, dann ist es so, dass der Markt in den USA, zumindest nach allem was ich dazu gelesen habe, vor allem deshalb gut funktioniert, weil er staatlich abgesichert ist. Und zwar auf allen Seiten: Die Anbieter werden abgesichert, falls der Wert der Immobilie sinkt, dass sie dann nicht irgendwie Verluste erleiden. Gleichzeitig werden eben auch die Senioren und Seniorinnen abgesichert, dass sie ihr Geld auch von dem Anbieter bekommen. Das ist natürlich ein starker Eingriff in so einen Markt. Bevor man so ein Eingriff vornimmt, muss man sich natürlich überlegen, ob das überhaupt sinnvoll ist. Das heißt, sind die Nutzen letztendlich größer als die Kosten, die dem Staat dadurch entstehen. Denn in den USA ist es so: Die Anbieter zahlen eine Gebühr dafür, dass es diese Versicherungen gibt, aber wenn man sich die Zahlen anschaut, dann ist es doch so, dass die Gebühren nicht ausreichen, die hier der Staat, wenn die Garantien fällig werden, zuschießt.00:25:05: Im Endeffekt haften dann die SteuerzahlerInnen.00:25:07: Genau und das ist die große Krux an der Sache. Die Frage muss man sich stellen, wäre so etwas sinnvoll für Deutschland. Da würde ich ganz klar sagen: Nein. Denn wenn wir nochmal zu unserer Befragung oder unseren Untersuchungen zurückgehen, haben wir ja eben in der Auswertung der Haushaltsdaten für Deutschland gesehen, dass sehr viele Haushalte sagen, eigentlich kommen sie ja gut klar und monatlich gut über die Runden. Trotzdem könnte so ein Produkt für sie spannend sein, aber da gibt es dann keinen Anlass, dass der Staat hier eingreift, weitergehend als dass er ein Rahmen setzt. Wir sind auf einen interessanten Aspekt gestoßen. Dass es doch tatsächlich eine Anzahl an Haushalten gibt, die zwar Immobilienvermögen haben, aber unter der Armutsgrenze leben. Für solche Haushalte könnte es jetzt interessant sein, dass der Staat hier eingreift, beispielsweise über Garantien. Denn diese Haushalte fallen oft unter diese Mindestgrenzen, das heißt, sie haben zwar sagen wir mal ein Haus oder eine Immobilie die 200.000€ wert ist, aber der Anbieter fängt erst bei 250.000€ an überhaupt über das Produkt zu sprechen. Das heißt, hier fallen diese Haushalte einfach raus. Wir haben berechnet, dass eine ganz kleine Rente schon, also sprich sagen wir mal hundert Euro im Monat mehr, bei diesen Haushalten zumindest zum Teil, zu einem relativ großen Anteil dazu führen würde, dass sie über die Armutsgrenze kommen. Das heißt, wir haben hier sozusagen einen relativ sehr großen Gewinn für diese Haushalte, obwohl wir von absolut eher kleineren Renten sprechen. Um überhaupt hier so eine Verrentung zu ermöglichen, kann man sich einen Eingriff des Staates vorstellen.00:27:16: Wie sähe der dann aus?00:27:19: Beispielsweise könnte hier zum Beispiel der Staat das Risiko absichern, auf beiden Seiten so wie es in den USA der Fall ist. Man könnte sich vorstellen, dass das auch auf Seiten der Verbraucher unterstützt wird, denn letztendlich sind hier vermutlich die Bearbeitungsgebühren einfach sehr teuer im Vergleich zu der Summe, um die es geht. Letztendlich sind die Bearbeitungsgebühren immer die gleichen, aber wenn der Wert des Hauses sehr gering ist, ist natürlich der prozentuale Anteil der Bearbeitungsgebühren relativ hoch. Hier könnte man zum Beispiel über Transfers nachdenken. Dass nicht die Höhe der Gebühren letztendlich ein Hindernis ist, um überhaupt so ein Produkt zu nutzen. 00:28:10: Du hast dich mit dem Thema auseinandergesetzt und auch Umfragen durchgeführt. Was ist Dein Eindruck: Stößt das auf Interesse?00:28:19: Ja, ganz gewaltig. Das war mir selber so auch nicht bewusst als ich mit dem Thema angefangen habe. Ich bin sozusagen ein bisschen reingerutscht und fand es dann selber wahnsinnig spannend mich damit zu beschäftigen, auch eben vor dem Hintergrund, dass es so neu ist. Wir haben dann unser Forschungspapier veröffentlicht und haben wirklich ganz viel Interesse daran bekommen. Nicht nur von den Medien, sondern wir sind auch von verschiedenen Anbietern dieser Produkte kontaktiert worden, die mit uns darüber sprechen wollten. Die auch überlegen, mit uns weiter an diesen Themen zu arbeiten. Man sieht immer mehr Werbung zu dem Thema zum Beispiel. Das eben auch ein Punkt, dass das, was ich am Anfang gemeint habe, dass das noch gar nicht so in den Köpfen angekommen ist. Da ist natürlich Werbung ein Teil davon. Persönlich habe ich auch wirklich ganz interessante Anfragen gekriegt, auf ganz breiter Ebene. Ich habe neulich mit einer Redakteurin des Seniorenmagazins der Apotheken Umschau gesprochen. Das heißt, auch eine Zeitschrift, die sicher sehr viele Menschen in die Hand nehmen, durchblättern, dann vielleicht auf das Thema stoßen, so Anregungen finden. Und ich bin tatsächlich sogar auch auf diese Studie hin von Privatpersonen angerufen worden, die Interesse an dem Thema hatten und wissen wollten, was ich noch sozusagen dazu weiß.

00: 30:01: Vielen Dank Karolin, dass du deine Einsichten mit uns geteilt hast.

00: 30:05: Sehr gerne.

00: 30:07: Danke auch fürs Zuhören beim ZEW Podcast. Wenn ihnen der Podcast gefällt, freuen wir uns über ihre positive Bewertung. Links zu den entsprechenden Podcast-Plattformen finden Sie in den Shownotes. Würden Sie ihr Haus teilweise versetzen, um ihre Rente aufzubessern? Schreiben Sie uns gerne an podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf Ihre Zuschriften.

00: 30:21: Musik.

00: 30:24: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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