Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Da schwirren etwas utopische Zahlen herum. Ich glaube nicht, dass man sechs Milliarden Euro aus dieser Steuer einnehmen kann.

00: 00:06: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:20: Die globale Mindeststeuer kommt. Das haben die Finanzminister der OECD Staaten beschlossen, der weltweit führenden Industrienationen. Ein globaler Mindeststeuersatz von 15 Prozent soll es internationalen Konzernen dann schwerer machen, Ihre Gewinne am heimischen Finanzamt vorbei, in Steueroasen zu verschieben. Die Steuer richtet sich gerade auch an die großen Digitalkonzerne, also an Apple, Amazon, Google und Facebook. Über die Reformpläne zur globalen Mindeststeuer spreche ich jetzt mit Christopher Ludwig. Er forscht zur internationalen Besteuerung von Unternehmen und arbeitet im ZEW-Forschungsbereich Unternehmensbesteuerung und öffentliche Finanzwirtschaft. Wir reden darüber, was die Mindeststeuer von einer Digitalsteuer unterscheidet, welche Neuerungen im internationalen Steuersystem noch so geplant sind, und ob sich das Ganze für den deutschen Staatshaushalt eigentlich lohnt. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich Willkommen. Hallo Christopher.

00: 00:21: Hallo Carola. Schön, dass ich mit dir sprechen darf heute.

00: 01:28: Ja, sehr gerne. Die Mindeststeuer ist ja das Prestigeprojekt von Olaf Scholz und er ist sogar während der Ampel Sondierungsgespräche extra nach Washington geflogen, um bei der Verkündung dabei zu sein. Was erhofft sich Olaf Scholz davon und was verspricht er vielleicht auch uns Bürgerinnen und Bürgern?

00: 01:46: Du hast es genau richtig gesagt. Also das ist eines der Prestigeobjekte von Olaf Scholz diese Mindeststeuer, die jetzt in aller Munde ist. Man hat schon während des Wahlkampfs gemerkt, dass er total hinterher ist diese Mindeststeuer voranzutreiben, und dass es ihm ihm eben wirklich ein Anliegen ist, dass alle Konzerne fair besteuert werden sollen mit einem bestimmten Steuersatz, auf den man sich jetzt global einigen konnte. Und, diese Dynamik, die das Ganze entwickelt hat, die angefangen hat mit einer Besprechung zwischen Herr Scholz und seinem Finanzminister Kollegen aus Frankreich, ist jetzt absolut beeindruckend zu sehen, dass da 134 Länder zusammengekommen sind und sich darauf geeinigt haben. Das ist schon spitze.

00: 02:26: Und, warum braucht es jetzt so zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine solche Steuerreform?

00: 02:35: Jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts sehen wir, und auch schon in den letzten Jahrzehnten eigentlich, dass sich die Wirtschaft völlig ändert. Dass wir nicht mehr diese traditionelle Wirtschaft haben mit Unternehmen, die irgendwo Produktionsstandorte haben, sondern wir haben jetzt viel mehr digitale Unternehmen, die viel globaler agieren. Die Globalisierung trifft natürlich alle Unternehmen, also auch BMW verkauft Autos in China oder in Argentinien aber, die Besonderheit der digitalen Unternehmen, die wir jetzt sehen, ist vielmehr, dass sie, völlig losgelöst von Produktionsstandorten, einfach agieren können, Produkte verkaufen können, vermarkten können, in Marktstaaten, was bisher ja so nicht ging. Wir können ja einfach mal das Beispiel nehmen, was wir hier in Mannheim ganz deutlich sehen, wir haben hier in Mannheim, ganz unweit vom ZEW, einen Produktionsstandort von John Deere. Die stellen Traktoren her, ist aber ein amerikanisches Unternehmen. Und jetzt ist es ja eigentlich eine Leichtigkeit für den deutschen Fiskus, das Finanzamt, zu sehen, welche Produkte werden hergestellt. Hier wird irgendwie das Chassis mit den Rädern von dem Trecker zusammengeschraubt. Das ist eine gewisse Wertschöpfung und diese gewisse Wertschöpfung kann man besteuern, So, das ist relativ einfach und darauf waren auch die Steuerregeln des letzten Jahrhunderts ausgerichtet; zu betrachten, wo sind Produktionsstandorte, was für ein Wert wird dort geschaffen, und wie werden wir den besteuern. Jetzt haben wir aber im Vergleich die Digitalkonzerne; Google Facebook sind völlig digital; Amazon ist mehr so ein Logistikdienstleister, der auch hier Logistikstandorte hat, aber im Prinzip ganz ähnlich. Die agieren aus Amerika, oder aus anderen Überseeländern, adressieren hier uns Konsumenten und Konsumentinnen, ohne dass ein Produktionsstandort notwendig ist. Und jetzt ist natürlich fraglich, welche Werte werden denn hier in Deutschland geschaffen, und wie werden diese oder wie können diese besteuert werden. Und darauf versucht man jetzt durch diese globale Mindeststeuer oder auch die verschiedenen anderen Reformen, die damit in Einklang stehen, Lösungen zu finden und sich Lösungen zu überlegen.

00: 04:38: Könnte man nicht einfach eine Digitalsteuer für diese Unternehmen einführen?

00: 04:42: Genau, wir hatten das beobachtet, das hatte 2018 die Europäische Kommission zum ersten Mal richtig vorgeschlagen, eine Digitalsteuer einzuführen, für alle digitalen Konzerne. England und Frankreich haben das beispielsweise auch gemacht, dass sie einfach sagen, spezifische digitale Konzerne – die müssen bestimmte Charakteristika erfüllen –, die müssen drei Prozent ihres Umsatzes versteuern. So, das war die Idee und die ist in verschiedenen europäischen Ländern auch durchgesetzt worden. Aber wir haben dann natürlich eine Segmentierung von Industrien, die dadurch stattfindet. Man könnte sich ja auch ausdenken, macht jetzt eine Sondersteuer für die Chemieindustrie oder man macht eine Sondersteuer für die Hotelindustrie. Wenn wir damit anfangen würden, würden wir immer so verschiedene Säulen an Industrien, die unterschiedlich besteuert werden, reinrutschen. Und das kann ja nicht die Lösung sein, sondern wir müssen ja irgendwie ein Steuersystem uns entwickeln und ausdenken und konzipieren, was, relativ uniform, über verschiedenste Industrien, genau das erzielt, was der Politiker und die Politikerin möchten, was wir auch als Bevölkerung möchten, um eine faire Besteuerung eben aller wertschöpfenden Industrien zu erreichen.

00: 05:53: Du hast jetzt schon gesagt, dass Großbritannien und Frankreich das schon eingeführt haben. Bleibt es dann dabei?

00: 06:00: Das ist jetzt eine Übergangssteuer, diese Digitalsteuer, die da eingeführt wurde. Und es ist eine der wesentlichen Bedingungen dieser globalen Reform, die auf zwei Säulen besteht, die jetzt in Washington nochmal, wo Herr Scholz auch hingeflogen ist, nochmal bestätigt wurde, dass, eine der zentralen Bedingungen, die Digitalsteuern, die in Nationalstaaten eingeführt wurde, wieder abzuschaffen. Und wenn das neue Konzept kommt, dann braucht man auch diese Digitalsteuer nicht mehr.

00: 06:29: Jetzt hast du gerade diese beiden Säulen angesprochen. Eine davon ist eben die globale Mindeststeuer. Wie soll diese Mindeststeuer denn dazu beitragen, die Steuervermeidung in den Griff zu bekommen?

00: 06:40: Genau, also die globale Mindeststeuer, die ist die zentrale Säule, die eigentlich von diesem zwei-Säulen-Paket immer im Fokus steht jetzt gerade auch. Die Idee dabei ist, dass man möchte, dass Konzerngewinne mit einem Mindeststeuersatz besteuert werden. Man beobachtet dafür einfach oder schaut sich dann genau an, wieviel Steuern wurden gezahlt im Verhältnis zum Gewinn, den der Konzern erzielt hat und errechnet daraus die Steuerquote, und die soll mindestens bei 15% liegen. Um eben genau zu vermeiden, dass irgendwelche Konzerne gewinne verlagern in Niedrigsteuerländer, beispielsweise Irland oder auch auf die Cayman Islands, wo ein ganz geringer Steuersatz nur gilt, und wo man dann viel weniger Steuern bezahlt, im Verhältnis zu den Gewinnen, als das jetzt politisch gewollt ist. Und technisch brauchen wir da gar nicht groß darauf einzugehen, aber im Prinzip ist es so, dass einfach Deutschland sagen kann, wenn Gewinne in irgendeinen anderen Staat abfließen, von einem Konzern in einer anderen Konzernteil, dann werden diese Gewinne nachversteuert oder dürfen hier nicht abgezogen werden.

00: 00:07:45 Wie groß ist das Problem denn eigentlich, dass Unternehmen Steuern vermeiden?

00: 07:48: Das ist eine offene Frage. Wie groß ist das Problem der Steuervermeidung? Ich glaube da haben sich schon viele Forscherinnen und Forscher daran versucht. Es ist existierend; ja, wir haben das Problem. Aber ich bin mir relativ sicher, dass das Problem Anfang der 2000er Jahre deutlich größer war. Da war die Mentalität einfach noch viel mehr da, wir geben dem Staat nichts, wir versuchen, unsere Steuern so gering möglich zu halten. Da ist jetzt auch bei den Unternehmen eine ganz andere Sensibilität entstanden über die letzten Jahre. Man versucht jetzt nicht mehr einfach nur die Steuern zu vermeiden, sondern man schaut viel ganzheitlicher glaube ich auf die Konsumenten. Weil, es kann ja auch unglaublich hohe Reputationsrisiken haben, wenn man auffällt als extremer Steuervermeider. Man stellt sich Starbucks vor, die damit auch krass in den Schlagzeilen standen, die Steuern vermieden haben. Dann gab es mal eine Woche oder zwei Wochen immensen Boykott und keiner hat mehr dort Kaffee gekauft. Also das ist jetzt ein Risiko, was Unternehmerinnen und Unternehmer sehen, und sich eben bewusst auch überlegen: Ah, jetzt lohnt es sich vielleicht gar nicht mehr so auf den letzten Prozentpunkt zu achten.

00: 09:11: Die Mindeststeuer liegt jetzt bei 15 Prozent. Warum nicht höher oder niedriger, warum 15 Prozent?

00: 09:19: Die 15 Prozent, die jetzt als Konsens genannt wurden, das ist glaube ich so eine Kompromisslösung. Die ist auch ein Mindestsatz – Staaten können davon auch abweichen und etwas höher gehen. Beispielsweise die USA hatte auch in den internen Verhandlungen auf globaler Ebene mal vorgefühlt, ob man nicht vielleicht auch 20 Prozent oder 25 Prozent als Mindeststeuersatz setzen kann. Aber um alle Staaten mit ins Boot zu holen, auch beispielsweise Irland, die einen 12,5 Prozent Steuersatz im Moment haben, hat man sich auf ein relativ niedriges Niveau geeinigt. Man muss bei der ganzen Mindeststeuer aber betrachten, dass im Moment, die effektive Besteuerung von den DAX Konzernen beispielsweise, bei 20 bis 25 Prozent liegt – also die ist deutlich darüber. Genauso bei den amerikanischen Unternehmen, die im Dow Jones sind, auch da ist die effektive Steuerquote deutlich über 20 Prozent. Sodass es fraglich ist, ob das wirklich jetzt hier so ein scharfes Schwert ist, diese Mindeststeuer, und zu einer erheblichen Nachversteuerung von den Gewinnen überhaupt kommt.

00: 10:24: Was ist denn veranschlagt, wie viel Geld soll die Mindeststeuer denn zusätzlich einbringen?

00: 10:29: Olaf Scholz hat jetzt in den Koalitionsverhandlungen zur Ampelkoalition gesagt, oder vermutet, dass er sechs Milliarden Euro aus dieser Mindeststeuer einnehmen kann. Da schwirren etwas utopische zahlen herum. Ich glaube nicht, dass man sechs Milliarden aus dieser Steuer einnehmen kann, weil die OECD für die gesamte Welt mit Mehreinnahmen von knapp 40 Milliarden Euro rechnet. Und dann sollen davon sechs Milliarden nach Deutschland? Das stelle ich mir relativ viel vor. Das ifo Institut hat eine Studie durchgeführt, in der sie schätzen, dass ungefähr 1,6 Milliarden Euro dem deutschen Fiskus verlorengehen durch die aggressive Gewinnverlagerung von multinationalen Konzernen, die von der Mindeststeuer getroffen werden. Und ich glaube auch, dass es sich eher in dieser Größenordnung bewegen wird – wenn überhaupt. Weil, Deutschland hat seit einigen Jahren viele Mechanismen, die diese Gewinnvermeidung einschränken soll. Und, diese einschränkenden Mechanismen und Regelungen sind in diese Berechnung gar nicht mit eingeflossen. Sodass es überhaupt fraglich ist, wie viel Mehrwert wird aus der Mindeststeuer überhaupt Deutschland zufließen.

00: 11:47: Gibt es Länder, die vielleicht mehr profitieren würden als Deutschland?

00: 11:50: Ja, ich denke, dass insbesondere die USA deutlich von der Mindeststeuer profitieren kann, weil insbesondere dort sitzen die großen Konzerne, die eben davon getroffen werden sollen. Also auch die digitalen Konzerne, die viel ihrer Vermögen und viel ihrer liquiden Mittel in Steueroasen parken. Und da wird die nach Versteuerung wahrscheinlich mehr Geld In die Kassen spülen.

00: 12:20: Es gibt ja schon viele Regeln gegen Steuervermeidung. Wäre es denn überhaupt nötig gewesen, diese Mindeststeuer einzuführen?

00: 12:27: Du hast vollkommen recht. Es gibt also, wie du ich es auch gerade gesagt hab, es gibt schon einige Regelungen, die diese Steuervermeidung einschränken. Nur haben jetzt viele dieser Regelungen die Länder national eingeführt. In der EU gab es ein gemeinsames Vorgehen, die Anti-Tax-Avoidance-Directive, die dazu geführt hat, das ist immerhin in der Europäischen Union schon harmonisiert wurde, diese Vermeidungsregelungen. Aber die Mindeststeuer ist durchaus trotzdem notwendig, weil man jetzt das Ganze global harmonisiert und da einen einheitlichen politischen Willen erkennt, der da verfolgt wird – und das ist schon eine gute Sache. Was man jetzt nicht vergessen darf, auf den Nationalstaats- Ebenen, dass man die nationalen Regelungen dann aber auch im besten Fall abschafft, um ein einheitliches Vorgehen global zu haben, einheitliche Steuerregelungen, und dadurch auch die Komplexität der Steuern einfach deutlich verringern kann.

00: 13:25: Das ist ja auch das Problem bei den Digitalsteuern. Aber glaubst du, dass das passieren wird, dass diese anderen Regeln dann auch abgeschafft werden?

00: 13:33: Ja das ist immer eine – manchmal auch eine utopische Vorstellung – Steuern, die einmal eingeführt wurden, wieder abzuschaffen. Wenn die Einnahmen erstmal generiert werden, dann ist es eigentlich ziemlich verlockend, die auch weiter beizubehalten. Also, obwohl diese Bedingungen jetzt da sind, dass man Digitalsteuern wieder abschaffen soll, obwohl auch die Forderungen aus der Forschung und aus den Unternehmensverbänden da sind, die Regeln zu vereinfachen, sich auf die globale Mindeststeuer zu konzentrieren, ist natürlich fraglich, ob das tatsächlich im politischen Prozess auch so passiert.

00: 14:03: Die andere Säule des OECD-Plans ist auch ziemlich neu und revolutionär, es soll nämlich eine globale Gewinnverteilung geben Was kann man sich darunter vorstellen?

00: 14:15: Genau, das ist die globale Gewinnverteilung. Die ist immer mit Bestandteil dieser globalen Reformpakete, die jetzt eben beschlossen wurden. Die wird aber oft vergessen, weil die Mindeststeuer viel einfacher zu transportieren ist. Die globale Gewinnverteilung sieht vor, dass man einen Teil des Gewinns, den ein Konzern jetzt erwirtschaftet, nicht mehr da besteuert, wo die Produkte auch tatsächlich hergestellt wurden, sondern dort versteuert, wo die Produkte verkauft wurden. Das ist ein völliger Regimewechsel, hin zu einer Marktstaat-orientierten-Besteuerung. Also im Endeffekt wirklich dort, wo die Konsumenten sitzen, dort sollen auch die Steuern bezahlt werden von den Konzernen.

00: 14:58: Also Facebook zahlt dann auch in Deutschland steuern.

00: 15:02: Genau. Facebook zahlt auf einen Teil des Gewinns auch in Deutschland steuern.

00: 15:07: Welche Unternehmen würden diese Regeln denn betreffen? Also Facebook, ja, Amazon, aber gilt das auch für alle anderen?

00: 15:16 Genau. Die Regelung hat relativ hohe Grenzwerte. Das ist ein bisschen historisch gewachsen, weil mit dieser Regelung, die jetzt oft vergessen wird, die Gewinnverlagerung, hat diese Reform Debatte überhaupt angefangen. Und sie sollte auch eigentlich nur Digitalkonzerne treffen. Da haben die Amerikaner aber nicht mitgemacht. Die Amerikaner haben gesagt, wir müssen alle Industrien gleichbehandeln. Und daher hat man sich jetzt überlegt, dass man das für alle Industrien durchsetzt, aber mit sehr sehr hohen Grenzwerten. Also die Unternehmen müssen mindestens 20 Milliarden Euro Umsatz machen, und eine Profitabilität von 10 Prozent haben. Das sind weltweit unter hundert Unternehmen. Also es wird nicht viele treffen und in Deutschland sind es maximal acht Unternehmen, die so groß sind und so rentabel sind, dass sie von dieser Gewinnverlagerung betroffen sind.

00: 16:08: Könnte das dann auch negative Folgen für Deutschland haben, also dass Unternehmen, die hier ansässig sind, im Ausland besteuert werden?

00: 16:18: Ja, wir haben in natürlich jetzt, wenn diese acht Unternehmen, die hier in Deutschland getroffen werden. Zum ersten haben diese Unternehmen einen unheimlich hohen Aufwand, das nachzuvollziehen, wo sie denn tatsächlich Umsätze generieren. Und, gleichzeitig haben auch die Finanzämter unheimlich hohen Aufwand, das zu prüfen, wo diese Umsätze denn erzielt werden und auf welche Umsätze sie Steuern erheben dürfen. Nehmen wir mal das Beispiel, das wir hier haben: SAP ist sehr profitabel in Deutschland, ist auch ein sehr großes Unternehmen. Die werden davon getroffen, von dieser globalen Gewinnverlagerungsregel. SAP verkauft auch Teile ihrer Softwarelösung nach China und macht dort Umsätze. Jetzt ist es so, dass dann der deutsche Staat, das deutsche Finanzamt sagen wird, wenn diese Regel durchgesetzt wird: in Ordnung, wir verzichten darauf, einen Teil dieses SAP-Gewinns, der eigentliche in Walldorf besteuert wird – um es einfach zu sagen – zu besteuern, und lassen den dem chinesischen Finanzamt. Das darf dann in China, chinesische Steuer, einen Teil des SAP-Gewinns angewendet werden. Im Gegenzug, gucken wir uns mal Huawei an, ein chinesisches Unternehmen. Auch in China werden eigentlich diese Handys produziert, die werden auch nach Deutschland verkauft, also in Deutschland werden Umsätze generiert. Jetzt sieht diese Regelung vor, dass eben Teile auch in Deutschland versteuert werden. Jetzt müssen wir darauf vertrauen – weil auch das deutsche Finanzamt keinen Zugriff auf Huawei, auf die Konzernzentrale hat, die Wissen nicht was in den Büchern bei Huawei steht, die können das nicht prüfen – dass die chinesischen Finanzbehörden völlig richtig ein Teil des Gewinnes an Deutschland freistellen und Deutschland das Besteuerungsrecht geben dadrauf. Und man kann sich vorstellen, dass dann natürlich international politisch auch Konflikte erwachsen können, wenn eben wir darauf vertrauen müssen, dass viele andere Staaten uns bereit sind, völlig freiwillig einen Teil ihres Steuerkuchens abzugeben. Gegenteilig geben wir natürlich auch ein Teil unseres Steuerkuchens ab, aber unter sehr hohem administrativem Aufwand.

00: 18:40: Also sowohl für die Finanzämter als auch für die Unternehmen wahrscheinlich.

00: 18:45: Genau. Für die Finanzämter habe ich das ja gerade skizziert, dass muss man prüfen muss testen muss sich aber also sicher Nein das das auch stimmt was man da an Informationen bekommt und man kann sie nicht prüfen Aber genauso für Unternehmen bei SAP wird es relativ noch nachvollziehbar sein die haben meistens Großkunden wie diese Software abkaufen das können sie überprüfen aber was ist denn mit Kunden gut und Herstellern also Coca Cola zum Beispiel Wenn die ihre Cola Flaschen verkaufen dann müssen sie am Ende des Tages jeder einzelnen Coca Cola Flasche hinterher reisen und schauen wo wurde die verkauft haben wir in den Ländern genügend Umsätze generiert dass wir eventuell dort Steuern zahlen müssen Ohne dass du überhaupt irgendwas produziert Oder und auch wenn man immer denkt: Naja, die Firmen sind völlig schon durch digitalisiert. So ganz durch Digitalisierung sind die noch nicht, meistens wird nach Regionen berichtet und in irgendwelchen Regionen sich überlegt wieviel Umsatz wurde in Asien generiert wie viel Umsatz in Südamerika Nordamerika aber länderspezifisch ich glaube dass so kleinteilig die Berichterstattung in den Unternehmen noch nicht ist.

00: 19:45: Ist es dann überhaupt absehbar, dass die Einnahmen aus dieser Steuer überhaupt groß genug sein werden, damit sich dieses komplizierte Prinzip lohnt?

00: 20:04: Während bei der Mindeststeuer schon mit Einnahmen gerechnet wird, sind die Einnahmen, die durch die globale Gewinnverteilung entstehen sollen, oder die Mehreinnahmen insbesondere, wahrscheinlich verschwindend gering. Also da wird man wenig Zusatzeinnahmen generieren. Weil es ist ja auch insbesondere so: Dieser Gewinn, der jetzt woanders besteuert wird – wegen dieser globalen Gewinnverteilung – der war ja vorher nicht nicht besteuert, sondern einfach in einem anderen Land. Und jetzt verlieren die Länder, in denen die Produzenten sitzen, zugunsten der Länder, in denen die Konsumenten sitzen. Das ist bei digitalen Konzernen auch so angedacht, aber was ist mit dem produzierenden Gewerbe? Verlieren wir dann nicht als Exportnation auch ein bisschen was? Also das steht völlig in den Sternen, ob sich dieser immense Aufwand überhaupt fiskalisch lohnt.

00: 21:00: Bei diesen ganzen Schwierigkeiten, die wir da angesprochen haben, macht es da überhaupt Sinn, diese globale Steuerreform anzustreben?

00: 21:08: Das ist natürlich eine wichtige Frage, ob das jetzt alles Sinn macht, wenn man auch da so kritisch draufschaut, wie wir das als Wissenschaftler auch gerne tun. Ja, das macht auf jeden Fall Sinn. Und es ist beeindruckend, was da in den letzten zwei Jahren politisch passiert ist, was man für einen Willen gesehen hat, das gesamte Steuerkonzept zu reformieren. Und das ist notwendig. Wir haben Regelungen, die sind vom Anfang des letzten Jahrhunderts. Da konnte man sich überhaupt nicht vorstellen, dass man so schnell entweder um den Globus jetten kann, als auch Produkte mit einem Mausklick digital erwerben kann – und darauf müssen wir jetzt unser Steuersystem anpassen. Und auch wenn das jetzt im Moment nur sehr wenige Unternehmen trifft, die Grenzwerte erstmal sehr hoch sind, auch nur ein Teil des Gewinnes verlagert wird, dann sieht man, dass da eine neue Richtung eingeschlagen wird. Und, sobald diese Richtung eingeschlagen wird, können über die Jahre hinweg weitere Reformen nuancenweise dieses ausbauen, dieses Konzept was da jetzt vorgeschlagen wurde. Und, wir werden, wenn es so weiter geht, auch in dem Tempo so weitergeht, noch einen ziemlichen Paradigmenwechsel sehen, der absolut beeindruckend ist.

00: 22:22: Also, in einem Satz auf den Punkt gebracht, meinst du die Steuerreform hält was sie verspricht?

00: 22:28: Ich glaube ja, dass sie definitiv hält, was sie verspricht, weil es wirklich ein beeindruckendes Projekt ist für eine Steuerreform und das gibt einen krassen Anstoß, den wir jetzt erleben.

00: 22:42: Jetzt geht ja bei dieser Steuerreform erstmal nur um die Unternehmenssteuer. Reicht das überhaupt oder müsste man auch andere Steuern in den Blick nehmen?

00: 22:49: Ja, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Weil, worüber sprechen wir? Wir haben jetzt in den Medien unheimlich viel davon gehört, wir sprechen jetzt schon eine Weile darüber, die Mindeststeuer, das soll Konzerne treffen. Aber: Ist die Unternehmenssteuer, die Körperschaftssteuer in Deutschland, überhaupt so ein wesentlicher Treiber für die Staatsfinanzen? Nein. Das sind ungefähr 4 Prozent der Staatseinnahmen, 30 Milliarden Euro pro Jahr, die nur durch die Unternehmenssteuern vereinnahmt werden von Deutschland. Und dafür machen wir so ein riesiges Fass auf. Wir reden sehr intensiv über Reformen, wir reden sehr intensiv darüber, dass hier Gewinne verlagert werden, dass Steuern vermieden werden, obwohl das überhaupt nicht das größte Stück vom Kuchen ist – sondern nur ein sehr kleiner Teil. Viel gewaltiger für die Staatseinnahmen ist im Vergleich die Umsatzsteuer, oder die Lohnsteuer. Und hier haben wir immense Probleme, die noch keiner so richtig angegangen ist. Grad bei der Umsatzsteuer hatten wir über Jahre – und haben wir immer noch – das Problem, gerade bei digitalen Dienstleistungen, die von Malta erworben werden, beispielsweise Glücksspiele, die in Malta ansässig sind und dann ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummern, die werden da erworben, kein Mensch bezahlt eine Umsatzsteuer. Auch andere Leistungen, die gekauft werden – keiner bezahlt darauf Umsatzsteuer. Es ist überhaupt unheimlich schwer nachzuvollziehen, wer muss diese Umsatzsteuer bezahlen. Wir hatten lange Zeit Versandhändler, die aus China oder aus sonstigen Ländern auch nach Deutschland geliefert haben, ohne einen Cent Umsatzsteuer zu bezahlen. Das macht viel, viel mehr aus für die Staatseinnahmen, das ist viel relevanter. Hier sind Stellschrauben mit denen man viel schneller, viel pragmatischer auch Einnahmen sichern könnte und den Staatshaushalt Stärker stabilisieren könnte. Es gibt Schritte in diese Richtungen, aber: Aus meiner Sicht ist der Fokus viel zu sehr auf dieser Steuerung von Unternehmen, als auf den eigentlich Low Hanging Fruits, an denen man ansetzen könnte und an denen man Steuereinnahmen sichern könnte.

00: 25:05: Wenn du In der neuen Koalition der Finanzminister wärst, würdest du versuchen, diese Umsatzsteuerthematik auch noch in dieses globale Paket unterzubringen?

00: 25:16: Definitiv. Wenn ich die Chance hätte, im Finanzministerium oder im Finanzausschuss auch einen Wortbeitrag zu bringen, dann würde ich auf jeden Fall die Umsatzsteuer auf die Agenda setzen und auf jeden Fall sagen: Da müssen wir ansetzen. Es ist nämlich überhaupt nicht so, dass wir da Gesetzeslücken haben. Wir haben vielmehr eine Problematik, das richtig nachzuvollziehen. Wir müssen irgendwie Methoden, Systematiken finden, wie wir die Geldströme nachverfolgen können und sicherstellen können, dass die Steuern auch tatsächlich bezahlt werden. Und dafür gibt es gute Ideen, dafür haben wir auch uns am ZEW was ausgedacht. Es gibt sehr gute Ideen, wie man hier Lücken schließen kann und Staatseinnahmen sichern kann – und das Ganze ist viel weniger komplex als diese unglaublich große Globale Reform der Unternehmenssteuer.

00: 26:11: Wer auch immer da den Posten bekommt, vielleicht fragt die Person ja dann doch mal bei dir nach. Jetzt hattest du vorhin schon angesprochen, dass dieses neue Reformpaket – so viele Schwächen es auch noch hat – einen Paradigmenwechsel einläutet. Zum Abschluss wäre es schön, wenn du noch einen kleinen Ausblick geben könntest. Was meinst du: Wie werden diese Reformen die kommenden Jahrzehnte prägen und welchen Effekt wird das langfristig noch haben?

00: 26:37: Stimmt, das ist ein Paradigmenwechsel. Das ist beeindruckend, dass wir jetzt daran teilhaben dürfen, dass wir das sehen dürfen, beobachten dürfen, kommentieren dürfen. Und, es wird uns auch noch die nächsten Jahre begleiten. Weil es relativ einfach ist in den Steuern sich den großen, den zentralen Kern der Reform zu überlegen. Aber im Detail kommen die Probleme. Und da ist jetzt ein sehr ambitionierter Plan der G 20, und auch im OECD-Verband der 134 Staaten, die in dem inclusive Framework drin sind. Der ambitionierte Plan ist, Mitte 2022 diese neue Reform Zu verabschieden, sodass Sie Anfang 2023 in den Ländern umgesetzt wird. Chapeau, wenn das geschafft wird, aber ich glaube, da werden noch einige sehr intensiv daran arbeiten müssen, um an diesen Details zu feilen. Man sieht aber auch in diesem Zeithorizont, dass die Versprechungen von Herrn Scholz bei den Koalitionsverhandlungen, dass durch die Mindeststeuer unheimlich große Einnahmen generiert werden, die zur Finanzierung der Koalitionsvorhaben da sind, vielleicht ein bisschen weit gegriffen ist. Weil, 2023 soll die Reform umgesetzt werden – im Idealfall. Dann fließen die ersten Steuerzahlungen daraus vielleicht Ende 2023, oder auch erst 2024. Dann ist aber die Koalitionszeit schon zur Hälfte rum. Also: Wir werden sehen, vielleicht schaffen sie es auch schneller, vielleicht sind die Einnahmen noch schneller da, aber es bleibt sehr spannend.

00: 28:34: Vielen Dank Christopher für diese Einblicke und vielen Dank für das Gespräch. Danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn ihnen der Podcast gefällt, freuen wir uns über ihre positive Bewertung auf Plattformen wie Apple Podcast. Haben Sie Fragen oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir freuen uns über ihre Zuschriften.

00: 28:52: Musik

00: 28:40: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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