Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Es ist schön zu sehen, dass unsere Umfrage beachtet wird. Dass auch die Werte auf den Finanzmärkten Reaktionen zeigen. Das zeigt, dass die Umfrage auch bedeutsam ist.

00: 00:12: Musik.

00: 00:14: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:26: Wie entwickelt sich die Wirtschaft in den kommenden Monaten? Das interessiert uns wohl alle. Deshalb warten Medien und Anleger jeden Monat gebannt darauf, dass die ZEW- Konjunkturerwartungen erscheinen. Der Blick in die Zukunft der deutschen Wirtschaft ist auch als ZEW-Index bekannt. Er beruht auf einer Umfrage unter Finanzmarktexpertinnen und -experten. Über die ZEW-Konjunkturerwartungen spreche ich jetzt mit den beiden Wissenschaftlern, die sie erheben. Dr. Michael Schröder ist der Projektleiter und Frank Brückbauer ist Mitarbeiter im Projekt. Beide arbeiten im ZEW-Forschungsbereich „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“. Zum 30-jährigen Jubiläum des ZEW-Finanzmarktreports blicken wir hinter die Kulissen der Konjunkturerwartungen und wir reden darüber, welchen Einfluss sie auf Wirtschaft und Wissenschaft haben. Mein Name ist Carola Hesch. Herzlich willkommen. Hallo Michael, hallo Frank.

00: 01:21: Hallo Carola.

00: 01:24: Lasst uns am Anfang noch mal zurückblicken: Seit wann gibt es den Finanzmarktreport eigentlich?

00: 01:30: Der Finanzmarktreport wurde im Dezember 1991 gestartet und seit Dezember 1991 läuft die Umfrage ununterbrochen.

00: 01:41: Also schon seit 30 Jahren.

00: 01:43: Ja genau, seit genau 30 Jahren.

00: 01:46 Und was war damals die Idee dahinter?

00: 01:49: Es gab damals noch keine Umfragen, die unter Finanzexperten speziell die Stimmung und die Erwartungen zu Finanzmarkt- und makroökonomischen Variablen abfragten. Wir haben in unserer Umfrage zum Beispiel die Erwartungen zu Aktienindizes, zu Wechselkursen. Das gab es damals noch nicht. Das war 1991 eher die Regel, dass man eine Konjunkturumfrage hatte. Wir haben ja auch eine Konjunkturumfrage, aber vor allen Dingen eine Finanzmarktumfrage. Das Spezielle daran war, dass wir einen besonderen Personenkreis fragen, nämlich Menschen, die im Finanzmarktbereich arbeiten. Das sind in der Regel MitarbeiterInnen von Banken, von Investmentgesellschaften und von Versicherungsunternehmen. Das ist auch eine Besonderheit der Umfrage.

00: 02:45: Am Anfang gab es noch nicht so einen Medienrummel darum. Wie sind aus dem Finanzmarktreport dann die ZEW-Konjunkturerwartungen entstanden?00:02:55: Das stimmt. Bis 1997/1998 war es relativ ruhig um die Umfrage in der Öffentlichkeit. Wir haben zwar relativ häufig dazu publiziert; es gab aber damals noch keinen Beleg dafür, dass zum Beispiel die Konjunkturerwartungen für die Prognose von zukünftigen konjunkturellen Entwicklungen gut sind. Mein Kollege Felix Hüfner und ich haben damals ein Papier dazu geschrieben, inwieweit die Konjunkturerwartung, die wir erhoben hatten, sich auch geeignet hätte, um die Konjunktur zu prognostizieren. Das fiel recht gut aus. Wir haben eine große Pressekonferenz dazu gemacht, zu der in Frankfurt auch ziemlich viele Pressevertreter kamen. Ab diesem Zeitpunkt waren die Konjunkturerwartungen in der Öffentlichkeit und bei den Fachmagazinen bekannt. Entsprechend haben wir ab diesem Zeitpunkt, um 1998, regelmäßig die Konjunkturerwartungen veröffentlicht. Seitdem ist die Umfrage auch ein Aushängeschild in Bezug auf konjunkturelle Entwicklungen der Zukunft.

00: 04:15: Könnt ihr was dazu sagen, wie die Finanzmärkte darauf reagieren, wenn die Konjunkturerwartungen veröffentlicht werden?

00: 04:24: Es gibt einige Studien dazu, die untersucht haben, wie eine Veröffentlichung der Konjunkturerwartung, die vom Ausmaß her unerwartet war - also zum Beispiel besonders hoch oder niedrig war und so von den Finanzmarktteilnehmern nicht vorher erwartet wurde - wie das auf zum Beispiel den Dax oder den Bund-Future wirkt. Dazu haben die entsprechenden Autoren Hochfrequenzdaten genommen, zum Beispiel Sekundenveränderungen vom Dax oder vom Bund-Future und dann untersucht, wie kurz vor und kurz nach der Veröffentlichung diese unerwartete Zahl die entsprechenden Kurse verändert haben. Es gab eine signifikante Reaktion- sowohl beim Dax als auch beim Bund-Future. Das sind Veränderungen, die sich in wenigen Sekunden abspielen. Danach ist diese Information entsprechend im Preis enthalten. Es scheint eine messbare Reaktion da zu sein, wenn eine große unerwartete Komponente von den Erwartungen da ist.

00: 05:43: Wie ist das für euch, wenn ihr wisst, dass das, was ihr gleich veröffentlicht, Einfluss darauf nehmen kann, was in den Finanzmärkten passiert?00:05:51: Wir nehmen zum Glück keinen direkten Einfluss auf die Finanzmärkte. Wir vermitteln nur die Ergebnisse, die uns unsere UmfrageteilnehmerInnen mitteilen und die wir mit einem relativ simplen Aggregationsmechanismus aufbereiten. Insofern nehmen wir keinen direkten Einfluss. Es ist aber schön zu sehen, dass unsere Umfrage beachtet wird. Dass auch die Werte, die veröffentlicht werden, auf den Finanzmärkten beachtet werden und dort eine Reaktion zeigen. Das zeigt, dass die Umfrage auch für den DAX-Kurs zum Beispiel bedeutsam ist.00:06:32: Ihr habt auch längere Sonderfragen darin. Was fragt ihr da ab?00:06:38: Bei den Sonderfragen versuchen wir immer aktuelle Entwicklungen abzufragen, zum Beispiel nach der Bundestagswahl oder als die Corona-Krise in Deutschland ausgebrochen ist haben wir Fragen gestellt, um besser zu verstehen, wie die Expertinnen und Experten die Entwicklung einschätzen, wie sich alles auf die Wirtschaft auswirken wird und was sie zum Beispiel zu Lockdowns erwarten. Das war alles sehr interessant. Wir versuchen die Sonderfragen dafür zu nutzen, um solche großen Entwicklungen abzufragen und besser zu verstehen, was die Finanzmarktexpertinnen und -experten denken. Wir haben das aber auch für die Forschung benutzt. Wir haben öfters mal eigene Sonderfragen platziert für eigene Forschungspapiere, weil irgendwelche Informationen gefehlt haben, die wir dringend gebraucht hätten oder die wichtig waren und noch nicht existiert haben. Dafür ist diese Umfrage sehr hilfreich. 00:07:40: Ich möchte da noch etwas ergänzen, was die Forschung angeht. Für eine Veröffentlichung im Journal of Finance wurde sogar speziell ein Umfrageexperiment mit unserer Umfrage gemacht und zwar in zwölf Wellen. Das heißt, es wurden zwölf Mal Fragebögen an TeilnehmerInnen unserer Umfrage verschickt. Mit diesem Umfrageexperiment konnte ein Kapitel einer sehr guten Publikation im Journal of Finance erstellt werden.00:08:24: Ihr habt feste Sonderfragen und die Möglichkeit, Spezielles wie Corona spontan im Fragebogen unterzubringen. Habe ich das richtig verstanden?00:08:33: Dadurch, dass der Umfragebogen online ist, haben wir die Möglichkeit, immer aktuelle Fragen zu stellen, die auch spontan auf neuere Entwicklungen reagieren.

00: 08:48: Online war das 1991 wahrscheinlich alles noch nicht?00:08:53: Nein. Ich war vor ein paar Tagen in einem Archivraum. Dort lagern die Faxausdrucke und per Post zugesendeten Umfragebögen noch im Original. Damals war natürlich nichts online und alles wurde per Fax oder per Post erledigt. Entsprechend haben wir allerdings jetzt ein richtiges physisches Archiv, in dem diese gesamten Unterlagen und damaligen Umfrageergebnisse in Papierform lagern.

00: 09:27: Sehr faszinierend. Reden wir nochmal über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Du hast es schon angesprochen, Michael, dass das Leute aus dem Finanzsektor sind. Was ist die Idee dahinter? Warum befragt ihr zum Beispiel nicht CEOs von Unternehmen?00:09:46: Wir befragen ausschließlich Fachleute, die im Weitesten Sinne im Bereich Finanzmärkte arbeiten. Dazu gehören zum Beispiel Banken, Sparkassen, Volksbanken, Investmentgesellschaften, Fondsgesellschaften. Die Idee dahinter ist: Wir fragen Leute, die in ihrem beruflichen Alltag in verschiedenen Positionen eine Einschätzung makroökonomischer Entwicklungen und eine Einschätzung der Entwicklung von Finanzmärkten benötigen und die sich damit beruflich auseinandersetzen. Die Fachleute, die wir fragen, haben entsprechend auch eine Einschätzung zur Konjunkturentwicklung parat, weil sie das täglich in ihrer Arbeit benötigen, oder sie haben eine Einschätzung zum Dax oder zu einem Euro-Dollar-Wechselkurs. Sie haben sich damit inhaltlich auseinandergesetzt und können dann schon ihre Erwartungen, die sie für den Finanzmarkt haben, unmittelbar mitteilen. Die andere Möglichkeit, die du angesprochen hast, ist, dass man fragen könnte, wie die Erwartungshaltung von Unternehmen ist. Wenn man dann eine Gesamtkonjunktur-einschätzung haben möchte, benötigt man relativ viele TeilnehmerInnen. Man muss dann alle Branchen abdecken, die es gibt, alle wichtigen Bereiche der Wirtschaft zum Beispiel von Deutschland. Dann benötigt man TeilnehmerInnen im Umfang von 7000 bis 8000. Wir kommen mit wesentlich weniger aus, um eine sinnvolle repräsentative Umfrage durchzuführen. Wir haben in den letzten Jahren im Schnitt 180 bis 220 aus unserem Panel, die monatlich teilgenommen haben. Das ist dann auch eine sinnvolle Aussage, weil wir nicht fragen: Wie ist das in Eurer Bank? Wie funktioniert das? Sondern wir fragen: Was erwartet ihr für den Bankensektor, für den Aktienmarkt oder für die Zinsen? Um da ein Meinungsbild zu bekommen, benötigt man weniger. Das ist eine ganz praktische Idee, die dahintersteht. Die andere Idee ist, dass es damals, als die Umfrage startete, es Umfragen hauptsächlich unter Volkswirten und unter Vertretern von Unternehmen gab. Die Gruppe von Finanzmarktexperten hatte sich bisher nicht in einer Umfrage wiedergefunden. Diese speziellen Kenntnisse, die von den Expertinnen und -experten aus diesem Bereich kommen, erfassen wir in unserer Umfrage. Das war damals noch eine echte Lücke.

00: 12:39: Ihr habt also die Marktlücke identifiziert und geschlossen. Wenn Expertinnen und Experten in den Ruhestand gehen oder die Branche wechseln, dann braucht ihr Nachwuchs. Wie rekrutiert ihr den? Wie schaut ihr, dass ihr trotz gelegentlichen Schwunds immer genügend Teilnehmerinnen und Teilnehmer habt?00:13:02: Es kommt natürlich häufiger vor, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Job wechseln oder auch in den Ruhestand gehen. Meistens sind sie dann schon so nett und empfehlen uns einen Nachfolger oder Nachfolgerin und nehmen uns die Arbeit ab, was sehr nett ist. Ansonsten schauen wir zum Beispiel auf sozialen Netzwerken gezielt nach Expertinnen und Experten. Da sind wir einfach dann dran und versuchen eine Nachfolgerin oder Nachfolger in diesem Unternehmen, idealerweise in der gleichen Abteilung, zu rekrutieren.00:13:42: Das ist natürlich freundlich, wenn sie an Euch denken, wenn Sie gehen. Schauen wir uns nochmal die Konjunkturerwartungen etwas genauer an: Ihr fragt nach den Erwartungen - um welchen Zeitraum geht es da eigentlich?00:13:56: Meistens fragen wir alles auf Sicht von sechs Monaten ab. Wir haben die Konjunkturerwartungen aus Sicht von sechs Monaten. Wir haben die Inflations- und Zinserwartung aus Sicht von sechs Monaten. Auch die Ertragserwartung für deutsche Branchen. 00:14:12: Was können die Befragten dann antworten?00:14:14: Wir fragen die Richtung ab. Die Expertinnen und Experten können antworten, dass sich die Lage in sechs Monaten verbessern wird, gleichbleiben wird oder verschlechtern wird. Daraus aggregieren wir dann den ZEW-Index. Der ist dann die Differenz zwischen dem Anteil derer, die sagen, dass sich die Lage verbessern wird und denen, die sagen, dass sich die Lage verschlechtern wird. Der Index ist zwischen minus 100 und plus 100 definiert.

00: 14:49: Wenn zum Beispiel 50 Prozent sagen, es bleibt gleich, 30 Prozent sagen, es wird besser, und 20 Prozent sagen, es wird schlechter. Was für einen Wert hat der Index dann?00:15:00: In diesem Fall hätte der Index einen Wert von plus 10 Punkten.

00: 15:05: Hat er manchmal auch sehr extreme Ausschläge? Plus 10 wäre ja jetzt relativ moderat.00:15:12: In Krisen oder in extremen Situationen haben wir natürlich sehr niedrige Werte. In der Finanzkrise zum Beispiel waren wir bei minus 50. Als die Corona-Krise ausgebrochen ist, waren wir bei minus 50. Es geht aber auch sehr weit nach oben. Zum Beispiel Ende der 90er waren wir bei über 80 und auch in den letzten Monaten waren wir bei über 80, weil die Expertinnen und Experten eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage erwartet haben.00:15:47: Du hast auch die Corona-Krise und die Finanzkrise angesprochen. Konnte man in den Konjunkturerwartungen das schon vorher absehen, dass so eine Krise kommen würde?00:15:58: Vor der Finanzkrise war die Stimmung schon relativ schlecht. Seit Anfang 2007 hat sich der Indikator dann immer weiter verschlechtert und findet im Oktober 2008, als die Finanzkrise ausgebrochen ist, seinen Tiefpunkt. In der Corona-Krise war die Stimmung schon vorher nicht besonders gut, aber als die Lockdowns dann verkündet wurden, ist der Indikator sehr stark eingebrochen. Es war nicht so wirklich absehbar.00:16:33: Wie war das in der Corona-Krise. Es war relativ unsicher, wie lange ein Lockdown geht, ob ein neuer kommt, welche finanziellen Hilfen es gibt. Hat diese Unsicherheit die Aussagekraft des Indikators beeinträchtigt?00:16:49: Ob es die Aussagekraft beeinträchtigt hat, ist schwer zu sagen. Im Herbst letzten Jahres gab es einen erneuten Lockdown und für manche eine unerwartete Verschlechterung der Coronasituation. Da gingen auch die Erwartungen über einige Monate stark zurück. Man konnte das sehr gut nachvollziehen, wie die jeweilige Veränderung der gesundheitspolitischen Maßnahmen, vor allen Dingen von Lockdowns, sich auch in den Erwartungen niedergeschlagen hat. Das ist aber keine Beeinträchtigung der Aussage des Indikators, sondern das ist eine Aussage, dass wir daraus ableiten können, wie sich gesundheitspolitische Maßnahmen auf die Konjunktureinschätzung auswirken. Das konnte man entsprechend sehen. Beispielsweise ab Juli dieses Jahres gingen die Erwartung sehr sehr stark zurück. Das hat weniger mit Corona zu tun, als mit einer allgemeinen konjunkturellen Schwächephase, die unter anderem auch von der chinesischen Wirtschaft ausgeht.00:18:11: Wenn ihr solche Interpretationen liefert. Wie macht ihr das? Ist das immer klar, welche Ereignisse die Schwankungen verursachen? Oder habt ihr da besondere Einsichten?

00: 18:24: Wir haben eine Sonderfrage zur mittelfristigen konjunkturellen Entwicklung und auch eine Sonderfrage zur mittelfristigen Entwicklung der Inflation. Die stellen wir jeweils immer einmal im Quartal. Bei diesen Sonderfragen möchten wir auch wissen, welche treibenden Faktoren eine Änderung der Prognose der TeilnehmerInnen bewirkt hat. Das heißt, wir fragen zum Beispiel beim Wachstum, ob es besondere Entwicklungen der internationalen Konjunktur gab, ob vielleicht die Exportmärkte gut oder schlecht waren. Bei Inflationsfragen ist es wichtig zu wissen, ob es an der Lohnentwicklung oder der erwarteten Lohnentwicklung liegt oder ob es von den Rohstoffpreisen kommt. Das sind Faktoren, die wir explizit abfragen. Wir haben auch, um Deutschland zu interpretieren, die Einschätzungen von der USA, vom Eurogebiet und von China. Die Entwicklungen in diesen Ländern, die wichtige Exportmärkte für die deutsche Wirtschaft sind, sind ganz wichtig und nützlich, für die Einschätzung von Deutschland. Ein Punkt, der speziell für Deutschland wichtig ist: Wir haben auch Fragen nach den Brancheneinschätzungen. Wir haben die wichtigsten Wirtschaftssektoren, die regelmäßig in der Umfrage enthalten sind und nach deren Ertragsentwicklung wir jeden Monat fragen. Da können wir zum Beispiel sehen, ob es im Fahrzeugbau eher nach oben oder unten geht, ob vielleicht der Bankensektor Krisenanzeichen hat, oder ob es vielleicht am Konsum liegt oder eher an der Baubranche.00:20:20: Wir haben schon darüber gesprochen, dass die Konjunkturerwartungen auf den Finanzmärkten und in den Medien eine wichtige Rolle spielen. Wie sieht es denn in der Wissenschaft aus? Werden die da auch rezipiert?00:20:33: Ja, die Umfrageergebnisse spielen auch in wissenschaftlichen Studien eine Rolle. Wir haben mehr als 50 wissenschaftliche Publikationen identifizieren können, die mit den Daten arbeiten. Ein relativ bedeutsamer Teil befasst sich mit den Prognoseeigenschaften unserer Erwartungen. Beispielsweise mit den Konjunkturerwartungen für Deutschland und wie gut diese Konjunkturerwartungen im Vergleich zu anderen Indikatoren zur Prognose beitragen können. Das andere ist: Wie entstehen Erwartungen? Wie werden Erwartungen gebildet? Was beeinflusst die Erwartungsbildung? Dazu gibt es eine ganze Reihe von internationalen Veröffentlichungen. Eine davon ist ein Umfrageexperiment, bei dem gefragt wurde: Macht es bei den UmfrageteilnehmerInnen etwas aus, wenn sie nach den Dax-Prognosen befragt wurden, ob man diese DAX-Prognosen in Form eines Index erfragt oder ob man nach den Prozentveränderungen fragt. Da kam heraus, dass diese Art der Darstellung, das Framing der Umfrage, eine wichtige Rolle spielt, was genau prognostiziert wird.00:22:05: Frank, du hast selbst mit Daten aus dem Finanzmarktreport gearbeitet. Könntest du kurz erklären, worum es da ging?00:22:15: Ich nutze auch den tollen Datensatz, den wir hier haben und schaue mir im Detail die Dax-Prognosen an. Das wurde noch nicht so oft gemacht - da habe ich eine Lücke gesehen. Dabei hat mich unter anderem interessiert, wie genau unsere Finanzmarktexpertinnen und -experten ihre Prognosen erstellen. Also welche Finanz- oder Makroindikatoren benutzen sie, um ihre Prognosen zu erstellen und welche Vorzeichen haben diese. In der Literatur gibt es viele Hinweise dazu, dass Erwartungen relativ heterogen sind. Genau das konnte ich dann auch finden in meinem Papier. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Expertinnen und Experten bei der Erstellung der Dax-Prognosen sehr unterschiedlich vorgehen. Zum Beispiel sind manche Variablen für einzelne wichtig, andere Variablen hingegen nicht. Es gibt sogar auch Unterschiede, wie die Variablen in die Prognose eingehen. Zum Beispiel hat einer Variablen ungefähr die Hälfte eine positive Wirkung auf den DAX zugemessen, die andere Hälfte eine negative – was ganz interessant ist. Ich habe mir auch angeschaut, wie gut diese DAX-Prognosen sind. Die sind gar nicht so schlecht - wenn man betrachtet, dass der Horizont mit sechs Monaten relativ kurz ist. Die durchschnittliche DAX-Prognose ist zwar nicht besser als der Durchschnitt der historischen DAX-Renditen. Aber unsere Expertinnen und Experten schneiden deutlich besser ab als Teilnehmerinnen und Teilnehmer anderer Umfragen, die teilweise Prognosen abgeben, die negativ mit tatsächlichen Aktienrenditen korreliert sind. Andere haben sozusagen einen Kontra-Indikator für Aktienrenditen. Unsere Expertinnen und Experten schaffen es zumindest, die richtige Richtung zu prognostizieren.00:24:17: Gut zu wissen. Werfen wir zum Abschluss nochmal einen Blick zurück. Es gibt den Finanzmarktreport schon seit 30 Jahren. Ist mit der Veröffentlichung bislang immer alles glatt gelaufen?00:24:32: Es gab schon ein paar lustige Situationen. Bis vor ein paar Jahren hatten wir am ZEW regelmäßig Pressekonferenzen veranstaltet, bei denen Journalistinnen und Journalisten ans ZEW kommen durften und die Ergebnisse um Punkt 11 Uhr bekamen. Jeder hatte einen Umschlag mit den Ergebnissen vor sich. Um 11 Uhr gab dann der damalige Pressechef das „Go“ und jeder durfte in die Mappe reinschauen und die Ergebnisse übermitteln. Es war einmal jemand da, der zum ersten Mal da war. Er kannte diese Regel nicht und hat natürlich sofort in den Umschlag reingeschaut. Es ging ein empörtes Raunen durch den Raum und alle haben mit dem Finger auf ihn gezeigt. Die normale Regel war: Wenn man vorher reinschaut, wird man ausgeschlossen. Man hatte aber dann doch nochmal Mitleid und es durften dann alle vor 11 Uhr reinschauen, aber erst um 11 Uhr übermitteln. 00:25:41: Michael, du warst ja selber mal Teilnehmer der Umfrage. Wie war es für Dich auf die andere Seite zu wechseln?

00: 25:50: Es war schön, dass ich die Umfrage von beiden Seiten kennenlernen durfte. Ich war als die Umfrage startete bei einer Bank beschäftigt. Ich habe über einige Jahre hinweg tatsächlich daran teilgenommen. Ich kannte auch denjenigen, der die Umfrage ins Leben gerufen hat, Volker Marnet, persönlich. Ich war auch einer der Testteilnehmer am Anfang, bevor die Umfrage startete. Ich war sozusagen schon vor der Geburt mit der Umfrage beschäftigt. Nach einigen Jahren bin ich ans ZEW gegangen und war dann auch sozusagen auf der anderen Seite und habe die Daten in Empfang genommen. Es vermittelt ein gutes Gefühl, das auch mal von allen Seiten gesehen zu haben.00:26:47: Vielen Dank, Michael und Frank, für Eure Einsichten und für das Gespräch. 00:26:52: Sehr gerne.00:26:54: Vielen Dank auch fürs Zuhören beim ZEW Podcast. Wenn Sie Fragen haben oder Anregungen geben möchten, dann schreiben sie gerne eine Mail an: pocast@zew.de Wir freuen uns über Ihre Zuschriften.

00: 27:07: Musik.00:27:09: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibnitz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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