Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Solange die Mütter häufiger in Elternzeit gehen, länger in Elternzeit gehen, häufiger in Teilzeit arbeiten als die Väter, werden wir diese statistische Diskriminierung wahrscheinlich nicht auflösen können.

00: 00:13: Musik.

00: 00:16: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:26: 19 Prozent weniger als Männer verdienen Frauen im Durchschnitt in Deutschland. Diese Lohnlücke zwischen den Geschlechtern hat verschiedene Ursachen. Frauen haben mehr familienbedingte Auszeiten. Sie arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Berufen und in Teilzeit. In Führungspositionen sind Frauen seltener vertreten als Männer. Wie sich die Einkommens- und Aufstiegschancen von Frauen verbessern lassen - darüber spreche ich jetzt mit Junior-Professorin Susanne Steffes. Sie ist Personalökonomin und stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs „Marktdesign“ am ZEW Mannheim. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem mit der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern am Arbeitsplatz. Mein Name ist Carola Hesch. Herzlich Willkommen. Hallo Susanne.

00: 01:25: Hallo Carola.

00: 01:27: Ich habe es gerade schon erwähnt: Der sogenannte Gender Wage Gap, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, liegt in Deutschland aktuell bei 19 Prozent. Wie sieht das denn im Zeitverlauf aus? Hat sich in den letzten Jahren etwas verbessert?

00: 01:42: Ja, im Grunde genommen hat sich schon in den letzten Jahrzehnten etwas verbessert. Die Lohnlücke war schon größer gewesen. Die Schere geht zusammen. Das ist erfreulich. Mit 19 Prozent haben wir aber immer noch eine markante Schere, die sich wie du eingangs gesagt hast durch viele Dinge erklären lässt. Es bleibt aber immer auch noch ein Teil übrig, der nicht zu erklären ist. Wo die Forschung noch nicht ganz so weit ist, um sagen zu können: Warum ist denn jetzt immer noch eine Lohnlücke da?

00: 02:15: Wie groß ist dieser nicht erklärbare Teil?

00: 02:18: Das sind ungefähr 6 Prozentpunkte.

00: 02:21: Und wo gibt es noch Probleme aktuell?

00: 02:24: Die Segregation in verschiedene Berufe spielt eine Rolle, Teilzeitarbeit, Auszeiten wegen Elternzeit. Das erklärt alles, warum Frauen weniger verdienen und den geringeren Anteil in Führungspositionen. Und dann vergleicht man am Ende Frauen, die in ähnlichen Positionen sind wie Männer und stellt fest, dass immer noch eine sechs Prozent Lohnlücke da ist. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass Frauen schlechter verhandeln um ihr Einkommen und sich nicht so trauen, einzufordern, was sie denken was sie verdienen sollten; vielleicht auch denken, dass sie nicht so viel verdienen sollten. Da gibt es Forschung dazu, die das zeigt. Sie sind weniger kompetitiv, sie sind weniger risikofreudig im Durchschnitt als Männer. Das sind Eigenschaften, die das mit erklären können. Die Daten, die man verwendet, um das Gender Wage Gap auszurechnen und zu erklären, beinhalten meist nicht solche Informationen über Persönlichkeitseigenschaften. Deshalb bleiben diese sechs Prozent, die nicht erklärbar sind. Es bleibt auch die Frage, was davon ist am Ende Benachteiligung seitens der Arbeitgeber, das steckt wahrscheinlich auch noch mit drin.

00: 03:45: Und wie sieht das mit den unterschiedlichen Qualifikationsniveaus von Frauen aus? Haben Frauen überall die gleichen Schwierigkeiten oder gibt es da Unterschiede?

00: 03:54: Es gibt Unterschiede. Man sieht bei den hochqualifizierten Frauen, dass sie mehr im Arbeitsmarkt beteiligt sind als niedrig qualifiziertere Frauen. Wenn sie Kinder bekommen, dass sie schneller wieder zurück in den Job kommen und in weniger Umfang Teilzeit arbeiten. Das hilft ihnen natürlich auch, dass die Lohnlücke zu den Männern nicht zu groß wird und hochqualifizierte Frauen auch häufiger in Führungspositionen gehen. Es gibt da schon Bildungsunterschiede. Deshalb sollten wir uns nicht nur Gedanken darüber machen, wie die Unterschiede zwischen Frauen und Männer im Arbeitsmarkt sind in Bezug auf Gehälter und Führungspositionen, sondern auch zwischen den Frauen. Wir sehen weltweit in vielen industrialisierten Ländern, dass die Lücke zwischen den Frauengruppen – den niedrigqualifizierteren und hochqualifizierten Frauen– steigt, wogegen sie hingegen im Durchschnitt zwischen Frauen und Männern sinkt.

00: 04:54: Was sind genau die Schwierigkeiten, die niedrig qualifizierte Frauen haben?

00: 05:00: Wir haben letztes Jahr eine Studie für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemacht, in der wir uns angeschaut haben, inwiefern Frauen und Männer von Technologie und Technologiefortschritt betroffen sind. Wie sehr arbeiten sie mit Technologie, vor allem mit digitalen Technologien und wie sehr ändert sich das aktuell in ihrem Job. Wir haben gar nicht so viele Unterschiede zwischen Frauen und Männern feststellen können. Wir haben aber gesehen, dass im Bereich der Niedrigqualifizierten es einen relativ hohen Anteil an Frauen gibt, die gar nicht mit Technologien arbeiten – weder mit Informations- und Kommunikationstechnologien noch mit Maschinen und Anlagen. Selbst wenn sie mit Technologien arbeiten, sind sie weniger von Fortschritt betroffen. Das sieht schon so aus, dass das ein Grund sein könnte, dass sie in Berufen tätig sind, in denen technologischer Fortschritt keine Rolle spielt. Das wirkt sich auf die Gehälter aus. Sie nehmen dadurch weniger an Weiterbildungen teil. Wenn es die ökonomische Situation des Unternehmens bedingt, dass Entlassungen stattfinden müssen, dann sind es häufig genau diejenigen, die davon betroffen sind. Das benachteiligt Frauen signifikant in diesem Niedriglohnbereich im Vergleich zu Männern.

00: 06:24: Was für Jobs sind das dann konkret, die Frauen ausüben?

00: 06:29: Wir sehen im niedrig qualifizierten Bereich, dass Frauen sehr viel im Dienstleistungsgewerbe sind, sprich in den Supermärkten, im Handwerk, in Industrie- oder Produktionsanlagen, vertreten in sehr einfachen Tätigkeiten, die auch Ungelernte machen können.

00: 06:50: Bei mittlerer Qualifikation, bei Frauen die einen Berufsabschluss haben. Wie sieht es da aus?

00: 06:58: Bei den mittleren Qualifizierten sehen wir vor allem Unterschiede in der Weiterbildungsteilnahme. Das wirkt sich dann wiederum auch auf Gehälter und die Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern innerhalb dieser Gruppe aus. In einer Studie, die jetzt veröffentlicht wurde, schauen wir uns an, inwiefern es zwischen Frauen und Männern Unterschiede in der Weiterbildungsteilnahme, die vom Arbeitgeber gefördert wird, gibt. Wir sehen, dass mittelqualifizierte Frauen benachteiligt werden und signifikant weniger Zugang zur Weiterbildung haben, in sehr vergleichbaren Jobs und Jobleveln. Wir vergleichen sehr detailliert Männer und Frauen, die in sehr ähnlichem Umfeld arbeiten. Wir führen das darauf zurück und erklären das damit, dass sie weniger Arbeitsmarktbeteiligung haben, sprich der Arbeitgeber antizipiert, dass sie vielleicht nochmal in Elternzeit gehen, in Teilzeit arbeiten, weniger zur Verfügung stehen. Dadurch ist das Investment, das der Arbeitgeber durch die Weiterbildung tätigt, weniger lohnenswert. Dadurch sind Frauen in diesem Bereich benachteiligt. Das sehen wir bei den hochqualifizierten Frauen, also Frauen mit Universitätsabschluss, überhaupt nicht; die haben den ähnlichen Zugang zur Weiterbildung wie Männer.

00: 08:26: Was könnte man machen, dass auch die mittelqualifizierten Frauen Weiterbildung bekommen?

00: 08:32: Das ist eine gute Frage. Damit beschäftigen sich seit Jahrzehnten Forscherinnen und Forscher und auch die Politikerinnen und Politiker. Wenn es da die leichte Lösung gäbe, hätten wir die vielleicht schon. Meine persönliche Meinung ist: Es gibt so viel empirische Evidenz die darauf hinweist, dass die Benachteiligung von Frauen im Arbeitsmarkt sehr viel mit der Präsenz, wir sagen im Englischen labour attachment, zu tun hat. Solange die Mütter häufiger in Elternzeit gehen, länger in Elternzeit gehen, häufiger in Teilzeit arbeiten als die Väter, werden wir diese statistische Diskriminierung wahrscheinlich nicht auflösen können. Weil es natürlich ökonomisch völlig rational und nachvollziehbar ist, dass die Arbeitgeber sich so verhalten und solche Entscheidungen treffen. Was wahrscheinlich immer noch in der wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte ein bisschen unterbelichtet ist, ist die Frage: Inwiefern wollen denn Frauen gleichgestellt sein zu Männern? Wenn es um die Gehälter geht – gleiche Arbeit gleicher Lohn - findet man keine Frau die sagt, nein das will ich nicht. Aber inwiefern wollen Frauen wirklich genauso Karriere machen wie Männer. Es gibt natürlich viele, die das möchten und dann auch an ihre Grenzen kommen, aber nicht jede möchte das. Wir brauchen auch eine Debatte darüber, wie sehen denn eigentlich die Präferenzen aus? Du hast mich gefragt, was kann man machen? Ein einfaches Modell, dass in anderen Ländern teilweise schon umgesetzt ist, dass man die Elternzeit, die der Staat durch Gesetze zur Verfügung stellt, so reglementiert, dass Mütter und Väter in ähnlichem Umfang Elternzeit nehmen müssen, wenn sie wie in Deutschland jetzt 14 Monate Elterngeld bekommen wollen. Wir haben die Regelung 12 Monate der eine Partner, 2 Monate der andere Elternteil. Das kann man natürlich auch anders machen und zum Beispiel sagen, es muss sechs zu acht sein.

00: 10:43: Du hattest gemeint, dass hochqualifizierte Frauen dieses Weiterbildungsproblem nicht so haben. Erleben die trotzdem Unterschiede zu Männern?

00: 10:52: Wir schauen uns auf der einen Seite die Investitionen seitens der Arbeitgeber an und auf der anderen Seite schauen wir uns an, was die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst machen. Initiieren sie selbst Weiterbildung, beteiligen sie sich an den Kosten der Weiterbildung. Man muss dazu sagen, dass häufig die monetären Kosten vom Arbeitgeber getragen werden, aber sie durch Weiterbildungen in der Freizeit sich daran beteiligen. Und da sehen wir interessanterweise, dass hochqualifizierten Frauen häufiger solche selbstinitiierten Weiterbildungen machen als Männer. Das war überraschend. Dann dachten wir dann: Das kompensiert vielleicht das Unterinvestment des Arbeitgebers. Das findet aber nicht statt. Das ist kein Substitutionseffekt. Das ist einfach on-top, sie machen einfach mehr. Es sind vor allem die Frauen, die innerhalb ihrer eigenen Gruppe die höchste Produktivität an den Tag legen, verglichen mit den Männern aber nicht am oberen Ende der Gehaltsverteilung sind. Sie verdienen im Durschnitt weniger als vergleichbare Männer, aber innerhalb der Gruppe der Frauen liegen sie aber ganz oben. Wir erklären uns das damit, dass das Frauen sind, die Karriere machen wollen und können und den Männern gleichziehen könnten, sie werden aber wahrscheinlich statistisch diskriminiert. Sie möchten im Grunde genommen Signale an den Arbeitgeber senden, dass sie bereit sind auch in Zukunft viel zu arbeiten. Deshalb investieren sie in diese Weiterbildung. Das ist ein Zeichen an den Arbeitgeber: Die Frau möchte produktiv sein und ihre Produktivität halten. Und das würde sie nicht tun, wenn sie vorhätte, nur noch 50 Prozent zu arbeiten. So erklären wir uns das.

00: 13:08: Von Seiten der Unternehmen: Bemühen sich Unternehmen auch die Chancengleichheit von Frauen zu erhöhen?

00: 13:15: In einer Betriebsbefragung, die wir alle zwei Jahre durchführen, fragen wir seit Jahren die Betriebe danach, ob sie das Ziel verfolgen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Wir sehen immer so zwischen 20 und 25 Prozent der Betriebe, die das bejahen. Man muss dazu sagen, dass sind Betriebe, die mindestens 50 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte haben und nur Betriebe aus der Privatwirtschaft; der öffentliche Beriech ist da nicht dabei. 20 bis 25 Prozent sagen, sie verfolgen dieses Ziel. Was ist mit den restlichen 75 Prozent? Dann sind das Betriebe, die entweder schon einen relativ hohen Anteil an Frauen in Führungspositionen haben, das trifft auf etwa 20 Prozent der Betriebe zu. Bei dem Rest ist es so, dass sie dieses Ziel nicht verfolgen. Das kann man natürlich bemängeln. Wir haben seit einigen Jahren in Deutschland das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen. Das gilt nur für einen bestimmten Bereich der Betriebe. Allgemein hin nennen wir das die Geschlechterquote für Führungspositionen. Da hat der Gesetzgeber etwas dafür getan, dass sich Betriebe mehr Mühe geben. Aber man muss einfach konstatieren, dass es Branchen gibt, in denen der Anteil von Frauen überhaupt in der Belegschaft relativ gering ist. Denen fehlt es natürlich schwer, auch in den Führungspositionen einen hohen Anteil an Frauen zu erreichen, weil einfach die Masse des Potentials gar nicht da ist. Am Ende sehen wir etwa 30 Prozent der Betriebe, die im Mittelfeld liegen, was den Anteil von Frauen in den unteren Jobleveln angeht. Die nicht so weit vorne sind, was den Anteil an Führungspositionen angeht. Die hätten das Potential, sagen aber nicht, dass sie das Ziel verfolgen. Es gib da schon noch ein Potential, das man heben könnte, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen.

00: 15:32: Weiß man auch, warum sie das nicht anstreben?

00: 15:35: Nein, das können wir nicht so genau sagen. Wir fragen zwar die Betriebe, wenn sie das nicht tun, warum nicht? Unter diesen ist dann die Antwort sehr häufig: Wir entscheiden nur nach Qualifikation. Das muss man dann so stehen lassen und kann das bewerten wie man möchte. Die Geschlechterquote an sich für Führungspositionen kann sehr unterschiedlich bewertet werden, ob sie sinnvoll ist, ob sie gerecht ist und da haben wir Studienergebnisse, die große Unterschiede zeigen.

00: 16:11: Es gibt neben der Quote auch das Entgelttransparenzgesetz, mit dem Frauen herausfinden können, ob sie weniger verdienen als Männer für vergleichbare Arbeit. Zeigt das Gesetz denn Wirkung?

00: 16:26: Ob es richtig Wirkung zeigt im Sinne das Gender Wage Gap geht zurück wage ich zu bezweifeln. Viel Forschung gibt es dazu nicht. Das Gesetz ist noch relativ jung. Es ist immer so, dass wir auf Daten angewiesen sind, vor und nach einer Reform, um gute Forschung dazu zu machen. Bei Gesetzen, die noch nicht so lang in Kraft sind, dauert das, bis man gute und valide Forschungsergebnisse dazu hat. Was man aber sagen kann: Die Möglichkeit sich das ausrechnen zu lassen, wo man als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer steht, wird relativ selten genutzt. Das sind Informationen, die erstmal in den Unternehmen liegen und gar nicht unbedingt publik gemacht werden. Das was man darüber weiß deutet darauf hin, dass es gar nicht so sehr genutzt wird.

00: 17:41: Du hattest eben bereits von der Quote gesprochen, die man unterschiedlich bewerten kann. Wie kommt die Quote an und was für Unterschiede gibt es da?

00: 17:53: Wir haben in einer Studie eine zufällige Auswahl an Beschäftigten nach der Einschätzung der Quote gefragt. Es gibt im Grunde genommen zwei Motive, wie man das einschätzen kann: Man kann eine Quote gerecht finden, weil man findet, dass die Gruppe, die bevorteilt wird durch die Quote vorher benachteiligt war. Das ist das Gerechtigkeitsmotiv. Das umgekehrte Motiv ist das Leistungsprinzipmotiv. Dass man sagt, eine Quote ist schlecht, weil es sollte nach Leistung beurteilt werden und es gab vorher gar keine Ungerechtigkeit. Schon vorher wurde nach Leistung beurteilt und die Quote bevorteilt ungerechtfertigterweise Menschen, die schlechtere Leistung bringen. Diese zwei Motive pro und contra einer Geschlechterquote haben wir abgefragt. Dann haben wir uns angeschaut, was es für Unterschiede zwischen Frauen und Männer in dieser Bewertung gibt. Es gibt einen hohen Anteil an Beschäftigten, die mit der Quote einverstanden sind. Es gibt aber auch einen signifikanten Anteil die sagen, eine Quote finde ich nicht gerecht. Männer sind häufiger gegen eine Quote als Frauen. Das war vielleicht zu erwarten, weil Frauen auch diejenigen sind, die in dem meisten Fällen bevorzugt werden durch die Geschlechterquote. Das Gerechtigkeitsargument ist viel stärker bei den Frauen ausgeprägt, das Leistungsprinzipmotiv ist viel stärker bei den Männern ausgeprägt. Das Argument, eine Quote schlecht zu finden, weil es gegen das Leistungsprinzip spricht, das sagen vor allem Männer. Eine Quote gut zu finden, weil es zu mehr Gerechtigkeit führt, das sagen mehr Frauen. Das Gerechtigkeitsmotiv ist vor allem dann ausgeprägt, wenn Ungerechtigkeiten im Betrieb was die Besetzung von Führungsposition angeht gesehen wird. Dieses Verhältnis: Es ist bisher ungerecht gewesen und wir bräuchten eine Quote um es gerechter zu machen – dieser Zusammenhang ist bei der Einschätzung klar zu sehen.

00: 20:22: Nur bei den Frauen oder mehr bei den Frauen als bei den Männern?

00: 20:26: Mehr bei den Frauen, aber auch bei den Männern. Diese ganzen Zusammenhänge, die ich gerade beschrieben habe, sind interessanterweise bei den Akademikerinnen und Akademikern nochmal stärker ausgeprägt. Vor allem dort sehen wir das. Das fande ich auch interessant in den Analysen: Jemand, der durch die Ausbildung und Jobwahl überhaupt nicht in die Nähe einer Karriereposition kommt, was soll der sich mit einer Geschlechterquote auseinandersetzen? Interessant sind ja diejenigen, die auch theoretisch davon betroffen sind. Da sehen wir diese ganzen Zusammenhänge nochmal stärker, als bei denjenigen, die potentiell gar nicht betroffen sind.

00: 21:17: Spielt bei Männern die Angst rein, dass sie benachteiligt werden, wenn mehr Frauen Führungspositionen bekommen sollen?

00: 21:27: Wahrscheinlich schon. Wir können das nicht alles im Einzelnen differenzieren und haben danach nicht direkt gefragt. Alleine aber die Tatsache, dass wir Frauen und Männer in denselben Betrieben betrachten und die eine unterschiedliche Einschätzung haben, ob es Benachteiligung gibt, zeigt, dass diese per-se Einschätzung schonmal sehr unterschiedlich ist. Vor allem dort, wo Männer potentiell durch eine Geschlechterquote bedroht sind, sehen wir auch, dass die negative Einschätzung einer Geschlechterquote stärker ausgeprägt ist.

00: 22:16: Man kann es praktisch nicht allen recht machen?

00: 22:19: Genau. Das ist im Grunde genommen die Herausforderung bei dieser ganzen Debatte und zeigt den Zielkonflikt den die Unternehmen haben. Sie wollen es vielleicht gut machen und diesem gesellschaftlichen Ziel für mehr Chancengerechtigkeit zwischen Frauen und Männern zu sorgen, gerecht werden. Aber gleichzeitig müssen sie die Gefahr in Kauf nehmen, dass die männlichen Beschäftigten und Führungskräfte, die sie haben und auf die sie angewiesen sind, unzufriedener werden, wenn eine Quote eingeführt wird. Ich glaube, dass es seitens der Unternehmen sehr viel Unternehmenskultur und sehr viel Kommunikation braucht, um das gut vermitteln zu können, wenn man so eine Quote einführt.

00: 23:16: Könnte sich die Quote irgendwann selbst überflüssig machen, wenn genügend Frauen auch andere Frauen in Führungspositionen berufen und es sich tatsächlich um Leistung drehen kann, weil die Ungerechtigkeiten überwunden sind?

00: 23:30: Das ist das Ziel jeder Quote, das sie irgendwann überflüssig ist und sich selbst erledigt hat. Die Frage bleibt aber trotzdem, ob es dann auch auf dem Level bleibt. Macht sich die Quote tatsächlich überflüssig oder kommt man irgendwann auf ein Level, das man angestrebt hat, aber muss sie trotzdem formal beibehalten, weil es sonst wieder zurückgehen könnte. Es gibt Experimente im indischen Kastensystem, die für Menschen unterschiedlicher Kasten Quoten eingeführt haben. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der niedrigen Kasten in den höheren Positionen gestiegen ist. Man hat in diesen Experimenten auch geschaut, was die Kanäle sind. Ein wesentlicher Kanal war, dass die Menschen der niedrigen Kasten ein höheres Selbstvertrauen hatten, sich für die Führungspositionen zu bewerben und zu qualifizieren. Dann hat man ein Experiment gemacht, wo man die Quote wieder zurückgenommen hat. Dann ist das umgekehrte passiert: Das Selbstvertrauen ist wieder zurückgegangen. Das muss sich nicht eins zu eins auf die Geschlechterquote in Deutschland übertragen lassen. Es ist aber ein interessanter Gedanke, dass es vielleicht doch nicht der Fall sein könnte, dass sich eine Quote irgendwann erledigt, weil es vielleicht so ist, dass es wieder eine Rückwärtsbewegung gibt.00:25:11: Das ist ja interessant, weil man sich auch vorstellen könnte, dass es andersherum ist: Dass man weniger Selbstbewusstsein hat, weil man glaubt, man kommt nur wegen der Quote auf die Position.

00: 25:22: Das ist richtig. Das ist eine typische Diskussion, die ich auch aus meinem privaten Umfeld kenne: Ich will nicht die Quotenfrau sein. Das ist auch im Grunde genommen das, was potentiell passiert, wenn Männer sagen, die Quote spricht gegen das Leistungsprinzip. Dann sagen sie indirekt: Eine Frau, die aufgrund der Quote in eine Führungsposition kommt, hat das nicht verdient. Das kann genauso passieren. Deshalb ist eine Geschlechterquote per se in der Gesellschaft umstritten.

00: 26:00: Zum Abschluss würde mich noch interessieren: Du hast ja selbst drei Kinder und bist erfolgreich im Beruf. Wie hast du das wahrgenommen als Frau und Mutter Karriere zu machen? Kannst du anderen Frauen Mut machen?

00: 26:14: Das kann ich auf jeden Fall. Als ich mein erstes Kind bekommen habe, war ich noch in der Promotionszeit. Es war völlig unüblich, dass Doktorandinnen damals Elternzeit nehmen. Ich wollte während der Elternzeitphase mein laufendes Projekt, das ich bei der DFG hatte, verlängern und einen Verlängerungsantrag stellen. Das wurde erstmal kritisch gesehen, weil gesagt wurde: Du kriegst jetzt ein Kind und kommst wahrscheinlich gar nicht mehr wieder. Ich habe aber gesagt: Ich will sieben Monate in Elternzeit gehen und danach bin ich wieder da und will weiter promovieren. In dem Jahr wurde das Elterngeld eingeführt. Es hat alles funktioniert, ich konnte den Antrag stellen und habe dann auch weiter auf dem Projekt promoviert. Ein paar Jahre später gab es dann die ersten Väter, die in Elternzeit gehen wollten, wo ähnliches gesagt wurde. Heute ist es so selbstverständlich: Bei uns im wissenschaftlichen Bereich, in meinem Umfeld, gehen Frauen und Männer gleichermaßen in Elternzeit, gehen gleichermaßen in Teilzeit und gehen häufig mit einem relativ hohem Stundenanteil weiter arbeiten. Ich habe mit drei Kindern trotzdem die Junior-Professur bekommen, bin trotzdem stellvertretende Leitern am ZEW. Das ist nicht immer einfach. Man muss viel Disziplin an den Tag legen und auch mal zu unüblichen Zeiten arbeiten. Wenn man das möchte, kann man das auf jeden Fall schaffen. Meine Erfahrung ist, dass die Arbeitgeber das in vielen Fällen auch honorieren. Wenn man das Signal sendet, ich möchte Karriere machen, ich bin da und bereit zu arbeiten und auch auf Dienstreisen zu fahren, was ich sehr viel in den letzten Jahren machen musste, wird man auch gefördert, wenn man Kinder hat. Da habe ich sehr positive Erfahrungen.

00: 28:40: Das ist ja sehr ermutigend, gerade für Frauen meiner Generation. Vielen Dank Susanne für das Gespräch.

00: 28:46: Danke dir auch, Carola.

00: 28:48: Das war Folge 11, des ZEW-Podcast. Vielen Dank an alle fürs Zuhören. Wenn Sie Fragen haben oder Rückmeldungen geben wollen, dann schreiben Sie gerne ein Mail podcast@zew.de. Wir freuen uns über Ihre Zuschriften.

00: 29:02: Musik.

00: 29:05: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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