Wirtschaft · Forschung · Debatten

Wirtschaft · Forschung · Debatten

Transkript

Zurück zur Episode

00: 00:00: Deutschkenntnisse sind ein ganz wichtiger Schlüssel zur Integration. Ein anderer wichtiger Faktor ist natürlich die Bildung, sowas wie die Bleibeperspektive, beziehungsweise die Unsicherheit, die mit dem aktuellen Status behaftet sind, spielen natürlich auch rein.

00: 00:13: Musik.

00: 00:15: Wirtschaft. Forschung. Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:22: Musik.

00: 00:26: Im Sommer 2015 kamen mehr Asylsuchende nach Deutschland als jemals zuvor. Viele Menschen boten ihre Hilfe an, es entstand eine regelrechte Willkommenskultur. Klar war allerdings auch, die Integration der Neuankömmlinge wird eine große gesellschaftliche Aufgabe. Kanzlerin Merkel verbreitete Zuversicht mit ihrem berühmten Satz „Wir schaffen das“. Das ist inzwischen mehr als fünf Jahre her. Was die Ankunft der Geflüchteten für den Arbeitsmarkt in Deutschland bedeutet hat und worauf es bei der Integration ankommt, darüber spreche ich jetzt mit Dr. Katrin Sommerfeld. Sie ist Arbeitsmarktökonomin und leitet die Nachwuchsforschungsgruppe „IMES“ am ZEW Mannheim. Die Abkürzung steht für Integration von Migranten und Einstellungen zum Sozialstaat. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich willkommen. Hallo, Katrin.

00: 01:13: Hallo, Carola. Schön, dich zu sehen.

00: 01:16: Die Einwanderungswelle vom Sommer 2015 wurde oft als sogenannte Flüchtlingskrise bezeichnet. Aber was ist damals eigentlich genau passiert?

00: 01:26: Wir erinnern uns, dass das die größte Zuwanderungswelle nach Deutschland seit der Nachkriegszeit war. Und bevor es dann so im Sommer und Herbst 2015 zu dieser Spitze kam an Zuwanderung, du hast auch die Rede von Kanzlerin Merkel gerade erwähnt, muss man sich daran erinnert, dass es ja schon 2013 und 14 sich dieser Zustrom langsam aufgebaut hat und es war zum damaligen Zeitpunkt auch schon waren es historische Höchstwerte und wir wissen alle, dass das dann 2015 nochmal getoppt wurde ganz stark und wir erinnern uns an die Bilder von tausenden, zehntausenden Menschen, die häufig über die Balkanroute nach Westeuropa kamen. Zum Teil auch einfach zu Fuß, manche waren dann eben in Wien zum Beispiel gestrandet und dann kam die Rede von Kanzlerin Merkel und kurz danach haben wir nochmal einen Peak gesehen in den Registrierungen in Deutschland und das ebbte dann aber ziemlich bald ab. Also Anfang 2016 waren die Zahlen ganz stark nach unten gegangen und es lag ganz stark an dem Abkommen, was mit der Türkei erzielt wurde.

00: 02:34: Und wie viele Menschen sind damals etwa gekommen?

00: 02:38: Dazu will ich kurz sagen, dass die Personen ja erstmal an der Grenze registriert wurden, bevor sie dann in die Bundesländer verteilt wurden und in die Erstaufnahmeeinrichtungen und dann in den Erstaufnahmeeinrichtungen die Anträge auf Asyl gestellt haben, und das war aber eben häufig zeitverzögert, das heißt da sehen wir den Höhepunkt gar nicht so sehr Ende 2015, sondern erst Anfang 2016 und aus dem Grund zähle ich jetzt mal die Jahre 2015 und 16 zusammen und wenn wir da die Erstanträge auf Asyl nehmen, dann sind das über eine Million.

00: 03:10: Und wer waren diese Leute, was weiß man über sie?

00: 03:14: Was man ganz klar sagen kann, ist, dass das vor allem junge Männer waren, die da kamen. Also zwei Drittel der Personen ungefähr waren männlich und drei Viertel der Personen, die gekommen sind, waren jünger als 30 Jahre. Und das ist wichtig, wenn wir uns anschauen, dass man bei Personen von unter 30 Jahren davon ausgeht, dass die auch noch Bildung absolvieren können eben in Deutschland dann vorzugsweise. Also das betrifft eben je nach Alter sowohl schulische Bildung als auch berufliche Bildung und das ist eben unheimlich wichtig, weil sie so früh in ihrem Alter gekommen sind, können sie dann auch noch viel Bildung genießen und dann entsprechend hoffentlich gut in den Arbeitsmarkt in Deutschland integriert werden. Und da möchte ich dann auch nochmal den Punkt machen, dass wir ja in Deutschland ein massives demografisches Problem haben, also die deutsche Gesellschaft ist einfach wahnsinnig alt, deshalb fällt es uns vielleicht so auf, dass die Personen, die da gekommen sind, so jung sind und deshalb ist es aber gleichzeitig so wichtig, um möglicherweise dazu beizutragen, das Demografieproblem in Deutschland zu lösen.

00: 04:17: Und wie sieht das mit der Bleibeperspektive aus, haben einige von ihnen Chancen auf Asyl und andere nicht und wie unterscheidet sich das?

00: 04:27: Tatsächlich können wir jetzt zurückblickend sagen, dass die Personen, die 2014, 15 und 16 gekommen sind, zu zwei Dritteln einen Schutzstatus gewährt bekommen haben und hier möchte ich unterscheiden zwischen der Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem subsidiären Schutz. Dieser subsidiäre Schutz ist ein Status, der seit dieser sogenannten Flüchtlingskrise verstärkt eingesetzt wird und gewährt wird und der etwas weniger Rechte mit sich bringt als die Anerkennung als Flüchtling. Nämlich insbesondere werden Personen mit subsidiärem Schutz zunächst mal nur für ein Jahr ein Schutzstatus anerkannt, der wird dann um zwei Jahre nochmal verlängert und das bedeutet einfach eine lange Hängepartie zu gut Deutsch, also es ist eine große Unsicherheit damit behaftet und das wirkt sich letztlich auch negativ auf die Arbeitsmarktintegration aus, weil ja auch die Unternehmen auch irgendwie damit umgehen müssen, dass es eben große Unsicherheit dabei ist. So und jetzt habe ich schon gesagt, dass der subsidiäre Schutz mehr und mehr genutzt wurde und das schlägt sich auch in den Zahlen nieder, weil sich der Anteil von den Personen mit diesem subsidiären Schutzstatus seit 2015 bis 2019 verdoppelt hat, nämlich von knapp 30 Prozent auf knapp 60 Prozent. Das ist also eine ganz starke Gruppe innerhalb derer, die jetzt hier im Land sind.

00: 05:54: Und weiß man auch, wie der Bildungsstand aussieht?

00: 05:58: Da ist es ein bisschen schwierig, da was zu zu sagen, weil ja häufig Qualifikationen fehlen. Man muss sich ja vorstellen, die Leute sind aus Kriegs- und Krisengebieten geflohen, da wurden Bildungskarrieren auch einfach unterbrochen. Was wir wissen, ist, dass es einen Teil an Personen gibt, die gar keine Schule besucht haben oder nur eine Grundschule besucht haben, sowas gibt’s ja in Deutschland mit der Schulpflicht gar nicht, und dann gibt es einen großen Teil, der eine weiterführende Schule besucht hat und auch ein kleiner Teil, der eine Hochschule besucht hat. So und nun ist Besuch einer Schule ja aber nicht gleichzusetzen mit dem erfolgreichen Abschluss einer Schule und wie ich eben schon gesagt habe, sind diese Sachen durchaus unfreiwillig unterbrochen, Zertifikate dafür vorzuweisen ist nochmal schwieriger und das betrifft auch eine andere Baustelle, nämlich die berufliche Bildung, die ich jetzt von der schulischen Bildung unterscheide und bei der beruflichen Bildung ist ja ganz klar, dass es sowas wie das deutsche Ausbildungssystem im Ausland fast gar nicht gibt. Das heißt, da, wo die stärkste Säule der deutschen Geschäfte entsteht, nämlich auf der beruflichen Ausbildung, haben wir von den Zugezogenen fast gar keine. Wir haben ganz viele Leute, die vielleicht Berufserfahrung haben, die auch durchaus einschlägig und relevant sein kann, aber Abschlüsse, Qualifikationen dafür haben wir ganz wenig.

00: 07:20: Jetzt habt ihr euch angeschaut, wie sich diese Einwanderung auch auf die Leute hier vor Ort ausgewirkt hat. Wenn so viele Menschen ankommen, dann brauchen sie ja auch Dolmetscherinnen, Sozialarbeiter, Lehrkräfte und so weiter und ihr habt untersucht, ob in diesen Segmenten Arbeitsplätze entstanden sind. Wie habt ihr das gemacht?

00: 07:40: Genau das ist eine Studie, die ich mit Paul Berbée vom ZEW und zwei weiteren Co-Autoren gerade verfasse und da nutzen wir zwei, drei Besonderheiten aus von dem deutschen Fall. Das erste ist, dass die Schutzsuchenden, die nach Deutschland kommen, zunächst mal gar nicht arbeiten dürfen in den ersten drei Monaten und das ist für unsere Studie wichtig, weil wir dadurch das isolieren können, denjenigen Effekt, der nur dadurch ausgelöst wird, dass die Personen eben mit Dienstleistungen versorgt werden, aber selbst noch nicht arbeiten dürfen. Das spielt also nicht rein in die Ergebnisse, die wir gleich besprechen werden. Das andere ist, dass die Geflüchteten in Deutschland verteilt werden nach einer Zuteilungspolitik, wonach die erst über die Bundesländer verteilt werden und dann auf die Kreise und dort müssen die Personen auch erstmal wohnen bleiben wegen Residenzpflicht und Wohnsitzauflage. Und das ist eben wichtig, um dann empirisch sauber arbeiten zu können.

00: 08:47: Und was habt ihr herausgefunden?

00: 08:50: Wir finden, dass es tatsächlich kurzfristig positive Beschäftigungseffekte gibt, also zum Beispiel solche Versorgungstätigkeiten, wie du gerade angedeutet hast mit den Berufsgruppen, die führen tatsächlich dazu, dass es kurzfristig mehr Beschäftigung gibt und zwar dort, in denjenigen Kreisen, wo mehr vis à vis weniger Asylsuchende aufgenommen werden. Und der Effekt ist so groß, dass für gut zweieinhalb neu angekommene Asylsuchende ein neuer Job vor Ort im Kreis generiert wird. Nun muss ich zwei Sachen dazu sagen, nämlich erstmal kann man die Effekte nicht auf Gesamtdeutschland hochrechnen, weil so, wie wir das bearbeiten, das erstmal nur vor Ort gilt und das andere ist, dass die Effekte nur sehr kurzfristig sind. Also ein Großteil der Effekte scheint nach zwei Jahren nicht mehr sichtbar zu sein, zumindest nicht statistisch signifikant, sondern diese Beschäftigungsgewinne sind wohl sehr kontemporär, also hauptsächlich konzentriert zu dem Zeitpunkt, wo die Personen tatsächlich ankommen. Wir finden aber auch kleine Ausnahmen, wo die Effekte auch nach zwei Jahren noch messbar sind und das betrifft vor allem den Bildungssektor, was ja auch wenig verwunderlich ist, weil Bildung ja natürlich auch eine längerfristige Angelegenheit ist. Was vielleicht noch ganz interessant ist, die Beschäftigungsgewinne, die wir finden, die finden sich vor allen Dingen in der öffentlichen Verwaltung und in der Zeitarbeit, wobei wir auch anekdotisch wissen, dass auch teils die öffentliche Verwaltung auch Zeitarbeit eingesetzt hat. Das sind also genau die Bereiche, wo wir es erwarten würden. Und wir finden des Weiteren, dass diese Beschäftigungsgewinne bei deutschen Arbeitnehmern konzentriert sind, aber tatsächlich ist auch bei unter früheren Migranten, also ausländischen Arbeitnehmern es auch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit gibt. Die profitieren also auch, wenn auch in geringerem Maße.

00: 10:50: Mittlerweile liegt das Jahr 2015 ja auch schon etwas zurück und viele der Flüchtlinge haben inzwischen Deutsch gelernt und möchten gerne hier arbeiten. Wie viele von denen, die damals gekommen sind, haben denn eine Arbeit gefunden?

00: 11:04: Wenn wir uns die Kohorte anschauen derjenigen Personen, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, dann finden wir unter denen nach vier bis fünf Jahren ne Beschäftigungsquote von 42 Prozent. Wenn man stattdessen sich alle Personen anschaut, die aus den Top-Asyl-Herkunftsländern leben in Deutschland, dann ist das so ungefähr ein Drittel der Personen, die arbeitet und der Rest ist z.B. in Bildungsmaßnahmen. Und wir können es vergleichen mit der Arbeitsmarktintegration von den sogenannten Jugoslawienflüchtlingen und da kann man eben jetzt sehen, dass die jetzige Kohorte sich etwas schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren scheint. Das ist natürlich alles so unter einem kleinen Vorbehalt, denn wir wissen, dass es da seit 2020 einen großen Bruch gab, der heißt Corona, kommen wir vielleicht später nochmal drauf zu sprechen. Was vielleicht noch interessant ist, ist, dass ein substantieller Teil dieser Beschäftigten überqualifiziert ist, das ist durchaus plausibel, weil z.B. die Sprachkenntnisse zu Beginn noch nicht so da sind, aber das könnte sich in den nächsten Jahren dann auch angleichen. Und was noch ein ganz besonderes Augenmerk verdient, ist, dass die Beschäftigungsquoten von Frauen sehr, sehr niedrig sind. Deutlich niedriger als die von Männern und da spielt natürlich die Verantwortung für Kinderbetreuung eine große Rolle, was wohl anscheinend weniger eine Rolle spielt als man denkt sind so kulturelle Unterschiede, aber da steht die Forschung erst ganz am Ende und da gibt es sicher noch viele wichtige Fragen zu untersuchen.

00: 12:37: Und abgesehen vom Geschlecht, welche Faktoren helfen dabei, erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?

00: 12:43: Ganz klar kann man da die Sprachkenntnisse nennen. Also Deutschkenntnisse sind ein ganz wichtiger Schlüssel zur Integration. Ein andrer wichtiger Faktor ist natürlich die Bildung, haben wir gerade drüber gesprochen, dann sind auch sowas wie die Bleibeperspektiven, bzw. die Unsicherheiten, die mit dem aktuellen Status behaftete sind, spielen natürlich auch rein und wozu es noch nicht so viel greifbare Evidenz gibt, was wahrscheinlich auch eine Rolle spielt, ist so die Unterstützung, die die Personen vor Ort erfahren. Zum Teil meine ich damit so Institutionen, wie die Bundesagentur für Arbeit, und zum anderen Teil sind aber wahrscheinlich auch so ehrenamtliche Unterstützungsstrukturen ganz wichtig. Dazu gibt es noch nicht so viel Evidenz, das haben wir uns vorgenommen, das als nächstes zu untersuchen. Und schließlich spielen möglicherweise sogenannte Soft-Skills auch noch ne Rolle, dazu gibt es jetzt auch nicht so die harte wissenschaftliche Evidenz. Da kann ich ein Beispiel erzählen, von einem Arbeitgeber, der Probleme hatte der Gestalt, dass manche Geflüchtete z.B. nicht pünktlich waren oder sich nicht gut an die Schutzvorkehrungen gehalten haben, also da ging es um Schutzschuhe in einem Lager, da kann ich auf keinen Fall verallgemeinern, das weiß ich nur ein Einzelbeispiel aus anekdotischer Evidenz, solche Sachen könnten auch eine Schwierigkeit darstellen. Und da möchte ich noch kurz erwähnen, dass wir solche Beispiele kennen wir aus dem Reallabor Asyl, das wir im Team bearbeitet haben, und das möchte ich deshalb kurz erwähnen, weil es ja im vorherigen Podcast letzten Monat auch ganz viel um ein anderes Reallabor ging.

00: 14:17: Genau, das es noch nicht gibt, aber ihr habt schon praktische Erfahrung mit dem Thema gesammelt.

00: 14:22: Genau, richtig.

00: 14:24: Und jetzt ist es ja so, dass ihr herausgefunden habt, dass die Flüchtlinge kurzfristig Arbeit für die Einheimischen geschaffen haben, könnten sie langfristig auch so einen Effekt haben oder vielleicht eher zur Konkurrenz werden?

00: 14:39: Genau, dazu möchte ich nochmal kurz einen Schritt zurückgehen und die Perspektive ein bisschen umdrehen. Also etwa ein Drittel der Personen aus den Haupt-Asylherkunftsländern ist jetzt in Arbeit und das macht am deutschen Arbeitsmarkt ungefähr 1 Prozent der Beschäftigten aus. Also mal zum Vergleich, das ist ungefähr so viel wie alle Beschäftigten im Bundesland Bremen oder alle Beschäftigten im Gesundheitssektor in Baden-Württemberg, also einer von hundert ist gar nicht so eine kleine Zahl und das wollen wir uns jetzt eben im nächsten Schritt anschauen, was das für Effekte auf den deutschen Arbeitsmarkt hat, also insbesondere auf Einheimische wie auch frühere Migranten, die im deutschen Arbeitsmarkt schon Fuß gefasst haben. Und da sprechen wir in der ökonomischen Forschung von Verdrängung oder Ergänzung, also bzw. Substitution oder Komplementarität und die Literatur zeigt dazu allgemein, dass diejenigen Beschäftigten einem besonderen Risiko ausgesetzt sind, die besonders ähnlich sind der Zuwanderergruppe, also sprich wenn schlecht gebildete Zuwanderer ins Land kommen, dann stellt das ein Risiko für die Beschäftigung und der Löhne der schlecht gebildeten Einheimischen dar vis à vis die gut gebildeten Beschäftigten, die könnten sogar davon profitieren. Und das bestätigt sich im Großen und Ganzen so in der Literatur. Und ein besonderes Beispiel dazu ist noch eine Studie für Dänemark, wo es eben auch eine Flüchtlingszuwanderung gab und dort hat man gefunden, dass Einheimische aus stark manuellen Tätigkeiten durch den Zustrom von Geflüchteten dann in stärker kommunikationsintensive Tätigkeiten gepusht wurden und dadurch dann sogar auch höhere Löhne verdienen. Und das interessante ist, dass es dort für das dänische Beispiel überraschenderweise besonders für niedrigqualifizierte Einheimische gilt, also sprich niedrigqualifizierte Einheimische können davon profitieren, wenn niedrigqualifizierte Geflüchtete ins Land kommen, z.B. weil sie die Sprache relativ besser sprechen, also die Einheimischen sprechen die Sprache relativ besser, die Neuankömmlinge relativ schlechter und dadurch werden die, die die Sprache schon besser sprechen, in bessere Jobs gepusht und das wollen wir uns eben auch für den deutschen Fall anschauen. Ich würde zu diesem Thema Komplementarität und Substitut oder anders ausgedrückt eben Verdrängung oder Ergänzung noch ein Beispiel nennen, und zwar gibt es wichtige Forschung für die USA. Dort bedeutet Zuwanderung ja häufig die Einwanderung von mexikanischen Zuwanderern in den US-amerikanischen Arbeitsmarkt und dort wurde gefunden, dass dort, wo es mehr niedrigqualifizierte mexikanische Arbeiterinnen gab und zwar insbesondere in der Kinderbetreuung, ja also wir sprechen hier über Nannys, dass dort in diesen Städten dann auch die einheimischen hochgebildeten Frauen mehr Arbeit anbieten, also sprich mehr Nannys bedeutet billigere oder besser verfügbare Kinderbetreuung und dadurch können die hochgebildeten Frauen ihr Arbeitsangebot ausweiten. Das ist vielleicht ein ganz illustratives Beispiel für dieses Zusammenspiel, dass es Verdrängung in machen Segmenten gibt, aber eben auch eine Ergänzung, die zu einer größeren Produktivität führt in anderen komplementären Bereichen des Arbeitsmarktes.

00: 18:14: Also es können sowohl unter den richtigen Umständen geringer und höher Qualifizierte profitieren. Aber gibt es auch noch andere Faktoren, sowas wie die Beschäftigungslage oder ob man eben selbst migrantischen Hintergrund hat?

00: 18:28: Was die Beschäftigungslage angeht, sind wir in Deutschland ja in der besonderen Situation, dass wir schon einen sehr lang anhaltenden Boom auf dem Arbeitsmarkt beobachten, mit dem Ergebnis, dass in manchen Kreisen in Deutschland wir Vollbeschäftigung erreicht haben. Und dort könnte es also sein, dass es eben Fachkräftemangel gibt, dass also wirklich Personen benötigt werden, um andere Tätigkeiten überhaupt erst ausführen zu können. Und deshalb ist es besonders interessant, wie das eben mitreinspielt in die Beschäftigungseffekte und das werden wir untersuchen und dann ist natürlich zu erwarten, dass frühere Migrantenkohorten einem besonderen Risiko ausgesetzt sind durch die neue Zuwanderung, weil die eben eher substituierbar sind und auf diese Unterscheidung, wie die Effekte auf Einheimische und auf frühere Migranten vielleicht unterschiedlich wirken, genau da wollen wir ein Hauptaugenmerk unserer Untersuchung drauflegen.

00: 19:23: Das waren jetzt so die kurze Frist und die mittlere Frist. Was würdest du denn sagen worauf kommt es langfristig an bei der Integration der Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt an?

00: 19:34: Ja also Integration ist ganz klar eine langfristige Aufgabe, wir rechnen hier mit Zeithorizonten von locker 20, 30 Jahren, bis die Personen sehr gut integriert sind und da kommt es natürlich vor allem auf Sprachkenntnisse an, habe ich ja eben schon erwähnt, und eben auch so Bildung, berufliche Bildung, schulische Bildung, haben wir eben auch schon drüber gesprochen. Und da haben wir halt eine ganz gute Chance, dass sich da Investitionen langfristig auszahlen werden, da wir ja wie gesagt viele junge Personen haben und sich dort eben die sogenannten Investitionen in Humankapitalsammlungen dort besonders gut auszahlen können. Und dafür ist es aber auch wichtig, dass diese Investitionen jetzt am Anfang auch vorgenommen werden. Das möchte ich mal kontrastieren mit den Gastarbeitern, die in den 1960er-Jahren nach Deutschland kamen, wo man zu Beginn davon ausgegangen ist, naja, die werden schon wieder nach Hause gehen und da hat man nicht so stark in Bildung investiert und das hat sich dann als Fehler herausgestellt, weil dann eben doch mehr Personen auch geblieben sind und hier haben wir jetzt also die Chance, zu versuchen, möglichst früh möglichst gut diese Investitionen zu tätigen.

00: 20:42: Aber wenn viele nur einen subsidiären Schutz haben, ist es dann vielleicht ein Risiko, in Bildung zu investieren?

00: 20:50: Natürlich, wenn ich nicht weiß, wie lange ich in einem Land bleibe, dann weiß ich auch nicht, wie lang sich Investitionen in so ein spezifisches Humankapital auszahlen, also ich meine länderspezifisches Humankapital, also sprich die deutsche Sprache, die nützt mir außerhalb von Deutschland in nur wenigen Ländern der Welt was, also brauche ich da schon eine ziemliche Perspektive, um das auch auf mich zu nehmen zu lernen. Ich möchte noch hinzufügen, dass das, was wir eben besprochen haben, ja bedeutet, dass nicht immer eine kurzfristige Beschäftigungsaufnahme das Optimum sein muss, sondern es kann sein, dass es sich lohnt, wie gesagt erstmal zu investieren und dann später erst eine Beschäftigung aufzunehmen, aber dafür ist der Match auf dem Arbeitsmarkt dann besser, also produktiver.

00: 21:40: Die Corona-Krise, du hast es ja angesprochen, macht gerade alles schwieriger. Welche besonderen Herausforderungen stellt sie denn für Geflüchtete dar?

00: 21:49: Genau da gibt es ein paar Aspekte, weshalb Geflüchtete da vielleicht nochmal stärker von betroffen sind als sowieso die Bevölkerung und das erste ist ganz einfach das Infektionsrisiko tatsächlich, denn die Geflüchteten leben ja häufig in Gemeinschaftsunterkünften, wo es zum Teil schwierig ist, die Hygienemaßnahmen entsprechend einzuhalten und wir haben ja auch gesehen, dass es in diesen Gemeinschaftsunterkünften verstärkt auch Ausbrüche gab, also da ist ein ganz klares Gesundheitsrisiko erstmal. Dann ist es so, dass die Sprachkurse, Integrationskurse usw. nur sehr eingeschränkt stattfinden unter den Maßnahmen zur Kontaktreduzierung und das gleiche gilt für Unterstützungsmaßnahmen von der Bundesagentur für Arbeit oder eben von Ehrenamtlichen, die sich nur sehr schlecht in den virtuellen Raum verlegen lassen. Nun haben zwar viele Geflüchtete ein Handy zur Verfügung, aber teils fehlt es an WLAN, teils fehlt es an Laptops, das ist wiederum ein Problem für die Schüler, die jetzt im Homeschooling versuchen sollen, da mitzukommen. Und es verkümmern dadurch auch die Kontakte zu Einheimischen, welche einfach super wichtig sind, um die Sprache zu erlernen. Die lernen die Kinder genauso wie die Erwachsenen am besten im persönlichen Austausch. Es gibt aber noch andere Aspekte, die Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt besonders betreffen und zwar sind Geflüchtete besonders häufig atypisch beschäftigt und damit meine ich, dass die zum ganz, ganz großen Teil befristet beschäftigt sind, häufig in Minijobs, häufig in Teilzeit und damit haben sie natürlich geringere Chancen, von Kurzarbeit und Unterstützungsmaßnahmen zu profitieren. Es kommt dann noch hinzu, dass die Geflüchteten häufig erst sehr kurz im Job sind, also eine geringe Betriebszugehörigkeit haben, die sind häufig in sehr kleinen Unternehmen beschäftigt und ihre Tätigkeiten sind viel seltener fürs Homeoffice geeignet. Und wegen all dieser Gründe sind die Beschäftigten Geflüchteten deutlich anfälliger für wirtschaftliche Krisen wie eben jetzt COVID-19. Und einen letzten Aspekt gibt es noch hinzuzufügen, nämlich haben wir in Deutschland gar nicht so eine starke Welle von Entlassungen gesehen in der Corona-Krise, sondern es wurde vor allem Neueinstellungen aufgeschoben und hinten angestellt und das betrifft eben Geflüchtete auch ganz besonders, weil die ja überhaupt erstmal in einen ersten Job reinkommen müssen.

00: 24:18: D.h. es verzögert sich jetzt deutlich diese Integration, die ja eigentlich schon begonnen hatte.

00: 24:23: Davon ist ganz klar auszugehen. Und sowas wie verpasste Chancen auf Sprachkenntnisse zu erwerben und weiter zu entwickeln, die werden sicherlich einen herben Rückschlag bedeuten.

00: 24:35: Zum Abschluss würde mich noch interessieren, warum du dich entschieden hast, zum Thema Flucht und Migration zu forschen.

00: 24:42: Ja dazu denke ich, dass wir in Deutschland ganz stark schon in der Vergangenheit Migrationsbewegungen gesehen haben und ich denke an die Wirren des Zweiten Weltkrieges, wo einfach unheimlich viele Leute auf den Beinen waren und wenn wir an unsere Großelterngeneration denken, gibt es einfach unheimlich viele Leute in Deutschland, die in ihrer Familiengeschichte Migration erlebt haben und darüber hinaus wissen wir, dass wir bei den Gastarbeitern manches falsch gemacht haben, das gilt es also auch noch weiter zu verstehen und schließlich haben wir wie gesagt ein demografisches Problem in Deutschland, wir sind einfach unheimlich alt und da kann Migration möglicherweise den geforderten Beitrag leisten, das ein Stück weit abzufangen und dazu muss die Migration natürlich gut gelingen und das passiert nicht von alleine. Und dazu möchte ich auch noch sagen, dass die Fluchtmigration natürlich eine besondere Episode darstellt, wie wir sie gerade besprochen haben. Nicht zuletzt sind andere Zuwanderergruppen in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt auch extrem wichtig, knapp dreizehn Prozent der Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt sind Ausländer und der größte Teil davon, also die knappe Mehrheit sind EU-Ausländer und das ist natürlich auch eine wichtige Episode. Es gibt noch nicht so wahnsinnig viel dazu, wie eigentlich die EU-Osterweiterung den deutschen Arbeitsmarkt bereichert hat, aber wir sehen an den Zahlen, dass viele Personen im Arbeitsmarkt angekommen sind. Das eben zusammen, das alles Genannte zusammen mit dem Fakt, dass Integration 20, 30 Jahre lang dauert, bin ich mir sicher, dass uns die Forschungsfragen nicht ausgehen werden und wir noch lange wichtige Beiträge dazu leisten möchten.

00: 26:24: Da bin ich mir auch sicher und ich wünsche euch viele Erfolg dabei. Vielen Dank, Katrin, für das Gespräch.

00: 26:29: Danke dir auch.

00: 26:31: Das war Folge 8 des ZEW-Podcasts vielen Dank an alle fürs Zuhören. Falls Sie Fragen haben oder Rückmeldung geben wollen, dann schreiben Sie gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir freuen uns über Ihre Zuschriften.

00: 26:46. Musik.

00: 26:48: Wirtschaft. Forschung. Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

00: 26:55: Musik.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Abonnieren

Follow us