Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00:00:00: Sprecher 1 Das Kernergebnis ist, dass es da eine echte Wahl gibt. Es wird ja manchmal gesagt, es gäbe keine Wahl mehr, die Parteien seien alle gleich. Das ist bei der Wirtschaftspolitik, bei den Maßnahmen, die wir uns angesehen haben, nicht der Fall. Da gibt es noch eine klassische Aufteilung von eher linken, vielleicht etatistischen Umverteilungsparteien, oder eher „rechten“ oder liberalen Parteien.

00:00:22: Sprecher 2 Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZDF Podcast.

00:00:31: Sprecher 2 Deutschland hat die Wahl. Am 23. Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. Alle Parteien machen Vorschläge und stellen Programme auf, was sie nach der Wahl umsetzen möchten, sollten sie an der Regierung beteiligt sein. Was würden diese Wahlversprechen für private Haushalte und den Staat finanziell bedeuten? Welche Einkommensgruppen hätten mehr im Geldbeutel, welche weniger? Forschende am ZEW Mannheim haben die Wahlprogramme der Parteien durchgerechnet, die eine realistische Chance haben, in den Bundestag gewählt zu werden.

00:01:00: Sprecher 2 Was in diesem Zusammenhang durchgerechnet heißt, was die Untersuchung zutage befördert hat und welche Resonanz die Studie bisher bekommen hat, darüber spreche ich in diesem ZEW-Podcast mit Holger Stichnoth. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Ungleichheit und Verteilungspolitik am ZEW Mannheim und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Straßburg. Mein Name ist Fabian Oppel. Herzlich willkommen zu diesem ZEW-Podcast.

00:01:26: Sprecher 2 Hallo Holger, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst.

00:01:28: Sprecher 1 Hallo Fabian, danke meinerseits. Danke für die Einladung.

00:01:31: Sprecher 2 Ich habe es ja gerade eben schon angesprochen. Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Du und weitere Wissenschaftler am ZEW haben in Zusammenarbeit mit der Süddeutschen Zeitung eine Studie durchgeführt, in der die Programme großer Parteien für die Bundestagswahl 2025 durchgerechnet werden. Übrigens wenn die Zuhörerinnen und Zuhörer dieses Podcasts auch einmal reinlesen möchten. Die Studie ist im Internet verfügbar unter www.zew.de/wahlprogramme2025.

00:01:59: Sprecher 2 Holger, was habt ihr untersucht?

00:02:01: Sprecher 1 Wir haben die Wahlprogramme der Parteien untersucht, die eine Chance haben, in den Bundestag einzuziehen. Das ist die Linkspartei, das Bündnis Sahra Wagenknecht, die Grünen, die SPD, die Union, die FDP und die AfD. Und wir haben zwei Aspekte beleuchtet. Einmal, wie die privaten Haushalte entweder entlastet oder belastet würden durch die Pläne der Parteien. Andererseits, wie sich der Staatshaushalt entwickeln würde.

00:02:24: Sprecher 2 Welche Fragestellungen habt ihr gehabt oder worauf habt ihr euch fokussiert?

00:02:28: Sprecher 1 Wir haben uns die zentralen Reformvorschläge angesehen aus den Bereichen Steuern, also vor allem Einkommenssteuer, Mindestlohn bei einigen Parteien, manchmal auch Sozialleistungen und spiegelbildlich immer die Auswirkungen auf den Haushalt, also nicht nur den Bundeshaushalt, sondern auch Länder und Gemeinden. Das haben wir nicht differenziert und Sozialversicherungen sind auch dabei. Also wir gucken immer auf die Gesamtwirkung auf die öffentlichen Kassen.

00:02:48: Sprecher 2 Okay, und dann die Gegenfrage: Welche Aspekte bezieht ihr denn nicht mit ein?

00:02:52: Sprecher 1 Wir haben uns konzentriert auf die Einkommen von Haushalten, also die verfügbaren Einkommen. Das, was auf dem Konto ankommt nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben und gegebenenfalls plus Transfers. Was wir aber nicht drin haben, das wurde auch schon angemerkt in der Debatte, das sind Maßnahmen, die beim Konsum ansetzen, also zum Beispiel die Mehrwertsteuer. Manche Parteien wollen da entlasten oder auch die CO2-Bepreisung. Das ist bei uns nicht drin.

00:03:13: Sprecher 1 Ein wichtiger Punkt, was auch nicht drin ist, sind Folgewirkungen. Also zum Beispiel haben wir uns angesehen, welche direkten Effekte hätte ein Mindestlohn auf die Steuereinnahmen oder die Sozialversicherungsbeiträge. Was wir nicht geschaut haben, ist, ob der höhere Mindestlohn zum Beispiel die Arbeitslosigkeit erhöht oder umgekehrt bei einigen Steuererleichterungen, die die Parteien vorsehen, ist ja das Ziel dahinter, dass die Wirtschaft stärker wächst, dass sich ein Teil dieser Maßnahmen eben dadurch gegenfinanziert. Das können wir mit unserem Modell aber nicht abbilden.

00:03:38: Sprecher 1 Dazu kommt noch, dass die Wahlprogramme eben Wahlprogramme sind, teilweise schnell geschrieben in diesem kurzen Winterwahlkampf. Dass sie aber auch generell auch in anderen Wahlkämpfen nicht immer konkret genug sind für die Berechnung. Deshalb haben wir an einigen Stellen Annahmen getroffen. Also entweder auf Basis von Äußerungen von führenden Parteimitgliedern oder auf Basis von Anträgen, die eingebracht wurden in den Bundestag oder auf Basis früherer Studien.

00:04:03: Sprecher 1 Das sind aus unserer Sicht sehr plausible und nachvollziehbare Annahmen. Die haben wir auch transparent dargelegt, und das haben wir für alle Parteien gemacht. Also da gibt es keine Lex „Partei eins“, „Partei zwei“, sondern wir haben das durchgehend gemacht, immer da, wo wir diese Annahmen brauchten.

00:04:16: Sprecher 2 Also stellen wir einfach mal klar, ihr macht keine Analysen der gesamten Wahlprogramme, sondern ausgewählter Teile, die ihr dann aber miteinander vergleichen könnt. Sprecher 1 Genau. Sprecher 2 Bleiben wir erst mal bei den Privathaushalten. Was sind denn hier die Kernergebnisse?

00:04:28: Sprecher 1 Das Kernergebnis ist, dass es da eine echte Wahl gibt. Es wird ja manchmal gesagt, es gäbe keine Wahl mehr, die Parteien seien alle gleich. Das ist bei der Wirtschaftspolitik, bei den Maßnahmen, die wir uns angesehen haben, nicht der Fall. Da gibt es noch eine klassische Aufteilung von eher linken, vielleicht etatistischen Umverteilungsparteien oder eher „rechten“ oder liberalen Parteien.

00:04:48: Sprecher 1 Und zwar wollen Parteien wie die SPD, Die Grüne, Die Linke, das BSW eher die unteren Einkommen steuerlich entlasten. Sind dann auch bereit, das bei den höheren Einkommen gegenzufinanzieren durch eine Belastung der reichsten 10 %. Bei Union, FDP und AfD sind eigentlich durch die Bank Entlastungen vorgesehen für alle Haushalte. Aber diese Entlastungen sind stark konzentriert in der Spitze. Das heißt die höchsten Einkommen würden am meisten entlastet und profitieren.

00:05:17: Sprecher 2 In der Öffentlichkeit wird besonders ein Haushaltstyp als Beispiel angebracht, und zwar das Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern. Für diesen Haushaltstyp habt ihr beispielhaft eine Tabelle für alle fünf Einkommensklassen mit den Ergebnissen aller Wahlprogramme veröffentlicht. Ihr habt aber wesentlich mehr Haushaltstypen untersucht.

00:05:34: Sprecher 1 Das ist richtig. Wir für jeden Haushaltstyp haben wir einmal fünf Einkommensklassen, also niedrige Einkommen mittlere bis zu hohen Einkommen, weil man eben da die wichtigen Unterschiede sieht, wo die Parteien ansetzen. Deswegen ist die Variation der Einkommen wichtig. Die unterschiedlichen Haushaltstypen sind auch wichtig. Und da haben wir uns am Ende der Studie aus Platzgründen für fünf Haushaltstypen entschieden mit jeweils fünf Einkommen, also schon mal 25 Musterhaushalte. Wir haben aber intern für uns noch deutlich mehr Haushalte berechnet und abgeglichen.

00:06:01: Sprecher 2 Wir können jetzt im Podcast natürlich nicht die Zahlen für alle untersuchten Wahlprogramme mit jeweils allen 25 Musterhaushalten vorlesen. Daher noch mal der Hinweis an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Die Studie mit den Zahlen für alle untersuchten Musterhaushalte, die in der Studie gelandet sind, gibt es frei verfügbar unter www.zew.de/Wahlprogramme2025.

00:06:24: Sprecher 2 Holger, ihr habt nicht nur Privathaushalte berechnet. Welche Kernergebnisse ergeben sich denn für den Staatshaushalt?

00:06:26: Sprecher 1 Beim Staatshaushalt gibt es zwei Richtungen, die wir grundsätzlich haben. Zum einen der Staatshaushalt, also über alle Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen hinweg. Das ist der gesamte Staatshaushalt. Wenn der zunimmt, dann gibt es einerseits mehr Geld für öffentliche Aufgaben, andererseits ist es eben auch Geld, das von den Bürgerinnen und Bürgern kommt, also das dann vielleicht den Privathaushalten fehlt.

00:06:47: Sprecher 1 Wenn man umgekehrt spart, wenn man dem Staat weniger zur Verfügung gibt, dann steht auch weniger Geld da für öffentliche Aufgaben. Das vorweggeschickt. Und dann haben wir auch wieder eine ganz klassische Aufteilung, dass der Staatshaushalt schrumpfen würde bei der FDP, Union und AfD. Umgekehrt sind das aber auch weniger steuerliche Belastungen für die Bürger, also Entlastung für die Bürger bei den Steuern. Bei den Grünen und bei der SPD geht das Budget ganz leicht rauf. Die Leistungen sind gegenfinanziert und sind leicht überfinanziert. Und bei den linken, vor allem bei der Linkspartei und auch ein bisschen beim BSW, geht es noch weiter nach oben. Die Linke hat, glaube ich, insgesamt 50 Milliarden Euro mehr an Geld für den Staat. Es ist aber natürlich umgekehrt auch Geld, das dann von den Bürgerinnen und Bürgern kommt und die dann halt eben weniger haben.

00:07:35: Sprecher 1 Wir wollen das auch gar nicht bewerten. Das ist Aufgabe der Wählerinnen und Wähler, ob sie den Euro lieber beim Staat oder bei den Privathaushalten sehen. Und da gibt es aus unserer Sicht, aus ökonomischer Sicht keine richtige und falsche Antwort. Das ist letztlich eine Bewertungsfrage.

00:07:47: Sprecher 2 Meine grundsätzliche Frage über die Studie: Ergreift die in eurer Studie denn Position oder bewertet ihr die Aussagen, die da gemacht werden?

00:07:55: Sprecher 1 Nein, das ZEW ist unabhängig, parteipolitisch neutral. Wir arbeiten evidenzbasiert und versuchen eben, der Öffentlichkeit Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Parteiprogramme sind da nicht unbedingt selbsterklärend, vorsichtig ausgedrückt. Also da steht vielleicht drin, der Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer soll steigen. Dann wissen vielleicht manche Leute nicht, was der Grundfreibetrag ist. Andere wissen das vielleicht, wissen nicht, wie hoch der ist.

00:08:18: Sprecher 1 Und ich glaube, kaum einer weiß und ich auch nicht, wenn ich das allein im Wahlprogramm einer Partei sehe, was das dann am Ende in Euro und Cent bedeutet. Einerseits für die Haushalte und das hängt auch davon ab, wo man eben steht in der Einkommensverteilung. Man weiß auch nicht, was das für den Staatshaushalt spiegelbildlich bedeutet. Und da wollen wir eben dazu beitragen, dass die Leute ihre Wahlentscheidung informierter treffen.

00:08:37: Sprecher 1 Wir wollen den aber nicht sagen, wen oder was sie wählen sollen. Wir machen keine Bewertung, wir wollen informieren.

00:08:42: Sprecher 2 Also so ein bisschen Bildungsauftrag für den mündigen Bürger?

00:08:45: Sprecher 1 Ja, so kann man es auch sagen.

00:08:48: Sprecher 2 Die Studie wurde gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung gemacht. Das hatte ich ganz am Anfang mal kurz angesprochen. Wie hat denn die Kooperation hier ausgesehen?

00:08:55: Sprecher 1 Wir haben doch schon seit Jahren mit der Süddeutschen Zeitung kooperiert, 2017, 2021 und jetzt auch wieder. Also wir kennen uns schon gut, arbeiten sehr gut zusammen und haben da gemeinsam überlegt, welche Parteien wollen wir einbeziehen. Die, die eine Chance haben, in den Bundestag einzuziehen, oder eine große Chance haben. Dann haben wir gemeinsam recherchiert und überlegt, welche Maßnahmen aus dem Programm wir umsetzen können.

00:09:16: Sprecher 1 Die Süddeutsche Zeitung hat natürlich große Recherchekapazitäten und hat uns da unterstützt. Die Berechnungen aber haben wir gemacht. Und die Süddeutsche Zeitung hat dann eben auf Basis unserer Berechnungen und der gemeinsamen Vorarbeiten ihre Artikel geschrieben. Jeder Artikel ist in der Verantwortung des jeweiligen Autors oder der Autorin. Genauso bei uns. Also da sind wir dann unabhängig. Es gibt keine gemeinsame Meinung von Süddeutscher Zeitung oder ZEW, sondern wir haben die Zahlen gemeinsam erarbeitet, die Bewertung, die macht jeder selbst.

00:09:44: Sprecher 2 Also nicht nur, aber auch, weil die Süddeutsche Zeitung über die Studie geschrieben hat, haben wir ja relativ hohe Wellen gesehen, die diese Studie geschlagen hat. Es gab außerordentlich vielfältige Berichterstattung. Kannst du mal für dich grob die Resonanz wiedergeben?

00:09:58: Sprecher 1 Ja, das ging an einem Freitag los und als es dann online gestellt wurde von der Süddeutschen Zeitung, dann wurde es sehr schnell verbreitet, auch in den sozialen Medien. Es gab eine große Resonanz und andere Leitmedien, große Medien sind aufmerksam geworden. Es war dann ein paar Tage später auch in den berühmten Politik-Talkshows, die es abendlich dann gibt, in den verschiedenen.

00:10:17: Sprecher 1 Das ZDF hatte eine Wahlsendung, da waren dann auch unsere Zahlen wurden auch angesprochen. Es sind auch verschiedene Parteien auf uns zugekommen, auf unterschiedlichen Ebenen. Privatpersonen fand ich auch ganz interessant. Leute, die sozusagen in ihrem privaten Umfeld dann mit der Familie oder Freunden über die Zahlen gesprochen haben, manchmal Rückfragen hatten. Und das ist eigentlich für uns auch eine Bestätigung und es gab ja Kritik, kommen wir wahrscheinlich noch drauf.

00:10:41: Sprecher 1 Aber es gab eben auch viele positive Rückmeldungen von ganz unterschiedlichen Leuten, mit dem wir dann auch manchmal telefoniert haben oder eine Videokonferenz gemacht haben und auch interessante Leute darüber kennengelernt haben.

00:10:50: Sprecher 2 Und das ist dann ein gutes Beispiel, wie Forschung nicht im Elfenbeinturm stattfindet.

00:10:54: Sprecher 1 Genau.

00:10:54: Sprecher 2 Du hast es ja schon angesprochen Es gab Kritik. Hauptsächlich geht es darum, dass ihr mit Annahmen arbeiten müsst. Die hast du gerade eben auch schon ausgeführt, weil die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien an verschiedenen Stellen einfach nicht präzise genug formuliert sind. Was sagst du denn zu der Kritik?

00:11:08: Sprecher 1 Dass wir mit Annahmen arbeiten, sagen wir in der Studie selbst. Also da sind wir ganz transparent. Wir sehen an der Kritik natürlich auch, dass gerade Wahlkampf stattfindet. Es sind spannende, aufgeregte Zeiten. Wir sind aber ganz gelassen. Unsere Studie und die Ergebnisse sind robust. Wir machen das seit vielen, vielen Jahren. Wir stehen zu den Berechnungen, aber können auch mit Kritik umgehen.

00:11:28: Sprecher 1 Das ist völlig legitim und das kennen wir aus der Wissenschaft. Bei jedem Seminar-Vortrag auf Folie eins wird man kritisiert und hier geht es um sehr viel und sagen, wir können damit umgehen, dass wir halt Wahlkampf haben und dann auch verschiedene Arten von Kritik auf uns eingehen.

00:11:42: Sprecher 2 Die FDP hat im Nachgang zu den Zahlen, die ihr veröffentlicht habt, eine weitere Studie zitiert vom Bund der Steuerzahler und behauptet damit, dass eure Studie falsche Zahlen liefere. Stimmt das denn?

00:11:55: Sprecher 1 Nein, das stimmt ganz sicher nicht. Beide Studien kommen zum gleichen Ergebnis. Wir schauen auf die oder wir setzen die absoluten Entlastungen ins Verhältnis zu den Bruttoeinkommen oder den Zielen der verfügbaren Einkommen. Und der Bund der Steuerzahler, der rechnet das alles aus um die Steuerentlastungen im Verhältnis zu den bisherigen Einkommensteuerzahlen.

00:12:14: Sprecher 2 Also eine andere Darstellungsweise.

00:12:16: Sprecher 1 Das ist einfach eine andere Darstellungsweise. Wir haben die Zahlen vom Bund der Steuerzahler auch einfach nachgerechnet und kommen da bis auf die Nachkommastellen auf die gleichen Ergebnisse. Deswegen ist das natürlich erstaunlich, weil manchmal behauptet wird, sozusagen links die eine Studie, die sei falsch, unsere rechts sei die Studie vom Bund der Steuerzahler, die sei richtig. Das sind genau die gleichen Zahlen.

00:12:33: Sprecher 1 In einer anderen Darstellung.

00:12:35: Sprecher 2 Also anders ausgedrückt: Tatsächlich bestätigen sich beide Studien gegenseitig.

00:12:39: Sprecher 1 Das ist so. Der Bund der Steuerzahler ist da schon lange im Geschäft. Wir auch. Und wir haben es dann offenbar beide geschafft, die Parteiprogramme richtig umzusetzen, zu simulieren.

00:12:48: Sprecher 2 Du hast ja eine Professur in Straßburg, Du hast also auch einen Blick über den deutschen Tellerrand hinaus. Stellen denn Ökonomen und Ökonominnen im Ausland ähnliche Berechnungen mit solchen Wahlprogrammen an?

00:12:57: Sprecher 1 Ja, teilweise gibt es da schon eine lange Tradition, insbesondere in den Niederlanden. Da werden die Programme vom CPB, dem zentralen Planbüro und das klingt erst mal ungewöhnlich. Aber es ist eine ganz respektierte Einrichtung. Die gibt es schon lange in den Niederlanden und da wird seit Anfang der 80er Jahre, glaube ich, können die Parteien da ihre Vorschläge hinschicken und die werden durchgerechnet.

00:13:16: Sprecher 1 Die Parteien freuen sich auch teilweise, weil das ein kostenloser Service ist. Und da gab es dann aus den Niederlanden auch von einem Journalisten überraschte Rückfragen, warum wir in Deutschland so eine Aufregung hervorgerufen hätten mit unseren Zahlen. Das sei in den Niederlanden ganz normal. Das wird schon seit vielen, vielen Jahren und Jahrzehnten da gemacht.

00:13:32: Sprecher 2 Wer weiß, wie sich das in Deutschland weiterentwickelt. Scheinbar gibt es dafür einen Bedarf. Wie gehst du denn als Wissenschaftler damit um, mit deiner Forschung so im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen?

00:13:44: Sprecher 1 Ja, also erst mal freue ich mich. Das ist ungewöhnlich. Natürlich aus einer Ausnahmesituation der ganze Wahlkampf und auch für uns nach der Studie, das machen wir jetzt auch nicht jeden Monat oder jedes Jahr. Es war doch ganz gut, dass man sich dann wieder ein bisschen ausruhen kann. Ich freue mich über die Aufmerksamkeit. Manchmal gab es auch ein, zwei Momente, wo ich gedacht habe: Oje, jetzt kommen aber ganz schön viele Anfragen. Aber da wir im Team mit der Süddeutschen oder mit dem Kollegen, mit dem wir das gemacht haben, so gut eingespielt sind, zu erfahren sind, war ich da eigentlich immer ganz gelassen, wenn die Rückfragen kamen.

00:14:14: Sprecher 1 Und das ist auch Teil unseres Auftrags. Wir wollen am ZEW die Öffentlichkeit informieren, neutral und evidenzbasiert. Und ich glaube, die Neutralität hat man auch daran gesehen, dass eben von ganz verschiedenen Parteien Reaktionen kamen, positive wie negative. Ich glaube, wir haben es halbwegs geschafft, da auch unsere neutrale Position deutlich zu machen. Natürlich sind manche Reaktionen auch nicht ganz so positiv.

00:14:35: Sprecher 1 Dann versuche ich immer sachlich mit der Kritik umzugehen. Wir haben zum Beispiel Anfragen bekommen, ob jetzt die Parteien in ihren Reaktionen Recht haben oder nicht und ob unsere Annahmen gut waren. Und das erläutere ich dann halt, so gut es geht. Mir ist wichtig zu sagen, dass wir immer versuchen nochmal klar zu machen, dass wir Wahlprogramme berechnen, also beziffern, was in den Programmen drinsteht, aber eben keine Bewertung der Programme vornehmen.

00:14:58: Sprecher 1 Das ist nicht unsere Aufgabe als Wissenschaftler. Unser ZEW-Gründungsauftrag ist politikrelevante Forschung und wissenschaftsbasierte Politikberatung. Und mit der Studie, denke ich, haben wir beide Teile dieses Auftrags gut abgedeckt und tragen dazu bei, dass die Wählerinnen und Wähler eine fundiertere Wahlentscheidung treffen können. Aber auch wichtig der Hinweis ist natürlich: Man muss jetzt nicht unbedingt das wählen, was einem finanziell am meisten bringt.

00:15:22: Sprecher 1 Man kann auch was anderes wählen. Aber immerhin hat man dann die Informationen darüber und kann die dann einfließen lassen oder auch nicht in seine Wahlentscheidung.

00:15:29: Sprecher 2 Ja, es gibt noch weitere Motive als das reine Geld. Hast du denn als Wissenschaftler einen Tipp für andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die solche Erfahrungen wie du jetzt noch nicht gemacht haben und deren Forschung vielleicht in Zukunft irgendwann mal auch im Fokus stehen wird?

00:15:43: Sprecher 1 Ich kann empfehlen, dass man versucht, so gut es eben geht kühlen Kopf zu bewahren, dass man Angriffe nicht persönlich nimmt, umgekehrt aber auch nicht persönlich dann antwortet, sondern dass man versucht, bei den Fakten und bei der Sache zu bleiben und dass man sich auch nicht zu sehr einmischt in die Meinungsstreits. Das muss jeder für sich selber entscheiden.

00:16:00: Sprecher 1 Aber ich habe für mich dann entschieden, auch wenn es verlockend ist, natürlich dann das große Rad drehen zu wollen mit der Studie. Am Ende wollen wir eben informieren und ich bin selber kein Politiker, ich bin Wissenschaftler und wir sind aber auch stolz auf das, was wir eben können als Wissenschaftler am ZEW, dass wir hier eben Informationen der Öffentlichkeit bereitstellen können.

00:16:17: Sprecher 2 Über die konkreten Wahlprogramme hinaus. Wir haben es gerade schon gesagt: Du willst die Einzelnen gar nicht bewerten. Aber insgesamt: Was ist denn aus deiner Sicht wichtig für Deutschland, wie es nach den Wahlen weitergeht?

00:16:28: Sprecher 1 Ich glaube, das ist auch so ein bisschen die intensive Erfahrung, die ich jetzt gemacht habe. Einerseits mit der eigenen Studie, dann aber auch die Debatte generell auf X. Ein Beispiel für ein soziales Medium. Dann mitzuverfolgen, dass es zunehmend schwierig wird, das hört man da an vielen Stellen, sozusagen noch eine sachliche Debatte hinzubekommen. Dass dann die Lager halt sich immer stärker, scharfer gegenüberstehen, dass man halt sozusagen, dass das Misstrauen sehr groß ist, dass der Ton immer schärfer wird.

00:16:55: Sprecher 1 Und ich glaube, das ist keine gute Basis, um gute und wichtige Entscheidungen zu treffen, die uns bevorstehen in Deutschland. Und darüber hinaus, da würde ich mir wünschen, egal wer die nächste Regierung stellt, dass es irgendwie gelingt, diesen Konsens, diese Gesprächs- und Debattenkultur zu bewahren oder ein Stück weit wiederherzustellen.

00:17:07: Sprecher 2 Holger Das war ein spannendes Gespräch. Ich danke dir für deine Zeit. Das war der ZEW Podcast. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, vielen Dank auch für euer Interesse. Bei Fragen und Anregungen könnt ihr euch jederzeit melden unter podcast@zew.de.

00:17:23: Sprecher 2 Wirtschaft, Forschung, Debatten - Ein ZEW Podcast.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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