Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00:00:00: Achim Wambach Wirtschaftswachstum stagniert. Dieses Jahr wird es vermutlich wieder etwas schrumpfen. Die Analyse ist da. Wir brauchen viel mehr Investitionen in Infrastruktur. Die Energiewende läuft nicht so, wie sie sollte. Warum dann nicht mehr investiert wird? Von außen sehr schwer nachzuvollziehen, warum Deutschland, das jetzt jahrelang doch der Motor war, es nicht auf die Reihe bekommt.

00:00:26: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZEW-Podcast.

00:00:36: Bastian Thüne Wie auch schon die vergangenen Jahre wurde es 2024 nicht ruhig. Die deutsche Autoindustrie geht durch eine schwere Absatzkrise. Donald Trump wurde erneut zum US-Präsidenten gewählt und in Deutschland zerbrach die Bundesregierung. Aber es gab auch positive Nachrichten. Die Inflation hat sich auf etwa zwei Prozent eingependelt und der Arbeitsmarkt zeigt sich immer noch erstaunlich robust. Zu diesen und anderen Themen sprechen wir heute mit ZEW-Präsident Professor Achim Wambach. Er ist unser Gast beim ZEW-Podcast. Als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sitzt er nah an den Entscheidungsträgern und berät diese. Außerdem wurde er kürzlich in den Deutschen Ethikrat berufen. Wir sind gespannt, was Achim Wambach dazu zu sagen hat. Mein Name ist Bastian Thüne. Herzlich willkommen zum ZEW-Podcast, dem Podcast des Leibniz Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Hallo Achim, schön, dass du uns dieses Jahr wieder besuchst. Du warst jetzt zuletzt auf Forschungsreise in Rom, Paris und Madrid. Welche Stadt hat dir denn am besten gefallen?

00:01:37: Achim Wambach Jede Stadt hat mir auf ihre Art gefallen. Ich war da an den Universitäten und Forschungsinstituten. Und es ist schon klasse, was sich da tut. Also Paris hat eine richtig große Forschungslandschaft aufgebaut in den Wirtschaftswissenschaften. Rom und Madrid, die müssen ein wenig aufholen. In Italien ist die starke Uni eigentlich in Mailand. Aber Rom hat jetzt doch sehr gute Leute bekommen. Auch interessanter Weise eine eigene Forschungsinstitution mit Unterstützung der Banca d'Italia. Das selbe bei Madrid: Also die Banco de España hat da auch, Cemfi ist das Forschungsinstitut in Madrid, unterstützt. Das sind also wirklich Spitzenforscher. Die kommen aus den USA, Italiener, Spanier in Spanien, beim Einaudi (=Institute for Economics and Finance) in Rom sind Italiener Die bauen da richtig gut was auf. Es sind sehr spannende Orte aus Wissenschaftsperspektive.

00:02:27: Bastian Thüne Und aus privater Perspektive?

00:02:29: Achim Wambach Die Städte sind schon Hammer. Also in Paris, da habe ich fast alles mit dem Fahrrad gemacht, weil dort mittlerweile überall Fahrradwege sind. Das war auch ganz spannend. Allerding in Rom habe ich auch angefangen mit dem Fahrrad. Dort haben alle gesagt, das wäre verrückt, weil da ist der Verkehr so wild, dass man doch nicht mit dem Fahrrad fahren sollte. Da bin ich viel zu Fuß gelaufen. Und Madrid mit Bussen, U Bahn. Das hat funktioniert. Aber die Städte, das sind halt schon Metropolen. Man war in den Wirtschaftsministerien. Also die Politik ist da. Da habe ich mit denen gesprochen. Ich habe mit den Zentralbankern gesprochen und durfte auch mit den Botschaftern reden. Ist ganz interessant von den Botschaftern, so ein Blick auf die Wirtschaftslage in dem jeweiligen Land zu bekommen aus einer deutschen Botschafter-Perspektive. Eine Sache vielleicht: Alle drei sind doch sehr stark Deutschland fixiert. Deutschland ist das größte Exportland sowohl für Italien als auch für Frankreich. Bei Spanien sind wir Nummer zwei nach Frankreich. Das heißt, wenn hier in Deutschland die Wirtschaft nicht so zieht wie sie sollte, dann spüren die das sehr direkt.

00:03:31: Bastian Thüne Das ist auch interessant, dass du dann in den Städten schon sehen konntest, wie sich das im Alltag auswirkt. Also beispielsweise Verkehr, Klimawandel. Frankreich setzt dann viel auf Fahrradwege, Rom etwas chaotischer, und Madrid hat einen guten öffentlichen Personennahverkehr. Jetzt ist auch einiges weltpolitisches oder deutschlandpolitisches passiert, während du in den Städten warst. Trump wurde zum zweiten Mal zum amerikanischen Präsident gewählt und in Deutschland zerbrach die Ampelkoalition. Jetzt hattest du die Chance, dir hautnah die Eindrücke von unseren Nachbarn einzufangen. Wie blicken die denn auf unsere Umbrüche und auf die weltpolitischen?

00:04:09: Achim Wambach Ja, ich würde sagen, wenn ich so die Medienlandschaft verfolge, etwas gelassener. Also Italien und Spanien wachsen beide sehr stark. Spanien ist die Arbeitslosigkeit von 26  Prozent auf jetzt 11 Prozent gefallen. In Italien hat Draghi doch eine ganze Reihe von Reformen angestoßen, auch mit Unterstützung von europäischen Mitteln. Das muss man schon sagen in Spanien, aber die wirken auch. Das sieht man da. In Frankreich war so eine gemischte Stimmung. Die Realwirtschaft läuft eigentlich ganz gut. Wir sehen das bei den Direktinvestitionen in Frankreich wird mehr investiert als in Deutschland mittlerweile. Macron hat da sehr viel gemacht, die Unternehmen dazu zu bringen, in Frankreich zu investieren. Auch da ist die Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Aber wie sagte der Premierminister Michel Barnier neulich im Parlament: „Über allem schwebt das Damoklesschwert der hohen Schuldenlast.“ Also die kriegen den Haushalt nicht hin. Die Regierung ist sehr instabil. Die haben innenpolitische Probleme, an denen sie arbeiten. Im Hinblick auf die Weltwirtschaft sind sie etwas gelassener. Liegt zum einen auch daran, weil die bessere Wirtschaftsdaten haben und die sind nicht so exportlastig wie wir. Also diese ganzen geopolitischen Spannungen treffen Deutschland natürlich um ein gutes Stück stärker als es die anderen Länder treffen.

00:05:24: Bastian Thüne Jetzt hast du gesagt, dass Deutschland ein sehr wichtiger Handelspartner ist. Es wird zumindest Frankreich und Italien, aber auch Spanien dann indirekt treffen. Hatten die Leute, mit denen du da gesprochen hast, Befürchtungen, weil jetzt die Ampelkoalition zerbrochen ist?

00:05:40: Achim Wambach Ja, also zumindest haben die also ein großes Unverständnis, was in Deutschland passiert. Jetzt nicht, weil die Koalition zerbrochen ist, deswegen vermutlich auch, aber in Deutschland ist jetzt seit Jahren das Wirtschaftswachstum stagniert. Dieses Jahr wird es vermutlich wieder etwas schrumpfen. Und warum? Die Analyse ist da. Also wir brauchen viel mehr Investitionen in Infrastruktur, die Energiewende, die läuft nicht so, wie sie sollte. Warum dann nicht mehr investiert wird? – die Frage kam schon von allen Seiten, und das ist von außen sehr schwer nachzuvollziehen, warum Deutschland, das jetzt jahrelang doch der Motor war, es nicht auf die Reihe bekommt.

00:06:26: Bastian Thüne Okay, also die denken, dass der Motor noch nicht ganz aus ist, sondern dass er stottert und fragen sich, warum da nicht mehr gemacht wird.

00:06:33: Achim Wambach Genau. Ich glaube, konkret geht es schon darum, also das Thema Schuldenbremse war die ganze Zeit Thema. Der Versuch der Erklärung, dass die Schuldenbremse natürlich die Stabilität in Europa schafft, das wird dort gesehen. Das ist auch, glaube ich, eine große Leistung, sollte man nicht unterschätzen. Auf der anderen Seite, was haben wir von Stabilität, wenn die Wirtschaft nicht nachziehen kann und dann müssen die Mittel also auf andere Art zur Verfügung gestellt werden, wenn man nicht die Schuldenbremse lockert. Vielleicht kommen wir nachher auf die Schuldenbremse zu sprechen. Aber das war immer Thema in den Gesprächen. Am Ende war es: Warum wird nicht mehr investiert in Deutschland?

00:07:07: Bastian Thüne Okay, die Schuldenbremse wollen wir nachher noch drüber sprechen. Es wird jetzt, da wir auch schon bei der EU waren und bei deiner Reise noch mal kurz auf die EU zurückgehen. Du hast ja schon den Namen Draghi genannt und er hat Anfang September den sogenannten Draghi-Report veröffentlicht und dort hat er 170 Empfehlungen gegeben, wie man Europa als Wirtschaftsraum stärken kann. Was denkst du, welche Ansätze sind besonders gelungen in dem Draghi-Report und wo siehst du Kritikpunkte?

00:07:34: Achim Wambach Das Problem mit den ganz vielen Empfehlungen ist natürlich, dass irgendwas ist immer etwas dabei das man gut findet und etwas das man schlecht findet. Insofern würde ich es eher auf der allgemeinen Ebene sagen: In welche Stoßrichtung geht der Bericht? Und das eine ist eine sehr gute Analyse der Situation. Wir laufen den USA hinterher und in Teilen auch China, und zwar nicht nur die letzten drei, vier Jahre, sondern schon die letzten 20 Jahre. Und das legt der Bericht sehr klar dar. Das ist sehr gut empirisch aufgearbeitet. Das ist wirklich sehr schön. Wir haben hier am ZEW, wir haben ein Webinar zum Bericht gemacht und aus den verschiedenen Richtungen, aus der Innovationsrichtung, aus der Umweltrichtung, aus der Sicherheits- oder Resilienzrichtung und aus finanzpolitischer Sicht. Das war eigentlich ganz schön, dass wir durch die Bank gesagt habe: Die Analyse, die ist gut und die Frage ist: Was macht man dann? Was folgt aus dieser Analyse? Also vielleicht noch ein Punkt zur Analyse. Wir haben in den letzten 20 Jahren das Wachstum in USA 50 Prozent höher als in Europa, also 2 Prozent statt 1,4 Prozent. Und in Europa waren es eigentlich die Osteuropäer, die uns geholfen haben, dass der Abstand nicht größer geworden ist. Also wenn man nur Deutschland, Frankreich, Italien vergleicht, wäre der Abstand noch ein gutes Stück größer. Draghis drei Hauptpunkte sind: Schließung der Innovationslücke zu den USA und auch China mittlerweile, einen Plan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit – das ist jetzt das Schlagwort in der EU alles mit Wettbewerbsfähigkeit zu machen – und der dritte Punkt ist Erhöhung der Sicherheit und Verringerung von Abhängigkeiten, also das Schlagwort der Resilienz. Und vielleicht, wenn ich auf die drei Punkte eingehe, weil das sind sozusagen die Kernbestandteile seines Berichts: Das eine ist die Innovationslücke. Da hat auch Letta in seinem Bericht sich dazu geäußert. Wie wird Europa innovativer? Ganze Reihe von Maßnahmen: Die Kapitalmarktunion, dass wir die Finanzierung hinbekommen, er möchte mehr von diesen IPCEIs Important Projects of Common European Interest, dass ist das Instrument, was die EU hat, damit die Länder zusammen in Forschung und Entwicklung investieren können und ich glaube, ein ganz wichtiger Punkt da ist, er spricht das auch an, ist die Bürokratisierung, die gerade unsere Kleinunternehmen rausnockt. Die großen Unternehmen können das stemmen, aber die kleinen haben damit echte Probleme. Also Datenschutzregelungen, die KI- Verordnung, die schnürt auch mehr zu. Und interessanterweise diese Innovationslücke ist nur im Digitalbereich. In den anderen Bereichen gibt es diese Lücke nicht. Das ist eigentlich ein Digitalthema, über das man hier reden muss. Zum zweiten Bereich, das ist: Wie kombiniert man Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit? Vielleicht, die Good News sozusagen, Europa ist Innovationsführer bei sauberen Technologien. Und das ist, glaube ich, eine Leistung. Und da ist auch die Stärke von Europa. Wir sind nicht stark in Ressourcen, sondern eigentlich im Humankapital, also in unserem Wissen. Allerdings, das zeigt der Bericht auch, wir haben Probleme, diese Technologien auf größere Maßstäbe zu skalieren. Viele Unternehmen gehen dann doch in die USA, weil sich da dann mehr lohnt oder man schneller in die Größe kommt. Auch da eine Reihe von Maßnahmen: Energiekosten senken. Wie kriegt man das hin? Also zum Beispiel die Grenzkuppel stellen, dass mehr zwischen den Ländern gehandelt wird. Dann Energie, dass mehr möglich wird, dass Energie fließen kann. Wir müssen die Wasserstoffnetze ausbauen. Das ist eine ganze Reihe von Vorschlägen. Interessant fand ich der Emissionshandel wird kaum thematisiert in seinem Bericht, dass wir diese Emissionszertifikate haben, die eigentlich recht gut funktionieren. Und 2027 soll dann noch ein zweiter in Kraft treten, ein Emissionshandel für Gebäude und Verkehr. Und wenn die beiden dann also den einen, den wir haben, und dieser Neue da sind, haben wir 80 bis 90 Prozent der Emissionen im Handel. Und wenn das mal da ist, das jüngste Instrument, das sehr effizient ist – die amerikanischen Ökonom zumindest hätten es gerne, die Amerikaner haben es nicht hinbekommen, politisch das umzusetzen – dann braucht man aber die anderen Regeln nicht mehr so unbedingt. Also ob wir dann Verbrenner-Verbot 2035 haben oder 2033 oder 2038, ist dann nicht so wichtig. Unser Kohleausstieg ist ähnlich. Da haben wir auch gekämpft, dass der 2038 ist oder wir. Ich habe nicht gekämpft, aber die Gesellschaft. Das war ein riesen Streitthema. Jetzt hat EnBW gesagt, dass sie schon vor 2030 rausgehen, weil es sich wirtschaftlich, wegen dem Emissionshandel, nicht mehr lohnt. Hat mich gewundert, dass man da kaum drüber gesprochen hat, weil das wirklich ein marktwirtschaftliches Instrument ist, um diese Transformation zu machen. Dritter Punkt, dann bin ich auch damit durch. Das ist die Sicherheit, die Resilienz. Und da möchte Draghi sehr auf Außenhandelsinstrumente setzen. Also er hat so vier Industriearten klassifiziert, strategisch wichtig regionale Produktion wichtig, so Infant-Industries und dann bei den Inmfant-Industrie zum Beispiel das ganze Repertoire der Außenwirtschaftsinstrumente: Zölle, Einfuhrverbote. Er will, dass man gezwungen wird, Joint Ventures zu machen bei diesen strategischen Industrien. Und da würde ich jetzt auf der Ebene sagen, dass Europa, und Deutschland insbesondere, fährt eigentlich ganz gut da ran, dass wir uns an die WTO-Regeln halten. Also die WTO ist nicht mehr so schlagkräftig. Die Welthandelsorganisation. Aber das heißt nicht, dass man sie aufgeben sollte und die Vorstellungen von Draghi gehen weit darüber hinaus. Und da würde ich mir eine Diskussion wünschen, ob das wirklich sinnvoll ist, das sozusagen gegen diese WTO-Regeln zu machen. Ich denke nicht. Ich denke, wir sind ganz gut damit gefahren. Im Gegenteil, wir sollten noch mehr Handelsabkommen machen. Was er übrigens auch sagt, damit wir unseren Handel verbreiten können und dann aber unter klaren Regeln; das sind nun mal die WTO-Regeln.

00:13:18: Bastian Thüne Du hast jetzt einige verschiedene Themen angesprochen, auf über die wir alle sehr lange diskutieren könnten. Ich würde es einfach noch mal kurz auf die Energiewende gehen. Momentan verursacht sie erst mal viele Kosten und viele Menschen in Deutschland sind deswegen auch unzufrieden und blicken dann vielleicht auch etwas neidisch auf die USA. Es kann aber auch sein, wenn sich das Ganze durchsetzt, dass dann Deutschland und Europa einen großen Wettbewerbsvorteil haben, weil sie halt die Transformation schneller vonstatten bekommen haben. Jetzt fand kürzlich die UN-Klimakonferenz COP 29 in Baku statt, kurz nachdem Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Der ist damals schon mal aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen und jetzt mit der Bevölkerung, die das teilweise ein bisschen skeptisch sieht, weil erst mal die Energiekosten teurer werden: Wie schätzt du das ein? Wie könnte es weitergehen, auch wenn es zum Beispiel die USA gar nicht mehr so hinterher sind hinter diesem Klimaabkommen oder gar aussteigen würden?

00:14:20: Achim Wambach Ja, also vielleicht zum ersten Punkt. Ich bin nicht so optimistisch, dass wir mit einer schnelleren Energiewende auf der Energieseite in Vorteil laufen. Energie wird teuer sein. In Deutschland ist Energie teuer und da laufen wir hinterher, weil andere Länder, selbst wenn die umstellen, bessere Möglichkeiten haben, erneuerbare Energien zu erzeugen. Deutschland hat auf Nukleartechnologie verzichtet. Andere haben die. Also wir werden kein Billig-Energieland sein. Deswegen, das ist kein Teil der Erfolgsgeschichte der Transformation. Wo aber Potenzial für Erfolgsgeschichten sind, ist in Technologien. Da sind wir, das habe ich eben erwähnt, Europa ist da führend in Materialien, also da, wo wir Humankapital reinstecken. Deswegen würde ich mich auch freuen, wenn wir mehr auf Forschung und Entwicklung setzen würden, weniger auf grüne Produktion, weil am Ende sind die sozusagen die Patente unser Wissen. Also man muss nicht alles in Patente fassen, aber dass wir da Marktführer sind, das ist das Entscheidende. Aber jetzt auf die Trump-Wahl, sagen wir zur Klimapolitik. Der europäische Emissionshandel, das europäischen Zement ist im Vergleich zum amerikanischen IRA, Inflation Reduction Act, ein gutes Stück effizienter. Also die Amerikaner werden, wenn sie es durchziehen, viel höhere Ausgaben haben, als die Europäer das haben. Allerdings ist die Frage, ob sie es durchziehen und Trumps Wahl lässt daran Zweifel aufkommen. Und ich glaube, dass wird noch nicht so richtig gesehen. Er setzt die europäische Klimapolitik unter massivem Druck. Und zwar haben wir ein Akzeptanzproblem. Also wenn in Europa wir weitermachen so wie bisher und Arbeitsplätze verlieren und dann sehen wir, die Amerikaner machen keine Klimapolitik, die Chinesen machen was, aber der Peak ist noch lange nicht da, das sind steigende Emissionen aus China, dann wird sich der europäische Wähler auch fragen: Warum machen wir das denn? Und zwar aus gutem Grund. Weil es macht natürlich keinen Sinn. Die EU hat sieben Prozent der Emissionen. Das macht Sinn, wenn man es gemeinsam macht, aber nicht, wenn man alleine da vorprescht. Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass wir die Klimapolitik noch mehr drauf achten müssen, die so effizient wie möglich zu machen, also so billig wie möglich. Dass es ohne Arbeitsplatzverlust geht, dass es mit Wachstum einhergeht, dass wir da auch Geschäftsmodelle entwickeln. Studien aus unserem Haus, auch aus anderen Häusern, zeigen die Kosten der Klimapolitik. Wenn man es effizient macht, sind diese zwischen zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt, des BIPs bis 2030. Bis dahin wächst das aber vermutlich noch so um die sieben Prozent. Also grünes Wachstum ist möglich, aber man muss es effizient machen. Und effizient heißt, meines Erachtens, den Zertifikathandel ernst zu nehmen. Der Neue, der kommt. Nicht dann darüber hinaus noch 1000 Regeln und jedes kleine Detail regeln, weil das sind dann die ineffizienten Teile. Das ist dann nicht mehr da. Emissionen einsparen, wo es am günstigsten ist, sondern da, wo die Politik gerade Regeln entlassen hat. Und das ist dann meistens teurer, als wenn man es dann über diesem Handel macht. Also insofern meine Lektion, auch jenseits der Wahl von Trump ist, noch stärker stark darauf achten, dass wir so effizient wie möglich machen.

00:17:29: Bastian Thüne Also marktwirtschaftliche Instrumente, Klimazertifikatehandel. Und dann können die Unternehmen selbst schauen, wie sie diese Wege erreichen, anstatt Vorgaben wie an Tag X Verbrenner-Verbot an Tag Y Kohle-Verbot.

00:17:42: Achim Wambach Genau oder jetzt Flottenziele. Ich will die nicht alle abschaffen, aber sie sind weniger notwendig geworden. Gut, der zweite Zertifikate-Handel, den gibt es ja noch nicht, der kommt erst auf europäischer Ebene. Und da ist auch die Frage, ob die Politik, die durchhält, weil wenn da die Preise sehr hoch sind, dann wird Benzin teurer und dann kommt das sehr stark bei den Menschen an, deswegen braucht das auch eine begleitende Sozialpolitik. Also es braucht begleitende Maßnahmen. Ist jetzt kein einfaches Rezept, was hier steht aber dann so Zusatzregeln wie sei es die Taxonomie oder halt auch ESG-Reporting, also dass man sich seine Lieferketten genau anschaut, wo man da welche Einsparung hat, dann steckt es in den Preisen drin. Jetzt ist Europa nicht allein in der Welt und man muss im internationalen Handel schon schauen, es gibt halt keine weltweiten Preise dafür. Also insofern spielt auch der Grenzausgleichsmechanismus in Europa eine wichtige Rolle. Und es macht doch schon Sinn, sich die Lieferketten anzuschauen. Aber man sollte diese Regeln abklopfen, im Hinterkopf wissen, dass wir diese Emissionszertifikate handeln. Und das fehlt im Draghi-Bericht. Und das glaube ich, ist fehlt in der Politik der Zeit: Die Regeln werden für sich entworfen, nachrangig zum Emissionszertifikate-Handel.

00:18:57: Bastian Thüne Jetzt hast das schöne Stichwort „Regeln abklopfen“ genannt. Und im Jahr 2023, also Ende des Jahres 2023, gab es das sogenannte Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse. Die Diskussion um die Auswirkungen haben uns das ganze Jahr begleitet. Und hier gibt es auch viele Diskussionen, inwiefern die Regel in Stein gemeißelt sein sollte oder ob Deutschland sich vielleicht doch etwas mehr verschulden sollte. Du hat es vorhin schon angesprochen. Je nachdem, welche Partei bei der nächsten Bundestagswahl die Regierung stellt, wäre es möglich, dass die Schuldenbremse ausgesetzt würde. Könnte sich das Deutschland leisten?

00:19:37: Bastian Thüne Ich hatte als die Diskussion so hochkam mit Kollegen Friedrich Heinemann, der hier den finanzwirtschaftlichen Bereich leitet, einen FAZ-Artikel gemacht zur Schuldenbremse. Es ist natürlich eine Illusion zu glauben, wenn man keine Schuldenbremse hat, dass man die Schulden beliebig machen kann. Also es gibt eine ökonomische Schuldenbremse im Sinne von, dann schießen die Zinsen hoch, ab dann greift die Instabilität. Die ist aber nicht so scharf. Man kann nicht sagen, die liegt bei 0,5 Prozent, bei 1 Prozent oder bei einer Schuldenlast von 100 Prozent. Da gab es eine Diskussion, ob da 90 Prozent die kritische Marke ist, aber die ist nicht so scharf. Deswegen ist es natürlich viel sichtbarer, wenn wir eine in Gesetz gemeißelte Schuldenbremse haben. Deutschland hat eine wichtige Stabilitätsfunktion, und die kommt schon zu kurz. Deutschland hätten die Eurokrise nicht überstanden, wenn Deutschland nicht finanzwissenschaftlich oder die Finanzen so stabil gewesen wären. Merkel hat auch deswegen die Schuldenbremse damals aktiviert, weil sie gesagt hat in der Finanzkrise könnt ihr euch drauf verlassen, dass wir als Staat zurückzahlen können und zwar nicht nur für Deutschland, sondern letztendlich auch für die europäischen Nachbarn. Der Euro ist die gemeinsame Währung. Das ist nicht eine deutsche Währung, die wir haben. Aber da gibt Deutschland die Stabilität. Allerdings glaube ich, würden auch die Verfechter der Schuldenbremse zustimmen, dass der Schuldenhaushalt in Deutschland mit 60 Prozent hat noch Luft. Also diese Stabilität kriegt man auch mit einer etwas erhöhten Verschuldung. Und wir sind halt jetzt in einer Transformation. Also ist die Schuldenbremse ist eigentlich geschaffen worden für ein Land, wo man sagt, es ist normales wirtschaftliches Handeln und in der Konjunktur darf ein bisschen mehr Schulden machen, wie das auch sinnvoll ist und zu guten Zeiten weniger. Es gibt Vorschläge, die zu erweitern. Ich bin ja wissenschaftlichen Beirat im Wirtschaftsministerium, da haben wir auch einen gemacht, ist diese „Goldene Regel plus“, dass man sagt, für Netto-Investitionen, also die normalen Investitionen, die sozusagen gerade das wiederherstellen, was wir schon haben, dass muss aus dem Haushalt kommen. Aber die Nettoinvestitionen, also das, was wir neu machen, das dafür sind Schuldenbremsen, da sollte man die Schuldenbremse aufweichen bzw das mit einbauen in diese Schuldenbremse. Die Schuldenbremse hat keine Antwort auf die Transformation. Wir haben halt jetzt einen starken Investitionsbedarf in Infrastruktur und der ist nicht Business-as-Usual. Also der geht darüber hinaus. Insofern gibt es schon Gründe, zum Beispiel einen gute Grund finde ich, ein Infrastrukturfonds aufzulegen, auch auf europäischer Ebene ein Wiederaufbaufonds, also der Ukraine-Krieg ist auch nicht Business-as-Usual, der dann schulden-finanziert ist Ich finde die Kritik, das ist das, was die Schuldenbremsen verteilt. Wir sagen aber dann schaut erst mal im Haushalt nach, wo haben wir den im Haushaltbedarf? Weil wir haben Riesenprobleme mit unseren Sozialausgaben. Die Rentenausgaben werden sehr stark steigen. Ich würde so was als Gesamtpaket sehen. Also der Haushalt kann, konsolidiert ist der falsche Begriff, den Haushalt abklopfen, wo haben wir Spielraum im Haushalt und so, dass auch der nachhaltig ist und dann diese Fonds auflegen. Wir selber haben ein Vorschlag gemacht, das ZEW, zur Zukunftsorientierung des Kernhaushalts, also dass man sich im Haushalt auch anschaut: Welche Ausgaben machen wir, die wegkonsumiert werden, und welche Ausgaben machen wir zum Beispiel für Bildung? Die haben eine klare Zukunftsorientierung. Und auch da könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass man, also wenn man anfängt über Fonds zu reden, und über die Schulden Schuldenbremse anzupassen, sagt Aber dann lasst uns auch den Haushalt anpacken, dass der mehr Zukunftsorientierung hat, das ist die große Sorge, dass wir konsumieren, was wir haben und es ist egal, was in fünf Jahren kommt. Also es ist natürlich keinem egal, aber Politik denkt den Wahl Zyklen der Wähler wird immer älter. Da gibt es schon eine Tendenz dazu das Geld auszugeben für Konsum und nicht für Investitionen.

00:23:36: Bastian Thüne Du bist für den Ansatz erst mal aufzuräumen, zu schauen, wo man Gelder einsparen kann, bevor ich dann sofort an die Schuldenbremse gehe und sag, man kann alles neu verschulden.

00:23:46: Achim Wambach Wir haben jetzt eine neue Regierung ab nächstem Jahr oder wir werden eine bekommen, die wird ein Gesamtpaket vorlegen. Also ich glaube, man wird das nicht sequenziell hinbekommen, sondern man braucht ein Gesamtpaket. Aber diese Paket-Diskussion, die sollte zu führen sein. Also im Haushalt ist einiges im Argen, so will ich es jetzt mal sagen. Die Transformation, die Haushalte, die wir haben, sind nicht ohne Investitionen zu führen.

00:24:13: Bastian Thüne Bevor wir jetzt auf die anstehende Bundestagswahl zu sprechen kommen, noch eine Sache, die sich dieses Jahr erfreulich entwickelt hat. Und zwar die Inflation hat sich jetzt so auf plus, minus zwei Prozent eingependelt. Und das ist ja auch die Zielmarke, die die Europäische Zentralbank vorgibt. Sind wir damit jetzt über den Berg oder müssen wir weiterhin vorsichtig sein?

00:24:36: Achim Wambach Die Frage ist wir, aber, wenn man jetzt sozusagen damit die Zentralbanken meint, also die EZB in Europa oder die FED in den USA, die von der ähnlichen Problematik steht, die würden sagen, wir sind noch nicht über den Berg. Eigentlich sehr schön, die Inflation, die durch die hohen Energiepreise, hohe Nahrungsmittelpreise reingekommen ist, ist jetzt wieder zurückgegangen. Aber jetzt kommen diese Zweitrundeneffekte. Und wenn man sich die Inflationsphasen der Vergangenheit anschaut, die schon etwas länger her sind, dann ist die Inflation zurückgegangen und wieder hochgegangen, dann ist der erste Impuls verarbeitet und dann kommen diese sogenannten Zweitrundenfaktor, der Preis-Lohn-Preis Spiralen, die dann einziehen. Und das schaut sich die EZB sehr genau an. Die Löhne sind relativ moderat gestiegen, aber sie sind gestiegen und insofern die ist noch nicht raus, diese Lohn-Preis-Spirale oder diese Zweitrunden-Effekte. Man sieht jetzt auch ein leichtes Anziehen, je nachdem wie man es interpretiert. Also nein, ich glaube, wir sind nicht über dem Berg. Die EZB und die FED sind da schon sehr aufmerksam. Ich würde es positiv formuliert. Wenn wir es schaffen, dass die Inflation jetzt weiter runter geht, wir sozusagen raus sind aus diesem inflationären Phase, die wir haben, dann war das eine echte Leistung der Zentralbanken, die Wirtschaft so zu steuern, dass wir dahin gekommen sind. Der schnelle Zinsanstieg der EZB, das hätte man vorher nicht erwartet, dass sie das hinbekommen ohne zu große Verwerfungen sind. Natürlich der Sektor ist eingebrochen. Also es ist schon so, dass das wirtschaftliche Verwerfungen mit sich bringt. Dass ist aber auch sozusagen, Sinn der Sache wäre der falsche Begriff, aber man muss auch die Wirtschaft abbremsen, damit die Preise und damit die Inflation nicht weiter steigt. Man muss sie nicht schrumpfen, aber man muss sie zumindest abbremsen. Also insofern ich würde sagen, über dem Berg sind wir nicht. Es ist jetzt als Wissenschaftler spannend zu beobachten, ob wir es hinbekommen, dass die wirklich jetzt so abflacht. Die Inflation, das wäre dann eine große Leistung.

00:26:37: Bastian Thüne Was sich quasi eingependelt hat oder was immer noch auf einem sehr hohen Niveau ist im Gegensatz zur Inflation, sind die hohen Fehlzeiten der Beschäftigten und dadurch auch hohe Personalkosten. Darüber beklagt sich auch die deutsche Wirtschaft. Würdest du ihr Recht geben?

00:26:55: Achim Wambach Ja, also es ist ein Thema, an denen. Herr Ziebarth arbeitet hier aus dem ZEW. Das ist eine spannende Phase für Wissenschaft. Für Wissenschaft ist alles spannend, wenn man der Wirtschaft ist, ist problematisch. Wir beobachten das und analysieren das. Also Herr Ziebarth hat interessante Arbeiten zum Beispiel gemacht, wie sich eine Grippeepidemie verbreitet, wenn man keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat. In den USA hat er dazu Studien gemacht, wenn man weniger Lohnfortzahlung hat. Es hat halt auch eine echte Wirkung. Man sieht das sehr schön in den Zahlen. Jetzt bei den Fehlzeiten der Beschäftigten ist es so, dass schon eine gewisse Sensibilität mehr da ist. Also man geht mit Erkältung seltener zu Krankheiten nach Corona. Da ist man sich mehr bewusst, dass man andere ansteckt. Allerdings ist das nicht der Hauptgrund für den Anstieg, den wir beobachten. Eine Sache, die sich geändert hat, ist, wie diese Tage erfasst werden. Die werden jetzt elektronisch erfasst und insofern ist es auch ein besseres Reporting. Also ein Teil dieses Phänomens kommt daher, dass wir jetzt einfach genauere Zahlen haben und es sehen, vorher haben wir es nicht gesehen in den Zahlen. Also insofern ist so ein bisschen Entwarnung aus der aus der Empirie da raus zu gebe. Es ist nicht nur ein reines die Deutschen werden alle kränker und gehen nicht mehr arbeiten.

00:28:19: Bastian Thüne Dennoch hat Deutschland einen hohen Krankenstand, wohl auch aufgrund der sehr großzügigen Lohnfortzahlung. Herr Ziebarth hat gesagt, dass das sogar mit die großzügigste der Welt ist. Er hat jetzt einen Reformvorschlag gemacht und er plädiert für Teilzeit-Krankschreibungen. Wie ist deine Meinung dazu?

00:28:37: Achim Wambach Ja, das ist interessanter Vorschlag. Andere Länder haben auch diese Teilzeit-Krankschreibung, die das da ermöglichen. Es setzt halt also auf die neuen Möglichkeiten noch an. Wir haben Homeoffice vor zehn Jahren gar nicht so diskutiert, wie wir das jetzt machen. Also natürlich sind dann auch andere Möglichkeiten da, zum Beispiel den halben Tag zu sagen, ich bin in einer Situation, dass ich eigentlich ganz gut einen halben Tag arbeitete, aber einen ganzen Tag schaffe ich nicht, so wie ich mich jetzt gesundheitlich befinde. Ich glaube, da ist die Diskussion noch nicht zu Ende. Was sind die Langzeitwirkungen, die man hat, wenn man diese Möglichkeiten hat? Aber das sind eigentlich empirische Fragen. Bei uns werden so Arbeitsthemen immer sehr emotional geführt. Man ist krank oder man ist gesund oder so was. Also lasst uns da ein bisschen auf die Daten schauen und gucken, wie ist die Sachlage und dann schauen, wie weit man solche Vorschläge implementieren kann. Ich glaube, was grundsätzlich am Arbeitsmarkt ist, der muss halt auch Schritt halten mit den neuen Entwicklungen. Und Homeoffice ist, macht er auch, auch so eine Sache, die vorher nicht so möglich gewesen ist. Und wie kann man das mit integrieren, auch in solche Regelungen?

00:29:47: Bastian Thüne Homeoffice bietet auch die Möglichkeit, die Ansteckungsgefahr zu verringern, indem ich kränklich von zu Hause arbeite, aber da niemand anstecke und auch selbst nicht so krank werde. Wenn dich jetzt die möglichen Wahlgewinner fragen würden, was sie ändern sollten nach der neuen Bundestagswahl: Welche wirtschaftspolitischen Prioritäten würdest du ihnen mit auf den Weg geben?

00:30:10: Achim Wambach Mit dem Zusammenbrechen der Koalition sind die Probleme nicht weggegangen. Und die Koalition ist, ich fand es schon, irgendwie vielversprechend gestartet, dass man sagt, wir müssen es hinbekommen, die Transformation mit der Marktwirtschaft und mit dem sozialen Ausgleich zu kombinieren. Das war die sozial-ökologisch Marktwirtschaft. Das war das Thema, was sie hatte. Und dafür standen die drei Parteien. Dann kamen die Krisen und das finde ich, haben sie auch ordentlich gemacht. Aber sie haben es nach der Krise nicht geschafft, sozusagen ihr Wirtschaftsmodell zu entwickeln, die sozial-ökologische Marktwirtschaft. Und ich glaube, das ist nach wie vor die Aufgabe, die sich auch die neue Regierung stellen muss. Also das erste ist: Es ist erstmal gut, dass wir eine handlungsfähige Regierung bekommen. Also es wäre gut, wenn wir eine bekommen und dafür sind die Wahlen sozusagen jetzt die beste Chance, weil die Regierung hat auch schon vorher mehr über die Öffentlichkeit kommuniziert als untereinander, hat man den Eindruck gehabt. Und es gab einen Wirtschaftsplan aus dem Finanzministerium. Ein Wirtschaftsplan aus dem Wirtschaftsministerium. Und das ist für mich ganz interessant. In den beiden Plänen steckt viel Vernünftiges drin, aber da steckten auch eklatante Widersprüche drin. Und wie kriegt man es hin, aus diesen beiden Strukturen einen kohärenten Wirtschaftsplan zu machen? Ein Beispiel will ich erwähnen oder zwei, wo man auch sieht, wo die beiden, glaube ich, beide aufeinander zugehen müssen. Das eine ist jetzt zur Klimapolitik. Der Emissionshandel ist das effiziente Instrument. Könnte man viel stärker drauf setzen. Während Habeck mit seinen Klima- und Transformationsfonds und den Förderungen für Stahl und Aluminium also doch auf Subventionsinstrumente setzt. Da könnte man mehr auf Marktinstrumente setzen, was Lindner mit seinem Vorschlag hat. Umgekehrt die Infrastruktur, die entsteht nicht durch den Markt. Da gibt es auch ein Streit zu: Tesla hat Ladesäulen selber aufgebaut, aber kriegt man so ein Wasserstoffnetz durch den Markt hin? Ich habe da meine Zweifel. Das muss sozusagen, da braucht man ein Investitionsprogramm, das fehlt im Lindnerschen Vorschlag. In dieser Form. Da denke ich, müssen die beiden aufeinander zugehen.

00:32:17: Achim Wambach Okay, dafür ist es zu spät, dass genau die Beiden aufeinander zugehen.

00:32:21: Achim Wambach Die beiden Pläne müssen aufeinander zurückgeführt werden für die neue Regierung.

00:32:25: Bastian Thüne Genau. Jetzt blicken wir noch mal in die Zukunft und als letztes politisches Thema: Die gesetzliche Krankenversicherung. Das ist auch ein Sorgenkind, sowohl in der Politik als auch in den Medien gerne behandelt. Du hattest jetzt mit unserem Kollegen Simon Reif einen Reformvorschlag zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erarbeitet. Was läuft eurer Meinung nach gut und was läuft aktuell eher schief im Gesundheitssystem?

00:32:53: Achim Wambach Ja, unser Gesundheitssystem hat im Moment spannende Zeiten. Wir haben dieses Krankenhausreformgesetz, das gerade durchgekommen ist. Die Krankenhauslandschaft wird sich ändern. Ein paar Gesetze sind hängengeblieben, wegen dem Zusammenbruch der Koalition, aber einige Gesetze auch zur Digitalisierung und Datenzugang. Also das sind schon spannende Zeiten. Wieder als Wissenschaftler spannende Zeiten, wenn man drin steckt können das auch unruhige Zeiten werden, die da auf uns zukommen. Aber auf die Frage zur GKV. Es ist eine Beobachtung, die allgemein an Charakter hat, die nicht nur die gesetzliche Krankenversicherung betrifft. Deutschland läuft hinterher in, ich würde sagen, in Themen, wo man einen langen Atem für haben muss, also Prävention zum Beispiel. Bei Innovation, also unsere Forschung ist schon klasse, die Umsetzung ins Gesundheitswesen, da hapert es an vielen Stellen. Digitalisierung ist ein ganz gutes Beispiel. Auch im europäischen Vergleich sind wir bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hintendran. Prävention auch im europäischen Vergleich hängen wir hinten dran. Auch Krankheiten, die man präventiv rausbekommen müsste, sind wir schlechter als unsere europäischen Nachbarn. Die These ist: Das sind doch alles Phänomene, wo man heute investiert und die Erträge erfolgen erst in die Zukunft. Bei Prävention gebe ich heute Geld aus, damit die Leute in zehn Jahren gesünder sind oder in 20 Jahren. Innovation bedeutet, dass ich jetzt investiere, damit ich in fünf Jahren, in zehn Jahren mit neuen Produkten Geld verdiene. Und gerade da hapert es. Und das ist eigentlich ein Ausdruck, dass unser Gesundheitssystem zu kurzfristig denkt. Das denkt nicht langfristig genug und zwar wirtschaftlich. langfristig. Also denken tun wir alle langfristig, aber ich muss wirtschaftliche Erträge langfristig erwirtschaften können. Politik hat mit ihren Wahlzyklen sowieso ihre eigene Kurzfristigkeit. Aber das ist in anderen Ländern genauso, zumindest in allen demokratischen Ländern. Aber unsere gesetzlichen Krankenversicherungen und das kommt jetzt auf den Vorschlag, die bekommen Geld auf einer jährlichen Basis. Da wird ausgerechnet, wie krank sind die Versicherten und so viel Geld bekommen die, dass die gut behandeln können für das nächste Jahr. Das ist aus so eine Versicherungslogik, wo man sagt: Das ist ein Versicherter, Ausgaben nächstes Jahr, dann kriegst du die erwarteten Ausgaben. Dann haben die Krankenversicherungen aber keinen besonderen Anreiz, zu sagen: Ich mach den gesünder das der dann in zehn Jahren gesund ist, weil – ob der in zehn Jahren jetzt gesünder ist oder kränker – wenn er krank ist, kriege ich mehr Geld. Ich habe auch mehr Ausgaben, aber es rechnet sich nicht ihn gesünder zu machen. Das wollen wir erreichen, dass es sich für die Krankenkassen rechnet, wirtschaftlich lohnt, es einen Deckungsbeitrag, erwirtschaftet ihre Versicherten langfristig gesünder zu machen. Im nächsten Jahr lohnt sich das durch die Struktur des Risikos, Struktur ist gleich, aber nicht in fünf Jahren oder sieben Jahren. Deswegen ist unser Vorschlag, dass man sagt: Gibt den nicht das Geld mit der Berechnung fürs nächste Jahr so ein, gibt Ihnen das Geld für die Berechnung der nächsten zehn Jahre. Ich schau mir den Versicherten an, wie krank ist der, so kriegst du die nächsten zehn Jahre dein Geld. Wenn du den aber jetzt gesünder machst und er muss weniger auf zum Arzt, dann hast du einen Vorteil daraus, weil du kriegst dieselbe Zuweisung als Krankenversicherer, aber du hast weniger Ausgaben. Also es lohnt sich dann, in die Gesundheit zu investieren.

00:36:02: Bastian Thüne Genau wie bei der Prävention, aber auch mit der Schuldenbremse sind immer wieder ähnliche Themen, wo es darum geht, inwiefern blicke ich in die Zukunft oder inwiefern schaue ich nur auf kurze Sicht. Jetzt wechseln wir mal zu dir. Bei dir gab es auch eine Neuerung in diesem Jahr Du wurdest im Herbst von der Bundestagspräsidentin Bärbel Baas in den Deutschen Ethikrat berufen. Ökonomische Expertise verbindet man eher selten mit Ethik. Magst du unseren Zuhörerinnen und Zuhörern kurz erklären, was du dort machst und wie Wirtschaft und Ethik zusammenhängen?

00:36:33: Achim Wambach Sehr gerne. Also zunächst der Ethikrat ist keine Kommission von Ethikern. Also das ist, wenn man sich wundert, dass da auch jetzt Wirtschaftsprofessoren da sind, sind auch Rechtsprofessoren da drin, weil nach dem Ethikrat-Gesetz hat der Rat die Aufgabe, die ethischen, gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen, medizinischen und rechtlichen Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften, die ihre Anwendung auf den Menschen ergeben. Also es geht nicht um die ethischen Fragen, sondern auch die weiteren gesellschaftlichen Fragen, die darüber hinausgehen. Was macht der Ethikrat? Also auf der Webseite sagt er, er beschäftigt sich mit den großen Fragen des Lebens. Machen wir auch in den Wirtschaftswissenschaften. Insofern fühle ich mich da sehr wohl drin. Aber ernsthaft: Der Ethikrat hat jetzt ein Gutachten gemacht über Klimagerechtigkeit mit der internationalen, der intergenerationellen und auch der innergesellschaftlichen Dimension zu den Herausforderungen durch künstliche Intelligenz. Was hat das für Auswirkungen? „Vulnerabilität und Resilienz in der Krise“, also das war zur Pandemie ein Gutachten und ich könnte mir auch vorstellen, also eine ganze Reihe von weiteren gesellschaftlichen Fragen, sei es rund um Migration und Integration, demographischer Wandel und Generationengerechtigkeit, Notwendigkeit der Verteidigungsbereitschaft sind ganz neue Themen. Die kommen auf die Gesellschaft zu. Was kann die Ökonomie dazu beitragen? Also die Ökonomie ist die Wissenschaft der Verteilung knapper Güter. Das wird auch im Gesundheitswesen häufig nicht so gesehen. Es geht immer um die Verteilung knapper Güter. Und da haben wir doch sehr viel dazu gelernt in der Ökonomie und sehr viel Methoden entwickelt, wie man solche Fragen beantwortet. Also wie man auf Verteilungsfragen eingeht? Da lohnt es sich schon anzuschauen bei einer Maßnahme, auf welche Gruppen der Gesellschaft sie wirkt. Wie berechne ich das? Nicht wie bestimme ich das? Wie gehe ich mit diesen Daten um? Viele dieser Themen sind Verhaltensthemen. Auch da hat sich in den letzten Jahren extrem viel gewandelt. Diese Verhaltensökonomie „Behavioral, Economics“, das sind viele neue Erkenntnisse zur Wirkung von Normen, zur Wirkung von Anreizen, von Informationen. Und die will ich in diesen Ethikrat reinbringen. Also das hat jetzt gerade erst angefangen, da muss man mal sehen, wie weit sich das entwickelt. Aber das ist das Schöne ist, da sind zum Ersten Mal Wirtschaftswissenschaftler drin. Und ich sehe schon unsere Aufgabe, auch die Methoden, die wir haben für die Beantwortung der Fragen des Ethikrats, diese mit hineinzutragen.

00:39:09: Bastian Thüne Vor allem alle Themen, die du genannt hast, werden auch bei uns im Haus bearbeitet wie Migration, Verteilung. Jetzt bist du nicht nur in den Ethikrat berufen worden, sondern hast auch die Herausgeberschaft für die renommierte Zeitschrift „Perspektiven der Wirtschaftspolitik“ übernommen. Was sind da denn deine Aufgaben? Das ist sicherlich auch spannend für die Zuhörerinnen und Zuhörer.

00:39:31: Achim Wambach Die Perspektiven der Wirtschaftspolitik ist die Zeitschrift des Vereins für Sozialpolitik. Das ist so was wie die deutsche Ökonomengesellschaft. Eigentlich ist es nicht deutsch, sondern deutschsprachig, weil Schweiz und Österreich sind auch mit dabei. Das ist die deutschsprachige Zeitschrift dieses Vereins, der die Aufgabe hat, eigentlich eine Brücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu schlagen. Und das würde ich den Zuhörerinnen und Zuhörern auch mal empfehlen, auf die Website zu gehen. Ab nächstes Jahr ist das alles Open Access, also alle Beiträge sind erhältlich. Wir bemühen uns da doch sehr, also zu sagen, woran arbeitet die Wissenschaft und was hat das für Implikationen? Die erste Zeile in der Zeitschrift ist immer: Was gibt es Neues in der Wissenschaft? Das ist auch ganz interessant zu sehen: Wer hat welche Preise bekommen? Was sind neuere Entwicklungen in der Wissenschaft? Also jetzt hat zum Beispiel gerade Ottmar Edenhofer die Thünen-Vorlesung, es war ein Preis des Vereins, gehalten. Und zur Klimapolitik, die ist jetzt da abgedruckt. Das andere ist aber dann aus der Wissenschaft Beiträge für die Wirtschaftspolitik, aber geschrieben für die Öffentlichkeit. Ich würde sagen ehemalige Redakteurin, die jetzt auch in der Wissenschaft verankert ist, Karin Horn, die die Texte sozusagen leserlich macht. Also Wissenschaftler sind nicht immer so leicht zu lesen. Das sind schöne Texte, die kann man sehr gut lesen und jetzt sollen neu], wenn wir jetzt Sonderhefte einführen, eins ist jetzt in der Mache zur Schuldenbremse. Also was sagt die Wissenschaft zur Schuldenbremse? Ein weiteres zur Industriepolitik, weil das ist jetzt das Schlagwort auf europäischer Ebene, und auch da machen wir ein Sonderheft zu. Also spannende Aufgabe, macht auch Spaß an diesen Themen zu arbeiten und lohnt sich für jeden, einen Blick mal reinzuwerfen.

00:41:10: Bastian Thüne Das klingt in der Tat sehr spannend. Vor allem habt ihr dann richtig brandaktuell Themen, also Industriepolitik wird auch immer mehr gefordert. Noch als allerletzte Frage Da hast du eben schon angesprochen den Verein für Sozialpolitik. Es gibt ja dann nicht nur ein Sonderheft zur Industriepolitik, sondern bei der nächsten VFS-Jahrestagung gestaltest du die Tagung zum Thema „Revival of Industrial Policy“. Welche Bedeutung hat denn das Thema Industriepolitik aktuell für dich?

00:41:39: Achim Wambach Das ist das Thema, das im Moment sehr stark en vogue ist. Wir haben große Aufgaben vor uns: Die Transformation der Wirtschaft, wir haben neue sicherheitspolitische Themen. Es fing an mit dem Lieferkettensicherheit, Sicherheit in der Coronakrise/- Pandemie. Aber auch jetzt die Sorge, dass in China die Grenzen dicht gemacht werden, die ist, die ist da und damit muss man umgehen. Und die Unternehmen gehen damit um, die reagieren darauf. Aber auch die Politik reagiert darauf. Und das läuft unter dem Schlagwort der Industriepolitik. Der Letta-Bericht, der ist für das Europäische Parlament. Ich glaube 60-mal erwähnt er Industriepolitik. Draghi hat den Begriff nicht so verwendet. Er sagt einfach: „New Industrial Strategy“. Also nicht die Politik, sondern die neue Strategie, die er hat. Und da sind eine ganze Reihe von Fragen, die sich stellen Was ist die neue Industriepolitik, was haben wir für Daten? Es gibt in der Wissenschaft auch eine neue Truppe von Leuten, die sich mit industriepolitischen Fragen auseinandersetzt. Wie interagiert die Industriepolitik mit Wettbewerbspolitik? Eine Kritik an der Industriepolitik ist: Man fördert meistens dann doch einzelne Unternehmen. aber das kann auf Kosten des Wettbewerbs gehen. Also Schlagwort ist diese European Champions. Das ist natürlich Industriepolitik. Ja, aber dann habe ich halt einen Champion und kein Wettbewerb mehr. Und wenn der auch noch staatlich gefördert wird, ist die Frage: Ist das eine gute Idee? Also man hört schon, das ist keine gute Idee, ist aber da ist Industriepolitik im Konflikt mit Wettbewerbspolitik und diese Linien auszuarbeiten, das wird Aufgabe der Kerntagung, der nächsten Jahrestagung im nächsten Jahr, also das ist eine sehr spannende Veranstaltung.

00:43:30: Bastian Thüne Ja, vielen Dank für die Ankündigung Und das klingt auf jeden Fall nach einer interessanten Tagung, die dann stattfinden wird und auch vielen Dank, dass du dir so viel Zeit genommen hast für uns und uns über alle möglichen Themen, die uns dieses Jahr beschäftigt haben, aufgeklärt hast. Es wird sicherlich auch im nächsten Jahr spannend werden. Dann noch mal vielen Dank, dass du da warst, Achim.

00:43:51: Achim Wambach Ja, Bastian, sehr gerne. Danke für die Einladung!

00:43:53: Bastian Thüne Danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn das der Podcast gefällt, freuen wir uns über eure positive Bewertung auf Spotify oder Apple-Podcasts. Habt ihr Fragen oder Anmerkungen? Dann schreibt gerne eine Mail an: podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf eure Zuschriften.

00:44:16: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Ein ZEW-Podcast.

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Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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