Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00:00:00: Nicolas Ziebarth: Wie man das in Deutschland macht, ist aber, und das sagen auch andere Experten, komplett der falsche Weg dafür. Also, wie du richtig sagst, ist es legal das zu konsumieren, aber du kannst das nicht legal kaufen und du kannst das auch nicht im Social Club beziehen. Wo kriegen wir denn dann das Cannabis her? Das fällt ja nicht vom Himmel, das ist natürlich ein Konjunkturprogramm für die Dealer und die Mafia oder die organisierte Kriminalität.

00:00:27: Wirtschaft, Forschung, Debatten – ein ZEW-Podcast.

00:00:34: Bastian Thüne Ja, seit 1. April ist Highlife in Deutschland angesagt: Zumindest bei Menschen, die gerne kiffen. Mit dem Cannabisgesetz wurde der Konsum legalisiert und das Thema ist aktuell in aller Munde. Deswegen betrachten wir heute die ökonomischen Aspekte der Legalisierung. Da Cannabis aber nur unter bestimmten Auflagen legal ist, erklären wir zuerst die Regeln. Erwachsene dürfen drei Cannabispflanzen daheim haben. Zudem darf jeder Erwachsene dann 50 Gramm Haschisch beziehungsweise Gras zu Hause haben oder 25 Gramm in der Öffentlichkeit. Es gibt ein Werbe- und Sponsoring-Verbot. Außerdem darf man nicht konsumieren in der Nähe von Kindern und Jugendlichen. Deshalb ist es auch in Fußgängerzonen nur legal von 20 Uhr abends bis 7 Uhr morgens. Auch in Sichtweite von Schulen, Kitas und Sportvereinen ist das Kiffen verboten. Es gibt allerdings noch ein paar Unklarheiten. Wie geht man mit laufenden Ermittlungsverfahren um? Was ist mit Arbeitsschutz, der Teilnahme am Straßenverkehr? Dazu wird aktuell im Bundestag debattiert. Solche Sachen sind momentan noch ungeklärt. Jetzt die wichtigere Frage für die Leute, die kiffen wollen: Wie kommen sie an Cannabis ran? Momentan erst mal nicht auf legalem Wege. Es gibt Anbauvereinigungen, sogenannte Cannabis Social Clubs. Da darf jeder, der älter als 18 ist, Mitglied werden. Die wird es aber erst im Juli geben und dann wird es so sein: Der Verein baut Cannabis an und darf sowohl Haschisch als auch Gras, Samen und Stecklinge an die Mitglieder abgeben, aber nicht verkaufen. Des Weiteren ist in den Clubs kein Konsum gestattet. Das Problem der Cannabis Social Clubs: Sie sind eher für Vielkonsumenten sinnvoll als für Gelegenheitskonsumenten. Da sind die Hürden relativ hoch. Aber über die ganzen Einzelheiten sprechen wir auch noch. Deswegen haben wir heute Nicolas Ziebarth als Gast. Er ist der Leiter im Bereich „Arbeitsmärkte und Sozialversicherung“ hier am ZEW. Außerdem hat er lange in den USA gelebt und ist dort Professor an der Cornell University. In den USA ist Cannabis ja in vielen Bundesstaaten schon seit längerem legal. Außerdem beschäftigt er sich mit dem Risikoverhalten. Deswegen wird er uns heute sicherlich einiges dazu erzählen können. Mein Name ist Bastian Thüne. Herzlich willkommen zum ZEW-Podcast, dem Podcast des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Hallo Nico, schön, dass du es heute geschafft hast.

00:02:59: Nicolas Ziebarth Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein.

00:03:02: Bastian Thüne Wir freuen uns auch. Kiffen hat nicht nur eine Sucht- oder Drogendimension, sondern es ist auch was Kulturelles. Es gibt viele Lieder übers Kiffen oder Filme, Hip-Hop-Stars. In welchem popkulturellen Zusammenhang findest du Kiffen am interessantesten?

00:03:21: Nicolas Ziebarth Es bin natürlich auch ein Kind der 80er und ein großer Film Kultfilm ist Lammbock, den ich sehr, sehr gern gesehen habe und auch die zweite Folge davon. Und dann in den Hip-Hop-Liedern, die ich auch viel gehört habe, zieht sich das natürlich durch. „I got high“ ist vielleicht eines der bekanntesten.

00:03:39: Bastian Thüne Ja, ist bei mir relativ ähnlich. Lammbock, und wie hieß der eine andere? Bang Boom Bang. Dr. Dre mit dem Cannabisblatt auf dem Albumcover. Snoop Dogg, der ja heute immer noch Hip-Hop macht und auch Werbung für Cannabis. Auch im deutschen Hip Hop war das ein Thema. Es gab die Bochumer Hip-Hop-Gruppe, die hieß RAG. Die hatte vor 25 Jahren den Track Westwind gemacht. Dort heißt es: „Chronischer Cannabinolmischer betitelt ein Rauschmittel selbst Odol ist alkoholischer“. Es gibt ja immer die Debatte, dass Leute, die gerne Alkohol trinken, sagen, dass Kiffen ganz schlimm ist. Und Leute, die gerne kiffen, sagen, dass Alkohol ganz schlimm ist. Wie ist es denn wissenschaftlich zu betrachten? Also der Stoff an sich.

00:04:18: Nicolas Ziebarth Ich glaub, da gibt es eigentlich den Konsens, auch von den medizinischen Experten. Natürlich ist der Konsum von Cannabis nicht ungefährlich und es gibt auch Evidenz, dass Psychosen ausgelöst werden können. Auf der anderen Seite gibt es auch viel Evidenz, gerade auch aus den USA, dass medizinisches Marihuana sehr wirksam sein kann: Bei vielen Erkrankungen, also auch gerade bei Anxiety, also auch bei Stress und bei Depressionen, zum Teil bei Veteranen, die aus dem Krieg zurückkommen, bei Schmerzpatienten, also da wird sehr viel mehr als hier auf die medizinische Wirkung gesetzt und da muss man sich jetzt genau überlegen, von wem man redet. Wir wissen auch, dass es, bei Jugendlichen, wenn das Gehirn noch nicht entwickelt ist, langfristige schädliche Wirkungen haben kann. Aber wenn wir jetzt von einem Erwachsenen reden ohne Vorerkrankungen, der das verantwortlich und aufgeklärt nutzt, gibt es jetzt keine starke oder keine Evidenz, dass das eine sehr schädliche Droge ist, muss man sagen, dass der Alkohol schon viel gefährlicher und auch das Suchtpotenzial viel höher ist. Also so würde ich die Literatur sehen. Und wir dürfen auch nicht vergessen: Wir haben zwar eine jahrhundertelange Prägung und Tradition, die jetzt sich auf den Alkohol bezieht, aber nicht so sehr zum Cannabis. Und offiziell haben in Deutschland drei Millionen Menschen eine Alkoholkonsumstörung; 1,4 Millionen Menschen betreiben Missbrauch und 1,6 Millionen Menschen sind abhängig. Da sieht man, was für ein Potenzial Alkohol hat. Dazu kommen ganz viele Auswirkungen von Gewalttaten und Kriminalität, die begangen werden unter Alkoholeinfluss. Die Schätzungen sagen 60.000 Todesfälle im Jahr in Deutschland sind darauf zurückzuführen. Also Alkohol ist schon eine starke Droge. Die Kategorisierung ist eigentlich, würde man insgesamt sagen, dass Cannabis nicht so gefährlich ist oder nicht so viele negative Auswirkungen hat wie Alkohol; im Vergleich zumindest.

00:06:17: Bastian Thüne Und ich komme selbst aus einer Weingegend und da ist es auch nichts ungewöhnliches, wenn man mit zwölf oder dreizehn Alkohol trinkt oder angetrunken auf einem Weinfest ist. Es ist eigentlich eine Sache, die nicht toleriert werden sollte. Aber kulturell ist es so gewachsen, dass halt viele Erwachsene Alkoholkonsum nicht schlimm finden, weil sie das selbst schon als Kinder und Jugendliche mitgemacht haben.

00:06:35: Nicolas Ziebarth Das war bei uns genauso. Da ist die gesamte Gesellschaft durchsetzt sozusagen, von dieser Einstellung. Das hat natürlich auch viele positive Effekte. Ich habe mein allererstes Forschungspapier zum Zusammenhang von Alkohol und Löhne geschrieben. Man kommt auch in Kontakt, man tauscht sich aus, es wirkt beschwingend. Also nicht alles ist schlecht am Alkohol und es ist ein Genussmittel, aber ich sehe es schon kritisch. Ich kenn es von mir: Ich komme aus einem Dorf bei Frankfurt. Da gibt es die Kerbeburschen. Das ist einfach ein Besäufnis auf Kommando und die fangen mit 14 Jahren an, und es ist auch legal in Deutschland, unter elterlicher Aufsicht, vor 16 zu trinken. Aber ich muss sagen, ich glaube mit 13 habe ich das erste Mal Alkohol konsumiert.

00:07:15: Bastian Thüne Und bei uns jetzt im Mainzer Umland in Rheinhessen gab es dann die Weinfeste, weil das war ja dasselbe.

00:07:20: Nicolas Ziebarth Das kann man jetzt noch sehen, wenn man hier in die Gegend geht zu den Dorffesten im Herbst und dann wird Weinschorle gemixt. Das ist dann irgendwie ein halber Liter und 3/4 davon ist Wein. Und da werden einige getrunken im Laufe des Tages: Wurstmarkt zum Beispiel. Und das ist, ein schönes Volksfest! Das ist, man kann es so nennen, ein gesellschaftliches Besäufnis, sowie das Oktoberfest natürlich auch.

00:07:47: Bastian Thüne Man kann auch kulturtheoretisch sagen, es ist einfach tradiert. Und wenn es in so einem Rahmen passiert, ist es in einem gewissen Maße auch in Ordnung. Es ist ja auch förderlich für die Gemeinschaft. Es gibt aber auch dann die unschönen Sachen, beispielsweise Fußballspiele, wo dann exzessiv Alkohol konsumiert wird, wo es dann zu Ausschreitungen kommt, zu Gewalt. Das ist dann weniger schön. Jetzt muss man natürlich sagen, die eine Droge ist irgendwie sehr legal. Man muss ja nicht den Fehler bei einer anderen Drogen machen. Es könnte ja sein, dass sowas auch irgendwann kommt. Das Gewaltpotenzial bei Kiffen ist, glaube ich, weniger hoch als bei Alkohol und man müsste auch noch mal trennen: Das körperliche und psychische. Also Alkohol ist ein Zellgift. Wenn ich jetzt kiffe, ist wahrscheinlich das Rauchen an sich für den Körper gefährlicher als diesen Stoff einzuatmen. Wenn du von medizinischem Cannabis sprichst, das wird in den USA wahrscheinlich nicht geraucht, sondern, ich weiß es nicht, als Tabletten oder als Getränk eingenommen?

00:08:38: Nicolas Ziebarth Das ist sowieso ein sehr guter Punkt, da kommen wir gleich später noch drauf. Da geht es auch um die Art der Legalisierung. Also die Amerikaner haben da wie immer vieles richtig gemacht, in Anführungszeichen, und sind dann All-in gegangen. Und da entwickelt sich natürlich eine große Industrie, die alle möglichen Formen des Cannabis entwickelt. Und weil sehr, sehr wenig Leute Tabak noch rauchen in Amerika, es ist wirklich verpönt und das gilt auch als Stigma und das macht man nicht, ist es nicht so, dass der Joint mit Tabak gemischt wird. Also entweder wird der pur geraucht, was natürlich extrem stark ist heutzutage. Was aber viel verbreiteter ist und wodurch dann auch ein viel höherer Konsum wirklich in die Breite der Gesellschaft geht, sind in Amerika sogenannte addables. Im Prinzip wird dann der Extrakt genommen und dann kann man Gummibärchen, irgendwie Schokolade, draus machen, ganz beliebt sind die Tinkturen, also so Tropfen, die man dann auf die auf die Zunge macht. Alle möglichen Arten und natürlich das Vaping, wo die pure Blüte einfach verdampft wird, also in einem Verdampfer geraucht wird. Also die Art des Konsums in Amerika, auch wegen der Legalisierung, ist ein ganz anderer und hat ganz viele Formen. Das kann man jetzt als positiv oder negativ sehen, aber die Art wie wir es machen in den Social Clubs in Deutschland führt im Prinzip dazu, dass es mit Tabak gemischt konsumiert wird, was natürlich dann auch wieder problematisch ist, weil wir wollen den Tabakkonsum seit Jahrzehnten runter reduzieren, gerade bei Jugendlichen. Und es wirkt natürlich kontraproduktiv, weil das ist natürlich auch ein Einstieg dann wieder in den Tabakkonsum ist, würde ich sagen.

00:10:24: Bastian Thüne Tabak gilt ja eh als Einstiegsdroge. Also die meisten Drogen, die Kinder und Jugendliche nehmen, sind ja Tabak oder Alkohol, vielleicht weil sie am einfachsten verfügbar sind. Aber zumindest sind das halt die Einstiegsdrogen und dann folgen möglicherweise auch noch andere später im Leben.

00:10:38: Nicolas Ziebarth Das ist richtig und ich glaube, das liegt aber auch daran, weil die legal sind. Und ich glaube schon, dass das eben auch eine Signalfunktion hat für Jugendliche. Da kommen wir wahrscheinlich auch zum Thema des Gesundheitsschutzes und des Schutzes von Minderjährigen. Ich glaube schon, dass es ein Signal sendet, wenn man das Kiffen legalisiert, dass die Jugendlichen dann denken ja gut, das ist legal, das kann ja so schlimm nicht sein. Und natürlich sind auch die Schwelle sinkt, es selbst zu konsumieren. Und das beste Beispiel ist eben Zigaretten, Tabak und Alkohol.

00:11:10: Bastian Thüne Da hast du ja auch eine Studie gemacht, dass da auch der Jugendschutz in einem gewissen Rahmen wirkt.

00:11:14: Nicolas Ziebarth Der wirkt in der Tat. Wir haben uns das in den USA angeschaut, es ist effektiv, aber natürlich diffundiert trotzdem was: Wenn mehr verfügbar ist, diffundiert natürlich trotzdem was zu den Minderjährigen, wo man es eigentlich nicht haben will. Also es ist wirksam, dass wir den Schutz haben und auch gut, dass man jetzt in der Nähe von Schulen und Parks und zu gewissen Uhrzeiten nicht kiffen darf. Man muss sehen, wie man das umsetzen kann und auch verfolgen kann. Das muss man abwarten, was das in Deutschland dann auslöst. Bis jetzt habe ich noch nichts festgestellt, dass hier jetzt überall alle auf der Straße kiffen. Also von daher schauen wir mal.

00:11:51: Bastian Thüne Wie ist das denn? Vielleicht kannst du da auch aus deiner Erfahrung in den USA berichten. Es wird jetzt was Neues eingeführt, eine neue kulturelle Tradition, also, dieses in gewissem Maße legal kiffen, kann man sich ja noch vorstellen, dass vielleicht irgendwie in hippen Werbeagenturen, dass es dann kein Feierabendbier gibt, sondern an der Weihnachtsfeier werden dann Joints ausgeteilt oder so.

00:12:11: Nicolas Ziebarth In den USA ist Werbung insgesamt verboten, muss man sagen, also man darf überhaupt keine machen. Da darf man keine Werbung machen für Arzneimittel, zum Beispiel. Im Fernsehen auch. Aber es gibt keine Werbung für Tabak, keine Werbung für Alkohol, nirgends, und auch keine Werbung für Marihuana. Auch nirgends. Und das muss man jetzt sehen. In Deutschland ist es verboten. Weiterhin halte ich es auch für sinnvoll, dass man das nicht noch über solche Wege anheizt. Aber in den USA ist die Bewerbung nicht erlaubt. Die haben das auch ein bisschen ähnlich wie in Deutschland, aber wieder verstärkt angefangen, auf Bundesstaaten-Ebene medizinisches Marihuana zu legalisieren. So ging es los und dann erst im letzten Schub kam das Recreational Marihuana, also für den Freizeitkonsum. Und ich glaube, die Amerikaner haben das in der Hinsicht richtig gemacht, dass die das den Bundesstaaten überlassen haben, die dann medizinisches Marihuana eingeführt haben und dann hatten wir sehr viele Jahre Zeit, Evidenz zum medizinischen Marihuana zu sammeln. Gleichzeitig muss man sagen, in den USA wurde das medizinische Marihuana, was ich auch für sinnvoll halte, viel barrierefreier abgegeben als hier in Deutschland. Also in Deutschland ist es wirklich extrem restriktiv. Da gibt es auch keine Kultur bei den Ärzten würde ich sagen. In den USA das andere Extrem: Manche hätten vielleicht gesagt, dass man für den therapeutischen Nutzen zum Arzt gegangen war und gesagt hat: „Ich habe bisschen Schlafstörungen.“ Da gibt es wirklich gute randomisierte Evidenz, dass es gegen Schlafstörungen hilft, zum Beispiel. Und dann hat das der Arzt verschreiben können. Also haben wir durch das medizinische Marihuana schon relativ viele Leute in dem Fall, die auch vielleicht die Tendenz dazu hatten und einige Probleme, bei denen man, wo das eingeführt wurde, mit medizinischen Marihuana helfen kann. Man hat die empirische Evidenz, dazu auch sehr gute methodologische Evidenz. Und da haben sich interessanterweise vor allen Dingen positive Wirkungen gezeigt. Die Einführung des medizinischen Marihuana in den USA ist dann einhergegangen, wirklich überzeugend, mit kausaler Evidenz, auch mit einem Rückgang an Selbstmordraten oder an Krankenhausanlieferungen zu bestimmten Diagnosen, auch in der Kriminalität in dem Bereich, also da waren überwiegend vielleicht überraschend für viele positive gesellschaftliche Auswirkungen. Und erst dann hat man sich gewagt, sozusagen im zweiten Schritt zu sagen, okay, jetzt können wir es auch den Freizeitkonsum legalisieren.

00:14:40: Bastian Thüne Weil sich die Politik gedacht hatte: Naja, so schlimm ist es nicht. Tatsächlich hat es sogar positive Auswirkungen, also können wir auch das dem Rest der Bevölkerung zukommen lassen.

00:14:48: Nicolas Ziebarth Genau, das ist jetzt meine Interpretation, aber ich würde sagen das ist auch nah an der Wahrheit. Die Abstufungen in Deutschland machen wir jetzt so. Im Prinzip ist aus meiner Interpretation die Lage so, dass wir sehr restriktiv das zu medizinischem Nutzen zugelassen haben. Gleichzeitig war es lange entkriminalisiert, das stimmt, aber trotzdem verboten. Und jetzt machen wir das Modell, dass wir auch sehr restriktiv in diesen Social Clubs abgeben. Aber das ist schon eine andere, ganz andere Art, würde ich sagen der Legalisierung wie in den USA.

00:15:22: Bastian Thüne Und auch anders als in den Niederlanden, wo jeder Erwachsene in die Coffeeshops gehen kann und es dort auch konsumieren kann. Jetzt ist ja das eine, und du hast ja gesagt, Recreational, also der Freizeitgebrauch. Freizeit gibt es nur, wenn man auch Arbeit hat, sonst kann man das nicht trennen, oder Schule. Was schätzt du, wie sich das auf die Arbeitskultur in Deutschland auswirken wird?

00:15:44: Nicolas Ziebarth Also da muss ich sagen, bin ich sehr skeptisch, dass das einen positiven Effekt haben kann. Also da müssen wir wieder unterscheiden zwischen medizinischen Indikation und, dass wir wirklich Leute haben, die das als Medizinprodukt oder als medizinisches Ersatz für Pharmazeutika nutzen, weil sie Angststörungen haben und so weiter und das verschrieben ist, dann ist es aus meiner Sicht okay, kann sich sogar positiv auf die Produktivität auswirken. Allerdings halte ich es für sehr problematisch: Das habe ich auch nie nachvollziehen können, wie Leute irgendwie tagsüber oder während der Arbeitszeit kiffen können und dann überhaupt ihre Arbeit produktiv erledigen können. Es gibt das, und das ist wahr, in den USA ist die Industrie so weit, dass es sehr viele Arten von Cannabis Blüten inzwischen gibt und verschiedenen Wirkungen. Trotzdem ist das für mich nicht so, dass ich mir vorstellen kann, dass die Firmen das auf großer Fläche tolerieren oder erlauben werden. Ich würde es vergleichen mit Alkoholkonsum. Also es war früher vielleicht so, aber auch heutzutage ist es, denke ich, nicht mehr förderlich. Also ein Bier in der Mittagspause für Handwerker mag, vielleicht noch hier und da okay sein, aber permanent den ganzen Tag Alkohol zu konsumieren ist, glaube ich, keine sinnvolle Idee. Und ich vermute mal, so ähnlich wird sich das beim Cannabis verhalten. Und ich denke auch, dass die Firmen dann entsprechend Leitlinien erlassen oder das umsetzen. In Amerika ist es auf jeden Fall so. In Amerika machen die Firmen verstärkt Drogentests auf, nicht nur Cannabis, aber auch andere Drogen, und verbieten das wirklich. Die dürfen während der Arbeit kein Alkohol, oder sogar auch Nikotin, und auch kein Cannabis konsumieren.

00:17:24: Bastian Thüne Ja, und dass mit Alkohol auf der Arbeit hat sich schon gewandelt. Wenn man jetzt so eine Serie wie Mad Men sieht, wo das in den Fünfzigern wohl normal war, dass dann mittags Whiskey getrunken wurde, das ist heutzutage aus Büros verschwunden.

00:17:35: Nicolas Ziebarth In der Regel schon. Manchmal findet man, wenn man auf Konferenzen nach Frankreich ist, gibt es nachmittags schon noch Wein. Aber, ob da jetzt jemand einen Joint raucht. Ich glaube nicht, dass das in den allermeisten Fällen förderlich wirkt, sondern eher negativ auf den die Motivation und auch die Produktivität am Arbeitsplatz. Also ich als Chef würde das hiermit streng untersagen, tagsüber schon ein Joint zu rauchen oder während der Arbeit.

00:18:03: Bastian Thüne Alkohol und Cannabis gehören auch nicht auf die Arbeit, weil das auch ziemlich viel Produktivität zerstört. Und gerade bei Alkohol merkt man es ja auch. Also wenn jetzt die Fastnacht war, dann sieht man schon, wie die Leute dienstags im Büro sitzen und dass das dann nicht die produktivste Woche des Jahres ist. Kommen wir jetzt noch mal auf ein anderes Thema zurück: Was ja auch so typisch deutsch ist, also diese Cannabis Social Clubs. Wenn man das zum Ersten Mal hört, denkt man, dass es wieder das richtig deutsche Bürokratiemonster mit tausend Regeln. Was hältst du davon? Oder was hält die Wissenschaft davon? Ist so was überhaupt sinnvoll?

00:18:38: Nicolas Ziebarth Ich glaube, es ist ein sehr restriktiver Ansatz, das zu legalisieren. Der Bundesgesundheitsminister hat ja aus eigener Auskunft immer gesagt, er war gegen die Legalisierung früher und hat jetzt seine Meinung geändert aufgrund der wissenschaftlichen Studien. Er ist ja auch Wissenschaftler und ich glaube trotzdem so ein bisschen Unwohlsein ist dabei gewesen, dass es, wenn man es auf die amerikanische Art macht, was auch umstritten ist meiner Meinung nach. Aus ökonomischer Sicht, aber aus empirischer Sicht, ist das eindeutig. Wenn man so legalisiert, wie die Amerikaner das machen, dann steigt natürlich die Nachfrage extrem und dann steigt auch der Konsum extrem und das geht durch alle Gesellschaftsschichten. Auf der anderen Seite sagt jetzt der Bundesgesundheitsminister, und er hatte auch recht, wenn man sich die Zahlen aus Deutschland anguckt, über die letzten Jahre seit 1995 gibt es diese, ist auch in Deutschland der Konsum durch alle Altersgruppen gestiegen. Deutlich. Also die Leute kiffen ohnehin mehr als früher. Dann ist sowieso die Frage will man es nicht gleich legalisieren, weil man dann diese unerwünschten Nebenwirkungen weg kriegt, dass die Leute kriminalisiert und stigmatisiert werden? Ja, wird auch Bürokratie wegfallen durch die Legalisierung? Auf der anderen Seite schafft man wieder neue Bürokratie durch die Clubs und die ganzen Vorschriften, die die haben. Man hält es aber trotzdem irgendwie so ein bisschen, in sehr engem Raum. Wie du schon gesagt hast, man muss sich da eintragen, registrieren unter Klarnamen. Wenn man regelmäßiger Kiffer ist, macht es Sinn. Aber jetzt kann man es nirgendwo kaufen. Das heißt, ich bin mir gar nicht sicher, da wäre ich jetzt zurückhaltend. Wie sich das auswirkt, muss man dann sehen. Es wird ja auch evaluiert werden auf die gesamte Bevölkerung. Ich glaube trotzdem, dass der die Nachfrage eindeutig steigt und der Konsum wird auch steigen. Das ist meine Einschätzung, aber nicht so stark wie in den USA. Und der Trend, weil wie gesagt ohnehin schon positiv, also das heißt es ist so eine Legalisierung im kleinen Stil, würde ich sagen, weil man wahrscheinlich Angst hat, dass sonst zu viel zu konsumiert wird. Das hat natürlich auch viele negative Auswirkungen, über die jetzt schon sehr viel diskutiert wurde. Da können wir gleich noch mal diskutieren, hier im Podcast. Eine Sache jetzt aus rein ökonomischer Sicht ist einfach und rein gehen da natürlich die ganzen positiven wirtschaftlichen Auswirkungen. Also in den USA ist eine sehr große Industrie entstanden.

00:21:02: Bastian Thüne Kannst du die ungefähr beziffern in Arbeitsplätzen?

00:21:05: Nicolas Ziebarth Die Gesamtindustrie hat auf jeden Fall – einen Moment, ich habe mir die Zahl sogar rausgesucht – die US-Industrie ist jetzt 43 Milliarden groß. Das ist eine große Nummer und es liegt eben an der Art, wie die Amerikaner das machen. Wie schon angesprochen, die gehen All-in, machen das richtig – in Anführungszeichen – und dann gibt es halt eine wirkliche Industrie, die für alle Altersgruppen und auch für Nichtraucher in Geschäften, Gummibärchen und alles bereithält. Und dann kann halt auch die Oma, das irgendwie in Plätzchenform zu sich nehmen und hat dann vielleicht Freude dran.

00:21:43: Bastian Thüne Also freie Marktwirtschaft einfach. Der Markt regelt es schon, irgendwie.

00:21:46: Nicolas Ziebarth Genau. Und das wird natürlich alles zertifiziert. Ja, aber da gibt es halt die ganze Produktpalette im Genuss und das wird eine große Industrie, die 43 Milliarden ist und da sind jetzt die neuesten Zahlen, die sagen fast eine halbe Million Beschäftigte. Also man sieht schon, also da gibt es dann natürlich auch Farmen, die dann entstehen, die können sich ja selber anbauen. Es gibt Leute, die es verkaufen in Shops und da hängen ja dann auch sehr viele, viele Jobs dran einfach und unter der wächst weiter der Markt. Es ist ja erst ab 18 Bundesstaaten legal für den Freizeitkonsum.

00:22:16: Bastian Thüne Wahrscheinlich gibt es dann auch Bio-Cannabis für bestimmte Zielgruppen.

00:22:18: Nicolas Ziebarth In den USA ist es im Übrigen so gemacht, dass Lizenzen vergeben werden und die werden dann von Farmern angebaut unter Auflagen und Bedingungen. Ich glaube das sogar. Die sind fast alle Bio und haben dann so Codes. Wenn du in die Geschäfte gehst, dann kannst du scannen. Es kommt aus Bundesstaat, aber man kann es im Prinzip scannen und es ist, aus welchem Platz der kommt. Und es wird dann in so eine Probe aus dem Labor getestet, dass keine schädlichen Stoffe drin sind oder das Cannabis versetzt ist oder Verunreinigung drin sind. Was übrigens ja auch ein riesen Anliegen vom Bundesgesundheitsminister war, dass man die Qualität hochhält.

00:22:51: Bastian Thüne Das habe ich auch schon öfters in Medien gelesen. Da werden dann, keine Ahnung, Blei oder irgendwelche Stäube reingemacht, die das beschweren, damit das dann mehr wiegt oder andere Ersatzstoffe. Und das ist ja nicht gesundheitsförderlich. Jetzt auch noch mal mit der Legalisierung. Ich persönlich weiß noch gar nicht, ob ich jetzt dafür oder dagegen bin. Wobei die Argumente aus den USA schon schlüssig klingen. Für mich ein Hauptargument wäre definitiv dieser Schwarzmarkt, also dass man die Drogenmafia da raushält. In Deutschland gibt es ja auch keine Drogenmafia in Bezug auf Wein, weil Wein oder Bier ist legal. Also Alkohol wird legal hergestellt. Da gibt es den Markt. Bis zum 1. Juli kann es noch kein legales Cannabis geben und auch dann müssen ja die Pflanzen erst mal wachsen, bis das dann legal an die Mitglieder verteilt wird. Ist es überhaupt möglich die Drogenmafia da rauszubekommen, mittelfristig? Oder wird das dann so wie in den Niederlanden, wo zwar die Coffeeshops geduldet werden, aber die dürfen es ja auch nicht legal einkaufen. Und letzten Endes hat das der Mafia enormen Auftrieb gebracht.

00:23:51: Nicolas Ziebarth Ja, ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Und es ist auch, glaube ich, der größte Kritikpunkt, auch zu Recht. Und ich weiß jetzt hier nicht, warum diese deutsche Art der Legalisierung gewählt wurde. Ist mir ehrlich gesagt unverständlich. Wer sich das ausgedacht hat und mit welchem Hintergrund. Es gibt auf der Seite vom Bundesgesundheitsministerium einen technischen Bericht, da wird auch die Evidenz zur Kriminalität zusammengefasst aus anderen Ländern. Und mir ist unerklärlich, wie man anhand der Evidenz auf diese Form der Legalisierung kommen kann, weil es explizit ein Ziel ist, den Schwarzmarkt auszutrocknen oder stark zu reduzieren. Das ist auch gelungen, in anderen Ländern. Wie man das in Deutschland macht, und das sagen auch andere Experten, ist komplett der falsche Weg dafür. Also wie du richtig sagst: Es ist jetzt legal das zu konsumieren und sogar relativ hohe Mengen irgendwie 50 Gramm zu Hause zu besitzen, das ist wirklich viel Cannabis. Aber du kannst das ja nicht legal kaufen und du kannst es auch nicht im Social Club beziehen. Wo kriegen wir denn dann das Cannabis her, bitte? Also das fällt ja nicht vom Himmel. Das ist ja natürlich ein Konjunkturprogramm für die Dealer und für die Mafia oder organisierte Kriminalität auch, aber vor allem für die Dealer. Die können problemlos 25 Gramm Cannabis dabei haben, das verkaufen.

00:25:09: Bastian Thüne Sich wieder 25 Gramm holen und du kannst den ganzen Tag verkaufen, ohne dass dir einer was machen kann.

00:25:13: Nicolas Ziebarth Und du verstärkst natürlich diese Strukturen des Schwarzmarkt und Handels und die dealen ja nicht nur mit Cannabis, sondern mit anderen Drogen auch. Und wenn man sich jetzt Expertenmeinungen anguckt, sind die alle meiner, oder nicht alle, aber ein Großteil sind wirklich der Auffassung, dass das ein Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität ist, und zu ganz vielen Folgeproblemen führt. Weil das ja verboten ist, müssen jetzt die Ermittler dann auch noch irgendwie Verbindungen ins Ausland und die Strukturen analysieren. Das heißt, die Einsparungen 225 Millionen, die entstehen sollen dadurch, dass man jetzt die Konsumenten nicht mehr verfolgt oder die Dealer, die werden jetzt wahrscheinlich überkompensiert, dadurch, dass man diese Art der Legalisierung gewählt hat. Es ist mir unerklärlich, warum man jetzt die Social Clubs erst im Juli starten lässt, also die Dreimonatslücke. Das ist jetzt vor allem ein kurzfristiges Problem und man muss dann aber auch langfristig sehen, ob über die Social Clubs die Nachfrage überhaupt bedient werden kann. Und da müssen wir sehen, ob das ausreicht. Ich bin da sehr, sehr skeptisch, also ob wir nur durch Eigenanbau in Social Clubs die Nachfrage und den Bedarf an Cannabis bedient bekommen. Und wenn das nicht so ist, dann geht es natürlich in Schwarzmarkt und in mafiöse Strukturen.

00:26:33: Bastian Thüne Es kann ja auch durchaus sein, dass manche Leute vielleicht gar nicht in diesen Listen auftauchen wollen, weil sie sagen, es sind exponierte Stellungen und sie möchte das nicht. Was ich mich gefragt habe: Wenn es jetzt bei der nächsten Bundestagswahl eine Regierungsänderung gibt, was ja durchaus sein kann, und das Gesetz zurückgenommen wird, wo wären wir dann?

00:26:54: Nicolas Ziebarth Also das ist eine gute Frage. Ich glaub ehrlich gesagt, wenn das erstmal eingeführt ist, wird sich auch eine Bundesregierung unter Führung der CDU/CSU das nicht komplett zurückdrehen. Das glaube ich nicht. Also es ist es ist schon eher eine Legalisierung, die auch für Konservative irgendwie akzeptabel scheint, weil es sehr restriktiv ist. Aber es bleibt da dieses Problem mit dem Schwarzmarkt. Also das eigentliche Ziel, was man ausgegeben hat, was fast so nicht erfüllt werden kann oder sogar kontraproduktiv ist. Aber ich würde mal sagen, dass auch eine konservative Regierung diese Legalisierung über den Social Club beibehalten würde.

00:27:31: Bastian Thüne Zumal ja dann auch noch im Bundesrat die Bundesländer zustimmen müssen. Und dann sind die Mehrheiten auch schnell wieder ganz anders. Man sieht es jetzt ja auch. Also wir werden sehen, wie das in Bayern ist. Sie wollen das ja sehr restriktiv auslegen, auch mit dem Konsum in der Öffentlichkeit, auch abends auf Volksfesten, wenn eigentlich keine Kinder mehr da sein dürften. Das müssen wir abwarten. Jetzt zum Schluss noch eine Frage. Du hattest ja ein Thema angesprochen, was erst mal sehr paradox klingt, dass Cannabis die Selbstmordrate gesenkt hat. Kannst du das vielleicht noch mal näher erläutern?

00:28:03: Nicolas Ziebarth Na ja, das ist eigentlich in der Literatur darauf zurückzuführen und da muss man sich jetzt als Sozialwissenschaftler, die wir sind, die Qualität der Studien angucken. Es gibt eine riesige Fülle an Studien und auch der angesprochene Bericht des Gesundheitsministeriums hat dann so eine Art Metaanalyse vorgenommen. Das heißt, sie wollen sehen, was sagt die Wissenschaft zu dem Thema. Und dann werden über Datenbanken mit Stichworten alle Studien, die überhaupt erschienen sind, dazu gesucht. Und dann kriegt man dann Hunderte von Studien und ganz viele Studien sind aber außerhalb der Ökonomie auch gemacht worden und sind in Zeitschriften erschienen, die zwar wissenschaftliche Zeitschriften sind, aber die von, sagen wir mal, unterer Qualität sind. Und dann ist es eigentlich wichtig, in so Metastudien, dass man unterscheidet zwischen der Qualität des methodischen Ansatzes und gerade in der Frage, dass man auf Kausalanalysen schaut und nicht nur auf statistische Korrelationen, weil es relativ klar ist, dass Menschen, die jetzt anderweitig vielleicht nicht den saubersten Lebenslauf haben, dass die wahrscheinlich Cannabis konsumieren. Wenn man das statistisch korreliert, kriegt man dann sehr viele negative Effekte raus. Das will man aber nicht und deswegen ist es wichtig, dass man auf die Qualität der Studien guckt. In der Ökonomie, der Gesundheitsökonomie und in der ökonomischen Literatur gibt es inzwischen eine sehr große Zahl von qualitativ hochwertigen Studien, die mit kausalen und quasiexperimentellen Methoden arbeiten. Und wenn man sich die anschaut, dann sind die Ergebnisse vielleicht überraschend, aber überraschend positiv. Allerdings, wie gesagt, das ist vor allem dann der Fall, wenn man sich die Einführung von dem medizinischen Cannabis anguckt. Und da ist der Mechanismus relativ klar, aus Gründen des Stigmas vielleicht. In den USA hat auch nicht jeder gut Zugang zu einem Gesundheitssystem oder hat hohe Selbstbehalte, und gerade gibt es auch einen Mangel, wahrscheinlich auch in Deutschland, an Psychotherapeuten. Und dann ist es so, dass viele Menschen, die jetzt vor allem mentalen Probleme haben, dass die nicht adäquat versorgt werden und therapiert werden. Und wenn sich jetzt die Möglichkeit öffnet zu medizinischem Marihuana, dann bekommen die halt Zugang zu dieser Art des Konsums, der vielleicht auch für viele angenehmer ist als so Pharmaka-Hammer. Aber im Prinzip gibt es wirklich randomisierte medizinische Studien, die die positiven Effekte nachweisen bei gewissen Indikationen, wie zum Beispiel insbesondere Schlafstörungen oder Angstzuständen und auch Schmerzen. Und das sind halt auch solche Indikationen, die auch viele junge Menschen leider dann auch zum Selbstmord, auch Ältere, zum Selbstmord verleiten. Und da gibt es sehr, sehr gute Evidenz wirklich, dass das medizinische Marihuana vielen dieser erkrankten Leuten, auch schwerkranken Leuten, helfen kann. Und das ist so der Treiber. Also es ist wirklich, aus meiner Sicht geht es vor allem auf die medizinische Behandlungsmethoden zurück, die man dadurch gewinnt und auch die, durch die in die Breite diffundieren.

00:31:23: Bastian Thüne Das ist eine günstigere Art der Therapie, wenn ich ansonsten nicht so einen guten Zugang habe und in Amerika ist es wahrscheinlich teurer, Spezialmedikamente zu beziehen als jetzt in Deutschland, wo doch vieles die Kasse übernimmt.

00:31:35: Nicolas Ziebarth Genau. Wobei auch hier gibt es einen Mangel an Fachärzten und es gibt immer noch das Stigma, dass Leuten mit psychischen Problemen oder auch einfach nur Stresssymptomen, oder Burnout, oder ein bisschen Schlafproblemen. Die Deutschen schlafen noch viel zu wenig, sind zum Teil überarbeitet, und das kann natürlich auch eine Art Selbstmedikation sein, wenn die sich abends statt jetzt das Weizenbier zu trinken, wenn die in irgendeiner Form, in Amerika kriegen die dann halt so Tropfen irgendwie auf die Lippe, und können sich entspannen und bisschen abschalten. Das geht über das gesamte Spektrum von leichten Problemen bis stärkeren Problemen, dann hat das schon einen Nutzen, der hier in Deutschland, glaube ich, so nicht gesehen wird und den wir auch noch nicht in der Form anwenden. Das ist schon wichtig. Man sieht auch relativ eindeutig, da gibt es sehr gute Evidenz, dass die Leute, die Marihuana konsumieren, jetzt im Freizeitverhalten, dass die weniger Alkohol trinken und weil wir wissen, dass halt Alkohol und vor allem das Bingedrinking, also das Rauschtrinken. Dass das viele schädliche Auswirkungen hat, auch im Straßenverkehr, Gewalt und so weiter kann man dadurch erklären, dass bei höherem Marihuana-Konsum diese ganze negativen Alkoholfolgen etwas abgedämpft und reduziert werden. Und es ist auch eindeutig, dass dort, wo das medizinische Marihuana und auch das freizeitverfügbare Marihuana legalisiert wurde, dass die Leute weniger verschreibungspflichtige Medikamenten nehmen. Gerade für solche Indikationen, die ich angesprochen hatte.

00:33:05: Bastian Thüne Also jetzt als Fazit kann man zusammenfassen: Drogen sind nie ganz komplett ohne Schäden zu benutzen, aber ein gelegentlicher Konsum ist jetzt nicht besonders schädlich und medizinisch hat Cannabis auf jeden Fall auch einige Vorteile, die man durchaus nutzen kann, oder? Was ja eine Art der Therapieform ist, wie du jetzt zum Beispiel gesagt hast: Abends ein Cannabis-Gummibärchen statt drei Weizen ist vielleicht sogar besser für den Körper in solchen Fällen.

00:33:34: Nicolas Ziebarth Genau, gibt es jetzt halt leider nicht in Deutschland dooferweise und die, die das konsumieren würden, sagen wir mal ein ältere Rentner oder so, wird sich jetzt wahrscheinlich nicht in den Cannabis Social Club eintragen und dann jeden Abend ein Joint rauchen, oder wer weiß, vielleicht doch. Aber ja, da steht uns halt die Art der Legalisierung ein bisschen im Wege. Aber im Prinzip ist das richtig zusammengefasst. Man muss natürlich immer einschränkend sagen, dass es bei Menschen, und das sagt ja auch die medizinische Wissenschaft, Psychosen auslösen kann, dazu gibt es Evidenz, vor allem, wenn zu viel oder zu starkes Cannabis konsumiert wird und vor allem, wenn junge Leute es konsumieren. Deswegen der Jugendschutz, also sagen wir mal unter 21, oder bis das Gehirn voll ausgebildet ist, kann es schon zu langfristigen Schäden und Störungen führen. Es gibt auch sehr gute Studien der Ökonomie, die zeigen, Beispiele aus den Niederlanden, so wie das dort gemacht wurde, und wenn Jugendliche Zugang haben, die dann jetzt kiffen und die kennen wir alle aus der Schule, dort gab es dann die Kiffer, die morgens schon eine Bong geraucht haben. Das waren in der Regel nicht die, die, die dann noch ein Einser-Abi gemacht und studiert haben. Das ist natürlich ein Problem, dass man, wenn zu früh angefangen wird, dass das wirklich die schulischen Leistungen nachhaltig beeinträchtigt, dass die Leute kein Bock mehr haben und auch krank werden und auch das sich das negativ auf den Arbeitsmarkt und die gesamte Laufbahn auswirkt. Aber wenn wir jetzt von gesunden Menschen ohne Vorerkrankungen, die informiert sind und vielleicht den Podcast hören, das ist ja die Mehrheit der Bevölkerung zum Glück, oder auch Menschen, die leichte Probleme haben und die das ausprobieren wollen, um sich selbst zu therapieren. Bei Schlafstörungen will ich jetzt nicht dazu aufrufen, aber zumindest in Amerika waren das die Leute, die die positiven Gesundheitseffekte getrieben haben.

00:35:23: Bastian Thüne Könnte man zusammenfassen, dass andere Legalisierung medizinisch sogar sinnvoller wäre? Und man könnte gleichzeitig überlegen, das Mindestalter vielleicht herauf zu setzen, dass man sagt, 21 wäre die bessere Zahl als 18.

00:35:36: Nicolas Ziebarth Das würde ich genauso sehen.

00:35:37: Bastian Thüne Genau, dann auch für Alkohol und Zigaretten.

00:35:39: Nicolas Ziebarth Genau, das würde ich genauso sehen. Also Cannabis hat halt noch das THC. Also es ist ähnlich wie Alkohol, aber anders als Tabak und hat andere Schäden. Aber THC wirkt natürlich auf die Entwicklung vom Gehirn und würde ich auch ein höheres Mindestalter empfehlen. Richtig, Man könnte jetzt auch den Ansatz wählen, wenn man schon das legalisiert, dass man dann wirklich auch über die medizinische Schiene bei Ärzten vielleicht noch mal nacharbeitet, dass es nicht so restriktiv wie bisher freigegeben wird und ich habe auch wirklich das Gefühl, das ist jetzt ein Bauchgefühl, dass in Deutschland die gesamte medizinische Ärzteschaft noch nicht so ganz überzeugt ist von der medizinischen Vorteilen. Obwohl wir randomisierte Studien haben, die das bei gewissen Indikationen eindeutig belegen. Die Amerikaner sind da weniger ideologisch, würde ich sagen.

00:36:30: Bastian Thüne In Deutschland dauert es ein bisschen länger, aber ich denke, die Generation an Ärzten, die jetzt ausgebildet wird oder die jetzt weniger als zehn, fünfzehn Jahre im Job ist, die wird es mitnehmen. Wahrscheinlich hat sich das dann in zehn Jahren auch erledigt. Aber es dauert bestimmt länger als jetzt in den USA.

00:36:44: Nicolas Ziebarth Genau, das ist eine gute Prognose der Entwicklung. Wir sind ja immer fünfzehn, zwanzig Jahre hinterher.

00:36:48: Bastian Thüne Gut dann. Vielen, lieben Dank Nico, dass du heute da warst.

00:36:52: Nicolas Ziebarth Danke Dir und danke allen fürs Zuhören, bis bald mein Lieber.

00:36:55: Bastian Thüne Wieder ein wenig Klarheit im verrauchten Diskurs und danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Bei Fragen oder Anregungen Schreibt gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf eure Zuschriften. Wirtschaft, Forschung, Debatten – ein ZEW-Podcast.

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Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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