Wirtschaft · Forschung · Debatten

Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00:00 - 00:00:21:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Das Arbeiten und Leben, das Zusammensein mit jungen Leuten war für mich immer das Wichtigste in meiner beruflichen Laufbahn. Das bewahrt einen vor Intoleranz. Man lernt andere Meinungen von jungen Leuten kennen. Man muss das ja nicht alles für sich selbst akzeptieren. Aber es lohnt sich immer zuzuhören und darüber nachzudenken.

00: 00:21:01 - 00:00:26:00

Intro:

Intro: Wirtschaft, Forschung, Debatten – ein ZEW-Podcast.

00: 00:32:00 - 00:01:25:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ein Standardwerk in Arbeitsmarktökonomie. 16 Jahre, Präsident des ZEW, 15 Jahre im Rat der Wirtschaftsweisen und vier Jahre sein Vorsitzender. Dazu unzählige Paper, Debattenbeiträge, Auszeichnungen. Professor Wolfgang Franz hat alles erreicht, was ein Ökonom erreichen kann. Doch auch wenn er schon länger im Ruhestand ist, verfolgt er aufmerksam alle Debatten. Diesen Monat feiert er seinen 80. Geburtstag und wir feiern mit ihm in der neuen Folge das ZEW Podcast. Gemeinsam blicken wir auf seine Zeit als Präsident des ZEW, als Arbeitsmarktforscher, als Wirtschaftsweise, aber auch als privaten Menschen zurück. Darüber hinaus plaudern wir auch ein wenig aus dem Nähkästchen des ZEW. Mein Name ist Bastian Thüne. Ich arbeite in der Kommunikation. Herzlich willkommen zum ZEW Podcast. Hallo Herr Professor Franz. Schön, dass Sie heute bei uns sind.

00: 01:25:01 - 00:01:28:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Also die Freude ist ganz auf meiner Seite und ich bedanke mich für die Einladung.

00: 01:28:00: - 00:01:38:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Sehr gerne. Sie stammen ja ursprünglich aus Nassau. Das ist ein Luftkurort in Rheinland Pfalz. Warum hat es Sie nach Mannheim verschlagen?

00: 01:38:01 - 00:01:56:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Ach, an Nassau erinnere ich mich kaum, denn da bin ich nur geboren. Ich bin dann aufgewachsen in Westfalen, habe dort Abitur gemacht und bin dann zum Studium, zur Promotion und Habilitation an die Universität Mannheim gekommen. Also insofern war mir Mannheim nicht fremd.

00: 01:56:01 - 00:01:59:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und können Sie sich da noch an Ihre erste Studentenwohnung erinnern?

00: 01:59:01 - 00:02:21:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Oh ja, sehr gut. Die war auch dem Lindenhof, und das hat sich so zugetragen, dass mein Vater einen Geschäftsfreund in Mannheim hatte und der hatte eine Tante, die Zimmerwirtin war und Zimmer vermietete. Und gerade war was frei, und so bin ich nach Mannheim gekommen. Wenn der Geschäftsfreund in Karlsruhe oder München gewesen wäre, wäre ich da gelandet.

00: 02:21:01 - 00:02:34:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ja, das sind die Zufälle, die manchmal so das Leben bestimmen. Sie gelten ja als Schüler von Professor Heinz König, der Gründungsdirektor des ZEW war. Wie war das damals für Sie, an das noch junge Institut zu kommen?

00: 02:34:01 - 00:03:05:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Na ja, der Abschied von Konstanz ist mir schon sehr schwer gefallen. Einmal die Landschaft und bei aller Liebe zu Mannheim – der Bodensee ist schon eine echte Attraktion. Und die Fakultät in Konstanz war hervorragend. Und dann kam natürlich auch hinzu das beklemmende Gefühl, ob ich die Herausforderung, ein so großes Institut zu leiten, auch meistern würde. Denn ich hatte da in Konstanz einen Lehrstuhl mit rund zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und das ZEW hatte damals schon 70 Leute.

00: 03:05:01 - 00:03:11:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und wie war denn der damalige Spirit? Oder was macht für Sie diesen ZEW-Spirit aus?

00: 03:11:01 - 00:04:18:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Also zunächst ganz allgemein; das Arbeiten und Leben, das Zusammensein mit jungen Leuten war für mich immer das Wichtigste in meiner beruflichen Laufbahn. Das bewahrt einen vor Intoleranz. Man lernt andere Meinungen von jungen Leuten kennen. Man muss das ja nicht alles für sich selbst akzeptieren. Aber es lohnt sich immer zuzuhören und darüber nachzudenken. Jetzt zum ZEW; was mich am meisten beeindruckt hat, war der Enthusiasmus der Leute, die hier schon arbeiteten. Insbesondere der der Gründergeneration, also beispielsweise Thomas Kohl, Georg Licht und ähnliche Leute. Und hinzu kamen immer die flachen Hierarchien im ZEW und auch der geringe bürokratische Aufwand. Also beispielsweise das ist ja heute noch so, dass die Verwaltung im ZEW nicht Verwaltung heißt, sondern Zentrale Dienstleistungen. Das hat damals der Thomas Kohl inspiriert und auch umgesetzt, und das zeichnet das ZEW aus.

00: 04:18:01 - 00:04:25:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Wenn das ZEW damals so Start-Up-Charakter hatte, haben Sie dann auch viel Privat unternommen, oder war das dann trotzdem getrennt?

00: 04:25:01 - 00:04:36:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Na ja, viel Freizeit habe ich nicht gehabt. Nicht nur die Tätigkeit als ZEW Präsident war sehr arbeitsintensiv. Hinzu kam ja noch die Tätigkeit im Sachverständigenrat.

00: 04:36:01 - 00:04:44:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Kommen wir noch mal auf Ihre Zeit als Präsident zurück. Was haben Sie in dieser Zeit besonders gut gemacht oder was ist Ihnen besonders gut gelungen?

00: 04:44:01 - 00:06:36:00

Wolfgang Franz:

Ja, das sollten eigentlich andere Leute beurteilen. Aber wenn Sie mich so fragen, fallen mir zwei Dinge ein. Einmal die Einwerbung eines Drittmittelprojekts von rund 10 Millionen Euro durch die baden-württembergische Landesregierung. Das war damals unter Ministerpräsident Oettinger. Der war hier und hat eine Konferenz abgehalten, an der ich teilgenommen habe. Und dann hat er mich hinterher zur Seite genommen und hat gesagt: „Wenn Sie mir ein Leuchtturmprojekt vorschlagen, könnte ich mir vorstellen, dass Sie 7,5 Millionen Euro bekommen.“ Also haben wir uns hier im ZEW herangesetzt und das sogenannte SEEK-Programm installiert. SEEK steht für Strengthening Efficiency and Competitiveness in the European Knowledge Economie. Und das war ein großer Erfolg, weil die Projekte, die dort bearbeitet wurden, erforderten, dass die ZEW‘ler irgendeinen einen Forscher oder Forscherin außerhalb des ZEW ins Boot nehmen mussten. Das war die Bedingung. Möglichst sogar aus dem Ausland. Das ist die eine Herausforderung, auf die ich ein bisschen stolz bin. Und die zweite Herausforderung ist die Gründung der damaligen IKT-Gruppe. IKT stand für Information, Kommunikation und Transformation. Und die heißt heute Digital Economy. Und das war eine langwieriger Prozess. Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, viele Alternativen geprüft und es war Erfolgsstory, wie wir heute sehen. Und das ist zurückzuführen auf die damalige und jetzige Leiterin Irene Bertschek, Professorin Irene Bertschek. Und wie gesagt, auf die Erfolgsstory bin ich auch ein bisschen stolz.

00: 06:36:01 - 00:06:57:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Jetzt haben Sie ja eben gesagt, dass sie dieses große Drittmittelprojekt hatten. Und das ist ja auch immer ein Spagat an einem Forschungsinstitut zwischen exzellenter Wissenschaft und dem Einwerben von Drittmitteln. In der Geschichte des ZEW gab es ja auch eine Zeit, da waren Sie überlebensnotwendig. Was ist denn ein gutes Verhältnis von Fördergeldern zu Drittmitteln?

00: 06:57:01 - 00:07:48:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Na ja, das war immer schon ein Spagat, der schwer zu lösen war. Einfach deshalb, weil die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler natürlich lieber an ihrer Dissertation gearbeitet haben, also einem Drittmittelprojekt. Und wir haben uns bemüht, durch zwei Maßnahmen da ein bisschen Abhilfe zu schaffen. Einmal, dass wir naturgemäß nur Drittmittelprojekte genommen haben, die wissenschaftlich anspruchsvoll waren. Und bei vielen dieser Drittmittelprojekte konnten die Leute auch, aus den Drittmittelprojekten ihre Dissertation schreiben. Und das zweite, wo das nicht so möglich war, haben wir versucht das zu kompensieren durch Freistellungen von der Arbeit bei voller Bezahlung. Und dann konnten die Leute auch ins Ausland gehen, was auch sehr stark in Anspruch genommen worden ist.

00: 07:48:01 - 00:07:52:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und hat sich das im Laufe der Zeit gewandelt hier am ZEW?

00: 07:52:01 - 00:08:32:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Na ja, ich halte mich da völlig raus. Aber ich kriege natürlich einiges mit. Und es gibt ja eine ganze Reihe von objektiven Faktoren, die darauf hindeuten, dass das ZEW sich sehr gut entwickelt hat. Einmal neue Forschungsfelder. Denken Sie an die Forschungsgruppe Marktdesign, oder Gesundheitsökonomik. Und zum anderen die glänzenden Evaluationen. Gerade in den vergangenen Jahren. 2023 hat das ZEW ja eine neue Evaluation über sich ergehen lassen müssen – durch die Leibniz Gemeinschaft und ist mit Bestnoten herausgekommen. Und das zeigt mir, dass das ZEW auf sehr gutem Wege ist.

00: 08:32:01 - 00:08:50:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und wenn wir jetzt wieder zurückgehen in Ihre Zeit als ZEW-Präsident. Da fielen ja auch die sogenannten Hartz Reformen. Das war die größte Arbeitsmarktreform seit Gründung der Bundesrepublik. Damals waren Sie in einigen Talkshows, etwa bei Sabine Christiansen. Wie haben Sie das erlebt?

00: 08:50:01 – 00:09:32:00

Wolfgang Franz:

Na ja, diese Talkshows waren meistens nicht vergnügungssteuerpflichtig. Einfach deshalb, weil man sich sehr gut vorbereiten musste. Dann, während der Talkshow, gab es ja dann andere Teilnehmer, die einen laufend unterbrochen haben. Und ich habe damals sogar noch ein Fernsehtraining bei einer Fernsehjournalistin mitgemacht, die mir wertvolle Tipps gegeben hat. Also beispielsweise denn wenn da jemand dauernd unterbricht, dass man sich nicht an denjenigen wendet, der unterbricht, sondern immer an die Moderatoren oder der Moderator und sagt: „Darf ich doch wenigstens diesen Satz noch zu Ende sprechen?“ Das hat meistens sehr gut funktioniert.

00: 09:32:01 - 00:10:00:00

00: Und während dieser Zeit haben sie ja auch einen Reformvorschlag für die Hartz Reform gemacht, der aber so nicht umgesetzt wurde. Im Jahr 2010 und genau an ihrem 66. Geburtstag schrieb die Bildzeitung dazu „Wirtschaftsweiser fordert Arbeitszwang für Hartz-4 Empfänger. Ist das irre oder ein politisch und wirtschaftlich sinnvoller Vorschlag?“ Wie gingen Sie mit dem Gegenwind aus der Öffentlichkeit um?

00: 10:00:01 - 00:10:48:00

Wolfgang Franz:

Na ja, das war damals ein Vorschlag des Sachverständigenrates zur Reform des Arbeitslosengeldes 2, wie das damals hieß. Und die Idee war, dass jemand, der Arbeitslosengeld 2 bekommt, dafür arbeiten muss. Und sonst wäre das Arbeitslosengeld 2 gekürzt worden. Das Problem dieses Vorschlags war natürlich: „Was machen wir mit Leuten, die trotz Bemühens keinen Arbeitsplatz finden?“ Und da haben wir sogenannte Arbeitsgelegenheiten ins Spiel gebracht. Und die Journalisten haben sich naturgemäß nur auf den Kürzungsvorschlag gestürzt und mich dann entsprechend kritisiert. Damit muss man leben, wenn man solche Vorschläge macht, dass das nicht immer glatt geht und man nur gelobt wird.

00: 10:48:01 - 00:11:10:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Das eine ist ja ein Gegenwind aus der Öffentlichkeit. Also durch die Medien oder Verbände. Andererseits braucht man in den Medien eher kurze allgemeinverständliche Sätze und Aussagen. In der Wissenschaft kann es aber dazu führen, dass dann die wissenschaftliche Reputation darunter leidet. Haben Sie einen Rat, wie Wissenschaftler damit umgehen sollen?

00: 11:10:01 - 00:12:03:00

Wolfgang Franz:

Auch die meisten Kollegen machen das eigentlich ganz gut. Man muss den Mut zu einfachen Worten, zu einer bildhaften Sprache haben. Man darf nicht denken: „Was könnten die Kollegen jetzt denken, weil ich ein Wort gebraucht habe, was nicht so ganz zutreffend ist.“ Also, um aus dem Nähkästchen zu plaudern, die Interviews mit der Bildzeitung haben mich am meisten Zeit gekostet. Das waren die Journalisten, die zum Teil promovierte Volkswirte waren. Inhaltlich waren wir nach fünf Minuten fertig und dann sagte der Kollege von der Bildzeitung: „Ja, jetzt müssen wir das in eine Sprache übersetzen, die unsere Leserinnen und Leser verstehen.“ Dann ging es los. Und das hat am meisten Zeit gekostet. Aber ich habe mich damit getröstet, dass die meisten Kollegen keine Bildzeitung lesen und wenn sie es tun, es nicht zugeben.

00: 12:03:01 - 00:12:07:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und damit haben sie dann weniger Kritik aus der Wissenschaft bekommen.

00: 12:07:01 - 00:12:25:00

Wolfgang Franz:

Also viele Kollegen haben die Fernseh-Talkshows gesehen, weil das nah war und ich habe aber keinen wissenschaftlichen Kollegen oder Kollegin getroffen, die mich dafür kritisiert haben. Die meisten haben gesagt: „Da hast Du dich aber gut geschlagen.“

00: 12:25:01 - 00:12:30:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Okay und das würden sie auch so den Jüngeren mitgeben. Einfach Mut und ausprobieren.

00: 12:30:01 - 00:13:14:00

Wolfgang Franz:

Ja, keine Angst vor den Journalisten. Also ich habe von Journalisten auch sehr viel gelernt. Das muss ich auch hinzufügen, insbesondere bei Namensartikeln in Zeitungen. Ich kann mich an einen Artikel erinnern, den ich - glaube ich - in der Welt geschrieben habe. Das war ein super Journalist, der hat den Artikel um die Hälfte gekürzt und es war genau das dagestanden, was ich sagen wollte. Also da gibt es so einfache Regeln; also beispielsweise, wenn man einen Artikel schreibt - den ersten Absatz den können Sie hinterher streichen. Da sagen die Journalisten da schreiben Sie sich warm, da fangen Sie an mit dem Thema: „Ja, also in der Öffentlichkeit wird diskutiert.“ Das ist völlig überflüssig. Das muss aus der Überschrift schon hervorgehen. Und so habe ich sehr viel von Journalisten gelernt.

00: 13:14:01 - 00:13:20:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ich glaube, da sind die Springer-Medien auch recht fit. Also die Sachen sehr komprimiert darzustellen.

00: 13:20:01 - 00:13:44:00

Wolfgang Thüne:

Ja, der erste Satz muss sitzen, dass die Leute überhaupt den Artikel lesen. Dass sie sich sagen: „Oh, das ist aber interessant.“ Und dann muss das Wichtigste schon im ersten Absatz stehen. Das ist ganz das Gegenteil, was bei der Wissenschaft ist. Bei der Wissenschaft kommt die Schlussfolgerung ja erst zum Schluss. Aber bei Zeitungsartikeln muss der erste Absatz eigentlich das Wichtigste enthalten, weil die meisten Leute nicht mehr weiterlesen.

00: 13:44:01 - 00:14:06:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Wir hatten ja ein kleines Vorgespräch geführt zu dem Podcast und da hatten sie mir erzählt, Sie wurden auch mit einer Familie in einer Talkshow konfrontiert, als es um die Hartz-Reformen ging. Das ist ja noch mal eine andere Sache, ob man einem Journalisten gegenübersitzt oder Betroffenen, die beispielsweise Nachteile haben durch eine Arbeitsmarktreform. Wie sind Sie damit umgegangen?

00: 14:06:01 - 00:15:11:00

Wolfgang Franz:

Ja, da hat mir dieses Fernseh-Training sehr viel geholfen. Das war die sogenannte Hartz-Familie. Die trat in verschiedenen Talkshow auf und da ging es damals um das Arbeitslosengeld 2, über was wir schon gesprochen haben. Und dann kam diese Hartz-Familie und hat ihr Elend geschildert, sodass den Zuschauern eigentlich die Tränen kommen. Und dann fragte mich die Christiansen: „Ja, Herr Franz, was sagen Sie denn nun als Wissenschaftler dazu?“ Und da darf man nie sagen: „Ja, ich verstehe Sie sehr gut, ihr Elend, ihre schwierige Situation.“ Denn das glaubt der Zuschauer nicht, sondern man muss sagen, und das habe ich dann auch getan: „Seit 20 Jahren forsche ich auf diesem Gebiet und forsche deshalb, um dieser Familie es mal einfach mal besser gehen zu lassen. Und genau das möchte ich auch machen.“ Und dann habe ich meinen Vorschlag noch mal präzisiert. Und hinterher hat die Frau Christiansen zu mir gesagt: „Da haben Sie sich aber toll aus der Sache heraus geredet.“

00: 15:11:01 - 00:15:22:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Die Medienarbeit war eine Sache und Ihre Arbeit hier als Präsident. Sie waren aber auch 15 Jahre Wirtschaftsweise. Was war denn das Spannende an dieser Tätigkeit?

00: 15:22:01 - 00:15:54:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Na ja, ich habe im Sachverständigenrat sehr viel gelernt, auch auf Gebieten, mit denen ich mich vorher überhaupt nicht beschäftigt hatte. Also Finanzmarktanalyse oder Umweltökonomik und konnte dann im ZEW mit diesen Kenntnissen glänzen. Das heißt also, wenn ich dann in den entsprechenden Forschungsabteilungen war, konnte ich eine Zeit lang mitreden. Ich meine, die Leute waren mir natürlich, was das Fachliche angeht, letztlich überlegen. Aber eine Zeit lang konnte ich mittelhalten, was ich so als ich von Konstanz ans ZEW kam, nicht gekonnt hätte.

00: 15:54:01 - 00:16:00:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und wie war Ihr Eindruck, dass der Rat jetzt von der Politik wahrgenommen wurde, oder die Sachen umgesetzt wurden, die Sie vorgeschlagen haben?

00: 16:00:01 - 00:16:53:00

Wolfgang Franz:

Na ja, wahrgenommen sind wir schon. Wir haben ja sehr viele Gespräche gehabt mit der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler und den Ministern. Und ich glaube, das war fast genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger als die Gutachten, die ja sehr umfangreich waren, von den Leuten kaum gelesen wurden. Was die Umsetzung der Vorschläge, die wir gemacht haben, angeht, so war das Problem immer einen Zurechenproblem. Denn diese Vorschläge, die wir gemacht haben, wurden ja auch von anderen Institutionen gemacht. Beispielsweise der Deutschen Bundesbank, von Forschungsinstituten, von Wissenschaftlern. Und kein Politiker sagt: „Ich habe jetzt hier einen tollen Vorschlag, und den greife ich vom Sachverständigenrat auf.“ Das machen die Politiker so, dass sie sich das auf ihre eigenen Fahnen schreiben, was ja auch verständlich ist.

00: 16:53:01 - 00:17:13:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Sie wollen ja wiedergewählt werden. Wenn wir jetzt mal bei der Politik bleiben, da gibt es ja durchaus auch absurde Sachen, insbesondere im Steuersystem. Jetzt hat mir eine Kollegin verraten, dass sie diese auch sehr interessant fanden. Welchen Sachverhalt in diesem ganzen Steuersystem finden Sie denn bis heute am skurrilsten?

00: 17:13:01 - 00:18:45:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Ja, ich kann Ihnen gerne mein Lieblingsbeispiel dafür sagen, muss allerdings vorausschicken, dass ich nicht weiß, ob das heute noch gültig ist, ob die Steuergesetzgebung sich dahingehend geändert hat. Wir hatten ja unlängst die Adventszeit und da war damals die Regelung bei der Mehrwertsteuer, dass Adventskränze, die mit trocknen Blumen geschmückt waren, mit 19 Prozent besteuert wurden. Wenn der Adventskranz aber frische Blumen hatten, war der Mehrwertsteuersatz 7 Prozent. Und jetzt kommt eigentlich das Skurrilste an der ganzen Sache. Da gab es einen Erlass des damaligen Bundesfinanzministers, in dem stand, dass das Begießen von trockenen Blumen nicht dazu führt, dass diese Blumen jetzt als frische Blumen gelten und der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 7 Prozent sank. Also so ein skurrile Sache. Ganz allgemein waren bei der Umsatzsteuer so viele skurrile Ausnahmetatbestände. Ich erinnere mich an getrocknete Schweineohren. Ob die zum Verzehr bestimmt waren oder nicht zum Verzehr bestimmt haben. Das war damals auch unterschiedlich besteuert. Aber nochmals ich weiß nicht, ob das heute noch so ist, aber das war damals immer der Renner für skurrile Ergebnisse bei der Steuergesetzgebung, die der Sachverständigenrat ausgegraben hat. Und zwar ein Kollege, der Wolfgang Wiegard. Der war für Finanzpolitik der Zuständige im Sachverständigenrat. Der hat das in mühevoller Kleinstarbeit alles ausgegraben.

00: 18:45:01 - 00:19:03:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und man kann sich das auch nicht vorstellen, wie Steuerprüfer durch Blumenläden gehen und gucken, ob dann die Blumen oder die Weihnachtskränze noch mal gegossen werden. Sie haben ja sehr viel gearbeitet und hatten wahrscheinlich wenig Freizeit. Was haben Sie denn zum Ausgleich gemacht?

00: 19:03:01 - 00:19:42:00

Wolfgang Franz:

Na ja, ich habe ein bisschen Sport gemacht – Joggen. Ich bin gerne ins Theater in Mannheim gegangen. Das Nationaltheater, war eine Perle hier in Mannheim. Nicht nur Theater, die Schauspieler, auch die Oper-Aufführungen. Ich habe viel gelesen. Na ja, und wie gesagt, nach meiner Pensionierung bin ich dann viel gereist; habe eine Kreuzfahrt nach der anderen gemacht, mit der Maßgabe, dass ich mir gesagt habe: ; „Mach die Kreuzfahrten alle jetzt, du weißt nicht, wie es in fünf oder zehn Jahren gesundheitlich mit dir aussieht.“ Und genau so ist es ja gekommen. Ich habe jetzt eine Gehbehinderung und kann solche Kreuzfahrten kaum noch machen.

00: 19:42:01 - 00:19:48:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Sie können sich an einige schöne Kreuzfahrten erinnern. Was war denn Ihr Highlight bei diesen ganzen Kreuzfahrten?

00: 19:43:01 - 00:20:15:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Highlight war eine längere Kreuzfahrt von sechs oder acht Wochen. Die startete in Venezuela in Caracas. Dann ging es durch den Panamakanal. Ecuador, Chile mit Machu-Picchu-Besuch und dann rüber zu den Osterinseln, dann nach Tahiti, Bora Bora und dann verschiedene Inseln da in den Pazifik und bis nach Auckland in Neuseeland.

00: 20:15:01 - 00:20:19:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Und das war auch ihre Lieblingsgegend in der Welt?

00: 20:19:01 - 00:20:47:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Das war das Highlight. Meine erste Kreuzfahrt war eine Ostsee Kreuzfahrt, eine relativ kurze zehn oder elf Tage. Das war meine erste Kreuzfahrt. Ich wollte das auch mal kennenlernen und mich vergewissern, ob ich das überhaupt mag so eine Kreuzfahrt. Und das war eine tolle Kreuzfahrt. Es ging in Kiel los, dann Stockholm, Helsinki, Leningrad, Danzig. Das hat mir sehr gut gefallen und auf dem Schiff habe ich gleich schon die nächste gebucht.

00: 20:47:01 - 00:21:02:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Da haben Sie dann viel erlebt. Nachdem Sie arbeitsmäßig schon viel erlebt hatten. Und wenn wir jetzt ein paar Jahrzehnte zurückgehen, da waren Sie ja einst ein junge Nachwuchswissenschaftler. Jetzt mit ihrer ganzen Lebenserfahrung, was würden Sie heute dem wissenschaftlichen Nachwuchs raten?

00: 21:02:01 - 00:21:42:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Ach das ist schwer zu sagen. Ich habe großes Vertrauen zu den jungen Leuten, die ich hier am ZEW kennengelernt habe. Die werden ihre Zukunft schon meistern. Meine Erfahrung ist, dass in meinem Leben der Zufall eine sehr, sehr große Rolle gespielt hat. Welche Leute lernt man kennen? Welchen Arbeitsplatz nimmt man ein? Und der bestimmt das Leben. Und wenn man sich überlegt, was waren eigentlich signifikante Momente, wo man sich entscheiden konnte oder sagen konnte ja, da hätte ich mich auch anders entscheiden können. Das sind eigentlich ganz wenige Ereignisse und deshalb rate ich zu Optimismus und Vertrauen auf den Zufall.

00: 21:42:01 - 00:22:10:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Definitiv. Ich denke, es wird heute viel zu viel von Planbarkeit geredet. Dabei ist der Zufall einfach wichtiger; auf der Konferenz gewesen zu sein, in dem Ort geboren zu sein, in einen anderen Ort zum Studieren zu kommen, wo dann irgendwas gefördert wird, was man vorher noch gar nicht wusste. Jetzt haben Sie in Ihrem Leben ja sehr viel erlebt und wahrscheinlich alles erreicht, was ein Wissenschaftler erreichen kann. Gibt es denn noch einen Wunsch, den Sie sich noch erfüllen möchten?

00: 22:10:01 - 00:22:22:00

Wolfgang Franz:

Wolfgang Franz: Auch in meiner Altersgruppe hat man nicht mehr viele Wünsche. Aber wenn Sie mich so fragen, beziehen sich Wünsche natürlich auf die Gesundheit. Und dann würde ich ganz kurz und bündig sagen; weiterhin guter Schlaf und gute Verdauung.

00: 22:22:01 - 00:22:59:00

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Okay, das ist ein sehr schönes und zutreffendes Schlusswort. Dann vielen lieben Dank für das Gespräch, Herr Professor Franz und auch noch mal alles Gute zum Geburtstag. Es hat uns sehr gefreut, mit Ihnen über Ihr Leben und Ihr Wirken zu sprechen. Danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn euch der Podcast gefällt, freuen wir uns über eure positive Bewertung auf Spotify oder Apple Podcasts. Habt ihr Fragen oder Anmerkungen? Dann schreibt gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf eure Zuschriften.

00: 23:03:00 - 00:23:10:11

Outro:

Outro: Wirtschaft, Forschung, Debatten - ein ZEW Podcast.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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