Wirtschaft · Forschung · Debatten

Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00:00 - 00:00:30:22

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: wo es noch einen positiven Lichtblick gibt, ist, dass die Forschung zeigen konnte, dass wenn Migrantinnen und Migranten nach einer Zeit im Ausland zurückkehren in ihre Heimatländer, dass sie dann dort auch häufig Innovationen anstoßen und eben auch wiederum internationale Kontakte mitbringen usw. und das eben einen positiven Effekt haben kann auf die Heimatländer, wenn die Personen wiederum zurückkehren.

Intro:

Intro: Wirtschaft Forschung Debatten ein ZEW Podcast.

00: 00:30:24 - 00:01:00:05

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Warteschlangen an Flughäfen. Stellenausschreibungen in vielen Schaufenstern. Unternehmen, die ihre Aufträge nicht abarbeiten können. Der Mangel an qualifizierten, aber auch an weniger qualifizierten Arbeitskräften ist aktuell eines der gesellschaftlichen Themen. Und wenn in wenigen Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird sich das Problem zusätzlich verschärfen. In Wirtschaft und Politik werden deshalb die Rufe nach Zuwanderung immer lauter. Aber ist das wirklich die Lösung?

00: 01:00:07 - 00:01:36:18

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: In der aktuellen Folge des ZEW Podcast geht es darum, wie sich Einwanderung auf die EU Arbeitsmärkte auswirkt. Darüber spreche ich mit der ZEW Arbeitsmarkt Expertin Dr. Katrin Sommerfeld. Sie arbeitet im Bereich Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen. Außerdem leitet sie seit 2019 die Nachwuchs Forschungsgruppe Integration von Migranten/innen und Einstellungen zum Sozialstaat. Wir blicken darauf, wie es um Integration in die europäischen Arbeitsmärkte steht und ob mehr Zuwanderung hilft, den Fachkräftemangel zu beheben.

00: 01:36:20 - 00:01:54:40

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Mein Name ist Bastian Thüne. Ich arbeite in der Kommunikation. Herzlich willkommen zum ZEW Podcast. Hallo Katrin, schön, dass du da bist.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Hallo Bastian!

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Aktuell reden gefühlt alle über den sogenannten Fachkräftemangel. Du sprichst aber lieber von Arbeitskräfteengpässen. Wo genau liegt da der Unterschied?

00: 01:54:40- 00:02:32:19

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Der Begriff Fachkräftemangel suggeriert ja, dass wir nur Fachkräfte suchen würden, also Leute, die eine bestimmte Berufsausbildung oder Studium vorweisen. Und dem ist aber nicht so, sondern auch Personen ohne eine Form der Ausbildung werden ja in manchen Bereichen gesucht und deshalb ist es eben breiter als nur auf Fachkräfte konzentriert. Und der Begriff Mangel – ist der zweite Kritikpunkt – suggeriert, dass es eine bestimmte Zahl an Beschäftigten braucht. Und die können wir in Zukunft nicht mehr erreichen, weil eben die Babyboomer in Rente gehen.

00: 02:32:21 - 00:02:59:05

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und so einfach ist es eben auch nicht – also es gibt ja keine fixe Zahl X, sondern die kann sich anpassen auf Seiten der Unternehmen und wie viel Bedarfe sie haben. Und auch auf Seiten der Personen, die bereit sind zu arbeiten, kann sich ja auch was tun, weil es vielleicht Personen gibt, die bei aktuellen Lohn- oder Arbeitsbedingungen nicht bereit sind zu arbeiten, aber sich das auch ändern kann.

00: 02:59:07 - 00:03:15:00

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Andere Faktoren wären zum Beispiel Kinderbetreuung oder andere Sachen, wo eben Leute auch noch in den Arbeitsmarkt reinkommen würden, wenn die Bedingungen sich ändern würden. Und deshalb ist der Mangel nicht so absolut. Und das soll der Begriff Engpass zum Ausdruck bringen.

00: 03:15:01- 00:03:50:01

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Gut, du hast es jetzt eben schon angesprochen mit den sogenannten Babyboomern, also die geburtenstarken Jahrgänge, die werden demnächst in den Ruhestand gehen. Und laut des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, also kurz das IAB, soll das Erwerbspersonen Potenzial, also die Menschen, die theoretisch in Deutschland dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könnten von knapp 46 Millionen bis zum Jahr 2060 um 5 Millionen schrumpfen. Wie groß schätzt du denn das Problem des demografischen Wandels ein?

00: 03:50:02 - 00:04:22:14

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also nehmen wir mal einen bestimmten Bestand an Erwerbspersonen, die wir heute haben. Der wird eben weniger werden aufgrund der demografischen Struktur in Deutschland. Und da müssen wir eben mobilisieren. Also wenn wir auf diesem Niveau weiter produzieren wollen, in Deutschland, brauchen wir eben entsprechend viele Beschäftigte, um das jetzt zu kompensieren. Und dazu gehören zum Beispiel mehr Frauen, die eine Beschäftigung aufnehmen sollten oder die wir dafür benötigen. Zum Beispiel mehr Personen, die von Teilzeit in Vollzeit wechseln.

00: 04:22:14 - 00:04:53:10

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und wir brauchen auch mehr Zuwanderung. Und wir gehen aber davon aus, dass das alles zusammen immer noch nicht reichen wird, um auf die gleiche Summe an Erwerbspersonen zu kommen, wie wir sie heute haben. Und das ist ja aber auch gar nicht so fix, sondern die Unternehmen können ja auch ihre Produktionsfunktion anpassen. Das heißt, sie können ja auch Teile der Produktion automatisieren, digitalisieren und dann braucht es weniger Beschäftigte.

00: 04:53:12 - 00:05:21:06

Dr. Katrin Sommerfeld:

Ich würde es gern mal an einem Beispiel klar machen: Wenn wir uns also einen Bereich klar machen, wo viel gesucht wird, ist ja Servicepersonal in der Gastronomie. Also stellen wir uns ein Restaurant vor, was händeringend jetzt ein Kellner oder Kellnerin sucht. Wir wissen ja auch, dass das nicht immer klappt und deshalb schon Restaurants schließen müssen. Da ist eben also die eine Möglichkeit, wie gehabt in Kellner oder Kellnerin einzusteigen.

00: 05:21:06 - 00:05:48:08

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und wenn man keinen findet, dann würde man vielleicht argumentieren, dann muss vielleicht der Lohn höher gehen oder die Arbeitsbedingungen besser werden. Weniger bzw. kürzere Arbeitszeiten oder wie auch immer. Eine Alternative dazu ist dann jetzt aber eine Digitalisierung, denn ich könnte ja im Restaurant auch ein digitales Bestellsystem einführen, wo ich beispielsweise als Kunde/in per Handy bestellen kann. Und das muss man sich wie so ein Trade auch vorstellen.

00: 05:48:10 - 00:06:03:23

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Je teurer die Beschäftigten werden, das Personal, desto eher lohnt es sich für die Unternehmen per Digitalisierung oder Automatisierung so ein Produktionsprozess dann eben zu gewährleisten. Und deshalb würde ich die beiden nicht getrennt voneinander sehen.

00: 06:03:24 - 00:06:32:07

Bastian Thüne:

Also dein Beispiel wäre jetzt: Ich kaufe mir zehn Tablets für ungefähr den Brutto Monatslohn inklusive Sozialabgaben und dazu noch die passende Software und dadurch könnte ich das ersetzen, wenn ich jetzt mal ein Restaurant in einem Gebiet habe, wo ich zwar Kundschaft habe, aber nicht ausreichend Arbeitskräfte oder ich will die Saisonspitzen abfangen, beispielsweise in der Ostsee-Ferienregion, wo im Winter eher tote Hose ist, aber im Sommer dafür sehr viel los.

00: 06:32:08 - 00:07:03:01

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Genau. Und so ein Investment ist eben einerseits sehr teuer für einen Kleinbetrieb, aber wenn eben die Alternative, das Personal einzustellen, auch sehr teuer wird und wenn man niemanden findet, ist das so was wie sehr teuer aus Sicht eines Unternehmens. Dann wird eben diese Lösung, wie du sie skizziert hast, über Tablets einkaufen, Software einrichten usw. eben relativ billiger und damit attraktiver. Ich vermute, dass wir mehr davon sehen werden in nächster Zeit.

00: 07:03:04 - 00:07:38:13

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Gehen wir aber noch mal zurück auf die Zuwanderung. Zuwanderung ist ja eine Sache, die auch in einem gewissen Maße gesteuert werden muss. Und da gibt es ja mehrere Möglichkeiten. Beispielsweise könnte die Bundesagentur für Arbeit Listen erstellen, anhand nicht besetzter Stellen und da dann sagen, in welchen Berufen jetzt Zuwanderung erfolgen könnte. Man könnte aber auch den Ansatz verfolgen, dass einfach diejenigen, die in Deutschland gerne auf den Arbeitsmarkt gehen würden, auch nach Deutschland kommen könnten. Was wäre denn dein Ansatz, wie du das am besten lösen würdest?

00: 07:38:14 - 00:08:21:24

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also ich glaube, dass so Listen, die irgendwie von der Behörde erstellt werden, nicht effizient funktionieren – aus verschiedenen Gründen. Erst mal können die nicht so zügig und dynamisch darauf reagieren, wenn sich der Arbeitskräftebedarf verändert. Und das können die Unternehmen eben schon, dass die eben sehr schnell wissen, in welchem Bereich und mit welchen Qualifikationen sie jemanden brauchen. Der zweite Grund ist der, dass solche Listen dann immer voraussetzen, dass jemand, der einwandern möchte, eben eine Form von Qualifikation aufweist, die eben diesem deutschen Beruf entspricht.

00: 08:22:00 - 00:08:49:05

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Das heißt, da liegen dann dahinter Listen von der Übertragbarkeit von ausländischen Qualifikationen und so weiter. Und das ist eben sehr schwierig, weil beispielsweise das deutsche Ausbildungssystem eine deutsche Spezialität ist. Das hat man im Ausland nicht. Das heißt, woanders müssen dann Leute studieren, um beispielsweise Pflegekräfte zu sein. In Deutschland ist das ein Ausbildungsberuf. Wie übersetzt man das? Wie gleicht man jetzt ab, was jemand da gelernt hat und was nicht?

00: 08:49:07 - 00:09:21:20

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Das können die Unternehmen, denke ich, viel besser, weil sie eben einschätzen können, was wichtig ist, für diese spezifischen Stelle und was nicht. Da könnte man gleichzeitig aber andocken auch und noch weiter überlegen, inwiefern man gemeinsam mit den Unternehmen vielleicht dafür sorgen kann, dass die Leute eine modulare Form von Ausbildungs- oder Weiterbildung Systemen haben, um dann noch fehlende Inhalte nach zu trainieren, nach zu lernen zum Beispiel.

00: 09:21:20 - 00:09:48:04

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also um sie dann beispielsweise auf dem Stand von dem deutschen Ausbildungsberuf oder so zu bringen. Also das schließt sich, denke ich da an, dass man den Zugewanderten die Chance geben sollte, hier Qualifikationen zu erzielen. Und das dritte Problem ist, glaube ich, noch die Sprache. Es ist auf manchen Stellen halt wichtiger, dass man die deutsche Sprache kann, auf anderen Stellen ist es weniger wichtig.

00: 09:48:06 - 00:10:08:06

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das können die Betriebe einschätzen für die Stelle, die sie gerade ausgeschrieben haben. Und das ist aber nicht zwangsläufig in jedem Beruf, für jede Stellenbesetzung erforderlich, dass jemand fließend Deutsch kann. Und das können auch die Betriebe besser einschätzen als die Bundesagentur für Arbeit oder so.

00: 10:08:07 - 00:10:31:53

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Genau. Du sagst, die Betriebe können ihre Bedarfe besser erkennen, als es jetzt eine Behörde kann und die Behörde könnte aber flankieren, indem sie beispielsweise Zusatzsachen anbietet wie Sprachkurse oder eventuell in Zusammenarbeit mit einer Industrie- und Handelskammer noch bestimmte Kurse bezuschusst, von denen dann der Arbeitgeber/in auch profitiert.

00: 10:31:54 - 00:11:27:00

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Genau, dass man nachqualifiziert. Aber das scheint halt günstig, dass im Berufsleben parallel zur Arbeit zu machen. Also sowohl der Spracherwerb als auch dann der Erwerb von noch fehlenden Qualifikationen zum Beispiel.

Bastian Thüne:

Jetzt kann man ja auch das Argument bringen: für Unternehmen mag es ja durchaus einfach sein, aus verschiedenen Ländern Leute zu rekrutieren. Wenn du sagst, dass es Arbeitskräfteengpässe gibt und nicht unbedingt den absoluten Mangel, könnte man auch auf die Idee kommen, so wie manche Ökonomen/innen oder Arbeitnehmervertreter/innen kritisieren. Unternehmen haben vielleicht ein Interesse daran, einfach günstigere Arbeitskräfte zu bekommen, weil in manchen Ländern ein niedrigeres Lohnniveau herrscht als in Deutschland. Und für die Folgekosten käme ja der Staat und die Gesellschaft auf. Und jetzt weniger die Unternehmen. Wie stehst du zu diesem Argument?

00: 11:27:01 - 00:12:25:15

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Ja, das ist natürlich ein schwieriges Problem. Also selbstverständlich ist natürlich, dass wir in Deutschland ein allgemeingültigen Mindestlohn haben und wir haben Arbeitsbedingungen und die müssen natürlich eingehalten werden. Also das, was illegalerweise stattfand in Schlachthöfen oder was auch immer, das ist einfach illegal. Und jemand unter Mindestlohn und so weiter zu beschäftigen ist mit den wenigen Ausnahmen, die es gibt, einfach illegal und das darf nicht passieren und dann ist es erlaubt jemanden zu beschäftigen, wenn eben Mindestlohn und viele anderen Arbeitsschutzmaßnahmen eingehalten werden. Dann muss man natürlich genau hinschauen, welche Beschäftigten jetzt beispielsweise aus Deutschland haben vielleicht ein Risiko, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn stattdessen eben billigere Kräfte aus anderen Ländern hier arbeiten.

00: 12:25:17 - 00:13:03:14

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Die Debatte fokussiert sehr stark auf die Verlierer und die muss man natürlich im Blick halten, ohne Frage. Aber es ist auch manchmal gar nicht so einfach, wie man sich das denkt und vorstellt. Ich würde gerne ein Beispiel aus Dänemark zitieren und noch mal kurz vorneweg, kurz in einen Theorieblog schalten, sozusagen. Wenn wir uns ein einfaches arbeitsmarktökonomisches Modell vorstellen, dann könnten wir uns, sagen wir mal zwei drei Qualifikationsgruppen vorstellen, zum Beispiel ungebildete Arbeitskräfte und dann welche mit Berufsausbildung und sagen wir mal hoch qualifizierte.

00: 13:03:16 - 00:13:37:20

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und wenn Migranten/innen oft überproportional niedrigqualifizierte Jobs ausführen, dann ist das teilweise eben auch ein Downgrading, weil die Qualifikationen von früher nicht anerkannt werden. Aber in den Jobs arbeiten sie eben auch häufiger als Deutsche. So, jetzt würde man sich in so einem einfachen Modell halt vorstellen, dass wenn niedrigqualifizierte Beschäftigte ins Land kommen, dass das dann ein Risiko ist für niedrigqualifizierte Beschäftigte im Land, weil die eben substituierbar sind.

00: 13:37:20 - 00:14:10:12

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also sprich populistisch gesprochen würde man denken, die könnten denen die Jobs wegnehmen. Und für höher Qualifizierte sprechen wir von Komplementaritätseffekten, wo also höher qualifizierte Beschäftigte, auch niedriger qualifizierte Beschäftigte brauchen, um zusammenarbeiten zu können und in einem einfachen Modell habe ich jetzt skizziert, wie man halt in der Vergangenheit darüber nachgedacht hat, wer da Gewinner und Verlierer sind. Und dann wären also niedrigqualifizierte Einheimische Verlierer, würde man denken.

00: 14:10:14 - 00:14:39:00

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Soweit das Vorgeplänkel. Und jetzt kommen wir zu dem, was ich sagte – es ist nicht so einfach, wie wir dank der Forschung wissen. Und da möchte ich ein Beispiel aus Dänemark zitieren, wo Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integriert worden sind, die eben häufig niedrigqualifizierte Jobs übernehmen. So, und jetzt könnte man eben denken, dass das für niedrigqualifizierte dänische Arbeitskräfte ein Problem ist – nachdem, wie ich es eben skizziert habe.

00: 14:39:00 - 00:15:23:10

Dr. Katrin Sommerfeld:

Aber jetzt kommt's: Die Forschung konnte dazu zeigen, dass das gar nicht so ist, sondern dass im Mittel dänische, niedrigqualifizierte Beschäftigte etwas andere Tätigkeiten übernehmen, die stärkere Komponenten mit Kommunikationsaufgaben haben und weniger so händische, körperliche Arbeit beinhalten. Und diese Form der Tätigkeiten sind halt besser bezahlt. Das heißt, die dänischen niedrig qualifizierten Arbeitskräfte wurden durch die Ankunft von niedrig qualifizierten Geflüchteten in etwas bessere Jobs gepusht und profitieren dann von höheren Löhnen.

00: 15:23:12 - 00:15:50:13

00: Unbekannt

00: Und die Annahme oder die Vermutung ist eben, dass die eben einen relativen Sprachvorteil haben und deshalb diese stärker kommunikationsintensiven Jobs machen.

00: Bastian Thüne

00: Okay, das wollte ich gerade anmerken. Also in dem Sinne, auch wenn die beide Gruppen gleich niedrig qualifiziert sind, haben die einen allein dadurch, dass das ihre Muttersprache ist, einen großen Vorteil und werden dadurch quasi nach oben fast schon gedrängt, kann man sagen.

00: 15:50:13 - 00:16:13:21

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Man kann sich ja auch vorstellen, dass die dann zum Beispiel so eine Vorarbeiter Funktion übernehmen.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also der Polier auf dem Bau, der mit allen kommunizieren kann und kann auch mit der Etage oben drüber kommunizieren.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Genau. Und deshalb möchte ich eben dafür werben, dass wir genauer hinschauen müssen und nicht irgendwie auf platte Annahmen hereinfallen sollten.

00: 16:13:23 - 00:16:41:22

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also es gab und gibt ja auch in Deutschland diese klassischen Ressentiments. Und gerade die EU Osterweiterung, die wurde ja sehr kritisch gesehen, auch in der Politik. Also viele befürchteten, dass so das sogenannte Einwandern in die Sozialsysteme, sinkende Löhne und eine höhere Arbeitslosigkeit. Nun ist das ja schon alles ein paar Jahre her und ihr habt herausgefunden, dass dem nicht so war. Kannst du dazu noch ein paar Worte sagen?

00: 16:41:24 - 00:17:07:20

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Ja, also in der Arbeitsmarktökonomik würde ich sagen, ist man sich relativ einig darin, dass das deutsche Arbeitsmarktwunder der letzten ein, zwei Jahrzehnte eigentlich nur möglich war aufgrund der Zuwanderung aus Osteuropa. Also wir hatten die EU Osterweiterung 2004 und 2007 und dann jeweils sieben Jahre später die Arbeitnehmerfreizügigkeit.

00: 17:07:22 - 00:17:50:23

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Dadurch kamen eben viele Beschäftigte aus den süd- und osteuropäischen EU Mitgliedsstaaten nach Deutschland und es hat sich die Zahl von Beschäftigten aus diesen Ländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt innerhalb von zehn Jahren ungefähr verdoppelt von drei auf 6 %. Und ja, also diese positive Arbeitsmarktentwicklung wäre sonst wohl nicht möglich gewesen. Konkret zeigen wir noch in unserer Studie, dass die osteuropäischen Beschäftigten überproportional häufig in sogenannten Fachkräftemangelberufen arbeiten, also in Berufen, wo die Bundesagentur für Arbeit einen Fachkräftemangel definiert hat.

00: 17:50:23 - 00:18:18:14

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Das haben wir grob überschlagen und da ist der Anteil von Beschäftigten in diesen Mangelberufen auf dem deutschen Arbeitsmarkt für Deutsche so ungefähr bei einem Drittel. Und für die Beschäftigten aus den EU acht und EU zwei Ländern, also diese Länder der Osterweiterung deutlich höher. Das ist ein Indiz dafür, dass diese Beschäftigten möglicherweise direkt zum Abmildern dieser Arbeitskräfteengpässe beitragen.

00: 18:18:20 - 00:18:42:01

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also waren ja nicht nur die Befürchtungen falsch, sondern das hat sich ja zum Positiven gewendet. Man wäre dann im Endeffekt klüger gewesen, hätte man damals nicht diese sehr langen Übergangsregelungen geschaffen mit der Freizügigkeit, sondern hätte man besser gesagt okay, ab 2007 auch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Das kann ich jetzt aus der Forschung nicht beantworten, weil da einfach so viele Annahmen dahinter stecken.

00: 18:42:01 - 00:19:14:22

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: So wie es lief, sind ja sehr viele Polen beispielsweise nach Großbritannien gegangen. Hätten wir gleichzeitig die Arbeitnehmerfreizügigkeit erlaubt mit Großbritannien, dann wären von den Polen viele nach Deutschland gekommen. Dass die Dinge anders verlaufen wären, dazu kann ich jetzt nichts sagen – wie das jetzt insgesamt anders verlaufen wäre.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Okay. Nun gab es ja in den letzten zwei Jahrzehnten viel Zuwanderung aus EU Ländern, auch jetzt gerade an dem Beispiel von Osteuropa gesagt hast.

00: 19:14:24 - 00:19:43:13

00: Bastian Thüne

00: Nun haben ja auch andere Länder Arbeitskräfteengpässe in Europa. Wo müssten dann noch Zuwanderungen herkommen?

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Na ja, also jeder Mensch, insbesondere innerhalb der EU darf ja selber entscheiden, wo er hingehen möchte. Das heißt es gibt bestimmte Arbeitsmarktbedingungen. Die sind in Deutschland jetzt ziemlich gut, weil die Löhne im internationalen Vergleich recht hoch sind. Und dann können die Personen natürlich selbst entscheiden, ob sie in Deutschland arbeiten möchten.

00: 19:43:13 - 00:20:17:11

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und für EU Bürgerinnen und Bürger gilt eben die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das heißt, wenn Sie in Deutschland die besten Arbeitsbedingungen vorfinden, dann sind Sie herzlich eingeladen zu kommen. Schwieriger wird es eben für Personen außerhalb der EU oder für Drittstaaten. Da würde ich mal zwei Ländergruppen unterscheiden. Es gibt eine besondere Regelung für die Länder des Westbalkans, die Westbalkan-Regelung, wo Beschäftigte vereinfacht gesprochen nach Deutschland kommen dürfen, wenn sie hier ein Jobangebot haben.

00: 20:17:13 - 00:20:46:15

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das hat sich als sehr günstig erwiesen aus Arbeitsmarktperspektive, weil die dann eben per Definition sozusagen bei Einreise eine Beschäftigungsquote von 100 % haben. Und da zeigt sich auch über die ersten paar Jahre, dass die Beschäftigungsquoten sehr hoch bleiben, höher als bei Deutschen. Und es bedeutet ja im Umkehrschluss auch, dass diese Personengruppe sehr, sehr selten Sozialleistungen in Anspruch nimmt.

00: 20:46:17 - 00:21:11:19

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das ist ja sozusagen das, was man sich aus Arbeitsmarktsicht dann eben wünscht. Und deshalb ist es eben gerade in der politischen Debatte, so eine Art der Regelung weiter auszuweiten auf einzelne ausgewählte nordafrikanische Länder. So und jenseits dieser Länder ist es eben für Zuwanderer gar nicht so einfach, nach Deutschland zu kommen und hier arbeiten zu dürfen.

00: 21:11:19 - 00:21:43:16

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Da müssen sie eben viele Bedingungen erfüllen. Denken wir zum Beispiel an philippinische Pflegekräfte oder so was. Und da versucht man eben auch vorsichtig, diese Zuwanderung aus den Drittstaaten etwas zu erleichtern für die Personen.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Okay, aber diese Zuwanderung, die wird dann basiert ganz klar auf Berufen, wo man sagt, da herrscht ein Mangel vor. Also beispielsweise, dass man jetzt nicht auf den Philippinen generell anwirbt, sondern es ist schon spezialisiert auf Pflegeberufe.

00: 21:43:18 - 00:22:31:01

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Nein, so ist es nicht. Pflege war jetzt nur ein Beispiel. Es gab das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2020. Es gibt eben jetzt aktuell auch Überlegungen, wie man die Zuwanderung aus Drittstaaten erleichtern kann. Und da sind nach meinem Kenntnisstand nicht bestimmte Berufslisten zugrundeliegend, sondern da spielt schon Qualifikationsniveau rein. Also hat jemand eine Berufsausbildung oder ein Studium, hat jemand Deutschkenntnisse, ist jemand in einem Alter, wo er oder sie hoffentlich möglichst lange noch dem deutschen Arbeitsmarkt etwas zusteuern kann und das ist also so eine Art Punktesystem, was da gerade diskutiert wird.

00: 22:31:01 - 00:23:08:18

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das genau, also da werden verschiedene Sachen gerade diskutiert mit dem Ziel, diese Zuwanderung zu erleichtern.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Gut. Neben der Zuwanderung auf die Arbeitsmärkte gibt es ja auch noch Geflüchtete, die aber eher aus politischen Gründen nach Europa kommen. Und 2015 gab es ja eine große Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten, also überwiegend Länder wie Syrien, Irak, Afghanistan. Und seit dem Jahr 2022 kommen viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Was denkst du wie die EU Länder Flüchtlinge am besten in den Arbeitsmarkt integrieren?

00: 23:08:20 - 00:23:37:19

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also was wir eben wissen ist, dass der wichtigste Punkt die Sprache ist. Ja, also die Sprache ermöglicht eine Teilhabe am Arbeitsleben, an einem Sozialleben. Und das ist sicherlich ein sehr wichtiger Punkt, das zu fördern. Wobei da eben auch nicht so klar ist, ob wirklich Sprachkurse vor einer Arbeitsaufnahme das beste Mittel der Wahl sind.

00: 23:37:19 - 00:24:10:15

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Das ist vielleicht nur das zweitbeste Mittel, und das erstbeste ist vielleicht, eine Beschäftigung möglichst schnell aufzunehmen mit deutschen Kolleginnen und Kollegen und da on the job die Sprache zu lernen, das scheint am besten zu funktionieren. Ansonsten wissen wir aus der Forschung ziemlich viel darüber, was funktioniert, um Geflüchtete zu integrieren. Also es gibt Beschäftigungsverbote am Anfang nach Einreise, die sind schlecht für eine Arbeitsmarktintegration.

00: 24:10:17 - 00:24:37:16

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Die ganze Unsicherheit, die um diesen Asylantragsprozess herum besteht, die sind ungünstig. Wir konnten in der Forschung noch zeigen, dass die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft bei der sozialen Integration von Geflüchteten hilft. Also da konnten wir zeigen, dass in Kreisen und kreisfreien Städten, wo es mehr Vereine gibt, dass dort auch Geflüchtete eine höhere Lebenszufriedenheit berichten – und so weiter.

00: 24:37:18 - 00:25:27:13

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Du hast zuletzt eine Studie veröffentlicht, wo es auch heißt, dass die Aufnahme von Geflüchteten neue Jobs schafft. Möchtest du dazu noch was sagen, wie das genau funktioniert? Und wie sieht es da mit der Langfristigkeit aus?

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Ja, also da haben wir uns angeschaut, in welche Kreise und kreisfreien Städte, also auf einer regionalen Ebene in Deutschland, wie viele Asylsuchende 2015/16 gekommen sind und wie sich dann in Folge die Beschäftigung in diesen Kreisen entwickelt hat. Und da muss ich dazu sagen, dass wir uns in der empirischen Untersuchung nur diejenigen Geflüchteten angeschaut haben, die zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht arbeiten durften.

00: 25:27:15 - 00:26:01:01

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das bedeutet die Effekte, die wir untersuchen, nennen wir Arbeitsnachfrageeffekte, also wie viel Konsumnachfrage und Arbeitsnachfrage gibt es dadurch, dass jetzt mehr Personen im Land sind und konnten eben zeigen, dass kurzfristig sehr viele neue Jobs generiert werden, dort wo mehr Geflüchtete untergebracht sind. Und ein möglicher Mechanismus ist eben, dass mehr Sozialarbeiter/innen gebraucht werden, Sicherheitspersonal, Personen, die Asylanträge bearbeiten.

00: 26:01:01 - 00:26:37:00

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und so weiter und so fort. Und dass dort eben mehr Beschäftigung entsteht und wir sehen tatsächlich diese zusätzlichen Jobs für Einheimische verstärkt in der Zeitarbeit und in der Verwaltung. Das deckt sich also mit dieser Geschichte. Und was noch ein anderer Mechanismus ist, ist, dass Zugewanderte im Land natürlich immer auch Konsumenten sind. Also sprich, die konsumieren ja auch Güter und Dienstleistungen, wie zum Beispiel Essen, Unterkunft, auch in Verwaltungsdienstleistungen, Integrationskurse, die sie in Anspruch nehmen.

00: 26:37:02 - 00:27:15:12

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das muss natürlich irgendwo produziert werden. Und wir fokussieren dann eben darauf, dass die Geflüchteten überproportional oft nicht handelbare Güter und Dienstleistungen konsumieren, die vor Ort hergestellt werden, also zum Beispiel Unterkunft oder Verpflegung wird dort vor Ort hergestellt und dementsprechend wird auch die Beschäftigung vor Ort benötigt und dann wächst eben dort die Beschäftigung, wo die untergebracht sind. Du hast schon die Frist angesprochen und wohl wissend nachgefragt.

00: 27:15:14 - 00:27:49:08

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Diese Effekte, die wir zeigen, sind sehr groß, aber auch sehr kurzfristig. Also nach zwei, drei Jahren ist es dann nicht mehr statistisch signifikant. Also kurzfristig wird ja Beschäftigung aufgebaut, aber das verändert sich dann und es bleiben zum Beispiel Effekte im Bildungsbereich, weil die Personen ja dann eben Kurse besuchen oder eben deren Kinder, die Schulen besuchen.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ja, ich denke auch bei den bei vielen Geflüchteten kommen ja auch Kinder mit und die haben ja einen etwas längeren Zeithorizont.

00: 27:49:08 - 00:28:17:19

00: Bastian Thüne

00: Also wenn die noch fünf, sechs Jahre alt sind, haben die ja noch quasi zehn Jahre Schulweg vor sich. Und mit einer dauerhaften Bleibeperspektive werden sie auch irgendwann vielleicht eine Ausbildung machen oder ein Studium und wären dann länger integriert. Jetzt gibt es ja auch so ein paar Besonderheiten. Also durch den Ukraine-Krieg kamen ja viele ukrainische Flüchtlinge, wobei auch von diesen ja auch schon einige wieder zurückgegangen sind. Wo siehst du denn da die Unterschiede zu anderen geflüchteten Gruppen?

00: 28:17:21 - 00:29:04:04

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Drei große Unterschiede sehe ich. Ein großer Unterschied ist, dass ganz viele Frauen gekommen sind aus der Ukraine, viele mit Kindern. Das ist ja für viele auch das Motiv gewesen, hier ihren Kindern eine bessere Perspektive zu bieten, als im Krieg aufzuwachsen. Vis-à-vis, 2015/16, da war es so, dass zu zwei Dritteln Männer gekommen sind und zu drei Vierteln waren die recht jung und dann im Alter von 30 oder 35 Jahren und das ist wichtig, weil die entsprechend eine gute Chance haben, noch in Deutschland eine Form von Berufsausbildung mitzunehmen und dann dem deutschen Arbeitsmarkt potenziell lange zur Verfügung stehen.

00: 29:04:04 - 00:29:37:23

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also die sind so in dem besten Arbeitsmarktalter, wenn man so will. Und ein zweiter wichtiger Unterschied ist, dass die Asylsuchenden damals eben einen Asylantrag stellen mussten. Das war teilweise sehr zäh und hat sehr lange gedauert, bis da eine Entscheidung kam. Und diese Unsicherheit, die ist eben sehr ungünstig für eine Arbeitsmarktintegration. Mal davon abgesehen, dass das für Menschen natürlich einfach auch eine schreckliche Situation ist, in dieser unsicheren Situation so lange zu leben.

00: 29:38:00 - 00:30:10:14

Dr. Katrin Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Dr. Katrin Sommerfeld: Und das war bei den Ukrainerinnen und Ukrainern eben nicht so, weil da ja zum Ersten Mal in der Geschichte die Massenzustromsrichtlinie der EU angewandt wurde. Was bedeutet, dass die eben keinen Asylantrag stellen müssen, sondern von Anfang an dann eben arbeiten dürfen und Sozialleistungen beziehen dürfen. Einen dritten Unterschied sehe ich noch in der Bleibeperspektive, also bei den Asylsuchenden war es erst mal unsicher und die müssen auch immer wieder ihren Antrag erneuern.

00: 30:10:16 - 00:30:33:01

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Nichtsdestotrotz wissen wir, der Krieg in Syrien geht weiter und da gibt es jetzt nicht die Perspektive, so bald zurückzukehren. Und bei der Ukraine wissen wir es nicht. Und wir hoffen natürlich alle auf ein baldiges Kriegsende. Und das wünschen sich auch viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland und ein Teil davon überlegt dann auch baldmöglichst zurückzugehen in das Land.

00: 30:33:03 - 00:31:00:06

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Das heißt, manche werden nur verhältnismäßig kurz, vielleicht hierbleiben, aber das wissen wir halt einfach jetzt noch nicht. Ich möchte noch mal einen Vergleich gerne machen, und zwar bezüglich dieser Unsicherheit. Ich habe auch von Unternehmensseite gehört, die Unternehmen würden nicht so gerne Geflüchtete einstellen, weil die wissen ja nicht, wie lange sie im Land sind und das ist aus meiner Sicht ein großer Fehler.

00: 31:00:06 - 00:31:31:24

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Aus mehreren Gründen. Der eine ist, dass wir am Beispiel des Syrien-Krieges sehen, dass diese Konflikte sehr lange dauern können und die Personen dann auch gar nicht so schnell zurückkehren können. Das zweite ist, dass EU-Beschäftigte, die sich ja frei bewegen dürfen und arbeiten dürfen, wo sie möchten, in der EU zunehmend kürzere Zyklen haben, wie lange sie im Ausland bleiben, bis sie dann zurückkehren in ihr Heimatland.

00: 31:31:24 - 00:32:10:04

Dr. Katrin Sommerfeld:

Das heißt, das ist eigentlich nicht so ein richtiges Argument. Und ganz wichtig finde ich noch als drittes Argument den Vergleich mit den sogenannten Gastarbeitern, die in den 60er/70er Jahren durch Anwerbeabkommen nach Deutschland kamen und wo man eben sehr lange gesagt hat: „Jaja, die gehen wieder nach Hause, die brauchen wir hier gar nicht so richtig integrieren.“ Und jetzt sehen wir die 2./3. Generation von deren Kindern oder Kindeskindern, und sehen, wie schwierig den Personen eben eine Integration gemacht wird, wenn sie gar nicht wissen, wo sie sich jetzt eigentlich hier zugehörig fühlen sollen.

00: 32:10:05 - 00:32:34:24

Dr. Katrin Sommerfeld:

Also Integrationsbemühungen sind am wirksamsten, wenn man sie von Anfang an versucht. Und da sollten wir nicht den Fehler der Vergangenheit machen, um zu denken: „Jaja, die bleiben ja eh nur kurz und dann gehen die alle wieder nach Hause.“ Es werden mit Sicherheit nicht alle wieder nach Hause gehen, so viel kann ich sagen.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ja, dazu gab es ja auch ein sehr interessantes Zitat von Max Frisch, der das Ganze schön zusammenfasst.

00: 32:35:01 - 00:33:18:17

Bastian Thüne:

Er sagte damals: „Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen.“ Nun sind die Gastarbeiter oder die sogenannten Gastarbeiter damals hiergeblieben und inzwischen spricht man ja auch schon von der dritten oder vierten Nachfolgegeneration. Wie hat sich das denn entwickelt? Hast du dazu Erfahrungswerte?

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Ja, also tatsächlich macht Paul Berbée aus meiner Gruppe dazu Forschung, von der ich kurz berichten kann. Und zwar ist es interessanterweise so, dass von den sogenannten Gastarbeitern, die damals kamen, viele dann in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, als es in Deutschland Wirtschaftskrisen gab – Rezessionen.

00: 33:18:18 - 00:33:53:22

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und auf die Art und Weise tragen auch Migranten/innen dazu bei, den Arbeitsmarkt flüssig zu halten, dass wir eben eine gewisse Flexibilität bereitstellen. Also im Boom kommen mehr Leute, in der Rezession kommen weniger Leute oder gehen mehr zurück. Und das Interessante ist nun das verstärkt Leute aus Italien, Portugal, Spanien, Griechenland oder so, also aus den südeuropäischen Ländern kommen.

00: 33:53:24 - 00:34:32:05

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Da gab es eben diese Reaktion, dass dann viele auch zurückgekehrt sind. Und das gilt nicht im gleichen Maße für die Türkei. Möglicherweise, weil eben damals die politische und wirtschaftliche Situation in der Türkei einfach sehr schlecht war und deshalb die einfach auch nicht so gut zurückkehren konnten und dann ist es eben auch noch so, dass die Gastarbeiter ja häufig in Industrien geholt wurden, wo es harte körperliche Arbeit zu tun gab und was eben auch Wirtschaftszweige waren, die auf dem absteigenden Ast waren, also teilweise im Kohlebergbau oder so was.

00: 34:32:07 - 00:35:07:17

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und das heißt, die waren in solchen Industrien beschäftigt, die besonders anfällig waren für wirtschaftliche Umbrüche und Rezession usw. Und das ist sicherlich auch ein Teil dessen, weshalb wir da eben hohe Arbeitslosigkeiten und so weiter gesehen haben.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also es wurden ja auch dadurch, dass Produktionen verringert wurden, also Fabrikarbeiter quasi entlassen wurden in den 80ern/90ern wurden ja auch viele sogenannte Gastarbeiter auch in die Selbstständigkeit gedrängt.

00: 35:07:19 - 00:35:25:15

00: Bastian Thüne

00: Also ich glaube Linda Zervakis, das ist die ehemalige Tagesschau Sprecherin, die hat das auch mal in ihrem Buch gesagt, dass ihr Vater dann quasi im Rheinland in Fabriken gearbeitet hat. Und als er seinen Job verlor, hat er einen Kiosk gegründet oder türkische Migranten/innen die dann halt angefangen haben, türkische Restaurants oder Schnellimbisse zu gründen.

00: 25:37:15 - 00:35:56:18

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Dazu passt, dass eben ganz viel Selbstständigkeit unter Migrantinnen und Migranten stärker ausgeprägt ist als unter Deutschen. Und unter vielen kleinen selbständigen Betrieben sind eben auch hin und wieder mal geniale Geschäftsideen. Und das heißt, wir brauchen eben auch das für Innovation. Also offensichtlich ist ja zum Beispiel, dass dann eben Migrantinnen und Migranten gut internationale Wirtschaftsbeziehungen unterstützen können, was also ein Plus für die deutsche Wirtschaft ist.

00: 35:56:20 - 00:36:37:14

00: Bastian Thüne

00: Klar, und sie haben ja die Sprachvorteile in ihre Heimatländer. Was jetzt in anderen Jobs ein Nachteil ist, dass in dem Sinne dann ein Vorteil. Jetzt haben wir viele Aspekte rund um Zuwanderung und Arbeitsmärkte besprochen. Zum Schluss würde ich gerne noch mit dir einen Blick in die Länder werfen, aus denen die Arbeitskräfte kommen. Sprich den Entsendeländern. Weißt so wie sie den Verlust von Arbeitskräften verkraften können.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also klar ist erst mal, dass es wichtig ist auch auf dieses Problem hinzuweisen, dass natürlich, wenn Beschäftigte zu uns kommen, dann fehlen sie möglicherweise woanders und dann gibt es eben zirkuläre Migration.

00: 36:37:14 - 00:37:10:18

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Also dass dann sagen wir mal die osteuropäischen EU-Mitgliedsländer dann wiederum Migranten*innen anziehen aus noch weiter östlich gelegenen, dann eben nicht mehr Mitgliedsländern. Also das ist dort auch ein Problem, dass der Begriff des „Brain drain“ also dass es eben besonders problematisch ist, wenn gute Köpfe weggehen aus dem Land und das wird vielleicht ein stückweit kompensiert, wenn Personen dann ein Gehalt/Geld nach Hause schicken.

00: 37:10:23 - 00:37:47:00

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Der ökonomische Mechanismus dahinter ist ja, dass die Gehälter im Schnitt in Deutschland höher sind als in den Heimatländern und dementsprechend auch, dass dann hier erarbeitete Geld dort einen hohen Wert hat, um beispielsweise den Kindern möglichst eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Wobei ich das durchaus auch schwierig sehe, weil ja auch viele Kinder von ihren Eltern getrennt sind, bei denen es eine Generation gibt, die bei den Großeltern aufwächst und so, also das ist schon, glaube ich, für die Heimatländer eine sehr schwierige Situation.

00: 37:47:02 - 00:38:27:07

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Und wo es noch einen positiven Lichtblick gibt, ist, dass die Forschung zeigen konnte, dass wenn Migrantinnen und Migranten nach einer Zeit im Ausland zurückkehren in ihre Heimatländer, dass sie dann dort auch häufig Innovationen anstoßen und eben auch wiederum internationale Kontakte mitbringen usw. und das eben einen positiven Effekt haben kann auf die Heimatländer, wenn die Personen wiederum zurückkehren.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also alles in allem muss man auch da wieder verschiedene Aspekte beleuchten, weil dann kommen beispielsweise jetzt junge Menschen aus Rumänien zum Studieren nach Deutschland, arbeiten hier aber mit dem Wissen, was sie hier erworben haben, gehen sie dann beispielsweise wieder zurück in ihre Heimat.

00: 38:28:07 - 00:39:05:20

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Aber können dann dort Innovationen vorantreiben oder können in anderen Berufen Dinge weiterentwickeln und helfen da dann auch wieder der lokalen Wirtschaft, indem sie in ihrer Heimat bezahlte Arbeit bekommen und davon auch wieder andere profitieren.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Genau. Und wichtig wäre mir dabei festzustellen, dass das eben nicht nur Studierende in Deutschland betrifft, sondern auch Leute, die in deutschen Unternehmen gearbeitet haben, haben eben auch was über die Produktionsprozesse in dem Unternehmen gelernt, was sie dann eben so wie du skizziert hast, mit nach Hause nehmen können, um dort positive Impulse hoffentlich geben zu können.

00: 39:05:24 - 00:39:29:21

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Also beispielsweise eine Person, die hier zehn Jahre als Polier arbeitet und die dann mit dem Wissen in ihrem Heimatland ein Bauunternehmen gründet und dadurch ja auch wieder anderen Menschen zu Arbeit verschafft.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Genau.

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Ja, das war doch noch ein schöner Ausblick zum Schluss. Dann vielen lieben Dank für das Gespräch, Katrin.

Dr. Katrin Sommerfeld:

Dr. Katrin Sommerfeld: Danke dir auch.

00: 39:23:23 - 00:39:51:07

Bastian Thüne:

Bastian Thüne: Danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn euch der Podcast gefällt, freuen wir uns über eure positive Bewertung auf Spotify oder Apple Podcasts. Habt ihr Fragen oder Anmerkungen? Dann schreibt gerne eine Mail an Podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf eure Zuschriften.

00: 39:47:09 - 00:39:58:16

00: Outro

00: Wirtschaft, Forschung Debatten ein ZEW Podcast.

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Der Podcast des ZEW Mannheim.

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