Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Man muss sehr praktisch sein. Dass man wirklich versucht, Dinge zum Markt hin zu entwickeln und auch schnell zu entwickeln und vielleicht auch nicht immer ganz so perfektionistisch ist.

00: 00:11: Musik.

00: 00:13: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:23: Forschen und Gründen. Wie geht das zusammen? Wenn aus einem wissenschaftlichen Projekt ein Startup entsteht, dann spricht man von einer Ausgründung. Auch ein Forscher am ZEW hat den Schritt gewagt: Jan Kinne hat während seiner Promotionszeit zusammen mit einem anderen Doktoranden das Startup istari.ai gegründet. Istari.ai nutzt künstliche Intelligenz, um die Webseiten von Millionen von Unternehmen in Echtzeit auszuwerten. Mein Name ist Carola Hesch und in dieser Folge spreche ich mit Jan über seine Erfahrungen als Forscher und Gründer. Er arbeitet als Innovationsökonom am ZEW und ist gleichzeitig der CEO von Istari.ai. Wir blicken darauf, wie er es geschafft hat ein Startup zu gründen und worauf es bei Ausgründungen aus der Wissenschaft ankommt. Im Gespräch verrät er mir auch, welche Hindernisse er dabei überwinden musste und wie sich öffentliche Förderprogramme verbessern ließen. Außerdem sprechen wir darüber wie Politik, Unternehmen und die Wissenschaft die Daten nutzen können, die Istari.ai erhebt und aufbereitet. Herzlich Willkommen zum ZEW Podcast und hallo Jan.

00: 01:33: Hallo, ich freue mich heute hier zu sein.

00: 01:37: Verrätst du mir, was heute schon alles auf deiner To-do-Liste stand?

00: 01:40: Heute morgen gab es ein Investoren Speed-Dating. Wir sind derzeit Teil von einem Accelerator-Programm könnte man sagen. KI-Garage nennt sich das. Das ist vom Land Baden-Württemberg unter anderem mitorganisiert. Da ist eine Kohorte von ich glaube wir sind so 8 oder 9 KI-Startups aus Baden-Württemberg und bekommen jetzt über 9 Wochen hinweg Unterstützung zum Beispiel bei der Suche nach Kunden, bei der Suche nach Investoren und heute gab es eines dieser Investoren Speed-Datings, wo wir uns innerhalb von einer Stunde 3 bis 4 Investoren vorstellen und dann darauf hoffen, dass wir anschließend zurückgerufen werden. Das war heute Morgen und danach bin ich direkt ans ZEW gekommen und bin dann hier meiner Tätigkeit als Forscher noch etwas nachgegangen.

00: 02:22: Da sind wir schon gleich beim Thema. Was mich aber auch noch interessieren würde - bevor wir genauer auf deine Tätigkeit schauen - wäre, was bedeutet eigentlich Istari.ai. Wie seid ihr auf den Namen für Euer Startup gekommen?

00: 02:34: Also mein Mitgründer David und ich selbst, wir sind beide Fans von „Der Herr der Ringe“ und Fantasy ganz generell. Als es dann darum ging, dass wir vielleicht zusammen gründen möchten ist natürlich das erste was man braucht ein Name. Da waren wir uns eigentlich relativ schnell sicher, dass wir da etwas von Herr der Ringe nehmen wollen, etwas aus Mittelerde. Wir haben uns dann einen Mittelerde-Atlas besorgt, durchgeschaut und im Endeffekt sind wir dann bei Istari hängengeblieben. Istari ist in dieser Welt das elbische Wort für Zauberer, was ganz gut passt, weil wir auch von Kollegen teilweise so als data wizard belächelt wurden vielleicht auch ein bisschen, weil wir halt irgendwas mit Daten machen, was manchmal vielleicht auch ein bisschen komisch wirkt und ja da waren wir immer so die data wizards und dann hat Istari.ai, also Istari Artificial Intelligence, sehr gut gepasst.

00: 03:24: Und jetzt bezeichnet ihr euch auch selber als data wizards?

00: 03:27: Das machen wir manchmal. Das kommt natürlich immer darauf an, mit wem man spricht. Nicht jeder findet das lustig, bei manchen Leuten kann man das immer ganz gut sagen, bei manchen anderen die wissen auch nicht was Istari ist, dann muss man das dann auch nicht unbedingt erwähnen, aber wir stehen dazu, dass wir so ein bisschen nerdig sind, auf jeden Fall.

00: 03:44: Jetzt schauen wir doch mal auf die Geschichte dieser Gründung zurück. Du hast ursprünglich eigentlich einmal Geoinformatik studiert. Wie bist du dann eigentlich ans ZEW und zu diesen Daten gekommen?

00: 03:54: Das war relativ früh schon im Bachelor. Also ich habe in Heidelberg Geographie studiert und habe dann im Ende vom ersten Semester war das glaub ich auch über die Praktikumsinitiative eine Ausschreibung gesehen für eine Stelle als studentische Hilfskraft hier am ZEW in der Abteilung „Innovationsökonomik“. Die hatte damals noch einen anderen Namen, den ich mittlerweile wieder vergessen habe. Da wurde speziell nach einem sogenannten GIS-Hiwi gesucht. GIS sind geographische Informationssysteme, Computerprogramme, mit denen man Karten erstellen kann, geographische Daten analysieren kann und als angehender Geograph hatte ich gedacht, ok, das ist was, was ich auch lernen will. Ich konnte das nämlich damals eigentlich noch gar nicht. Habe mich aber trotzdem beworben und habe dann ein Vorstellungsgespräch gehabt, habe dann behauptet, ich könnte das. Wurde dann genommen und musste dann in den paar Wochen bevor es losging dann einen Crashkurs machen und es hat dann aber geklappt, also ich bin immer noch am ZEW.

00: 04:51: Ja, sonst würden wir nicht miteinander sprechen. Warum bist du hiergeblieben, was war so spannend?

00: 04:46: Einmal ist es echt eine tolle Abteilung muss ich sagen, in der ich war und auch immer noch bin. Mit sehr netten Kollegen und was mich auch besonders angesprochen hat ist die Datengrundlage, also gerade diese Abteilung am ZEW zeichnet sich durch eine sehr starke Datengrundlage aus. Da gibt es zwei große Datensätze kann man sagen. Einmal das Mannheimer Unternehmenspanel, das ist ein Unternehmensdatensatz, in dem alle Unternehmen in Deutschland enthalten sind mit Informationen zu Größe, Alter, auch Eigentümer zum Beispiel. Darauf aufbauend gibt es verschiedene andere Datensätze wie zum Beispiel das Mannheimer Innovationspanel. Da befragt das ZEW auf Basis des Mannheimer Unternehmenspanels jedes Jahr ich glaube ungefähr 20.000 Unternehmen zu ihrer Innovationsaktivität. Das ist Teil von einer großen europäischen Umfrage, da macht das ZEW ich glaube seit über 20 Jahren den deutschen Teil. Als ZEW-Wissenschaftler hat man da bevorzugten Zugang zu all diesen Daten und kann damit ganz tolle Forschung machen. Ich habe dann sowohl meine Bachelor- als auch meine Masterarbeit auf Basis dieser Daten durchgeführt, einfach weil diese Daten - da ist auch die Adresse der Unternehmen drin, also der Standort - zu dem Zeitpunkt noch ziemlich unerforscht waren. Ich habe dann diese Daten benutzt, um Standortanalysen von deutschen Unternehmen zu machen, das ist eigentlich so, wie ich da eingestiegen bin. Jetzt bin ich seit knapp über 10 Jahren schon am ZEW.

00: 06:30: Du hast ja auch während der Promotion hier gearbeitet und das war auch die Zeit, in der du dann deinen Mitgründer kennengelernt hast.

00: 06:37: Genau, ich habe mich dann direkt nach dem Master auf einen der freien Doktorandenstellen. Am ZEW ist das ja so, dass man nicht direkt am ZEW promoviert, das ist ja Universitäten vorbehalten. Aber man arbeitet als Wissenschaftler am ZEW und macht parallel die Promotion an einer deutschen oder auch ausländischen Universität. In meinem Fall war es so, dass ich an der Universität Salzburg promoviert habe im Bereich Geoinformatik. Ich habe 2016 hier angefangen als Doktorand und hab dann 2017 gemeinsam mit meinem Chef Georg Licht einen Antrag geschrieben zum Thema webbasierte Innovationsindikatoren. Das Ganze ist auch so ein bisschen aus meiner Masterarbeit heraus entstanden kann man sagen. Die Idee dabei war, dass man über die Webseiten von Unternehmen herausfindet, ob die innovativ sind und dafür haben wir noch einen Partner gesucht, weil man hat häufig mit Verbundprojekten auch bessere Chancen, Forschungsprojekte zu bekommen und damals haben wir uns mit der Universität Gießen zusammengetan und als es dann den Zuschlag gab wurde ein junger Doktorand, sehr talentiert, mit an Bord geholt. David Lenz sein Name. Ihn habe ich dann kennengelernt und es hat sehr gut harmoniert zwischen uns beiden und dann ist es dann irgendwann auch zur Gründung gekommen.

00: 07:54: Erinnerst du dich noch an den Moment, wo ihr beschlossen habt, dass ihr zusammen gründen wollt?

00: 08:00: Es gab einen Nachmittag, der mir in Erinnerung geblieben ist. Ich habe David vorher ein paar Mal gesehen und er war dann glaube ich 2018 für eine Konferenz am ZEW und hatte auch vorgetragen, nicht direkt über das, was mit unserem Forschungsprojekt damals zu tun hatte, aber ein verwandtes Thema. Wir haben uns dazu entschieden, das Nachmittagsprogramm zu schwänzen und sind stattdessen an den Badesee Schlicht hier in Mannheim gefahren und haben noch mit einem anderen Kollegen den Nachmittag verbracht. Wir sind mit dem Fahrrad dorthin gefahren. An diesem See war das dann tatsächlich so, dass wir darüber gesprochen haben, dass es ja cool wäre, wenn man auch mal gründet und dass wir das irgendwann mal machen wollen. Da ist dann aber ungefähr über ein Jahr lang danach nichts passiert und dann ein Jahr später ist es dann aber wirklich zu Gründung gekommen.

00: 08:50: Was waren dann eure ersten Schritte?

00: 08:53: Die ersten Schritte waren natürlich, sich überhaupt erstmal durchzuringen, zu gründen. Das ist ja auch ein verwalterischer Akt oder ein juristischer Akt. Je nachdem wie man gründet muss man auch zum Notar. Das ist leider so. Das haben wir dann auch gemacht und mussten das alles lernen. Wir haben beide keinen Hintergrund in BWL oder Jura oder irgendwie sowas, was einen darauf vorbereitet. Dann liest man sich dann im Internet schlau, wie man das machen kann. Wir haben damals eine UG gegründet, also eine Unternehmergesellschaft, haftungsbeschränkt. Das ist sozusagen die kleine GmbH und mussten zum Notar fahren und dort einiges an Papierkram machen und dann wurde so die Gründung vollzogen.

00: 09:31: Inzwischen habt ihr auch ein eigenes Büro. Wie habt ihr das denn geschafft, so zu wachsen?

00: 09:36: Wir haben das erste Jahr nach der Gründung, also wir haben uns im März 2019 gegründet, im ersten Jahr ist dann erstmal nicht viel passiert. Da ging es dann erstmal nur darum: Namen finden und überhaupt erstmal die Gründung durchzuführen und dann irgendwie hat man dann halt angefangen mit sowas wie einem Pitch Deck. Also erstmal zusammenschreiben, was macht man da eigentlich, wie will man Geld verdienen. Wir waren damals aber noch mitten in unserer Forschung für die Dissertation und Vollzeit angestellt. Das bedeutet, das Ganze ist in der Freizeit abgelaufen und da hat man natürlich nicht so viel Zeit. Das bedeutet, im ersten Jahr ist nicht so viel passiert, nur nebenher ein bisschen was. Dann ist es aber so gewesen, dass wir Ende 2020 beide unsere Promotionen abgeschlossen haben und haben dann auch unsere ersten Business Angel gefunden, die bereit waren in uns eine kleinere, aber für uns auch größere Summe, Geld zu investieren, um uns zu unterstützen. Mit diesem Geld und unseren Business Angels haben wir uns dann beim Programm „Start-up BW pre- seed“ beworben. Das ist ein Programm des Landes Baden-Württemberg, in dem innovative Start-ups gefördert werden. Da muss man dann mit einem Business Angels mit Risikokapital hingehen und wird dann gescreent und wenn man da erfolgreich gescreent wurde, dann kommt man in dieses Programm hinein. Dann kommt die Landesbank Baden-Württemberg und hebelt dieses Investment auf eine deutlich höhere Summe und damit hatten wir dann genug Geld, um Anfang 2021 war das im Januar hier in Mannheim in das MAFINEX Technologiezentrum einzuziehen. Das ist eines von mehreren Gründungszentren in Mannheim. Seitdem sind wir jetzt erstmal im MAFINEX und arbeiten seitdem sozusagen Vollzeit für das eigene Unternehmen.

00: 11:21: Mal ganz kurz: Vielleicht kennen nicht alle den Begriff Business Angels. Was hat man sich darunter vorzustellen?

00: 11:26: Ein klassischer Business Angel ist, wenn man sich das alles in Stereotypen vorstellen möchte, dann ist das ein älterer Herr, also ich sage mal 50 oder älter, der in seinem Leben recht erfolgreich war und Geld hat, vielleicht selbst auch mal unternehmen war oder weiter Unternehmer ist. Das Konto ist gut gefüllt und man ist dann bereit auch ein gewisses Risiko einzugehen als Business Angel, um in ein junges Unternehmen zu investieren. Daher kommt dieser Angel-Begriff, dass man da so auftaucht für junge Unternehmen und bereit ist, Geld reinzustecken. Natürlich bekommt man im Gegenzug dann Anteile, da gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man dann Anteile bekommt. Wir haben das beispielsweise über sogenannte Wandeldarlehen gemacht. Genau das ist so ein Business Angel, aber es müssen natürlich nicht Männer sein, das sind es aber meistens.

00: 12:17: Noch. Du hast ja auch gerade erst den Preis von der Volksbank Weinheim Stiftung erhalten „Zukunft der Arbeitswelt“. Helfen solche Auszeichnungen auch beim Vorankommen?

00: 12:28: Da gibt jetzt keinen direkten Einfluss auf das Unternehmen dadurch würde ich sagen. Das ist ja auch eine Auszeichnung persönlicher Art sage ich mal. Auch wenn natürlich das, für was ich hier ausgezeichnet wurde, das ist nicht nur meine Arbeit, sondern da haben wir auch Co-Autoren mit daran gewirkt. Das muss man ja auch sagen. Ich sehe das eher als eine persönliche Auszeichnung. Was aber natürlich hilft ist: Man bekommt nochmal Aufmerksamkeit dafür und man muss dann immer sicherstellen, dass dann auch erwähnt wird, dass aus diesen ganzen Arbeiten ein Unternehmen entstanden ist und das ist dann natürlich auch gute Art von PR. Das ist dann schon ein positiver Einfluss, aber es ist jetzt nicht so, dass zum Beispiel das Preisgeld das es da gibt, dass das dann beim Unternehmen einen großen Unterschied machen würde.

00: 13:13: Hattet ihr in dieser frühen Gründungsphase auch Schwierigkeiten, mit denen ihr umgehen musstet?

00: 13:19: Sicherlich. Da gibt es einige Schwierigkeiten. Man muss ja erstmal alles lernen. Wie ich schon sagte, wir haben kein Business oder Management BWL-Hintergrund. Das bedeutet, am Anfang wussten wir erstmal gar nichts. Wir wussten nicht, was gibt es denn für Rechtsformen, wie gründet man denn, dass man dann zum Beispiel erstmal ein Konto braucht und all diese Sachen, das muss man alles lernen. Das geht dann immer weiter: Alle paar Tage sage ich mal kommt etwas Neues, auf das man sich dann einstellen muss, weil man kann die Arbeit in so einem kleinen Team nicht abgeben an jemand anderen, sondern muss alles selbst machen und dementsprechend tauchen natürlich immer wieder Probleme auf. Das kann von steuerlichen Sachen sein, dass man sich steuerlich schlau machen muss, das geht über Personal bis hin zu technischen Sachen, also da gibt es wirklich eine endlose Reihe an Problemen kann man sagen. Aber ich muss sagen, es war bisher nichts Existenzbedrohendes dabei oder nichts, was mir eben auch den Spaß an der ganzen Sache verdorben hätte.

00: 14:16: Das ist ja schön zu hören. Gibt es trotzdem Tipps, die du hast für andere Gründerinnen und Gründer aus der Wissenschaft?

00: 14:25: Da gibt es sicherlich ein paar Tipps die ich geben kann. Das sind natürlich immer sehr persönliche Erfahrungen und man kann jetzt nicht von meiner Erfahrung auf alle anderen Personen das irgendwie übertragen. Das denke ich, das geht nicht. Was ich nur empfehlen kann ist wirklich den Schritt zu tun, wenn man denkt, dass man da wirklich eine Idee hat. Was ich auch relativ schnell gelernt habe ist, dass man als Wissenschaftler oder als Wissenschaftlerin immer dieses Bedürfnis hat, alles zu erklären und man versucht immer, wenn man jetzt irgendwas gemacht hat in der Forschung immer ganz genau zu erklären, warum und wie das funktioniert usw. Das muss man zwar im Business-Bereich auch irgendwie machen aber das Ganze ist etwas oberflächlicher, also gerade die technischen Sachen oder auch die Herleitung zum Beispiel, warum man das jetzt machen muss. Dann als Wissenschaftler setzt man da vielleicht sehr weit oben an und sagt, ja da gibt es diese und jene gesellschaftliche Entwicklung die dazu führt, dass… - das interessiert im Businesskontext nicht so. Da muss man dann wirklich irgendwie einen Market Need aufzeigen, sagen ok, hier ist jemand, der braucht wirklich das Produkt und der ist bereit dafür Geld zu zahlen und das muss man überzeugend rüberbringen. Das ist so eine Sache, wo man meiner Meinung nach früh daran arbeiten kann. Und dann auch wirklich versuchen, das hat uns zumindest geholfen, diese Sachen zu machen, wo man manchmal vielleicht denkt, das ist ja total einfach. So Dinge wie ein Lean Business Canvas zum Beispiel. Es gibt aus der BWL Konzepte wie man jetzt irgendwie ein Unternehmen plant oder auch einen Markteintritt plant. Das sind so Dinge, da denkt man, da lese ich mir einen Wikipedia-Artikel durch und dann ist das total einfach und das baue ich vielleicht gar nicht. Das hilft aber tatsächlich, wenn man diese Sachen macht und sich viele Dinge auch wirklich aufschreibt oder so zu Papier bringt, dass man sie anderen Leuten präsentieren kann und sich wirklich Gedanken zu all diesen Sachen macht. Das kann ich auch empfehlen, dass man so zu diesen klassischen Sachen wie Pitch Deck, Business Canvas, Markteintrittsstrategie Gedanken darüber macht, wie man etwas verkauft. Man muss einfach sehr praktisch sein. Das ist auch eine Sache, die wichtig ist. Wo vielleicht auch manchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht so liegt, dass man wirklich versucht, Dinge zum Markt hin zu entwickeln und auch schnell zu entwickeln und vielleicht auch nicht immer ganz so perfektionistisch ist.

00: 16:45: Das ist schon nochmal ein ganz anderer Blickwinkel. Was würdest du denn sagen: Können die öffentlichen Förderprogramme den Bedürfnissen von Startup-Gründern gerade aus der Wissenschaft auch noch besser entgegenkommen?

00: 16:57: Sicherlich. Es gibt manche Programme, die funktionieren sehr gut, zum Beispiel sind wir jetzt gerade auch in der KI-Garage wie ich zu Anfang erwähnt hatte. Das ist ja auch etwas, was größtenteils oder eigentlich ausschließlich öffentlich organisiert ist. Ich muss auch sagen, zum Beispiel die Stadt Mannheim, die macht wirklich sehr viel für Startups. Wir haben uns da sehr gut unterstützt gefühlt und fühlen uns auch weiterhin sehr gut unterstützt. Es gibt aber auch ein paar Sachen, da hat man manchmal das Gefühl, es geht auch sehr viel um die Außenwirkung, mehr als darum, dass man versucht, dass dem Unternehmen geholfen wird. Man muss da ein bisschen vorsichtig sein meiner Meinung nach auch als Unternehmen, als Startup, wenn man da beginnt, dass man nicht versucht jede Art von Preis oder Förderung irgendwie zu verfolgen, weil die sind teilweise wirklich mit sehr viel Aufwand verbunden, was zum Beispiel die Bewerbung für diese Preise angeht oder diese Förderung. Manchmal macht es wirklich mehr Sinn, es direkt zu versuchen, lieber Richtung Markt etwas zu entwickeln, als darüber zu schreiben wie man etwas in Richtung Markt entwickeln zum Beispiel. Also ich denke man muss als Startup sehr vorsichtig sein bei der Auswahl der Förderinstrumente die es da gibt. Nicht alle sind wirklich so zielgerichtet und bei manchen hat man auch manchmal das Gefühl, da geht es eher darum, die Institution oder den Träger der das ins Leben gerufen hat gut darzustellen, als dass es wirklich darum geht das Unternehmen praktisch zu fördern.

00: 18:27: Jetzt haben wir schon viel darüber gesprochen, wie Istari.ai entstanden ist und welche Erfahrungen ihr damit gemacht habt. Du hast aber auch gerade erzählt, wie wichtig es ist, so einen Pitch bereit zu haben. Kannst du kurz und für die Hörerinnen und Hörer verständlich erklären, was ihr eigentlich so macht?

00: 18:44: Das kann ich zumindest versuchen. Wir bei Istari.ai, wir automatisieren Marktrecherche in Echtzeit. Das bedeutet, wir haben ein Programm entwickelt, webAI nennt sich das, das baut auf verschiedenen domain expert agents auf - wie wir die nennen. Das sind einzelne Computerprogramme, hauptsächlich Programme aus dem Bereich Natural Language Processing, also Textanalyse. Diese Programme sind in der Lage automatisiert, multilingual, also jeder dieser Agenten kann etwa 100 Sprachen, Texte auszuwerten hinsichtlich eines bestimmten Themas. Wir haben zum Beispiel einen Innovationsagenten oder einen Nachhaltigkeitsagenten. Der Innovationsagent ist zum Beispiel darauf ausgelegt, Texte von Unternehmen - diese Texte kommen hauptsächlich von Unternehmens Webseiten, aber auch Social Media oder News-Artikel - dahingehend zu bewerten, ob es bei dem Unternehmen, um das sich dieser Text handelt, um ein innovatives Unternehmen handelt. Und wir haben sehr viele von diesen Agenten, die sehr viele verschiedene Themen abdecken. Diese Agenten laufen vollautomatisiert. Das bedeutet jede Woche schauen wir derzeit zum Beispiel alle Unternehmen in der DACH-Region Deutschland-Schweiz-Österreich an und jeder dieser Agenten liest alle Unternehmenswebseiten und gibt uns Informationen zu diesen Unternehmen entsprechend der eigenen Expertise. Diese Experteneinschätzung kann man dann zusammenschließen, um zum Beispiel in der Dachregion nach einem innovativen Unternehmen zu suchen, das im Bereich Nachhaltigkeit engagiert ist und zum Beispiel künstliche Intelligenz in Produkten oder Dienstleistungen integriert hat. Das unterscheidet uns von den Anbietern traditioneller Unternehmensdatenbanken. Da gibt es einige, die Informationen zu Unternehmen bereitstellen. Aber diese Anbieter setzen auf manuelle Recherche. Das bedeutet, da sind Hunderte, teilweise Tausende von Leuten beschäftigt, die sich zum Beispiel Unternehmenswebseiten anschauen, das Handelsregister durchgehen oder auch Patentdatenbanken und Informationen zu Unternehmen bereitstellen. Das funktioniert erstmal auch. Das Problem ist, dass diese Informationen in den Datenbanken häufig veraltet sind oder bestimmte Themen gar nicht abgedeckt sind. Da kann man dann zu uns kommen und wir bieten dann Markt- und Unternehmensinformationen in Echtzeit an. Derzeit in der DACH-Region, aber wir planen später dieses Jahr das noch auf ganz Europa auszuweiten. Da sprechen wir dann von etwa 10 bis 12 Millionen Unternehmen, die wöchentlich gescannt werden.

00: 21:05: Das ist eine ganze Menge. Diese Daten sind ja sicher auch für politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sehr interessant. Was gibt es da für Anwendungsmöglichkeiten?

00: 21:16: Ich kann zumindest mal erzählen, an wen wir verkaufen, weil wir machen tatsächlich auch schon Umsätze, was in der Startup-Welt auch nicht immer alltäglich ist. Angefangen haben wir im Bereich „academia“ zu verkaufen, also an Universitäten oder auch Forschungseinrichtungen. Das waren dann wirklich Daten für die Forschung. Letztes Jahr haben wir uns ganz besonders dann auf regionale Wirtschaftsförderer, Verbände und Ministerien konzentriert. Da kommen dann auch die politischen Entscheidungsträger und politischen Entscheidungsträgerinnen ins Spiel. Das sind dann Menschen, die aus welchen Gründen auch immer einen Live-Einblick in die Regionalwirtschaft oder in ihrer Branche benötigen, um gute Entscheidungen zu treffen. Anstatt da auf diese starren und häufig veralteten Daten in diesen traditionellen Unternehmensdatenbanken zu setzen, kann man auch unsere Daten benutzen und kriegt dann wirklich ein Lagebild wie es zum Beispiel vor einer Woche war. Welche Unternehmen in meiner Region machen denn zum Beispiel KI und wen sollte ich denn da ansprechen, wenn es darum geht, wenn ich jetzt beispielsweise einen Workshop mache oder wenn ich jetzt in meiner Region oder in meiner Branche eine Digitalisierungsagenda verfolge und da Workshops mache. Oder versuche bestimmte Branchen zu vernetzen, dann kann man zu uns kommen und bekommt da die Informationen die man benötigt.

00: 22:33: Ihr habt auch zu Beginn der Coronakrise eine Auswertung gefahren, wenn ich mich richtig erinnere.

00: 22:38: Das ist richtig. Das waren unsere ersten Projekte mit denen wir auch tatsächlich Geld verdient haben. Da ging es darum, dass wir zu Beginn der Corona-Pandemie, also im Frühjahr 2020 wer sich erinnert, das ging ja alles extrem schnell und kam sehr unerwartet und plötzlich waren die Lockdowns da, die wir auch vorher nur in China mitbekommen haben, da hatten wir einfach so eine typische Situation, wenn man auf traditionelle Unternehmensdatenbanken angewiesen ist, gar nicht abschätzen kann, wer denn jetzt von diesen Lockdown-Maßnahmen überhaupt betroffen ist, weil wenn man sich erinnert: Ein Lockdown hat sehr unterschiedliche Auswirkungen zum Beispiel auf den Einzelhandel verglichen mit E-Commerce, zum Beispiel Amazon hat sicherlich profitiert von den Lockdowns. Aber um das wirklich abschätzen zu können, das geht mit traditionellen Unternehmensdatenbanken eigentlich nicht und was wir dann angeboten haben und dann auch durchgeführt haben: Wir haben alle Unternehmen in Deutschland, später dann auch für Kunden in der Schweiz, haben das gleiche dann auch in der Schweiz gemacht, zweimal die Woche analysiert, deren Unternehmenswebseiten gescannt und geschaut, ob die etwas zur Coronavirus-Pandemie sagen und dann mit KI-Modellen abgeschätzt, ob es sich dabei darum handelt, dass das Unternehmen berichtet, dass es beispielsweise Probleme hat, sei es, es muss einen Laden zu machen, Events absagen oder ob es sich anpasst, beispielsweise geänderte Öffnungszeiten hat, ein neues Hygienekonzept oder vielleicht auch darüber berichtet, dass es tatsächlich gar keine Probleme hat, was auch vorkommt und konnten so dann ein zweimal in der Woche geupdatetes Lagebild zur Auswirkung der Lockdown-Maßnahmen auf die Wirtschaft bieten. Das war dann auch das erste Mal, dass jemand bereit war, uns dafür tatsächlich auch Geld zu geben.

00: 24:20: Inzwischen bietet ihr aber auch eure Dienste anderen Unternehmen an. Wenn ich jetzt Vertreterin eines Unternehmens aus der Region wäre. Was hättet ihr denn da so für mich, was könnte mich da interessieren?

00: 24:34: Derzeit ist es so: Nicht alle Unternehmen sind potenzielle Kunden für uns, zumindest jetzt noch nicht. Wir zielen da derzeit eher auf einen Bereich, den nennen wir „Professional Services Consulting“, das sind sozusagen alle Analysten, Consultants, die irgendeine Form von Marktanalyse oder Technologieanalyse oder Branchenanalyse machen und dafür auch auf aktuelle Informationen beispielsweise zum Thema Nachhaltigkeit, KI, was auch immer im Endeffekt, angewiesen sind. Da versuchen wir gerade vermehrt reinzukommen. Da haben wir jetzt auch unsere ersten Kunden gewonnen in diesem Bereich. Da geht es dann wirklich darum, dass wir diesen Kunden die nötigen Daten an die Hand geben, damit diese Kunden dann meistens wieder für andere Kunden gute Services bieten können, also beispielsweise eine gute Beratung bieten können, wenn es jetzt zum Beispiel darum geht, in einen bestimmten Markt einzutreten oder eine bestimmte Branche oder Region zu bewerten.

00: 25:27: Die Daten die er mit Istari erhebt, die sind wie du schon gesagt hast auch für die Forschung sehr interessant und du bist ja auch gleichzeitig noch als Forscher tätig. Kürzlich warst du an einer Studie beteiligt zum Thema „Greenwashing in der US-Metallindustrie“. Wie kann man zu dem Thema die Daten von Istari nutzen?

00: 25:46: Da haben wir etwas, das nennt sich das ist Istari Research Partnerprogramm. Wir kommen ja aus der Forschung und wir wollen der Forschung weiterhin aus vielen Gründen verbunden bleiben. und dieses Istari Research Partnerprogramm, da kooperieren wir mit Partnern von Universitäten aus ganz Europa. Das sind meistens junge Forscherinnen und Forscher, die dann bevorzugt häufig kostenlos Zugriff auf unsere Daten bekommen, um Studien durchzuführen. Teilweise ist es auch so, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern neue Agenten entwickeln, also neue Programme zur Auswertung von Webdaten. Bei uns geht es ja immer darum, Expertenwissen in einen Agenten zu übertragen, der dann multilingual und automatisiert Marktrecherche macht. Einer dieser Projekte die wir durchgeführt haben ist genau dieses Greenwashing Papier. Wir haben einen Sustainability-Agenten gemeinsam mit der OECD entwickelt. Das ist ein Computerprogramm, ein NLP-Programm, das in der Lage ist, Texte von Unternehmenswebseiten auszuwerten, um uns dann eine Prognose zu geben, ob für dieses Unternehmen Nachhaltigkeit ein zentrales Thema im Geschäftsmodell ist. Diese Daten kann man dann natürlich auch in der Forschung verwenden und speziell in diesem Greenwashing-Projekt ging es dann darum, diesen Sustainability-Agenten auf die gesamte US-Metallindustrie anzuwenden. Also deren Webseiten auszulesen und die Unternehmen dann in sagen wir vereinfacht nachhaltige und nicht-nachhaltige Unternehmen einzuteilen. Dann ist natürlich die Frage: Ein Unternehmen das jetzt auf der Webseite schreibt, es ist nachhaltig oder sich so darstellt, als ob Nachhaltigkeit ein zentraler Bestandteil des Geschäftsprinzips wäre, das können leere Worte sein, das ist dann das sogenannte Greenwashing. Greenwashing bedeutet, man stellt sich selbst als sehr grün dar, um ein gutes Image zu haben, aber macht eigentlich gar nicht wirklich was. Das ist dann das sogenannte Greenwashing. Wir haben versucht, neue Einblicke zu bekommen, indem wir zuerst diese Unternehmen bewerten mit unserem Sustainability-Agenten und anschließend schauen, ob diese Unternehmen aus der Metallindustrie, die sich als grün darstellen, einen geringeren SO2-Ausstoß, Schwefeldioxid, haben an ihrem Standort. Schwefeldioxid ist ein klimaschädliches Gas, das auch nur kurz in der unteren Atmosphäre verbleibt und deswegen auch sehr gut auf Satellitendaten gemessen werden kann am Standort der Emission. Wir haben dann diese Satellitendaten genutzt, um die Unternehmen die wir bewertet haben, sowohl die, die wir als nachhaltig als auch die, die wir als nicht-nachhaltig bewertet haben, zu messen, was sie denn für eine SO2-Ausstoß an ihrem Standort ist. Und dann zu schauen, ein Unternehmen stellt sich als grün dar, ist denn dann da auch der SO2-Ausstoß geringer. Unsere Forschung deutet darauf hin, dass das tatsächlich der Fall ist. Wir konnten da kein Greenwashing, zumindest kein systematisches Greenwashing nachweisen, was natürlich für den Verkauf des Papiers sage ich mal nicht so toll ist, wie wenn wir jetzt Greenwashing entdeckt hätten. Aber das ist dann in der Forschung so, da kommen auch manchmal Ergebnisse heraus, die sich nicht ganz so gut verkaufen lassen.

00: 28:50: Damit wären wir auch schon am Ende angelangt, aber du hast so ein schönes Stichwort geliefert. Was mich nämlich wirklich noch interessieren würde ist: Du kennst ja jetzt beide Rollen, Wissenschaftler und CEO, welche davon magst du lieber?

00: 29:04: Das sind wirklich zwei sehr unterschiedliche Sachen muss ich sagen. Was mir bei der Business-Rolle ein bisschen fehlt ist das, was man als Wissenschaftler machen kann, dass man sich extrem eingängig mit einem bestimmten Thema beschäftigt, was auch großen Spaß macht, wenn man das wirklich komplett durchdringt und sich Zeit nimmt und das sehr, sehr gewissenhaft macht. Das hat man in dem Business-Bereich nicht so. Da muss vieles sehr viel schneller gehen. Was mir dafür dann an der Business-Seite gut gefällt ist, dass es sehr vielfältig ist, dass man gerade am Anfang in einem Startup das „Mädchen für alles“ ist. Man muss wirklich alles machen, egal was es ist. Das macht auch sehr viel Spaß und ich muss sagen: Ich habe im letzten Jahr mehr gelernt als in vielen Jahren davor, also es ist wirklich ein toller Input und es ist sehr spannend, das ist schön daran.

00: 29:56: Vielen Dank Jan, dass du uns an Deinen Erfahrungen hast teilhaben lassen.

00: 29:59: Vielen Dank an euch. Danke sehr!

00: 30:02: Danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn Ihnen der Podcast gefällt, freuen wir uns über ihre positive Bewertung. Links zu den entsprechenden Podcast-Plattformen finden Sie in den Shownotes. Und noch eine Bitte: Wir entwickeln momentan unseren Podcast weiter. Dabei brauchen wir Ihre Hilfe. Geben Sie uns in einem kurzen Online-Gespräch Feedback zu diesem Podcast. Melden Sie sich bitte per Mail an podcast@zew.de.

00: 30:27: Musik.

00: 30:29: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

Über diesen Podcast

Der Podcast des ZEW Mannheim.

von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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