Wirtschaft · Forschung · Debatten

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00: 00:00: Auch wir am ZEW sehen durchaus die Möglichkeit einer Versicherungspflicht. Dass jeder Haushalt sich versichern lassen muss und jeder Haushalt auch ein Versicherungsangebot bekommen muss.

00: 00:10: Musik.

00: 00:13: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibnitz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

00: 00:25: Mehr als 180 Todesopfer hat die Hochwasserkatastrophe vom Sommer 2021 in Deutschland gefordert. Das Tiefdruckgebiet Bernd brachte Starkregen über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Kleine Flüsse traten über die Ufer und überfluteten ganze Orte. Viele Menschen haben ihr Zuhause verloren. Auch die Infrastruktur hat massive Zerstörungen davongetragen. Insgesamt gehen die Schäden in die Milliarden. Das war schon die dritte sogenannte Jahrhundertflut seit dem Jahr 2000. Über die Gefahren von Hochwasser und wie wir uns davor schützen können, spreche ich jetzt mit Dr. Daniel Osberghaus. Er arbeitet als Umweltökonom am ZEW Mannheim. Hochwasser ist sein Spezialgebiet. In dieser Folge erhalten Sie Informationen um besser einzuschätzen, ob es eine Versicherungspflicht braucht, wie Sie sich sonst noch vor Hochwasserschäden schützen können und was der Klimawandel für die Hochwasservorsorge bedeutet. Mein Name ist Carola Hesch. Herzlich Willkommen. Hallo Daniel.

00: 01:23: Hallo Carola.

00: 01:24: Das Hochwasser im Sommer war ziemlich einschneidend. Müssen wir uns in Zukunft öfters auf sowas gefasst machen?

00: 01:30: Ja, das Hochwasser im Sommer im Juli, vor allem im Ahrtal, war schon ein sehr einschneidendes und sehr extremes Ereignis. Auch für das Gebiet war es ein Ereignis, was so wirklich nicht häufig zu erwarten ist. Aber auf diese Häufung von Extremwetterereignissen im Ganzen gesehen muss man sich schon einstellen. Klimawandel führt schon dazu, dass insgesamt in Deutschland und Europa schlimmere und häufigere Hochwasserereignisse auftreten werden. Es ist schon ein Thema, auf das sich Privathaushalte in Deutschland und die Gesellschaft insgesamt einstellen sollte.

00: 02:01: Wenn du sagst Privathaushalte. Wen meinst du damit? Wer konkret sollte sich alles Gedanken um Hochwasservorsorge machen?

00: 02:08: Natürlich alle Leute, die in der Nähe von Flüssen wohnen. Aber da ist manchmal ein falsches Sicherheitsgefühl bei Leuten, die ein bisschen weiter weg vom Fluss leben. Der Klimawandel führt auch dazu, dass Starkregenereignisse und schlimme Niederschlagsereignisse zunehmen werden. Dadurch kann es passieren, dass auch Leute, die weiter weg von Flussläufen wohnen, durch Starkregen oder durch Erdrutsche oder ähnliche Naturereignisse betroffen sein können. Starkregenereignisse sind auch ein zunehmendes Thema in Deutschland.

00: 02:40: Also betrifft es uns eigentlich fast alle.

00: 02:43: Praktisch jeden, der ein Erdgeschoss oder einen Keller nutzt.00:02:47: Gibt es trotzdem manche Gruppen, die besonders von den Schäden betroffen sind?00:02:52: Diese Frage haben wir uns am ZEW auch gestellt und haben untersucht, ob es in Deutschland so ist, dass einkommensschwache Haushalte eher in den Gebieten wohnen, die häufiger von Hochwasser betroffen sind. Das ist nämlich in der USA teilweise der Fall. Hier gibt es auch Untersuchungen dazu. Für Deutschland haben wir das erstmals mit Befragungsdaten und Hochwassergefahrenkarten analysiert und festgestallt, dass dieser Zusammenhang in Deutschland derzeit nicht existiert. Wir haben keine Konzentration von ärmeren oder reicheren Haushalten in Hochwasserrisikogebieten. Allerdings konnten wir auch sehr stark sehen, dass ärmere Haushalte sich schlechter auf Hochwasserereignisse vorbereiten können. Es gibt Versicherungen gegen Hochwasser und nicht-finanzielle Vorsorgemaßnahmen. Diese sind bei einkommensschwächeren Haushalten weniger verbreitet. Insofern sind sie insgesamt gesehen doch vulnerabler gegenüber Hochwasserereignissen.

00: 03:48: Du hast gerade verschiedene Vorsorgemöglichkeiten angesprochen. Was können unsere Hörerinnen und Hörer denn machen, um ihr Haus hochwasserfest zu machen. Hast du konkrete Tipps?

00: 03:59: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die auf verschiedene Ereignistypen wirksam sind. Es gibt zum Beispiel die Ereignisse, die alle paar Jahre mal passieren können, die nicht so extrem sind und vielleicht von der Regenmenge alle zwei Jahre auftreten. Gegen solche Ereignisse, die nicht so hohe Wassermengen und Wasserstände mit sich bringen, helfen schon relativ einfache Möglichkeiten, die technisch auch an Bestandsbauten durchführbar sind. Zum Beispiel kann man Kellerschächte mit einer einfachen Backsteinreihe so abdichten, dass das Wasser, wenn es mal zwei, drei Zentimeter höher steht als sonst, nicht in den Keller hineinfließt. Oder man kann, wenn man sich den Keller anschaut, überlegen, wo man die Kelleröffnung, Fenster, Türen abdichten kann. Wenn doch Wasser reinkommt, sollte man überlegen, Wertgegenstände nicht auf dem Boden zu lagern, sondern vielleicht höher oder in höhere Stockwerke unterzubringen. Das gleiche gilt für den Öltank. Man sollte den Öltank sichern, dass er nicht aufschwemmt, wenn Wasser in den Keller hineinfließt. Wasserresistente Fußböden zu verlegen, das wäre ein etwas größerer Eingriff. Es gibt eine ganze Reihe an technischen Möglichkeiten. Wenn es einen hohen Wasserstand in der Straße gibt, dass dann das Abwasser nicht durch die Kanalisation in das Haus zurückströmt. Dafür gibt es Rückstauklappen. Das ist die Maßnahme, wie wir in den Befragungen gesehen haben, die am meisten in Deutschland verbreitet ist. Nach unseren Befragungsdaten haben das ungefähr 30 Prozent. Man kann sich überlegen, ob man sich das bei sich einbauen könnte. Das sind die Ereignisse, die technisch beherrschbar sind. Wir haben am Ahrtal oder anderen Ereignissen gesehen, dass diese technischen Maßnahmen irgendwann versagen. Dann steht das Wasser doch im Haus. Dann ist es wichtig, ob man gegen Hochwasserschäden versichert ist. Das ist ein großes Thema. Es gibt in Deutschland die Wohngebäudeversicherung, die die allermeisten Haushalte abgeschlossen haben. Wir wissen aus unseren Befragungen, dass viele Leute denken, dass das auch die Hochwasserschäden mitversichert. Das ist aber nicht immer so: Die Wohngebäudeversicherung hat erstmal standardmäßig keinen Schutz gegen Hochwasser, sondern nur gegen Leitungswasser. Und alles Wasser, das von außen kommt: Diese Schäden muss man zusätzlich mit der sogenannten Elementarschadenversicherung versichern.

00: 06:28: Leitungswasser wäre dann sowas wie Wasserrohrbruch.

00: 06:30: Ja genau, das ist standardmäßig in der Wohngebäudeversicherung mit drin. Aber alles Wasser, was von außen kommt, durch Starkregen, Überschwemmungen, Hochwasser, Rückstau von der Kanalisation ist erstmal nicht abgedeckt, aber in der Elementarschadenversicherung ist das mit drin. Ungefähr die Hälfte der Haushalte haben das in Deutschland. Die andere Hälfte ist im Hochwasserfall nicht versichert. Das ist eine große Versicherungslücke in Deutschland, die gerade bei schlimmen Ereignissen wie im Sommer immer wieder zu großen Problemen führt.

00: 07:04: Abgesehen davon, was wir selber tun können. Welche Aufgaben kann denn die Gesellschaft übernehmen, um besser gegen Hochwasser vorzusorgen?

00: 07:12: Wir haben bisher nur über die Möglichkeiten für einen privaten Haushalt gesprochen. Darüber hinaus gibt es natürlich erstmal die Verantwortung der Kommunen und der Bundesländer für die Bereitstellung des Hochwasserschutzes als öffentliches Gut: Also Deiche aufbauen und instand halten, die Kanalisation so auszugestalten, dass sie auch bei größeren Starkregenereignissen nicht überläuft. Und auch für einen guten Katastrophenschutz zu sorgen: Für Ereignisse, die wirklich Leib und Leben betreffen, muss auch das Alarmsystem funktionieren und die Leute müssen informiert werden, wenn Evakuierungen notwendig sind. Das sind alles Aufgaben, die die Politik, die die kommunalen Stellen oder die Bundesländer bereitstellen müssen.

00: 07:55: Im Sommer gab es, nachdem das Hochwasser eingetreten ist und diese Schäden nun mal passiert waren, auch Hilfen von staatlicher Seite. Es gab einerseits Soforthilfen für die Menschen, die alles verloren hatten, damit sie sich wieder mit dem nötigsten eindecken konnten. Und es gab Wiederaufbauhilfen, damit die Häuser wieder aufgebaut werden können. Insgesamt beläuft sich das auf 30 Milliarden Euro, also ein ganz schöner Batzen. Von den Schäden werden 80 Prozent erstatten, in Härtefallen sogar 100 Prozent, also jede Menge Geld.

00: 08:58: Ja genau, das ist so gewesen. Auch bei den größeren Hochwasserereignissen in den Vorjahren in Deutschland, 2002 und 2013, ist das sehr ähnlich gelaufen. Das ist natürlich im Einzelfall sehr verständlich und ganz klar notwendig, dass Leute von staatlicher Seite in Not Unterstützung bekommen. Allerdings sollte das keine Blauphase für die Zukunft und für zukünftige Ereignisse sein. Wir haben ja eben gesagt, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass solche Ereignisse immer wieder passieren. Es gibt verschiedene Gründe, warum diese Art der Schadensregulierung nicht optimal oder auch nicht effektiv und effizient ist. Es gab in den letzten Jahren viele Ereignisse und viele betroffene Haushalte, die nicht dazu geführt haben, dass nationale Medien darüber berichtet haben und Politiker in Gummistiefeln durch die betroffenen Gebiete gegangen sind und Hilfe versprochen haben. Diese Haushalte hatten das Problem, dass sie von einem Ereignis geschädigt wurden, das nicht diese Aufmerksamkeit bekommen hat. Dann gab es auch für diese betroffenen Haushalten keine Staatshilfen, obwohl es eigentlich ein vergleichbares Ereignis mit vergleichbaren Schäden gewesen ist. Darüber hinaus muss man sich auch die Frage stellen, was es mit den Anreizen für die private Eigenvorsorge macht, wenn Haushalte, die sich nicht versichert haben, Staatshilfen in Höhe von 80 Prozent des Gebäudeschadens bekommen und Haushalte, die sich versichert haben, im gleichen Ereignis viel weniger, wenn überhaupt Hilfe vom Staat bekommen, weil bei den Staatshilfen werden die Versicherungsleistungen angerechnet. Das heißt, jemand der sich im Vorfeld versichert hat und dafür Prämien gezahlt hat, bekommt weniger, wenn überhaupt Staatshilfen. Während jemand, der mit privaten Kosten nicht vorgesorgt hat, dann Staatshilfen bekommt. Wie gesagt, es ist notwendig, dass Leuten Unterstützung gewährt wird, aber langfristig sollte man sich darüber Gedanken machen, wie man dieses System reformieren kann.

00: 10:27: Wäre es nicht eigentlich besser, wenn alle schon im Vorfeld versichert wären?

00: 10:32: Das ist ein wichtiger Gedanke. Das wäre tatsächlich ökonomisch durchaus zu begrüßen, wenn die Versicherungsdichte signifikant erhöht wird. Versicherungen führen meistens dazu, das zeigt die Empirie, dass Gesellschaften sich schneller und effizienter von Naturkatastrophen erholen können. Es findet ein Risikotransfer und ein Risiko-Pooling statt. Dadurch sind es nicht so hohe Schäden, die auf einmal entstehen, sondern eher kleinere Zahlungen, die im Laufe der Zeit entstehen.

00: 11:01: Kannst du die Begriffe, Risikotransfer und Risiko-Pooling, erklären?

00: 11:04: Wenn zum Beispiel jemand versichert ist, hat er nicht mehr das Risiko eines großen Schadens. Stattdessen hat die Versicherung dieses Risiko. Das Risiko wird transferiert vom Versicherungsnehmer zu dem Versicherungsunternehmen. Wenn man davon ausgeht, dass Versicherungsunternehmen eher mit großen Schäden umgehen können, als ein Privathaushalt, der vielleicht dann direkt hunderttausende Euro für den Neubau seines Hauses berappen muss, ist das ökonomisch vorteilhaft. Das ist dann der Risikotransfer. Risiko-Pooling heißt im Grunde: Die Versicherungsunternehmen fassen viele verschiedene Risiken von ihren Kunden zusammen. Bei der Elementarschadenversicherung ist vielleicht interessant zu wissen, dass nicht nur Hochwasserschäden drin sind, sondern auch Erdrutsche, Lawinen und Erdbeben. Das sind alles Gefahren, die in Deutschland nicht so häufig sind, außer Hochwasser. Sie sind aber in den letzten Jahrzehnten durchaus aufgetreten. Wenn man verschiedene Pool-Gefahren in einer Versicherung bündelt, führt das insgesamt dazu, dass das Risiko gepoolt wird und dadurch in den Prämien besser darstellbar wird.

00: 12:14: Wie könnte man das schaffen, dass die Versicherungsdichte ansteigt?

00: 12:18: Dazu gibt es ein paar Vorschläge, die gerade in der Politik und der Wissenschaft diskutiert werden. Die gehen teilweise recht weit. Es gibt Vorschläge, die sehr stark in die Vertragsfreiheit von den Versicherungskunden eingreifen würden. Vielleicht fangen wir mal mit einer Möglichkeit an, die gar nicht so weitgehend ist und davon ausgeht, dass man die Leute noch mehr aufklären muss, was die Risiken und Möglichkeiten zur Versicherung und Vorsorge sind. Da gab es in den letzten Jahren einige Bestrebungen und Kampagnen der Versicherungswirtschaft und der Bundesländer, die darauf abzielten, dass die Leute über das Hochwasserrisiko und die Vorsorgemöglichkeiten besser informiert sind. Diese haben wir am ZEW auch evaluiert. Wir haben angeschaut, ob das Versicherungsverhalten und das Vorsorgeverhalten der Haushalte ändert, wenn sie in einem Bundesland leben, wo solche Kampagnen gemacht wurden. Wir haben gesehen, dass das keinen Effekt hatte. Es wird wahrscheinlich nicht ausreichen, noch weitere Aufklärungskampagnen in Deutschland zu machen. Wir haben nicht gesehen, dass das irgendwelchen Nutzen in Bezug auf Versicherungsdichte hatte.

00: 13:29: Wäre Aufklärung nicht trotzdem sinnvoll. Ich persönlich wusste nicht, was alles geht. Müsste man die Menschen nicht besser informieren?

00: 13:40: Ich möchte nicht sagen, dass das komplett nutzlos ist, das zu tun. Es wird aber wahrscheinlich nicht den substantiellen Erfolg oder Effekt haben auf die Versicherungsdichte und das Vorsorgeverhalten, das wir brauchen. Wir haben eben gesagt, wir haben 50 Prozent der Haushalte, die versichert sind. Das heißt, dass wir einen sehr starken Anstieg bräuchten, um zu einer Versicherungsdichte zu kommen, die uns gut durch solche Ereignisse wie das letzte Hochwasser gehen lässt. Man sieht die Notwenigkeit, dass wir etwas anderes machen müssen als eine Aufklärungskampagne, daran, dass wir auch einen beträchtlichen Anteil an Haushalten haben, die fälschlicherweise davon ausgehen, dass sie versichert sind. Wir nennen das eine Versicherungsillusion. Wir haben die Frage, ob sie versichert sind gegen Hochwasserschäden, in unseren Befragungsdaten mit drin. Um die 70 Prozent der Wohnungseigentümer sagen, dass sie sich versichert haben. Wenn wir das vergleichen mit den 50 Prozent, die es tatsächlich sind, dann ist da schon eine beträchtliche Lücke. Diese Lücke von 20 Prozent ist auch über die Zeit konstant und wahrscheinlich tatsächlich da, dass so viele Leute fälschlicherweise davon ausgehen, versichert zu sein. Da ist dann die Frage, ob eine Aufklärungskampagne im Sinne „Versichert euch“ wirklich Erfolg haben kann, wenn man davon ausgeht, dass man schon versichert ist.

00: 15:03: Wenn es nicht reicht, die Bevölkerung besser aufzuklären. Was könnte man stattdessen tun?

00: 15:08: Es gibt schon weitergehende Vorschläge. Die gehen in Richtung Allgefahrendeckung. Das heißt, dass die Wohngebäudeversicherung ausgedehnt und erweitert werden. Dass neben den üblichen Gefahren, nämlich Sturm, Hagel, Feuer und Leitungswasser, eben auch die Hochwassergefahren und Elementarschäden automatisch in den Verträgen mit inkludiert sind. Und zwar nicht nur für Neuverträge, sondern auch für alle bestehenden Verträge. Das sieht konkret der Vorschlag der Versicherungswirtschaft vor, der diesen Herbst veröffentlicht wurde. Es wäre eine gesetzliche Änderung der bestehenden Verträge mit einem Überleitungsgesetz. Das heißt jeder Kunde, der einen Wohngebäudeversicherungsvertrag hat, würde automatisch den Hochwasserschutz mitversichert bekommen, mit einer zusätzlichen Prämie. Man kann dieser Allgefahrendeckung aktiv widersprechen. Wenn man dies allerdings nicht tut, ist man automatisch mit drin. Das wäre der Vorschlag der Versicherungswirtschaft.

00: 16:09: Wie hoch könnte der Anstieg dieser Prämie dann ausfallen?

00: 16:13: Die Prämienhöhen bei der Elementarschadenversicherung in Deutschland sind tatsächlich abhängig vom Wohngebäude, wie groß das Haus ist. Aber dann auch maßgeblich davon abhängig, wo das Haus steht und wie hoch das Hochwasserrisiko an diesem Standort ist. Das heißt alle Häuser, die relativ weit weg von Flüssen und Überschwemmungsgebieten sind, das betrifft die große Mehrheit der Häuser in Deutschland, sind in der niedrigsten Gefahrenklasse in diesem System und würden bei einer Prämie von ungefähr einem hohen zweistelligen Betrag im Jahr landen. Es gibt vier Risikozonen in Deutschland. Wenn wir in Zone 3 oder vier sind, dann kann es auch sein, dass es drei- oder vierstellige Prämien im Jahr zusätzlich bedeutet.

00: 17:04: Das würde für manche Leute eine große Menge Geld bedeuten, die sie zusätzlich zahlen müssen.

00: 17:09: Das stimmt. Das ist auch die zentrale Herausforderung, wenn wir über Lösungen wie die Allgefahrendeckung oder die Versicherungspflicht reden. Dass Leute, die in diesen Hochrisikozonen leben, plötzlich vor sehr hohen Prämien stehen. Deswegen ist dann die Frage, ob in diesem Fall nicht doch staatliche Unterstützung für diese Hochrisikozonen zu überlegen ist. Es gibt diese Hochrisikozonen nicht nur in Neubaugebieten, die vor kurzer Zeit in Flussauen angelegt wurden, sondern auch in historisch gewachsenen Siedlungsgebieten. Hier gibt es aus Sicht von vielen Akteuren ein gesellschaftliches Interesse an diesen Gebieten. Die Altstadt von Passau ist ein Paradebeispiel: Hier gibt es ein hohes Hochwasserrisiko, aber keiner möchte dieses Gebiet deswegen aufgeben. Es ist ein kulturell wichtiges historisches Siedlungsgebiet, das unterstützt und erhalten bleiben sollte. Für diese Fälle ist es durchaus denkbar, die Prämien durch staatliche Unterstützung soweit zu reduzieren, dass sie für Bewohner dort bezahlbar sind. Natürlich sollten sie immer noch höher sein als in Niedrigrisikogebieten. Wahrscheinlich muss man auch darüber reden, dass hier Selbstbehalte notwendig sind, also Beträge, die im Schadensfall vom Bewohner selbst getragen werden und nicht von der Versicherung. Aber insgesamt sollte es in diesen Gebieten bezahlbar gemacht werden, wo die Gesellschaft ein Interesse hat, dass dort Siedlungstätigkeit bleibt.00:18:44: Und andere Gebiet, die nicht historisch gewachsen sind. Würdest du sagen, dass da der Staat weniger finanziell unterstützen sollte?00:18:52: Zumindest, wenn es um neu ausgewiesene Siedlungsgebiete geht. Natürlich muss man überlegen, mit Stichpunktregelungen zu arbeiten. Wenn nach diesen Stichtagen tatsächlich überlegt wird, ein Neubaugebiet in einer Flussaue zu bauen, würde ich sagen, dass es dafür keine staatliche Unterstützung für die dann notwendigen hohen Prämien geben sollte. Staatliche Unterstützung ist aus meiner Sicht nur empfehlenswert für die Gebiete, die bisher existieren und besiedelt werden.

00: 19:22: Wir reden weiterhin über eine Versicherung, gegen die man sich entscheiden kann. Würde das funktionieren? Oder würden viele Leute dann doch sagen: Da mache ich nicht mit, das kündige ich.00:19:32: Tatsächlich lässt der Vorschlag der Versicherungswirtschaft das an der Stelle ein bisschen offen. Wie du richtig sagst: Man kann sich dagegen entscheiden. Insbesondere in den Zonen, wo es dann teuer wird, ist die Gefahr groß, dass Leute das auch tun. Gerade wo es teuer ist, ist das Risiko am größten und dadurch am nötigsten, dass die Leute sich dort angemessen versichern. Insofern gibt es Vorschläge, die weiter gehen, als diese Opt-out Regelung der Versicherungswirtschaft: Zum Beispiel von der Verbraucherzentrale Bundesverband, auch vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen und von anderen Wissenschaftlern. Auch wir am ZEW sehen durchaus die Möglichkeit einer Versicherungspflicht. Dass sich jeder Haushalt versichern muss -oder die Möglichkeit des Opt-out- und jeder Haushalt auch ein Versicherungsangebot bekommen muss. Die Versicherungspflicht ist zweiseitig. Es ist auch für die Versicherungswirtschaft so, dass dann jeder Haushalt ein Angebot bekommen muss. Es gibt auch in der Politik starke Befürworter dieser Versicherungspflicht-Idee. Auch aus Baden-Württemberg: Winfrid Kretschmann hat das vorgeschlagen.Hier muss man wie gesagt sehr genau darüber nachdenken, wie man das für Hochrisikozonen finanzierbar machen kann. Wahrscheinlich geht es nicht ohne staatliche Transfers. Es gibt zwar auch Vorschläge mit einem Risiko-Pool innerhalb der Versicherungskunden das zu regeln. Dass dann die Leute, die in Niedrigrisikozonen leben, höhere Prämien zahlen und damit die Prämien in den wirklich gefährdeten Gebieten bezahlbar machen. Ich finde das problematisch, weil dadurch die Risiko-Bepreisung und die Anreizwirkung für Risikominimierung im Versicherungsmarkt ausgehebelt wird. Ich wäre eher dafür, die Prämien in den Hochrisikozonen – wenn es nötig ist - durch steuerfinanzierte Zuschüsse bezahlbar zu machen.00:21:29: Wir haben jetzt verschiedene Vorschläge für Deutschland diskutiert. Wie gehen eigentlich andere Länder mit dem Problem um? Können wir uns da was abschauen?00:21:38: Es ist interessant, dass in jedem anderen Land, das irgendwie mit Deutschland vergleichbar ist, der Staat in den Hochwasserversicherungsmarkt interveniert. Es gibt kein Land, wo es dem Markt alleine überlassen wird, den Hochwasserversicherungsschutz für die Haushalte bereitzustellen. Auch in Deutschland ist es de facto ein staatlicher Eingriff, wenn bei einigen Ereignisse der Staat den nichtversicherten Haushalten im Schadensfall Unterstützung zukommen lässt. Wenn man das sich anschaut, wie es in anderen Ländern gemacht wird: In Österreich haben wir auch einen freien Versicherungsmarkt ohne Versicherungspflicht. Aber es gibt dort auf Bundesebene ein Katastrophenfond, der vorab aus Steuermitteln finanziert ist und vorab festgelegte Auszahlungsregeln hat. In Deutschland wird es bei jedem Ereignis, wenn Staatshilfen beschlossen werden, auch die Auszahlungsregeln und -modalitäten neu beschlossen. Das führt manchmal dazu, dass es sehr lange dauert und es unsicher ist, ob man sein Haus mit Staatsmitteln an der Stelle neu aufbauen kann oder nicht oder welche Voraussetzungen man erfüllen muss. Das ist in Österreich alles vorab geregelt. Da gibt es den Katastrophenfond, der das vorab geregelt hat. Das ist aus meiner Sicht allerdings auch problematisch, weil sich in Österreich dadurch die Versicherungsdichte auf dem freien Markt auch nicht besonders erhöht. Es gibt dort auch eine sehr geringe Versicherungsdichte und der Katastrophenfond zahlt auch nur einen relativ geringen Anteil des Schadens, um die 20, 30 Prozent meines Wissens. In Frankreich gibt es eine Versicherungspflicht für alle Haushalte. Das heißt jeder muss eine Prämie bezahlen und die ist dort interessanterweise nicht abhängig vom Hochwasserrisiko, sondern abhängig von der Wohnungs- oder Haushaltsgröße – aber völlig unabhängig davon, wo das Haus steht und wie hoch das Risiko ist. Das wäre aus meiner Sicht für Deutschland nicht zu empfehlen. Wir haben in Deutschland die unterschiedlichen Prämien für die unterschiedlichen Risikoklassen. Das ist aus ökonomischer Perspektive auch durchaus begrüßenswert und wichtig zu erhalten, weil man dadurch ein Anreiz hat, nicht in den Hochrisikozonen zu bauen, weil es dort dann teurer wäre, sich zu versichern. Es führt zu einem Preissignal für das Hochwasserrisiko, wenn man dort höhere Prämien zahlen muss. Das sollten wir in Deutschland erhalten und nicht zu einer einheitlichen Prämie übergehen. In der USA gibt es ein Versicherungsunternehmen, das National Flood Insurance Program. Das ist staatlich refinanziert, wenn es dort zu Defiziten kommt, was immer wieder der Fall ist, wenn größere Wirbelstürme durch das Land ziehen. Dort gibt es auch staatlich unterstützte Versicherungsunternehmen. Und auch in England ist es so, dass der Staat bei sehr großen Katastrophen, die sehr extrem ausfallen, die Versicherungsunternehmen unterstützt und das ist vorab schon festgelegt. Das heißt, eigentlich überall gibt es irgendwelche staatlichen Eingriffe, die meistens besser vorab reglementiert sind, als es in Deutschland zurzeit der Fall ist. Deshalb würde ich es begrüßen, wenn Deutschland hier einen Schritt weitergeht und eine Änderung in Gang setzt, dass die Versicherungsvorsage in Deutschland besser staatlich gestützt und effizienter gestaltet wird.00:25:14: Wir müssen uns langfristig an den Klimawandel anpassen. Könnte man eine Regelung erlassen, dass Menschen in Hochrisikogebieten im Schadensfall zwar kompensiert werden. Diese Siedlung aber nicht wiederaufgebaut wird, sondern die Menschen woanders angesiedelt werden?00:25:31: Ja, das ist durchaus denkbar. Wir müssen langfristig auch zu größeren Maßnahmen kommen, als immer nur die Schäden zu begleichen und dann im Zweifelsfall an gleicher Stelle das Haus wiederaufzubauen. Insofern muss man in Einzelfällen überlegen, ob es sich lohnt, an der Stelle diese Siedlung wieder aufzubauen. Es gibt auch andere Überlegungen. Ich weiß von einem Dorf an der Elbe, wo überlegt wird, die Häuser alle zu erhöhen. Dass man jedes Haus, das dort steht, auf Sockel baut und somit um ein, zwei Meter erhöhen möchte, um dort an der Stelle wohnen zu bleiben. Über solche Maßnahmen muss man zumindest langfristig nachdenken. 00:26:15: Würdest du sagen: Es braucht nicht nur mehr Versicherungen und mehr private Vorsorge, sondern auch ein Umdenken in der Politik?00:26:22: Ja, genau. Versicherung ist keine langfristige Lösung in Bezug auf Klimawandel. Der Klimawandel führt dazu, vor allem wenn das 2-Grad-Ziel nicht erreicht werden sollte, dass Hochwasserkatastrophen öfter passieren. Irgendwann kann es die Tragfähigkeit der Versicherungswirtschaft betreffen. Zurzeit ist es so, selbst wenn jeder Haushalt in Deutschland gegen Hochwasserschäden versichert wäre: Die Versicherungswirtschaft geht davon aus, dass unter derzeitigen Umständen das alles noch im Rahmen der Finanzierbarkeit bleibt. Wenn wir über Klimawandel nachdenken, muss man deutlich sagen: Versicherung ist nicht ein Allheilmittel für Hochwasserschäden durch Klimawandel. Man muss auch über Klimaschutz nachdenken, über weitergehenden Katastrophenschutz, über höhere Deiche und andere technische Vorsorgemöglichkeiten.00:27:19: Wenn immer mehr solcher Extremwetterereignisse auftreten und er Klimawandel führt wohl dazu. Kann das bewirken, dass sich die Menschen des Klimawandels bewusster werden? Gerade wenn sie selbst einen Schaden erlitten haben. Kann das zu einem Umdenken in den Köpfen führen?00:27:37: Das könnte man hoffen. Dass Leute, die das Wasser vor ihrer Haustür sehen und darüber informiert werden, dass dieses Ereignis wahrscheinlich mit dem Klimawandel zu tun hat, auch den Klimawandel ernster nehmen und vielleicht mehr Klimaschutz selber betreiben oder Klimaanpassungen in ihrem Haushalt vornehmen. Zumindest was die Wahrnehmung des Klimawandels betrifft, haben wir relativ aktuell eine Studie gemacht und Leute, die von dem Hochwasser in 2013 betroffen waren, vor und nach dem Hochwasser über ihre Einschätzung zum Klimawandel befragt. Wir wollten damit feststellen, ob das Hochwasser dazu geführt hat, dass Leute eher an die Existenz des menschengemachten Klimawandels glauben. Wir sehen in den Ergebnissen ein relativ ernüchterndes Bild. Die Leute, die schon vor dem Hochwasserereignis von dem menschengemachten Klimawandel überzeugt sind, sind es auch danach, in verstärktem Maße. Allerdings diejenigen, die vor dem Hochwasser nicht an den Klimawandel geglaubt haben, da macht das Hochwasser auch keinen weiteren Effekt. Es führt jedenfalls nicht dazu, dass der Klimawandel eher als Gefahr wahrgenommen wird. Wir sehen wie gesagt keinen Effekt, bei Leuten, die vor dem Hochwasser nicht an den Klimawandel geglaubt haben.

00: 28:54: Wie ist es für dich, wenn du solche Ergebnisse herausbekommst, dass Menschen für Fakten gar nicht zugänglich sind. Zweifelst du dann manchmal am Sinn deiner Arbeit?00:29:06: Es ist erstmal ein sehr interessantes Ergebnis. Insofern finde ich es wichtig, dass man das kommuniziert und zeigt, wie die Lage ist. Wissenschaft ist immer ein Zusammenspiel zwischen verschiedenen Disziplinen. Ich bin jetzt kein Psychologe, sondern ein Umweltökonom und habe dieses Teilergebnis beigetragen. Ich hoffe und denke, dass dann andere Disziplinen an der Stelle weitermachen können und zum Beispiel die Psychologen gute Kommunikationsmöglichkeiten entwickeln, wie man mit solchen Zusammenhängen gut umgehen kann. Diese Gefahr, dass solche Ereignisse fehlinterpretiert werden, reduziert wird.

00: 29:52: Du beschäftigst dich ja so intensiv mit Hochwasser und Vorsorge. Hat das auch Einfluss darauf, wie du dich selbst verhältst und wie du Freunde und Familie zu dem Thema berätst?

00: 30:03: Wenn es mal dolle bei mir zuhause regnet, bin ich vielleicht schon ein bisschen nervöser als mancher andere, weil ich gesehen habe, was auch durch starken Regen für Schäden entstehen können, obwohl ich gar nicht in der Nähe von einem Fluss wohne. Ich habe persönlich kein hohes Eigentum, aber in meiner Hausratsversicherung den Elementarschadenschutz miteinbezogen. Das ist übrigens nicht nur bei der Wohngebäudeversicherung, sondern bei Hausrat ist es genau das gleiche: Die Hausratsversicherung zahlt, wenn etwas durch Leitungswasser kaputt geht, aber nicht wenn Wasser von außen reinkommt und die Technik oder die Möbel kaputt macht. Ich mache persönlich schon was. Ich empfehle auch jedem, der sich ein Haus kauft oder baut, anzuschauen, wo das steht. Es gibt Hochwasserrisikokarten und Hochwassergefahrenkarten von den Kommunen oder von der Versicherungswirtschaft. Man kann sich anschauen, in welcher Risikozone das Haus steht und wie teuer es wäre, das zu versichern. Und ob man sich dort überhaupt niederlassen möchte oder nicht. Das würde ich jedem empfehlen, der sich überlegt, irgendwo ein Haus zu kaufen oder zu bauen.

00: 31:10: Vielen Dank Daniel, dass du deine Expertise jetzt auch mit uns geteilt hast.

00: 31:14: Gerne, vielen Dank.

00: 31:16: Danke auch fürs Zuhören beim ZEW Podcast. Wenn ihnen der Podcast gefällt, freuen wir uns über ihre positive Bewertung auf Plattformen wie Apple Podcasts. Hat die jüngste Hochwasserkatastrophe ihre eigene Vorsorge verändert? Schreiben Sie uns gerne an podcast@zew.de. Wir sind gespannt auf Ihre Zuschriften.

00: 31:34: Musik.

00: 31:36: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz-Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung.

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von und mit ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

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