00: 00:00: Jedes Ziel, das jede Partei verfolgt, muss sich am Ende wiederfinden. Sozialverträglich, die Klimaziele erreichen, die Wirtschaft mitnehmen – also insofern hat das schon Potenzial.
00: 00:09: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.
00: 00:23: Deutschland bekommt eine neue Regierung. Zum ersten Mal eine Ampelkoalition auf Bundesebene. SPD, Grüne und FDP haben sich zusammengerauft und einen Koalitionsvertrag vorgestellt. Darin beschreiben die Koalitionäre ihre Vorhaben für die nächsten vier Jahre. Ein besonders wichtiges Thema ist der Klimaschutz. Alle drei Parteien wollen das Klima retten, aber mit unterschiedlichen Schwerpunkten und auf verschiedenen Wegen. Über die Klimapläne im neuen Koalitionsvertrag spreche ich jetzt mit ZEW-Präsident Professor Achim Wambach. Wir schauen uns an, welche Kompromisse die Regierungsparteien eingegangen sind und ob sie es geschafft haben, das Beste aus drei Welten zusammenzubringen. Konkret besprechen wir, wie die Ampel die Energieversorgung sichern möchte. Außerdem reden wir darüber, was die Koalition mit der Bahn vorhat und wie mehr Wettbewerb auf der Schiene aussehen könnte. Mein Name ist Carola Hesch, herzlich Willkommen. Hallo Achim.
00: 01:39: Hallo Carola
00: 01:41: Ich habe es ja gerade schon gesagt. Alle drei Parteien wollen das Klima retten, nur jede ein bisschen anders. Wie würdest du die verschiedenen Ansätze beschreiben?
00: 01:50: Eigentlich könnte man ja sagen, das ist eine ideale Kombination. Die Klimawende muss sozialverträglich sein, sie muss die Unternehmen mitnehmen, also die Wirtschaft mitnehmen, und sie muss natürlich die Klimaziele erreichen. Und da können sich alle drei Parteien wiederfinden und wir bräuchten eigentlich auch die Ideen alle drei Parteien. Im Koalitionsvertrag findet sich davon einiges wieder, wobei das muss man sagen: die richtig strittigen Punkte, die sind noch nicht ausdiskutiert. Ich denke da wird in den nächsten vier Jahren darum gerungen werden.
00: 02:27: Es ging ja trotzdem erstaunlich schnell mit dem Koalitionsvertrag. Liegen die Ampelparteien im Ende gar nicht so weit auseinander?
00: 02:33: Das ist schon sehr beeindruckend, wie schnell der Koalitionsvertrag geschlossen wurde, auch dass das so ruhig erfolgt ist. Allerdings: Der Koalitionsvertrag als Dokument, der muss ja jetzt von allen Parteien abgesegnet werden, der ist auch so formuliert, dass alle Parteien sich da wiederfinden, was natürlich auch bedeutet, dass doch einige der Konflikte vertagt wurden und nicht jetzt im Koalitionsvertrag schon ausgehandelt wurden.
00: 02:57: Auch wenn jetzt noch nicht alles feststeht – gerade die strittigen Punkte: Meinst du, man kann schon sagen, ob die Parteien beim Klimaschutz gute Kompromisse gefunden haben?
00: 03:06: Also ich finde schon. Das ist ein Klima-Koalitionsvertrag, der Klimaschutz findet sich auf allen Ebenen wieder. Das neue Instrument ist der Klimacheck, der eingeführt werden soll, alle Gesetzesmaßnahmen sollen hinsichtlich ihrer Klimawirkung überprüft werden. Das Wirtschaftsministerium wird erweitert auf ein Wirtschafts- und Klimaministerium, also bekommt noch zusätzliche Aufgaben, die erneuerbaren Energien sollen stark ausgeweitet werden. Also es ist ein Klimavertrag, das muss man so sagen. Und ich glaube das ist auch die Hauptkernaussage dieses Koalitionsvertrags.
00: 03:39: Dieser Klimacheck, was bedeutet der genau?
00: 03:41: Der Gedanke ist, dass jedes Gesetz, jeder Gesetzesentwurf auf seine Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin überprüft wird. Die Grünen wollten ursprünglich ein Vetorecht, dass man also jeden einzelnen Gesetzentwurf dann auch blockieren kann mit diesem Vetorecht. So weit ist es nicht gekommen, aber es muss überprüft werden, es muss begründet werden und insofern kann man dann noch Einspruch erheben. Deswegen klimacheck. Also es wird kontrolliert, ob dieser Gesetzentwurf Klimaförderlich ist oder nicht.
00: 04:11: Schauen wir uns doch mal ein konkretes Thema an, und zwar die Energieversorgung. Das ist knifflig, weil es ja drei Ziele gibt, die in einem Spannungsverhältnis miteinander stehen. Klima und Umweltverträglichkeit auf der einen Seite, die Versorgungssicherheit und auch noch die Bezahlbarkeit. Wir fangen vielleicht mal mit der Versorgungssicherheit an. Wo besteht da die Herausforderung?
00: 04:33: Die erneuerbaren Energien nehmen immer mehr zu. Die drei Parteien haben da auch einen sehr ambitionierten Plan für die erneuerbaren Energien, sie wollen bis 2030 80 Prozent des Bruttostrombedarf, der auch nochmal höher erwartet wird, aus erneuerbaren Energien machen und haben dafür eine Reihe von Maßnahmen. Aber das bedeutet natürlich auch, dass wenn jetzt kein Wind weht und die Sonne nicht scheint, weil erneuerbare Energien sind hauptsächlich Wind und Sonne, wo kommt dann der Strom her? Wir wollen aus der Kohle aussteigen, wir wollen aus der Kernkraft aussteigen, wer liefert diesen Strom? Und das ist die Versorgungssicherheit. Und hier ist ganz gut: Die Parteien sind sich des Problems bewusst, sie wollen ein konsequentes Monitoring der Versorgungssicherheit durchführen, einen Stresstest, so schreiben sie. Aber was ich insbesondere wichtig finde, das war das Positive im Koalitionsvertrag, sie sprechen sich explizit für neue Gaskraftwerke aus. Gaskraftwerke sind die Übergangstechnologie. Diese neuen Gaskraftwerke sollen auch umstellbar auf klimaneutrale Gase werden, sozusagen Wasserstoff verbrennen können. Aber, dass wir neue Gaskraftwerke brauchen, das sagen alle Studien, das sagen alle Simulationen und jetzt ist es auch explizit im Koalitionsvertrag. Also das ist ein wichtiger Baustein für die Versorgungssicherheit.
00: 05:45: Wie kann man dann sicherstellen, dass diese Gaskraftwerke auch gebaut werden?
00: 05:48: Genau. Das ist eigentlich die spannende Frage, also eigentlich zwei spannende Fragen: Wie brauchen sie und dann: wie werden sie gebaut? Und hier gibt es tatsächlich ein Ringen und das ist im Koalitionsvertrag auch nicht gelöst. Das eine ist, dass es angeordnet wird und sagt: jetzt wird hier mal gebaut und, das letzte Gaskraftwerk ist auf Initiative der Versorger beziehungsweise der Bundesnetzagentur gebaut worden als Sicherheitskraftwerk sozusagen. Die Alternative wäre aber so eine Art Kapazitätsmarkt. Was steckt dahinter? Man zahlt nicht nur den Strom, den man kauft, so ist das jetzt in dem Energy-Only-Markt. Also man kauft Strom ein an der Strombörse. Sondern die Versorger müssten dann auch langfristige Verträge kaufen und sagen: ich kaufe jetzt schon Strom für zwei in Jahre und geliefert wird, egal ob die Sonne scheint oder Wind weht. Sie müssen also Sicherheit einkaufen, ja. Und, man nennt das Kapazitätsmarkt, weil, sie kaufen ja dann Kapazität zur Stromerzeugung ein, deswegen Kapazitätsmarkt. Das gibt es in Frankreich, das gibt es in England, das gibt es in den USA. Also viele Länder haben so einen Kapazitätsmarkt, um diese Versorgungssicherheit herzustellen.
00: 06:51: Und Deutschland hat das noch nicht?
00: 06:54: Deutschland hat das noch nicht, Deutschland geht im Moment davon aus, dass dieser Energy-Only-Markt reicht. Also wenn man sein Geld an der Strombörse verdienen kann, dann hat man schon einen Anreiz ein Kraftwerk zu bauen, weil an der Strombörse kann man ja dann den Strom verkaufen. So ein bisschen nervös sind sie schon, sonst gäbe es nicht einen extra Abschnitt zur Versorgungssicherheit und ich glaube sie haben guten Grund etwas nervös zu sein. Weil in dieser schnellen Transformation, ohne klare Preissignale und Preisanreize wird kein Gaskraftwerk gebaut werden, das wird jetzt ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen nicht machen, wenn es nicht auch einen gewissen finanziellen Anreiz dazu hat.
00: 07:29: Jetzt steht im Koalitionsvertrag ja weder, dass solche Kapazitätsmärkte kommen, noch dass sie nicht kommen. Hältst du es für möglich, dass sich die Regierung darauf noch einigen wird?
00: 07:42 Also ich glaube das wird das Thema des nächsten Jahres sein. So viel Zeit hat die Regierung nicht, sich um Versorgungssicherheit zu kümmern. Mit dem Monitoring, das sie einführen will, mit diesem Stresstest ist sozusagen der Pfad gelegt, das dann auch Entscheidungen getroffen werden. Im unserem System, so wie der Energiemarkt aufgestellt ist, ist es eigentlich auch konsequent, so eine Form des Kapazitätsmarktes. Übrigens: das muss kein eigener Markt sein, wenn man den Versorgern verpflichtet diese langfristigen Verträge zu kaufen, dann wird das auch die Versorgungssicherheit sicherstellen. Also es gibt auch andere Methoden, aber das wurde halt denn über den Markt laufen. Das würde nicht über den Staat laufen, im Sinne von der Staat baut die oder Netzwerkbetreiber bauen die Gaskraftwerke zur Sicherheit, sondern die Versorger oder die Energieunternehmen bauen Gaskraftwerke die sie dann auch im Strommarkt anbieten.
00: 08:26: Was wäre der Vorteil, wenn die Versorger die bauen und nicht der Staat?
00: 08:30: Das sind so viele Entscheidungen, die da getroffen werden müssen. Wo wird das Gaskraftwerke gebaut, wie groß wird das gebaut, wann produziert es? Also die jetzigen, die gebaut werden, dürfen nur in Notfällen produzieren. Das heißt wir haben da ein schönes Gaskraftwerk stehen, das darf aber normal gar nicht liefern und solange liefert noch die Kohle. Das macht natürlich keinen Sinn, wenn es nur zur Sicherheit gebaut wird, ja das soll auch schon im normalen Strommarkt tätig sein. Und dann: Wann gebe ich das Gaskraftwerk in die Wartung? Wann sind die Preise höchstwahrscheinlich hoch, sodass ich es besser produzieren lassen? Also diese ganzen unternehmerischen Entscheidungen, die trifft am besten ein Unternehmen und deswegen gibt es meines Erachtens da sehr gute Gründe, das über den Markt laufen zu lassen und nicht jetzt den Netzbetreibern, die ja quasi in ihrem Netzbereich Monopolisten sind oder halt über die Bundesnetzagentur als Regulator das laufen zu lassen.
00: 09:16: Ein weiteres Ziel in der Energiepolitik ist die Klima- und Umweltverträglichkeit. Genau genommen sind das zwei Ziele. Gibt es da Schwierigkeiten, denen sich die Ampel vielleicht auch noch stellen muss?
00: 09:28: Ja. Zunächst sind das sehr ambitionierte Ziele. Zwei Prozent der Landesflächen sollen für die Windenergie ausgewiesen werden also das Thema ist erkannt, die Ziele sind in den Koalitionsvertrag geschrieben, aber die müssen noch umgesetzt werden. Was die Koalition machen will, ist die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, weil das ist schon eine richtige Baustelle, nicht nur für die erneuerbaren Energien. Also wo kommen die Windkraftwerke hin, sondern auch für die Stromnetze. Der Netzausbauplan, der ist schon lange geschrieben, aber die Netzbetreiber tun sich schwer, die Netze auszubauen, weil sie immer wieder im Planungs- und Genehmigungsprobleme hineinlaufen. Und ein wichtiges Thema da ist: Wie bekommt man Klimaschutz und Artenschutz unter einen Hut? Also unsere Gesetze sind ja ganz gut, im Hinblick auf Naturschutz. Man kann also gegen Ausbaupläne klagen oder dagegen vorgehen aus Naturschutzgründen, aber nicht aus Klimaschutz. Also das steht da nicht in unseren Gesetzen drin und da dann die richtige Balance zu finden, das Ist ein Thema. Und sie planen, dass die Netze und die erneuerbaren Energien im öffentlichen Interesse sind und der öffentlichen Sicherheit dienen. Damit kriegen diese Maßnahmen natürlich dann auch juristisch eine ganz andere Priorität. Ich glaube trotzdem, dass das eine Diskussion sein wird, weil die Gemeinden sind ja nur rein aus Naturschutz dagegen, weil sie seltene Tierarten schützen wollen. Sondern auch, weil sie sie stören, weil so ein Stromnetz natürlich auch den Hauswert verringert, und so eine Anlage in der Nähe des Hauses verringert auch den Hauswert, also hier stehen auch wirtschaftliche Interessen dahinter und auch der Lärm, also Gesundheitsinteressen. Insofern ist es wichtig, die Planungs- und Genehmigungsverfahren anzupacken, es ist aber auch wichtig, den Dialog weiterzuführen, dass wir nicht jetzt in lauter regionale Konflikte hineinlaufen.
00: 11:09: Das dritte wichtige Ziel ist die Bezahlbarkeit. Was will die Ampel tun, damit Energie auch weiterhin erschwinglich bleibt? Gerade vor dem Hintergrund, dass eben sehr viel investiert werden muss und das auf Erneuerbare umgestellt werden soll.
00: 11.24: Genau, die Bezahlbarkeit ist eigentlich aus zwei Aspekten wichtig. Zum einen für Haushalte, Strom ist ein wichtiger Bestandteil und wenn wir jetzt die Heizung auch noch auf Strom umstellen und Autofahren auch auf Strom umstellen, dann wird es umso wichtiger, dass der Strom bezahlbar bleibt. Und natürlich für die Unternehmen. Jetzt nehmen wir den Stromverbrauch von BASF, ist ja hier in der Nähe, der ist immens und wenn der Strom nicht mehr bezahlbar ist, dann werden die auch nicht mehr hier investieren, sondern halt in ihren Werken im Ausland. Deswegen ist es gut, dass im Koalitionsvertrag steht, dass die Bundesregierung dafür Sorge tragen wird, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähige Strompreise für Industrieunternehmen am Standort Deutschland bekommt. Also das haben sie im Blick, aber auch die Haushalte. Ein wichtiger Schritt ist, dass sie die EEG-Umlage abschaffen wollen vom Strompreis und das aus Steuermitteln zahlen wollen. EEG-Umlage ist die Umlage, die wir alle zahlen Strompreise für die erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren Energien, die in den letzten zwanzig Jahren gebaut wurden, die bekommen einen fixen Betrag pro Strom, den sie ins Netz einspeisen. Diesen Betrag, den die bekommen, das geht in die EEG-Umlage ein, die zahlen wir alle und das ist schon ein substanzieller Anteil des Strompreises und der soll jetzt rausgenommen werden. Das ist eigentlich ein sehr guter Vorschlag. Strom ist im Vergleich zu den anderen teuer. Und wenn ich jetzt mein Auto mit Strom tanken soll, also die Batterien beladen soll, dann muss der Strom auch günstig sein, weil sonst ist es immer noch günstiger mit Benzin oder Diesel zu fahren und dasselbe gilt für Heizen im Gebäude, wenn wir auch da auf Strom umstellen wollen oder strombasierte Heizungen, dann muss auch der Strom bezahlbar sein.
00: 13:06: Gleichzeitig setzt die Regierung ja auch auf einen CO2-Preis. Der könnte ja auch dazu führen, dass die Energiepreise ansteigen, oder?
00: 13:16: Ja, also Ja also wir haben ja zum einen Emissionszertifikatehandel in Europa und der gibt einen C02-Preis für den Strom; also für den Energiebereich und die Industrie. Deutschland hat aber auch einen eigenen zweiten Zertifikatehandel für Gebäude, also Wärme und Verkehr, also Benzin und Diesel. Und der C02-Preis im Stromsektor, der liegt jetzt ungefähr bei 60 Euro und hier hat die Koalition gesagt, da soll er auch nicht runterfallen. Also die 60 Euro, wenn der da stark herunterfällt, dann machen wir Maßnahmen, so dass er eigentlich doch 60 Euro und höher ist. Das ist schon eine klare Aussage, eine gute Aussage, weil der C02-Preis ist das marktwirtschaftliche Element, um diese Maßnahmen auch zu steuern. Die Klimaproblematik taucht in der Wertschöpfungskette auf allen möglichen Ebenen auf und es ist ganz schwierig zu sagen, welcher Bereich sauber ist und welcher weniger sauber ist. Der Preis, der gibt es an, so dass man genau weiß, also wenn ich hier dieses Produkt kaufe, das ist umweltverschmutzender erzeugt worden, deswegen ist ein höherer C02-Preis drauf. Das finde ich eine sehr gute Maßnahme. Aber, das führt natürlich dazu, dass der C02-Preis, den Strom, solange wir noch so viel mit Kohle und Gas produzieren, den Strom verteuert. Und eine Kompensation ist, dass man die EEG-Umlage senkt, das hilft den Haushalten, weil dadurch wird der Strom jetzt wiederum günstiger. Also hier wird er teurer, hier wird der günstiger, aber es ist auch in der Diskussion, dass man die Einnahmen, die man generiert, jetzt mit dem zweiten Zertifikatehandel, den Haushalten zurückgibt. Ich glaub das wird eine Diskussion sein. Ich fürchte, dass die Haushalte der Bundesregierung nicht so viel Spielraum haben, dass man da viel zurückgeben kann, aber es ist ganz wichtig zu überlegen wie kann man diese Energiewende auch sozialverträglich machen.
00: 14:58: Also die Ampel hat alle drei Ziele im Blick.
00: 15:03: Genau. Und das macht die Energiewende so schwer. Wenn nur zwei Ziele hätten wir schon viel einfacher, aber man muss halt an alle Dimensionen denken und insofern ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass auch alle Parteien dabei sind, weil jedes Ziel dass, jede Partei verfolgt, muss ich am Ende wiederfinden. Sozialverträglichkeit, Klimaziele erreichen und die Wirtschaft mitnehmen. Insofern hat das schon Potenzial.
00: 15:26: Nun spielt ja nicht nur die Energieversorgung eine wichtige Rolle, sondern auch die Mobilität. Eine klimafreundliche Art zu reisen ist das Bahn fahren. Gleichzeitig gibt es aber immer wieder Beschwerden, die Bahn sei nicht pünktlich genug, die Tickets seien zu teuer und trotzdem kostet die DB uns Steuerzahler ein Vermögen. In ihrem Wahlprogramm haben die Ampelparteien unterschiedliche Reformvorschläge für die Bahn formuliert, worauf haben sich die Koalitionäre jetzt denn geeinigt?
00: 15:52: Also die erste Aussage ist, die Bahn ist ihnen sehr wichtig. Der Güterverkehr sollte sich stark steigern und die Verkehrsleistung im Personenverkehr soll sich bis 2030 sogar verdoppeln und das ist schon sehr ambitioniert. Die Frage, wie bekommt man das hin. Und, das eine ist natürlich, mit mehr Geld. Also mehr Geld für die Schiene, Schienenausbau und das es auch attraktiver wird über bessere Schienennutzung die Bahn zu benutzen. Da darf man sich aber keinen Illusionen hingeben, also ein Schienenbauprojekt dauert auch seine Zeit, also jetzt in den nächsten Jahren werden die auch etwas hinbekommen, aber das ist schon ein dickes Brett. Das andere ist aber die Frage, ob der Konzern so wie er da ist, richtig aufgestellt ist. Hier hat die Koalition auch Vorschläge gemacht. Sie will den Konzern erhalten aber, der Infrastrukturteil – und das halte ich eigentlich für sehr vernünftig – den klammert man sozusagen aus. Was ist Infrastruktur? Das ist die Schiene, das sind aber auch die Bahnhöfe und Teile des Servicebereiches und die werden in eine eigene gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte zusammengelegt, also quasi ein eigenes Unternehmen, das auch die Gewinne behält, die muss die Gewinne nicht abführen an den Großkonzern. Und das glaube ich, ist ein erster wichtiger Schritt, um sauber zu trennen, was ist denn hier Infrastruktur, die ist ja nicht nur für die Deutsche Bahn AG, sondern die ist ja auch für die Wettbewerber da diese Infrastruktur. Auch Flixtrain fährt in einen Bahnhof rein und braucht die Bahnhofsdienste ja, und was ist eigentlich der Teil der Deutschen Bahn AG, der im Wettbewerb steht, nämlich der, der Im Fernverkehr und im Regionalverkehr tätig ist.
00: 17:43: Also es soll Wettbewerb geben zwischen der Bahn als Zugbetreiberin und anderen Anbietern wie Flixtrain aber die Bahnhöfe und die Schienen sollen dabei außen vor bleiben.
00: 17:56: Ja, die sind ja nicht im Wettbewerb. Wenn ich im Bahnhof nach Mannheim reinfahre, da kann ich ja nicht sagen, da fahr ich lieber nach Heidelberg, weil da ist es günstiger, sondern dann muss ich ja in den Bahnhof reinfahren. Also der Teil der Bahn wird immer Monopolist sein und der muss auch gut reguliert werden, das macht auch die Bundesnetzagentur. Das Problem ist ja, dass das alles in Hand der Deutschen Bahn AG ist. Und dann hat man immer Sorge, dass die, wenn die sagt, welcher Zug darf denn zuerst reinfahren, immer ihre eigenen Züge nimmt, bevor sie die von den Wettbewerbern nehmen. Oder wenn sie Tarife nimmt –natürlich sagen Sie nicht für mein eigenes Unternehmen sind Tarife günstiger – aber sie kann zum Beispiel sagen, wer mehr als 10 Züge pro Tag einfährt, die sind günstiger und die Wettbewerber haben halt nur einen Zug, der in so einen Bahnhof reinfährt. Diese Diskriminierung, die ist das Problem und hier ist jetzt schon mal ein wichtiger Schritt, dass man sagt, diesen monopolistischen Teil, also den Infrastrukturellen Teil, den machen wir in ein eigenes Unternehmen. Ich glaube es wäre wichtig, dass man auch sagt, dieses eigene Unternehmen darf auch nicht mit Managern des anderen Unternehmens besetzt sein, damit diese Diskriminierung nicht mehr vorkommt. Also was im Koalitionsvertrag steht, die möchten einen integrierten Arbeitsmarkt haben, also einen konzerninternen Arbeitsmarkt, so dass wenn man als Schaffnerin tätig ist, dann auch mal in den Servicebereich, also in den Bahnhofsbereich wechseln kann zum Beispiel. Das ist auf der Arbeitnehmerebene auch gut vorstellbar, aber nicht auf der Managementebene, die treffen die Entscheidung, da findet Diskriminierung statt. Da gebe es gute Gründe Chinese-Wall dann auch einzuziehen und dieser Schritt hier, dass dieser Infrastrukturbereich eine neue gemeinwohlorientierte Sparte wird, die auch ihre Gewinne behält, ist dann schon mal ein erster Schritt in die Richtung.
00: 19:38: Was auch im Koalitionsvertrag drinsteht ist, dass ein Deutschlandtakt kommen soll. Was ist denn damit eigentlich genau gemeint?
00: 19:45: Den Plan gibt es schon länger. Das ist die Überlegung, dass die Zugpläne, gerade im Fernverkehr, stärker getaktet sind. Also dann gebe es einen Zug von Mannheim nach Berlin, der jede Stunde fährt und dann kann ich mich auch darauf verlassen, dass da jede Stunde ein Zug fährt. Und der ist dann aber auch kombiniert, wenn der Zug zum Beispiel dann über Frankfurt fährt, dann gibt es in Frankfurt die Taktung mit Köln und die ist auch mit diesem Zug entsprechend getaktet, so dass auch die Umstiegszeiten mit geplant werden – also ein Deutschlandtakt. Im Regionalverkehr haben wir schon in einer gewissen Weise so eine Taktplanung, die ist aber auch nicht koordiniert mit dem Fernverkehr. Wenn man das zu Ende durchdenkt, dann kommt man auch dazu, dass man sagt, okey, wenn ich aber hier diese Umstiegszeiten haben will, oder ich will diese Strecke haben, dann muss ich vielleicht hier das Schienennetz stärker ausbauen, hier muss ich vielleicht am Bahnhof was machen, dass da leichter der Umstieg möglich ist und so weiter. Da hängt doch ganz viel hinten dran, das ist jetzt nicht nur ein Computersystem, was jetzt eine Taktung wiedergibt, sondern das ist dann auch ein System, das einem hilft, das Bahnnetz zu planen. Und der soll kommen und das ist eigentlich auch sinnvoll, also man kennt das aus der Schweiz, die so einen Fahrplan haben. Eine Sorge ist, dass es kein Deutschlandtakt wird, sondern ein Deutsche Bahn AG-Takt wird. Beim Fernverkehr gibt es im Moment fast nur die Deutsche Bahn AG. Hier muss man wirklich darauf schauen, dass der auch wettbewerblich genutzt wird. Und da steht es im Koalitionsvertrag noch nichts drin, das ist auch noch zu früh, aber das ist ein wichtiger Aspekt. Wenn wir am Ende nur die Deutsche Bahn AG haben, die diesen Takt bedient, dass kann die ja jetzt schon machen, die gibt es ja. Nur, dann hätte sie halt einen aufstellen sollen. Ich glaube wir brauchen auch im Fernverkehr mehr Wettbewerb, der würde uns allen guttun. Gerade um die Ziele zu erfüllen, dass wir den Personenverkehr verdoppeln. Das geht am besten über eine wettbewerbliche Struktur
00: 21:31: Wie könnte so eine wettbewerbliche Struktur dann aussehen?
00: 21:36: Was man machen könnte wäre, dass man sagt, wenn wir diesen Taktfahrplan haben, dass wir dann die einzelnen Frequenzen in eine Vergabe geben, so wie jetzt beim Regionalverkehr. Beim Regionalverkehr wird ausgeschrieben, wer bedient das Gebiet Berlin für die nächsten 15, zehn oder 20 Jahre – je nachdem wie lang die Zeiträume sind. Hier könnte man sagen, wer bedient die Strecke Hamburg München um 10:00 Uhr, wer bedient die Strecke um 11:00 Uhr, wer bedient die Strecke um 12:00 Uhr. Dann gebe es Wettbewerb um diese Taktfahrzeiten und ich glaube das wäre insofern ein Riesenvorteil gegenüber heute, da jetzt ein Wettbewerber wie Flixtrain dann mal eine Strecke zu einem Zeitpunkt bedient. Hier könnte man aber dann sagen, ich kaufe mir ein Paket also ich ersteigere mir ein Paket, ich bediene nicht nur diese eine Strecke, sondern bediene diese Strecke fünf Mal am Tag und gleichzeitig bediene ich die Strecke Stuttgart München noch – also ich kaufe ein gesamtes Paket. Und gleichzeitig kann ich mir noch sicher sein, zur gleichen Zeit fährt nicht die Deutsche Bahn AG, weil, ich habe den Takt ersteigert. Jetzt muss man noch Sorge haben, wenn hier eine Strecke erweitert wird, dass dann die Deutsche Bahn AG auch ihr Angebot verbessert und das wäre dann hier nicht mehr der Fall. So könnte eine Versteigerung dieser Taktfrequenzen wirklich einen Wettbewerbsimpuls geben.
00: 23:04 Würde das dann nicht ein großes Chaos bedeuten, wenn jetzt verschiedene Anbieter auf der Schiene miteinander konkurrieren würden mit verschiedenen Preisen?
00: 23:12: Im Flugverkehr kennen wir das ja und das ist jetzt kein Chaos. Im Flugverkehr bucht man bei dem einen oder anderen. Dann kommt aber hinzu, dass man dann zum Beispiel die Tickets gegenseitig anerkennen lässt. Also wenn der eine Zug Verspätung hat, darf man den anderen Zug nehmen? Das ist noch nicht ganz klar, was da die richtige Lösung ist. Also wenn man zum Beispiel nach Paris fährt oder nach Brüssel kann man ja auch den Talis nehmen und da kann man nicht einfach von dem Talis ist auf den ICE umsteigen oder umgekehrt. Aber das hat bisher auch geklappt, also dann muss man halt mal eine halbe Stunde länger warten, wenn man den einen Zug verpasst hat oder der eine Verspätung hat. Also insofern wird man das sehen, diese Gedanken sind aber da. Im Regionalverkehr kennen wir das schon. Im Regionalverkehr gibt es Tarifverbünde, da kann ich mein Ticket auch in anderen Regionalverkehrsbereichen nutzen, die haben sich geeinigt darauf. Da fließen auch Zahlungen zwischen den Unternehmen – also da kennen wir das. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass wir das im Fernverkehr dann auch haben wollen.
00: 24:10: Viele Menschen fürchten ja auch dass mehr Wettbewerb bei der Bahn zu höheren Preisen und schlechterer Anwendungen führen würde, weil die Unternehmen dann darauf aus sind, Profit zu machen. Teilst du diese Sorge oder was würdest du dazu sagen?
00: 24:22: Eigentlich sind wir der festen Überzeugung, dass Wettbewerb dazu führt, dass Unternehmen kostengünstiger arbeiten, dass sie bessere Qualität anbieten, dass sie günstigere Preisen führen und höherer Qualität. Ich will das erneut vergleichen mit dem Flugverkehr. Der Flugverkehr in Deutschland ist fast nur Lufthansa, aber der internationale Flugverkehr, da herrscht ein sehr starker Wettbewerb. Und jetzt kann man sich beschweren, dass die Tickets so billig sind, um nach Mallorca oder nach Rom zu fliegen, aber sie sind billig. Das liegt auch daran, weil wir da so einen starken Wettbewerb haben im Flugverkehr. Deswegen halte ich das Argument für ein vorgeschobenes Argument. Wenn wir einen guten Wettbewerb haben, dann sorgt gerade der Wettbewerb dafür, dass es kostengünstig und auch qualitativ hochwertig ist.
00: 25:05: Schauen wir zum Abschluss doch Nochmal auf den ganzen Vertrag, Stichwort Bezahlbarkeit. Das sind ja doch jetzt sehr viele ambitionierte Pläne. Meinst du der Haushalt macht da mit?
00: 25:16: Das ist die große Frage des Koalitionsvertrags, wie sieht die Finanzierung des Programms aus. Da muss man ein bisschen schauen, also das andere Thema des Vertrags ist ja auch die Digitalisierung und der Breitbandausbau. Das machen die Unternehmen schon selber. Oder jetzt im Strombereich den Netzausbau, auch das machen die Unternehmen und das schlagen die auf die Netzgebühren auf. Also insofern braucht es da kein staatliches Geld, da sind eher die Planungsverfahren das entscheidende. Die erneuerbaren Energien, im Vertrag steht zwar, dass das eh irgendwann auslaufen soll, aber noch werden die über das EEG finanziert. Also auch da braucht es kein staatliches Geld. Nichtsdestotrotz: Im Schienenbereich, auch die Unternehmen, die jetzt umstellen sollen auf Wasserstoff – auch da ist die Frage, ob es da nicht Unterstützung durch die öffentliche Hand geben soll. Also: Finanzierung ist ein großes Thema. Der Vertrag nennt eine Reihe von Punkten, wie sie das angehen wollen im Rahmen der Schuldenbremse, indem sie die KfW-Bank stärker nutzen, auch die Deutsche Bahn kann als Infrastrukturgesellschaft ja Kredite aufnehmen und dann das Schienennetzwerk finanzieren, das würde nicht unter die Schuldenbremse fallen. Also da gibt es eine Reihe von Instrumenten, die die Regierung nutzen kann. Und dann muss man halt auch an die Ausgaben gehen, und schauen, ob man da was einsparen kann. Also das wird uns die nächsten Jahre beschäftigen.
00: 26:32: Jetzt haben wir ja exemplarisch auf zwei Themengebiete geschaut. Siehst du da noch weiteren Handlungsbedarf, damit die Ampel Koalition ihrem Anspruch an den Klimaschutz gerecht wird?
00: 26:45: Wir haben einen riesen Handlungsbedarf und ich glaube da sind noch viele Fragen nicht geklärt. Energiemarktdesign ist ein Thema, dass der Koalitionsvertrag anspricht. Aber wie schaffen wir es, dass wir die Windkraftwerke an die richtige Stelle bekommen. Wenn wir nur im Norden Deutschlands Wind produzieren, dann hilft das dem Süden nicht, wo die Kernkraftwerke jetzt auslaufen und auch die Kohlekraftwerke bisher stehen, weil das kriegt das Netz – auch wenn es weiter ausgebaut ist –nicht transportiert. Der Vorschlag der Ökonomen ist ja regionale Preissetzung im Strommarkt, das ist ein Thema. Wasserstoff wird uns in der nächsten Zeit sehr beschäftigen. Wie bekommen wir den Wasserstoff erzeugt aber auch transportiert, wie sehen da die Netze aus? Das ist jetzt noch sehr früh, weil keiner genau weiß, wieviel Wasserstoff wir dann später auch benutzt werden und wieviel das Ausland produziert, aber da kommen noch eine ganze Reihe von großen Aufgaben auf uns zu. Wie bekommen wir die Unternehmen dazu, dass sie auch Gewinne machen können mit erneuerbaren Energien oder mit der Umstellung auf nachhaltige Produktion. Da sind auch Gedanken drin im Koalitionsvertrag, aber das wird noch eine Riesenaufgabe werden. Also deswegen: Die Regierung ist in manchen Bereichen nicht zu beneiden für die nächsten 4 Jahre. Sie muss die Weichen sehr massiv stellen und da die Unternehmen und die Arbeitnehmer mitnehmen, das ist eine große Aufgabe. Vielleicht noch ein letzter Punkt, der mir auch sehr wichtig ist. Die Energiewende ist ja nicht ein deutsches Thema, sondern ein europäisches Thema, eigentlich sogar ein weltweites Thema. Der Vertrag spricht sich auch dafür aus, das Klimaschutzprogramm der EU zu unterstützen, was alles sehr sinnvoll ist. Wo die Überlegungen noch zu gering sind: Was hat das dann für Auswirkungen für Deutschland? Müssen wir dann eigene Klimaschutzziele haben oder sind wir nicht Teil von Europa und den europäischen Klimaschutzzielen. Diese Frage, die bisher nicht so gravierend war, die stellt sich aber jetzt noch viel stärker, weil es auch teuer wird, weil Klimaschutz jetzt auch stark eingreift. Dieses Zusammenspiel zwischen Europa und Deutschland, ich glaube da werden wir auch in den nächsten Jahren noch einiges an Weichen zu stellen haben.
00: 27:45: Dann Wünschen wir der neuen Regierung gutes Gelingen, dass sie die richtigen Weichen stellt. Vielen Dank Achim für das Gespräch.
00: 27:52: Sehr gerne. Dankeschön Carola.
00: 27:54: Danke auch fürs Zuhören beim ZEW-Podcast. Wenn Ihnen der Podcast gefällt, freuen wir uns über ihre positive Bewertung auf Plattformen wie Apple-Podcasts. Haben Sie fragen oder Anregungen? Dann schreiben sie gerne eine Mail an podcast@zew.de. Wir freuen uns auf ihre Zuschriften.
00: 28:06: Musik
00: 28:08: Wirtschaft, Forschung, Debatten. Der Podcast des Leibniz Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.